:: Technische Daten der XV1600A ::
:: Motor ::
Bauart |
luftgekühlter
2-Zylinder-4-Takt-V-Motor |
Hubraum (ccm) |
1602 |
Ventilsteuerung |
OHV |
Ventile |
4 pro Zylinder |
Bohrung x Hub
(mm) |
95 x 113 |
Verdichtung |
8,3 : 1 |
Nennleistung |
46,3 kW (63 PS) b. 4.000/min |
max. Drehmoment |
134 Nm b. 2.250/min |
Vergasertyp |
MIKUNI BSR40x1 |
Vergaserdurchmesser
(mm) |
40 |
Zündung |
Digitale Transistor-Kennfeldzündung |
Lichtmaschinenleistung
(Watt) |
300 |
Batterie |
12 V / 18 Ah |
Starter |
Elektro |
Kupplung |
Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Getriebe |
5-Gang |
Gangstufen |
2,438/1,579/1,160/0,906/0,750 |
Primärübersetzung |
1,532 |
Sekundärübersetzung |
2,320 |
Sekundärantrieb |
Zahnriemen |
|
|
:: Das Fahrwerk :: |
|
Rahmenbauart |
Doppelschleifen-Rohrrahmen |
Federung vorn |
Telegabel |
Federung hinten |
Zentralfederbein |
Federweg vorn
(mm) |
140 |
Federweg hinten
(mm) |
110 |
Radstand (mm) |
1685 |
Lenkkopfwinkel
(Grad) |
32 |
Nachlauf (mm) |
142 |
Bremse vorn |
2 Scheiben 298 mm Ø |
Bremse hinten |
1 Scheibe 320 mm Ø |
Reifen vorn |
130/90-16 67H |
Reifen hinten |
150/80B-16 71H |
|
|
:: Abmessungen und Gewichte :: |
|
Länge (mm) |
2500 |
Breite (mm) |
980 |
Höhe (mm) |
1140 |
Sitzhöhe (mm) |
710 |
Bodenfreiheit
(mm) |
145 |
Trockengewicht
(kg) |
307 |
zul.
Gesamtgewicht (kg) |
528 |
Tankinhalt
(Liter) |
20 |
davon Reserve
(Liter) |
3,5 |
Höchstgeschwindigkeit
(km/h) |
170 |
|
Ein
Cruiser braucht zum ruhigen Dahingleiten viel Drehmoment, und das kriegt
man aus viel Hubraum. Beinahe unglaubliche 1.602 Kubikzentimeter misst
das Hubvolumen der Yamaha XV 1600 Wild Star. Wie man mit diesem
stapfenden Schiffsdiesel in der Praxis zurechtkommt, beschreibt unser
Fahrbericht.
Ein Hammer von Motor
Der Schiffsdieseleindruck kommt nicht von ungefähr - jeweils 801
Kubikzentimeter entfallen auf jeden der beiden fahrtwindgekühlten
Zylinder. Sagenhafte 113 Millimeter legen die Kolben auf jedem Weg zurück.
Die Kurbelwelle rotiert quer zur Fahrtrichtung, die zwei untenliegenden
Nockenwellen treiben die jeweils vier Ventile über Hydrostößel, Stoßstangen
und Kipphebel an - eine auch optisch eindrucksvolle, weil stark
verchromte Konstruktion. Man kann auch sagen: Ein Hammer von Motor. Nur
die Honda VTX mit ihrem 1,8 Liter großen V2-Triebwerk zerrt noch
heftiger vorwärts.
Schalten ist weitgehend überflüssig
Die Maximalleistung von 63 PS fällt bei höchst moderaten 4.000
Kurbelwellenumdrehungen an. Der Wert für das maximale Drehmoment
erreicht seinen gigantischen Gipfel von 134 Newtonmetern bereits bei
sensationell niedrigen 2.250 Touren. Selbst aus niedrigsten Drehzahlen
zieht der Zweizylinder mächtig durch. Schalten ist weitgehend überflüssig
- was im Grunde schade ist, weil das Fünfganggetriebe erstens sehr präzise
funktioniert und dank der Schaltwippe auch leicht bedienbar ist. Die
Ausleger der Wippe empfinden auf großem Fuße lebende Männer
allerdings als zu eng beieinander liegend
Treibstoffkonsum hält sich in Grenzen
Das niedertourige Vor-sich-hintuckern hält den Treibstoffkonsum in
Grenzen: Zwischen 5,7 und 6,5 Liter Normal pro 100 Kilometer sind zwar
angesichts der zumeist sehr moderat gefahrenen Geschwindigkeiten absolut
gesehen nicht wenig, aber in Relation zum gewaltigen Hubraum nicht
wirklich viel. Ein Dauertempo um 130 km/h will mit rund acht Litern
allerdings teuer bezahlt werden. Die gegenwärtig angebotene Ausführung
der Wild Star erfüllt die Euro-2-Abgasnorm.
Schiffsdieselgemäßes Brabbeln
Praktisch und unauffällig gibt sich der Zahnriemenantrieb des
Hinterrades: So gut wie wartungsfrei und ohne jede Lastwechselreaktionen
ist er eine in jeder Hinsicht saubere Lösung. Anerkennung gilt den
Akustik-Ingenieuren von Yamaha: Ein gut gedämpftes, schiffsdieselgemäßes
Brabbeln ertönt aus den beiden langen Endrohren.
Fahrwerk
Rückgrat der kolossal wirkenden Wild Star ist ein Doppelschleifenrahmen
aus Rundstahl. Er sorgt in Verbindung mit dem langen Nachlauf des
Vorderrades für Ruhe auch bei einer Höchstgeschwindigkeit von immerhin
170 km/h. In der Praxis lässt man es freilich weitaus langsamer
angehen, denn die gesamte Auslegung dieses 335 Kilogramm schweren
Cruiser-Dampfers animiert zum gelassenen Dahinrollen. Auf gut
asphaltierten Straßen mit nicht allzu engen Kurven ist die Wild Star
sehr angenehm zu fahren.
Federung
Erstaunlicherweise macht sie selbst auf drittklassigen Landstraßen noch
eine gute Figur: Die Federung des Hinterrades ist trotz des mit 110
Millimetern höchst durchschnittlichen Federweges für Cruiser-Verhältnisse
ausgesprochen komfortabel geraten.
Werden kurvige Nebenstraßen wellig, findet der Fahrspaß schnell sein
Ende: Die Fuhre wankt und schaukelt dann und signalisiert deutlich, dass
sie ruhigere Gewässer bevorzugt. Das hintere Federbein ist unsichtbar
liegend hinter dem Motor "versteckt" und wird mit Hilfe eines
Hebelsystems an die Dreiecksschwinge angelenkt. Optisch erscheint das
Heck der Wild Star ungefedert. Die vordere Telegabel mit 43 Millimeter
Standrohr-Durchmesser macht ihre Sache untadelig.
Geringe Schräglagenfreiheit
Gewöhnungsbedürftig ist die geringe Schräglagenfreiheit der Wild
Star; die bei Bodenkontakt hochklappenden Trittbretter sind selbst bei
zurückhaltender Fahrweise verhältnismäßig häufig in Bewegung. In
Rechtskurven setzt bei stärkerer Schräglage auch der Rahmen auf,
weshalb man das Kurventempo sorgsam dosieren sollte.
Bremsanlage
Die ausreichend dimensionierte Bremsanlage besteht aus einer
Doppelscheibenbremse vorne und einer hinteren Einzelscheibe. Die
Vorderbremse ist gut dosierbar und erfordert nicht allzu große Handkräfte,
die Hinterradbremse blockiert beim Tritt auf das breite Bremspedal
schnell, wobei das Heck dann ausbricht.
Rangieren fällt nicht leicht
Wer die XV 1600 das erste Mal vom Seitenständer nimmt, stöhnt unwillkürlich:
Sooo viel Motorrad! Rangieren fällt angesichts der fast sieben Zentner
wirklich nicht leicht. Rollt die Fuhre aber einmal, ist keine
Schwerarbeit mehr erforderlich. Sämtliche Bedienungselemente wie
Kupplung oder Schaltung funktionieren leichtgängig, alle Schalter und
Hebel sitzen an der richtigen Stelle. Als fummelig wird allerdings der
Tankverschluss empfunden. Die Hupe klingt arg mickerig und passt eher
auf eine 125er als auf ein so gewaltiges Motorrad.
Kombiniertes Zünd-/Lenkschloss
Gänzlich ungewohnt für Cruiser-Verhältnisse ist das kombinierte,
zentral montierte und daher sehr bedienungsfreundliche Zünd-/Lenkschloss
- meist verstecken die Designer das Zündschloss irgendwo seitlich am
Rahmen. Ins Zündschloss integriert ist die Entriegelung des
Fahrersitzes. Unter ihm verstecken sich das Werkzeug und der Ölpeilstab.
Der Zahnriemen ist gut gegen Schmutz geschützt.
Verarbeitung
Die Verarbeitung der Wild Star wirkt gediegen. Die Kotflügel sind aus
Blech mit - allerdings aufgeklebtem - Zierlinien-Dekor. Die Halterung
der Lenkerarmaturen aus poliertem Aluminium wie auch die aus demselben
Material gefräste obere Gabelbrücke wirken so edel wie die von einem mächtigen
Chromkranz eingefasste Tankkonsole. Sie enthält einen dezent gestylten,
aber elektronisch angesteuerten Tachometer.
Das Display beherbergt neben dem Wegstreckenzähler auch eine kleine
Digital-Zeituhr. Die Tank-Kontrollleuchte ist im Grunde überflüssig,
weil es - heute eher ungewöhnlich - auch einen (verchromten!)
Reservehahn gibt.
Sitzposition
Die Sitzposition ist für den Fahrer - immer gemessen an Cruiser-Maßstäben
- ausgewogen. Der Soziusplatz ist überdurchschnittlich bequem. Die
Beine müssen nur mäßig abgewinkelt werden. Fürs lange Touren ist die
1600er freilich trotzdem nicht gemacht.
Preis und Zubehör
Für die Wild Star, die 2002 vollkommen unverändert angeboten wird,
wandern inklusive Nebenkosten 11.500 Euro (22.492 Mark) über den
Ladentisch. 1.290 Euro (2.523 Mark) mehr kostet die Silverado-Version
und bietet zusätzlich ein Windschild, zwei lederne, gut verarbeitete
Gepäcktaschen und eine Rückenlehne für den Soziussitz. Alle
Silverado-Features sind auch einzeln erhältlich. Das Windschild ist
nach Lösen diverser Schrauben in der Höhe verstellbar; damit können
Turbulenzen beeinflusst werden.
Fazit: Ein Bike für Kolossal-Cruiser-Fans
Wer auf Kolossal-Cruiser steht, dürfte nicht enttäuscht werden: Der
Motor wirkt nicht nur mächtig, sondern stampft auch so los. Das
Fahrwerk ist zwar nicht superhandlich, aber ausreichend komfortabel.
Bedienung und Praxistauglichkeit gehen voll in Ordnung, wenn man den
dicken Dampfer artgerecht bewegt.
Yamaha offeriert mit der Wild Star einen gelungenen Cruiser: Sie
vermittelt das Gefühl, dass Harley drin ist, obwohl (nur) Yamaha
draufsteht. Ein Kompliment, auch wenn die XV 1600 natürlich - wie alle
japanischen Cruiser - im Grunde eine Art "Raubkopie"
darstellt.
|
FAHRBERICHT YAMAHA XV 1600 WILD STAR
Bigger is better - dies gilt vor allem für die Cruiser-Fraktion. Mit 1,6
Litern Hubraum schoss die Yamaha Wild Star immerhin für zwei Jahre den Vogel am
Hubraumhimmel ab. Erst in der Saison 2001 setzte Honda mit der monströsen VTX
1800 den neuen Zenit. Dabei braucht Yamaha´s XV 1600 Wild Star keineswegs
Minderwertigkeitskomplexe zu bekommen: Ihre Ausstrahlung ist mindestens genauso
gewaltig. Das bemerkt man spätestens, wenn man die Yamaha vom Seitenständer in
die Senkrechte hieven will. Aha, es muss also schon eine kräftige Hand her.
Gigantisch lange Zylinder füllen den größten Teil des Raumes zwischen
Fahrbahn und Tank. Lange 113 Millimeter Hub, eine hochbauende
OHV-Ventilsteuerung mit langen Stößelstangen nebst schwerer Hydrostößel der
jeweils zwei Ein- und Auslassventile benötigen eine ganze Menge Platz. Schön,
dass sich durch den Wegfall der Ventilspieleinstellung die Inspektionskosten im
unteren Bereich des üblichen Rahmens bewegen. 63 PS bei dezenten 4.000 min-1
sollen reichen, schließlich ist die größte XV nichts für den eiligen Ritt.
Die daraus resultierende Literleistung von hitverdächtig niedrigen 39,35 PS,
erklären den Schiffsdiesel-Charakter der Wild Star. Das maximale Drehmoment von
134 Nm ist ebenso selbstredend und verfehlt in Anbetracht der niedrigen Drehzahl
von gerademal 2.250 min-1 seine Balsamwirkung nicht. Es macht Laune, den starken
Bizeps spielen zu lassen, bar jeder Anstrengung 10-prozentige Steigungen zu
erklimmen und dabei genussvoll den sonoren V2-Klang zu genießen. Wem jetzt das
Herz auf geht, für den ist die Wild Star genau die Richtige.
In engen Kehren fällt das weit nach hinten gekröpfte Lenkrohr auf. Eine etwas
geradlinigere Form, ähnlich der Drag Star-Modelle, würde mehr Beinfreiheit
lassen und so das Manövrieren erleichtern. In Sachen Handling zeigt sie sich
hingegen unerwartet problemlos. Beschwingt gleitet man von einer Kurve zur nächsten,
ohne das man das gewaltige Gewicht auch nur erahnen kann. 325 Kilogramm,
angetrieben von einem mächtigen V2, der angesichts seiner überaus kultivierten
Lebensäußerungen seines Gleichen sucht - das ist die handfeste Sprache, die
echte Cruisisten verstehen. Es ist wahrlich eine Wonne, mit diesem Trumm von
Motorrad über gut ausgebaute Straßen zu flanieren. Dann allerdings ist es nur
eine Frage der Zeit bis die ersten Schleifgeräusche der Trittbretter für den
zweiten Aha-Effekt sorgen: Wild Star fahren ist gleichbedeutend mit Gemütlichkeit.
Im fünften und damit letzten Gang lässt es sich ab etwa 60 km/h herrlich durch
die Lande gondeln. Darunter mahnt der riesige V2 durch unrunden Lauf allerdings
zum Herunterschalten. In der Praxis bewegt man sich meist zwischen dem zweiten
und vierten Gang, wobei der Gangwechsel auf Wunsch auch über die Schaltwippe
ausgeführt werden kann. Lastwechselreaktionen werden durch den wartungsarmen
Zahnriemenantrieb beinahe völlig eliminiert.
Sollte es wirklich einmal nötig sein, die Wild Star abrupt zu verzögern, kann
auch die Bremsanlage durchaus zufrieden stellen. Wer herzhaft am Handbremshebel
zieht hat grundsätzlich wenig Grund zur Klage. Nur ist sie ist halt nichts für
die verwöhnte Einfinger-Generation. Eine passable Unterstützung liefert die
Scheibenbremse am Hinterrad, die jedoch bei Nässe schneller als erwartet zum
Blockieren neigt. Fahrwerksseitig verfügt die XV über ausreichend Reserven.
Selbst bei Top-Speed von 175 km/h wackelt nichts - aufrecht sitzend natürlich!
Eine parallel gefahrene, mit Windschild und Koffern ausgestattete XV 1600
Silverado gibt sich da nicht ganz so souverän. Ein gewisses Maß an
Nehmerqualitäten stellt jedoch auch die Standard-Wild Star in Sachen
Federelemente an den Fahrer: Was auf gepflegten Landstraßen als durchweg okay
durchgeht, kommt spätestens auf buckeligen und mit schroffen Absätzen
versehenen Landstraßen an seine Grenze. Doch man kann´s auch positiv sehen,
denn schließlich ist es ein Grund mehr, um es gemächlicher angehen zu lassen.
Die Ausstattung ist ebenfalls auf möglichst großen Komfort ausgelegt. Sämtliche
Bedienungselemente sind in bester Qualität gefertigt und überzeugen durch
einwandfreie Bedienung. Auch die per Bowdenzug betätigte Kupplung lässt sich
perfekt dosieren. Doch ein echter Tourer will die XV 1600 Wild Star nicht sein -
dazu ist der Soziuskomfort zu eingeschränkt und das Gewicht definitiv zu hoch.
Und auch die auf dem 20-Liter-Tank positionierten Instrumente lassen sich nicht
wirklich gut ablesen. Aber schön schaut´s schon aus, gell...? Daran ändert
auch die Funktionalität nichts: Zwei digitale Tages- und ein Tageskilometerzähler,
Uhrzeit, analoge Kraftstoffanzeige (mit Frühwarnwirkung), und dem üblichen
Rest. Doch man muss ja nicht gleich bis ans Ende der Welt fahren, um sich das
Recht am besonderen Genuss zu gönnen.
|
Yamaha
XVS 1600 Wild Star |
Vor mir verschwindet das
schier unendliche Asphaltband am Horizont, unter mir verrichten die
zwei mächtigen Kolben des großvolumigen V 2 ihre Arbeit in stoischer
Gleichmäßigkeit. Bereits vor etlichen Kilometern ist die Hektik des
Alltags von mir geflogen und das Gefühl von Freiheit hat von mir
Besitz ergriffen. |
|
Nein, ich bin
nicht auf der Rote 66 unterwegs, sondern im heimatlichen
Ostfriesland und ich sitze auch nicht auf einem Produkt aus
Milwaukee, sondern auf der Yamaha XV 1600 Wild Star. Dass die
norddeutsche Tiefebene über unzählige stur geradeaus
verlaufende Straßenkilometer verfügt, ist wahrlich nichts
neues, dass Cruisen innerhalb der erlaubten Meilen pro Stunde
- Entschuldigung - Kilometer pro Stunde natürlich unheimlich
entspannend sein kann, hat mich erst der Hubraumriese von
Yamaha gelehrt.
Als ich die Wild Star vor zwei Stunden vom Yamahahändler übernommen
habe, war ich von ihrem imposanten Erscheinungsbild durchaus
beeindruckt. Alles wirkte fast ein wenig überdimensioniert.
Der wuchtige Scheinwerfer, die beiden an Sidepipes erinnernden
Schalldämpfer, die beiden riesigen Zylinder und nicht zuletzt
der massige Hinterradkotflügel und die dicken Gabelholme
verwerfen jeden Gedanken an Leichtbauweise. Ein Blick in den
Fahrzeugschein bringt Bestätigung: 307 Kilogramm Lebend....
äh.. Leergewicht und eine Zuladung von über 200 Kilogramm
sind Werte wie aus dem Stabilbaukasten. Und dennoch bedarf es
keines Körperbaus a la Arnold Schwarzenegger, die Wild Star
vom Seitenständer aufzurichten und Richtung Ausgang zu manövrieren.
Der tiefe Schwerpunkt und die niedrige Sitzposition sind beim
Rangieren äußerst angenehm und lassen mich mit meinen 175
Zentimetern und 75 Kilogramm (na ja vielleicht sind es auch
ein oder zwei Kilogramm mehr) beileibe nicht verzweifeln.
Die Starrahmenoptik ist zwar genau wie die an Königswellentunnel
erinnernden Verkleidungen der Stoßstangen nur eine gewollte
optische Täuschung, denn dahinter verbirgt sich moderne
Fahrwerktechnik, runden aber das Erscheinungsbild der Wild
Star in wohltuender Weise ab.
Ein Druck auf den Anlasserknopf und die zwei nahezu
bierfassgroßen Kolben nehmen ihre Arbeit nachdrücklich und
unzweifelhaft auf. Im Leerlauf schüttelt der langhubige stoßstangengetriebene
(!) Achtventilmotor mächtig und lässt keinerlei Zweifel über
die vorhandenen Massenkräfte aufkommen. Nach einer kurzen
Warmlaufphase und Einlegen des ersten der fünf Gänge kann
das Cruiservergnügen beginnen. Und siehe da, mit steigender
Drehzahl steigt auch die Laufkultur des V 2 und bei
Nenndrehzahl um die 3.000 U/min. verbleiben nur noch die
durchweg als angenehm empfundenen niederfrequenten Vibrationen
des beindruckenden Antriebs.
So habe ich ohne Umwege die innerstädtischen Straßen
verlassen und mir meinen Highway gesucht. Da die Straßen in
Ostfriesland aber auch hin und wieder mal eine Kurve bieten,
habe ich mich davon überzeugen können, dass 300 Kilogramm
Cruiser nicht unbedingt unhandlich sein müssen. So lässt
sich die XVS auch ohne Probleme auf kurvenreicherem Terrain
bewegen. Lediglich besonders enge Ecken wollen mit Nachdruck
eingelenkt werden, fällt der Radius ansonsten jedoch etwas größer
aus als gewollt. Aber sie ist wesentlich handlicher, als ihr
„Standbild“ es mir glauben machen wollte.
Auch der Federungskomfort der Wild Star kommt ihrem Fahrer auf
den schlecht geflickten Kreisstraßen in Ostfriesland sehr
entgegen, lässt sie die starken Stöße der Fahrbahnabsätze
doch kaum bis zu ihm vordringen. Das Fahrwerk erweist sich als
außerordentlich stabil und ist kaum zu beeindrucken.
Lediglich Längsrillen lassen wohl auf Grund der breiten
Bereifung Unruhe ins Fahrwerk gelangen, die zwar störend
wirken, aber niemals besorgniserregende Ausmaße annehmen.
Auch die Bremsanlage der Wild Star ist über jeden Zweifel
erhaben und fängt die 300 Kilogramm der Yamaha, meine 75
Kilogramm und die ..... Kilogramm meiner Ehefrau (bei Frauen
ist das doch immer ein Geheimnis) jederzeit sicher wieder ein.
Insbesondere auch die hintere Scheibenbremse ist sehr gut
dosierbar und zeigt deutliche Wirkung.
Da die Straßen im heimatlichen Ostfriesland aber wirklich in
einem an die neuen Bundesländer erinnernden Zustand sind (vor
der Wende natürlich) nehme ich Kurs Richtung Emsland, wo die
Besiedlung zwar noch dünner, die Straßen aber erheblich
besser werden. Und nun ist wahres Cruisen angesagt. Der mächtige
V 2 mit seinem enormen Drehmoment von134 Nm bei nur 2.250
U/min. (in Worten: zweitausendzweihundertundfünfzig) wirkt
einfach nur souverän. Wer seine Leistung von 63 Pferdchen aus
1600 Kubikzentimetern schöpft, dem ist jegliche Hektik fremd.
Und die Souveränität der Wild Star überträgt sich auf
mich.
Dort, wo ich sonst den Hahn bis zum Anschlag aufziehe und
meine Fahrerlaubnis aufs Spiel setze, halte ich jetzt jede
Geschwindigkeits beschränkung auf das genaueste ein - und es
fällt mir nicht einmal schwer. Kurven, in denen ich sonst die
Schräglagengrenze meines Supersportlers anteste durchfahre
ich gemächlich und auch überholende GTIs, die ich sonst in
ihre Grenzen verweise, stören mich in keinster Weise. Relaxen
ist angesagt und das geht mit der Wild Star fantastisch.
Die erlaubte Höchstgeschwindig-keit auf Bundesstraßen ist
zugleich der Geschwindigkeitsbereich in dem sich die Yamaha am
wohlsten fühl. Und jetzt fühle ich mich auf einmal auch
Wohl. Die Hektik des Alltags ist vergessen und mein Puls
bewegt sich in gesundheitsfördernden Regionen.
Das Getriebe der Wild Star braucht hinter dem
Ortsausgangsschild dank des enormen Drehmoments nicht bemüht
werden, was nicht heißen soll, es sei leicht und exakt zu
bedienen. Aber warum soll ich die Füße von den bequemen
Trittbrettern (klappbar) nehmen, wenn auch ein kurzer Dreh am
Gasgriff ausreicht. So lasse ich mir schaltfaules Fahren äh...
Cruisen gefallen.
Mein Blick fällt auf die Uhr im klassisch gestylten
Kombiinstrument, welches alle notwendigen Informationen in gut
ablesbarer Form bereit hält. Tatsächlich, ich bin schon drei
Stunden unterwegs. Die Zeit ist nur so verflogen und meine
Knochen haben auch noch nicht rebelliert. Wenn ich bislang auf
einem Chopper unterwegs war, begann sich meistens nach ein
oder zwei Stunden mein Rücken zu melden.
Aber dank der bequemen Sitzposition auf der Wild Star mit
ihrem weichen Sitzkissen und ihrem hervorragend ergonomisch
geform- ten Lenker haben meine alten Knochen die drei Stunden
klaglos überstanden. Ach ja meine bessere Hälfte fährt ja
auch noch mit.
Hatte sie beim Anblick des Sitzbrötches für den Sozius nicht
Klagen geäußert? Nein, wie sie mir später berichtet, fühlte
sie sich sehr kommod untergebracht, viel angenehmer wie sie es
vorher erwartet hatte. Bevor es wieder gen Heimat geht wird
noch die nächste Tanke angefahren und hier wartet eine
durchaus positive Überraschung auf uns. Keine sieben Liter
hat sich die Wild Star gegönnt, ein Wert, den ich in
Anbetracht des Hubraumes nicht erwartet hätte. Wieder zu
Hause angekommen stelle ich die XVS 1600 Wild Star auf der
Auffahrt ab und muss feststellen, das sie jede der 21.500,--
DM (incl. 365,-- DM Nebenkosten) ihres Kaufpreises Wert ist.
Immerhin erhält man 14,3 Gramm Motorrad für eine Mark, bei
Supersportlern gibt es gerade die Hälfte.
Und morgen werde ich wieder Cruisen, auch die Sonntagsfahrer,
die dann unterwegs sind und mich sonst immer stören, werden
mich nicht aus der Ruhe bringen. Schade, dass es die Wild Star
für Hektiker nicht auf Krankenschein gibt, so mancher
Herzinfarkt könnte so verhindert werden. |
|
Wertung:
drehmomentstarker Antrieb
bequeme Sitzposition
echte Cruiser-Optik
kultivierter Motorlauf
langlebige Technik
Rangieren nur mit festem Schuhwerk empfehlenswert
keine Abgasreinigung
Technische Daten:
Modell |
XV
1600 Wildstar |
Bauart |
luftgekühlter
2-Zylinder-4-Takt-V-Motor |
Hubraum
(ccm) |
1602 |
Ventilsteuerung |
OHV |
Ventile |
4
pro Zylinder |
Bohrung
x Hub (mm) |
95 x 113 |
Verdichtung |
8,3
: 1 |
Nennleistung |
46,3 kW (63
PS) b. 4.000/min |
max.
Drehmoment |
134
Nm b. 2.250/min |
Vergasertyp |
MIKUNI
BSR40x1 |
Vergaserdurchmesser
(mm) |
40 |
Zündung |
Digitale
Transistor-Kennfeldzündung |
Lichtmaschinenleistung
(Watt) |
300 |
Batterie |
12 V / 18 Ah |
Starter |
Elektro |
Kupplung |
Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Getriebe |
5-Gang |
Gangstufen |
2,438/1,579/1,160/0,906/0,750 |
Primärübersetzung |
1,532 |
Sekundärübersetzung |
2,320 |
Sekundärantrieb |
Zahnriemen |
Rahmenbauart |
Doppelschleifen-Rohrrahmen |
Federung
vorn |
Telegabel |
Federung
hinten |
Zentralfederbein |
Federweg
vorn (mm) |
140 |
Federweg
hinten (mm) |
110 |
Radstand
(mm) |
1685 |
Lenkkopfwinkel
(Grad) |
32 |
Nachlauf
(mm) |
142 |
Bremse
vorn |
2 Scheiben
298 mm Ø |
Bremse
hinten |
1
Scheibe 320 mm Ø |
Reifen
vorn |
130/90-16
67H |
Reifen
hinten |
150/80B-16
71H |
Länge
(mm) |
2500 |
Breite
(mm) |
980 |
Höhe
(mm) |
1140 |
Sitzhöhe
(mm) |
710 |
Bodenfreiheit
(mm) |
145 |
Trockengewicht
(kg) |
307 |
zul.
Gesamtgewicht (kg) |
528 |
Tankinhalt
(Liter) |
20 |
davon
Reserve (Liter) |
3,5 |
Höchstgeschwindigkeit
(km/h) |
170 |
FAZIT:
Die Welt schreit nach Superlativen. War es 1999 noch Yamaha´s 1600 Wild Star
selbst, ist es heute die junge Generation der Power-Cruiser namens Honda VTX
1800 oder Harley V-Rod. Eine Wild Star braucht diesen Trend nicht und bekennt
sich offen zum Cruiser in seiner reinsten Form: Schwer, lang und mit einer
Sitzposition, die eher an ein Sofa als ein Zweirad im eigentlichen Sinne
erinnert. Eine Wild Star ist Genuss ohne Ende - die "Mon Chéri" unter
den Zweirädern sozusagen. Und angesichts dessen ist der Preis von 11.310 EURO
wirklich nicht überzogen.
Text & Fotos: Ulrich Hoffmann