Die Geschichte Schottlands |
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Vorgeschichte
Die Besiedelung Schottlands erfolgte nach der letzten Eiszeit
durch nomadische Jäger und Sammler, die jedoch kaum Spuren
hinterließen. Dies änderte sich mit einer neuen
Einwanderungswelle in der Jungsteinzeit ab etwa 3500 v. Chr. Die
Menschen wurden seßhaft, es bildeten sich Dorfgemeinschaften und
die Bevökerung nahm sprunghaft zu. Diese Periode scheint ein
Goldenes Zeitalter gewesen zu sein, denn es sind zahlreiche
Relikte erhalten geblieben, wie z.B. Grabkammern und Steinkreise,
die vermutlich astronomischen Berechnungen dienten.
Um etwa 1500 v. Chr. begann jene frühe Zivilisation allmählich
zu verfallen; 500 Jahre später wurde sie von bewaffneten
Einwanderergruppen überrollt. Wie die meisten frühen
Einwanderer nach Schottland kamen auch sie über die irische See
oder den Atlantik, landeten erst auf den Hebriden und erreichten
schließlich das zentrale Hochland.
Ab 600 v. Chr. drangen Angehörige keltischer Stämme in das
Land. Vor allem an der Ostküste sind aus dieser Zeit runde
Steinhütten (wheel-houses) und kleinere Hügelfestungen
(hill-forts) gut erhalten geblieben.
Zeit der Römer
Die Römer nannten Schottland Caledonia. Sie begannen 121/122
n.Chr., das eroberte Terrain mit dem rund 120 km langen
Hadrianswall zu sichern, der vom Firth of Solway im Westen bis
zur Tynemündung im Osten reichte. Später wurde die Grenze
weiter nach Norden verschoben, hielt aber den Übergriffen der
nördlichen Stämme, der Pikten, nicht stand. Alle Bauwerke der
Pikten hatten Schutzfunktionen: Pfahlbauten auf künstlichen
Inseln in den Binnenseen (crannogs), unterirdische Kammern und
Tunnel (soutterains), doppelwandige Steintürme (brochs) und
kleine Steinfestungen (duns).
Die Geburt Schottlands
Zu den Pikten im Norden und Osten gesellten sich drei neue
Volksgruppen. Im 4. Jahrhundert kamen von Irland die
keltischstämmigen, gälisch sprechenden Skoten und
besiedelten die Westküste. Briten, romanisierte Kelten
vom Süden der Insel, gründeten das Königreich Strathclyde. Vom
Kontinent landeten im 5. und 6. Jahrhundert germanische
Angelsachsen an der Küste Britanniens und breiteten sich bis in
den Südosten Schottlands aus. 563 gründete der aus Irland
stammende hl. Columban auf der Insel Iona ein Kloster als Zentrum
der Christianisierung aller vier Völker.
Die politischen Machtkämpfe zwischen Skoten und Pikten endeten,
als sie sich angesichts der ständigen Bedrohung durch die
Wikinger 843 zusammenschlossen. Unter dem Skotenführer Kenneth
MacAlpine entstand das Königreich Scotia, dem 1018 noch das
Gebiet der Angeln und das Königreich Strathclyde zufielen. Damit
war Schottland in den heutigen Grenzen geeint.
Eine friedliche
Kulturrevolution
Nach der Eroberung Englands durch die Normannen 1066 unter
William the Conqueror floh der angelsächsische Adel nach Norden
und brachte die von den Römern hinterlassene hochentwickelte
Kultur (Gesetzgebung, lateinischer Kirchenritus, romanische
Architektur) mit in die Lowlands und drängte dadurch das
keltische Kirchensystem und die Traditionen der Gälen zurück.
Im 12. und 13. Jahrhundert entstanden Handelsstädte mit eigener
Rechtsfreiheit (burghs). Viele jener alten Städte hatten breite
Straßen, auf denen Markt abgehalten wurde, ein großes Kreuz
(mercat cross), einen tolbooth tower als Gefängnis im Rathaus,
eine schöne Steinkirche (kirk, oft gotisch) und eine Burg
(castle) über dem Hafen.
Die Fehde mit England
Nach einer Zeit des Friedens und des Wohlstands (1214-1285)
folgten Überfälle und Raubzüge von England, vor allem im
Grenzgebiet, den Borders. Als sich Robert the Bruce und John
Balliol um den schottischen Thron stritten, sah Edward I. von
England (der "Schottenhammer") die Chance, seine Macht
nach Norden auszudehnen. Mit Edwards Hilfe erlangte John Balliol
die Krone, verbündete sich dann aber mit Frankreich und
marschierte in England ein. Edward schlug zurück und besetzte
weite Gebiete Schottlands, so daß John Balliol schließlich
abdanken mußte. Das Land blieb besetzt und wurde von englischen
Beamten verwaltet, der schottische Adel unterwarf sich.
Ein Bürger aus den Lowlands, William Wallace, rief zum
Widerstand auf. Seine kleine Gruppe wuchs mit jedem Erfolg, bis
er die Engländer 1297 in der Schlacht bei Stirling Bridge
schlug. Im folgenden Jahr wurde seine Truppe jedoch bei Falkirk
vernichtet, er konnte untertauchen, bis er 1305 verraten und
hingerichtet wurde.
Robert the Bruce
Nachdem sich Robert the Bruce, der Enkel des einstigen Rivalen
von John Balliol, 1306 zum König hatte krönen lassen, begann er
einen langen und mühsamen Guerillakrieg gegen die englischen
Besatzer. Abschluß seines Feldzugs gegen die Engländer war sein
großer Sieg 1314 in der Schlacht von Bannockburn. 1328 wurde der
Friedensvertrag unterzeichnet, der Schottland die Unabhängigkeit
zusicherte. Nach dem Tod von Robert the Bruce folgte eine
unruhige Regierungszeit unter seinem Sohn David. Davids Neffe
Robert II. folgte auf den Thron; seine Familie hatte es bis zum
erblichen Amt der High Stewarts gebracht. Zur Verdeutlichung
dieses Status änderte sie ihren Namen von FitzAlan in Stewart,
später Stuart.
Die frühen Stuarts
Die Stuartherrschaft gleicht einem Renaissanceepos, das von
Staatsstreichen und Verrat, Mord und Racheplänen handelt. Im 15.
und 16. Jahrhundert kämpften die Könige James I. bis James V.
gegen die Einflußnahme des überstarken Adels. Jeder einzelne
Herrscher versuchte, den etablierten Adelsstand niederzuwerfen
und neue königliche Gefolgsleute zu protegieren. Aber jedesmal,
wenn ein Schritt zur Stärkung der Zentralgewalt getan war,
machte der frühe Tod des Monarchen die Entwicklung wieder
rückgängig. Erschwerend kam meist hinzu, daß der Thronfolger
noch ein Kind war.
Mary Queen of Scots
Der schottische Adel nutzte auch die protestantische Reformation
als Instrument im Machtkampf gegen den König, der sich weigerte,
dem Beispiel Henry VIII. zu folgen und die Krone durch
Konfiskation von Kirchenbesitzungen zu bereichern. Die Barone
fielen vom Monarchen ab und das geschwächte schottische Heer
wurde von den Engländern bei Solway Moss im Jahre 1542
geschlagen. Der sterbende König erfuhr noch, daß seine Frau ein
Mädchen geboren hatte, Mary Stuart.
Regenten vertraten zunächst die minderjährige Queen Mary und
schafften es noch für kurze Zeit, das Gleichgewicht zwischen
Katholiken und Protestanten zu halten. Durch vermehrte englische
Angriffe spitzte sich die Lage immer mehr zu und Königinmutter
und Kardinal Beaton regierten das Land mit Hilfe französischer
Truppen und dem Druckmittel zahlreicher Ketzerprozesse. Die Lords
der Kongregation, der protestantischen Partei, begannen jedoch
die Herrschaft zu übernehmen, unterstützt von Reformern wie
John Knox, den Agenten Elizabeths I. von England und der
fanatischen städtischen Bevölkerung. Bis 1560 plünderten sie
Kirchen und Klöster und erreichten die formelle Einführung des
protestantischen Glaubensbekenntnisses.
Mary Stuarts katholischer Glaube, ihre französische Erziehung
und die kurze Ehe mit einem französischen König nahmen die
siegreiche protestantische Partei von vornherein gegen sie ein.
1565 heiratete sie ihren leichtlebigen und intriganten Vetter
Henry Lord Darnley und nach dessen Ermordung im Jahre 1567 den
Earl of Bothwell. Man war entsetzt und gegen Ende des Jahres
mußte die Königin zugunsten ihres kleinen Sohnes abdanken. Ihr
Halbbruder, der Earl of Moray, übernahm die Herrschaft. Nach
einem erfolglosen Aufstand floh Mary an den englischen Hof.
Elizabeth I., Kusine von Marys Vater, war durch den von Mary
zeitlebens erhobenen und nicht unberechtigten Anspruch auf den
englischen Thron beunruhigt, stellte sie sofort unter Arrest und
unterzeichnete 19 Jahre später das Todesurteil der Queen of
Scots.
James VI. und die späteren
Stuarts
Es gelang Marys listenreichem und intelligenten Sohn James VI.,
dem unruhigen Land schließlich den Frieden aufzuzwingen, indem
er für ein Kräftegleichgewicht zwischen den rivalisierenden
Adeligen und einen Machzuwachs der Gerichtsbarkeit sorgte, die
Konkurrenzkämpfe zwischen ehrgeizigen Theologen beilegte und ein
effizientes Verwaltungssystem einführte. 1603 übernahm er die
englische Krone. Seine Nachkommen hatten für die Regentschaft
keine glückliche Hand und verloren bald die Bindung zu ihrem
nördlichen Königreich.
Das gesamte 17. Jahrhundert hindurch wurden England als auch
Schottland durch eine Reihe von Bürgerkriegen zerrissen. Die
religiöse Spaltung verlief mit fließenden Grenzen zwischen den
presbyterianischen covenanters und den royalistischen episcopalians.
Die Auseinandersetzungen aus politischen und wirtschaftlichen
Hintergründen waren blutig, die Kräfte ausgeglichen, bis James
VII. (in England James II.) sich offen zum Katholizismus bekannte
und einflußreiche Adelige seinen protestantischen Schwiegersohn
William of Orange ins Land riefen. Die Glorreiche Revolution von
1688 führte zum Sieg der covenanters und einer Stärkung
des Parlaments. Die Church of Scotland ist bis heute eine
starke presbyterianische Kirche geblieben. Jakobiter - die
Angehörigen der Partei, die den verbannten katholischen
Stuart-Monarchen James VII. unterstützte - gab es fast nur noch
in den Highlands und in Irland.
Die Union mit England
Mit dem 1707 abgeschlossenen Unionsvertrag sollte zwar einerseits
der protestantische Sieg gefeiert und ein einheitlicher
Wirtschaftsraum geschaffen werden, doch war zu seiner Entstehung
auch eine landesweite Bestechungsaktion nötig. Alle wohlhabenden
Einwohner der Lowlands hatten viel Geld in die
Darien-Unternehmung zur Errichtung einer Handelskolonie in Panama
investiert, die beinahe in einem Staatsbankrott endete. Zu diesem
Zeitpunkt boten die Engländer großzügig an, den Schotten alle
Verluste zu ersetzen, wenn sie in den Unionsvertrag einwilligten.
Inbegriffen war weltweiter Schutz durch die königliche Marine
und Anteil an den gewaltigen Expansionsmöglichkeiten des
britischen Empire.
Der Unionsvertrag beendete auch die kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen Highlands und Lowlands und machte
mit der Zeit den Wert der Highlands als das nationale
Zufluchtsgebiet zunichte. Die von den Highlands ausgehenden
Jakobitenaufstände der Jahre 1715 und 1719 standen zwar in einer
langen Tradition von Rebellionen, aber die Reaktion der Lowlands
war neu und folgenschwer. Unter General Wade wurden zum Zweck der
militärischen Besetzung der Highlands an strategisch wichtigen
Punkten eine Reihe von Forts und befestigten Kasernen errichtet,
die mit Straßen und Brücken verbunden wurden.
1745 - das Jahr des Bonnie
Prince Charlie
Von den Highlands aus versuchte Bonnie Prince Charlie, der Enkel
des abgesetzten Stuart-Königs James II., den britischen Thron
für die Stuarts zurückzugewinnen. Er gewann einige der
kriegerischsten Clans für seine Sache und rückte nach
anfänglichen Erfolgen in den Süden vor. Wider Erwarten
schlossen sich die englischen Jakobiten nicht an und er wurde zur
Umkehr gezwungen und auf dem Culloden Moor zur Schlacht gestellt,
wo seine Armee von den an Zahl und Bewaffnung weit überlegenen
Gegnern vernichtet wurde. Dem Prinzen gelang es, über Skye nach
Frankreich zu fliehen.
Die Unterwerfung der
Highlands
Auf den Sieg des Hauses Hanover über das Haus Stuart bei
Culloden folgte grausame Vergeltung. Mit Menschenjagden,
Enteignungen und Gesetzesänderungen wurde die Kampfkraft der
Highländer gebrochen. Den Clanchefs wurden alle Machtbefugnisse
abgesprochen, das Tragen von Waffen und Tracht und sogar das
Dudelsackspielen wurden allgemein verboten. Unerbittliche
Gerichte brachten den Galgen in jedes Tal, so daß innerhalb
weniger Jahre die Highlands "befriedet" waren.
Pachtzahlungen ersetzten das bisherige feudale Lehenssystem.
Einige Jahrzehnte erschien die wirtschaftliche Entwicklung
positiv: die Preise für Kartoffeln und Getreide, die
Grundnahrungsmittel der Armen, blieben niedrig, die Viehpreise
stiegen an. Frühkapitalisten gründeten in den Highlands
Eisengießereien, Spinnereien und Webereien und bauten
Fischereihäfen.
Das Ende der Napoleonischen Kriege führte zu einer schweren
Wirtschaftskrise. Die Preise für Fisch, Vieh und Seetang (damals
Rohstoff für Chemikalien) brachen zusammen und die ländliche
Industrie wurde fast vollständig ruiniert. Nur Schafe brachten
noch Profit, doch für sie gab es in den dichtbesiedelten Tälern
nicht genug Weideland. Viele Gutsherren waren gezwungen, ihre
Pächter zu vertreiben, um Weideland für die Schafe zu gewinnen.
Noch heute kann man überall in den Highlands Ruinen von
verlassenen Dörfern sehen. Die Vertriebenen landeten in den
Slums der Großstädte und Industriegebiete oder wanderten zu
Tausenden nach Kanada, Australien, Neuseeland und in die USA aus.
Zur Entvölkerung der gälischsprachigen Highlands kam die
gezielte Förderung der englischen Sprache durch die Kirche und
die Schulen. Glücklicherweise gelangen die Umwandlungsversuche
nur unvollständig. Insbesondere ein Gesetz Gladstones von 1886
garantierte den verbliebenen Pächtern das Land und den Zins und
ermöglichte so großen gälischsprechenden Gemeinden das
Überleben auf den Hebriden. Dort blieb Gälisch als Sprache
einer kleinen Minderheit bis heute erhalten.
Bedeutende Persönlichkeiten
Schottlands
Auf die Lowlands hatte die endgültige Niederlage der Jakobiter
weitaus günstigere Auswirkungen. Zwischen 1760 und 1860
entwickelte sich ein erstaunliches intellektuelles und
künstlerisches Leben. Edinburgh blühte als Stadt der Literatur
und Wissenschaft auf, gefolgt von Glasgow, wo man mehr zum
Pragmatismus neigte. Simpsons Einsatz des Chloroforms als
Narkosemittel und Listers Wundbehandlung mit Antiseptika schufen
wesentliche Voraussetzungen für die moderne Chirurgie. Auf
literarischem Gebiet hatten Robert Burns, James Hogg, James
Macpherson, Sir Walter Scott und später Robert Louis Stevenson
wahrhaft internationalen Rang. Ebenbürtig waren ihnen auf ihrem
jeweiligen Gebiet der Wirtschaftstheoretiker Adam Smith, die
Philosophen David Hume und Thomas Reid, der Physiker William
Kelvin und die Ingenieure James Watt, Henry Bell und Thomas
Telford. Die Architektenfamilie Adam schuf noble Adelssitze in
den Lowlands.
Die industrielle Revolution
Während all diese geistigen Leistungen erbracht wurden,
verwandelte sich das Land aus einem armen Agrarstaat am Rande
Europas in eines der bedeutendsten Zentren der industriellen
Revolution. Die Kaufleute in Glasgow machten zu Beginn des 18.
Jahrhunderts schon bald gute Geschäfte im Handelsverkehr mit
Amerika. Ein Teil ihrer enormen Gewinne wurde in neue Maschinen
und Technologien investiert. Die Region Clyde wurde zu einer der
großen industriellen Regionen der Welt. Während eine kleine
Oberschicht zu einem gewaltigen Vermögen kam, lebten die
Arbeiter in erschreckenden Elendsvierteln
Mit der Weltwirtschaftskrise und den beiden Weltkriegen ging
dieser Boom zu Ende. Die Entdeckung von Öl in der Nordsee zu
Anfang der sechziger Jahre hat dazu beigetragen, die Folgen des
Niedergangs der Schwerindustrie zu mildern. Inzwischen haben die
Produkte der Elektronikindustrie den Whisky von Platz eins der
schottischen Exportschlager verdrängt. Zehn Prozent der
weltweiten PC-Produktion wird im Silicon Glen genannten
Gebiet zwischen Glasgow und Edinburgh gefertigt.