Pinsel, Farbe, Leinwand, Bewegung der Hand und die verstreichende Zeit...

 

Dr. Magdalena Hörmann

 

 

Text zur Ausstellung: "Keine Bilder" im Kunstforum Montafon

 
 

 

... eine Situation des Suchens, des Drängens

"Keine Bilder" nennt der Tiroler Künstler Armin Klein, den es hier vorzustellen gilt, seine Arbeiten. Und beschreibt mit dieser Negation, die eigentlich keiner Realität entspricht, weil es nach wie vor Bilder und Zeichnungen sind, die er vorlegt, eher eine Haltung, eine Situation des Suchens, des Drängens, in der er sich befindet und die er zu artikulieren strebt. Genügend schöne Diesseitigkeit, um bei diesem Bild zu bleiben, liegt hinter ihm: nach dem Besuch einer landwirtschaftlichen Schule kam bei ihm der Entschluss, es mit der Ausbildung als Holzbildhauer zu versuchen. Er absolviert sie an der bekannten Schnitzschule in Elbigenalp im tirolischen Lechtal und übt diesen Beruf dann auch aus, hat ein eigenes Atelier im Heimatort St. Jakob in Defreggen, wo es sich durchaus leben ließe. Aber mit Heftigkeit meldet sich der Wunsch nach einer rein künstlerischen Existenz und er geht, ungewöhnlich genug für einen "normalen" Künstler aus den österreichischen Bundesländern, nicht nach Wien, sondern an die Kunstakademie in Florenz. Er denkt dabei an die Sprache, den anderen Kulturraum, die Nähe zu solider Handwerklichkeit, die ihm liegt und dort noch erstaunlich präsent ist. Und es passt. Mit dem Diplom in der Tasche folgt ein weiterer konsequenter Schritt, nämlich die Übersiedlung nach Wien, wo er nun seit mehreren Jahren lebt und mit der ruhigen Reserviertheit die ihm eigen ist die andere, die neue Situation beobachtet, erlebt und seine Arbeit einzubringen und zu positionieren sucht. Die Ausstellung in Schruns ist sein erster großer Auftritt, er erfolgt in einer Umgebung, die ihm schon von seiner Teilnahme als Lehrer am Sommerkurs vertraut ist, und in einer Galerie, die zu den besten Adressen in den westlichen Landen gehört Er freut sich mit Recht sehr über diese Präsenz.

Eine Art Endlosschleife des Farben- und Formenentwerfens

Die Arbeiten, die er zeigt, teilen sich deutlich in zwei Gruppen. Das eine sind großformatige Acrylbilder auf Leinwand. Sie sind bis zum Rand musterig gefüllt mit gestischen, sich mannigfach überlagernden Strichpartien und Lineamenten. Eine Nähe zu geometrischen Formationen ist da, wird aber offensichtlich als zu konkret empfunden und löst sich in Verwischungen und Verunklärungen auf. Es ist eine Art Endlosschleife des Farben- und Formenentwerfens, die hier demonstriert erscheint, nichts Gestalterisches, "keine Bilder", nichts, was auf Inhalte hin konstruiert ist, liegt vor. Die konzeptuelle Haltung ist unübersehbar. "When attitudes become form", hatte es einst in der klassischen concept art geheißen, auch Klein stellt den Prozess der künstlerischen Arbeit selbst in den Mittelpunkt und beschäftigt sich mit dessen Bedingungen. Deshalb auch die Zurücknahme in allem, was das Material betrifft: Kommerzielle Leinwände ohne aufwendige Rahmung, Industrie-Farben aus der Tube, die absichtlich großen Formate, um noch deutlicher zu zeigen, wie das so läuft, wenn es sich um die Tätigkeit des Malens selbst handelt. Dem Künstler geht es aber auch darum, einen interaktiven Prozess in Gang zu setzen. Der Betrachter findet ein offenes Feld vor und so soll es sein: Das bestimmend Gestische auf den Bildern hat eine Sogwirkung und konzentriert den Blick und zugleich auch das Denken des Betrachters - und hier sind wir mitten im Wahrnehmungsthema, das für den Künstler ein zentrales Thema ist - auf das, was schließlich bleibt, wenn alle anderen Parameter der Bildbetrachtung abgefallen sind, also ästhetisches Wohlgefallen, Ausdruck, Beschreibung seelischer Zustände, Darstellung von Erlebnissen allgemeiner oder persönlicher Art, überhaupt Darstellung etc. So kommt er zum Faktor der Zeit und da ist die Geste das probateste Mittel, um damit den Zeitablauf, der zur Arbeit als schlichtestes Element gehört, ebenso schlicht zu dokumentieren. Künstlerisches Tun wird wieder auf den Punkt gebracht: der Pinsel, die Farbe, die Leinwand, die Bewegung der Hand und die verstreichende Zeit sind als die merkwürdige Einheit demonstriert, die sie schließlich sind. Das Sensationelle der Wahrnehmung kommt dazu, die in wenigen Sekunden das schafft, wozu der künstlerische Arbeitsprozess so viel mehr an Zeit aufgewendet hat, sie trägt als eben diese Sensation zum spannenden Bericht bei, als den man diese (fiktiven) "Nicht-Bilder" lesen kann.

  Projekt "Tagwerk"

Den zweiten Teil der Ausstellung bilden die Arbeiten aus dem Projekt ?Tagwerk", mit dem sich Klein seit einigen Jahren beschäftigt. Träger ist hier Transparentpapier oder Glas, wieder ist ein simpler Kugelschreiber oder Marker im Einsatz und auch das Szenario dessen, was auf die Flächen gebracht wird, ist äußerst reduziert. Im Wesentlichen sind es Pflanzen oder aus Pflanzen gewonnene Strukturen. Sie können sich in ein bloßes Gitter oder Schraffurgeflecht auflösen, sodass die Verbindung vom wahrgenommenen Gegenstand zu den zeichnerischen Spuren am Blatt überhaupt unterbrochen scheint Als sichtbares Zeichen der langen Beobachtung bleibt schließlich nur noch ein Strichgebilde, stellvertretend soll es die verbrachte Zeit dokumentieren. Was zentral einfließt ist also wieder dieser Zeitablauf. Als Acht-Stunden-Rhythmus, vor dem Zeichentisch verbracht, entfaltet er seine geheimnisvolle Aura. Strukturanalyse nennt der Künstler sein Tun und auf bezaubernde Weise schafft er es, in diesen fragilen Produkten, diesem presque rien, wie das Francois Morellet einmal genannt hat, das gewaltige Dahinter der Zeit fassbar zu machen. Die Transparenz von Papier und Glas tut ein Übriges, um auch die Fläche selbst zu entmaterialisieren, sodass Zeichnen und Denken und ihr Sein in der Zeit wie in einem luftigen Gehäuse Präsenz entfalten. Dem Begriff des Gehäuses kommt weiters entgegen, dass Klein seine Blätter mit Faltungen versieht und so imaginäre Räume in Reichweite kommen lässt. Das geschieht alles still, fast lautlos. Dennoch ist es eine starke Stimme, die da zu hören ist, konzentriert und angespannt geht diese Arbeit vor sich, und das vermittelt sie auch.

Magdalena Hörmann

 

 
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