P. Ovidius Naso, genannt Ovid, aus den Metamorphosen VIII, 183-235
Nachdichtung von Johann Heinrich Voss

Dädalus haßt indessen die kerkernde Kreta, wohin ihn
lange verbannt das Geschick, und, gelockt von der Liebe der Heimat,
war er umschlossen vom Meer. "So werde denn Land und Gewässer,"
rief er, "gesperrt; doch öffnet der Himmel sich: dort sei die Laufbahn!
Alles beherrsch' auch Minos, die Luft beherrschet er doch nicht!"

Sprach's: und wendet den Geist auf unerspähete Künste,
und schafft neue Natur. Denn in Ordnung leget er Federn,
wo, zu der kleinsten hinab, die kürzere folget der längern;
dass ein wachsender Flügel erscheint. So hebt sich dem Landmann
eine Syring' allmählich mit sanft aufstufenden Röhren.
Lein nun bindet sie mitten, und Wachs an der unteren Spule.
Also gefügt, empfahn sie die leise gebogene Krümmung,
dass sie genau nachahmen die Fittiche. Aber der Knabe
Ikarus stand, und fühlt' unwissend die eigne Gefahr an;
Bald, mit lächelndem Antlitz, erhascht er die hüpfende Flaume,
welche das Lüftchen bewegt; bald knetet' er weich mit den Fingern
gelbliches Wachs, und störte mit kindlichem Spiele des Vaters
Wundergeschäft. Nachdem er die letzte Hand der Erfindung
angelegt, da erhob auf wägende Schwingen der Künstler
... . . . . . . . . . . . . .selbst den eigenen Leib, und schwebt in
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bewegeten Lüften.