Die Geschichte Nibelungiae
(aus: Ulrichsplatz 1)

Die "Vaterländisch-deutsche Studentenverbindung Nibelungia" wurde während des Ersten Weltkrieges am 11.11.1915 gegründet. Sie spaltete sich aus einer pennalen Burschenschaft ab, die Abstammungen lassen sich sehr genau zurückverfolgen. In dieser "dunklen Zeit" von der Gründung 1915 bis 1919 waren Mittelschulverbindungen verboten, es bestand keine Koalitionsfreiheit. Die Gründer waren Heinrich Peter v. Siegfried und Edmund Weber v. Rüdiger, beide Lehramtskandidaten, die Einstellung Nibelungias war monarchistisch. Nibelungia gelang es bald, Kontakte zu anderen Wiener Verbindungen herzustellen, die Richtungsänderung zum Katholizismus erfolgte am 15.6.1918 durch die Umbenennung in "Vaterländisch-katholische Studentenverbindung Nibelungia".

1919 ist Nibelungia eine der Gründungsverbindungen des später so erfolgreichen "Verbandes der katholisch-deutschen Pennalverbindungen Österreichs" (VPV). Ab Februar 1920 gab es bereits einen Altherrenverband Nibelungias.

Die Zeit von 1920 bis 1926 kann als die "glorreiche Zeit" bezeichnet werden, diese deckt sich auch ungefähr mit der Mitgliedschaft Nibelungias im VPV. Ein reges Verbindungsleben, Vorträge und zahlreiche Veröffentlichungen in der "Burschenwacht" prägen diesen Zeitabschnitt. Im Jahre 1921 erhielt die Aktivitas erheblichen Zuzug aus den Reihen der freien Verbindung Alt-Heidelberg durch später sehr bewährte Bundesbrüder. Vortragsabende wurden von dem Dichterphilosophen Richard Kralik Ritter von Meyrswalden und dem Priesterdichter Ottokar Kernstock gehalten, die beide zu den großen Förderern Nibelungias zählten. Für das Verbandsjahr 1922/23 wurde Nibelungia zum Verbandspräsidium des VPV gewählt, was als Beweis für das hohe Ansehen Nibelungias zu werten ist, welches durch kontinuierliche und fleißige Arbeit, wie Veröffentlichungen und Veranstaltungen, erreicht wurde. Besonders festlich und unter großer Beteiligung der studentischen Öffentlichkeit wurde das 10. Stiftungsfest 1925 begangen.


Das Ereignis 1926, nämlich die Kontrahage eines Nibelungen mit einem Angehörigen der Prager Burschenschaft "Constantia", führte Nibelungia in die Krise. Der daran beteiligte Nibelunge war nach dem Vorfall wieder aufgenommen worden. Dies nahmen sechs Nibelungen, darunter der Gründer Heinrich Peter v. Siegfried zum Anlaß, aus der Verbindung auszutreten. Fünf davon traten bei "Gothia"-Wien ein, zwei schieden jedoch bereits zwei Jahre später, nämlich 1928, wieder dort aus, zwei weitere kamen zu Nibelungia zurück. Das Ausscheiden von 6 von 40 Mitgliedern kann als nicht so schwerwiegend angesehen werden, jedoch waren die Spaltung in zwei Lager und das psychologische Element einer mangelnden Geschlossenheit für die Zukunft hemmend. Die Konsequenzen bei Nibelungia waren gering, der Betrieb ging weiter. Die Schwierigkeiten mit anderen Verbindungen im VPV führten jedoch dazu, daß Nibelungia zu Pfingsten 1926 aus dem VPV austrat.

Das Lebensgefühl der Zwanziger Jahre und das soziale Umfeld eines Couleurstudenten sowie seinen Werdegang versucht das Interview mit dem ältesten Nibelungen darzustellen. Es zeigt den Alltag und das Erleben des einzelnen in einer Studentenverbindung abseits der Ideale.

Auf der Verbandstagung 1925 des VPV herrschte noch große Einigkeit, die Krise brach aus, als "Rhenania"-Wien im April 1926 austrat und sich "Nibelungia" St. Polten als schwaches Verbandspräsidium herausstellte. Durch Rücktritte in der Verbandszentrale wurden drei Nibelungen in diese kooptiert, traten jedoch wegen eines drohenden Verfahren gegen Nibelungia zurück. Hätten sie diese Möglichkeiten in einer ruhigeren Zeit des VPV nutzen können, wäre daraus sicher eine gedeihliche Arbeit geworden.

Der Fall Nibelungia war Teil einer persönlichen Auseinandersetzung im VPV, der schließlich zu seinem Ende führen sollte. Die Sache Nibelungia wurde zwar immer wieder genannt, war jedoch in den VPV-Rundschreiben und den Rechtfertigungsschreiben der einzelnen Verbindungen nur ein Punkt unter vielen.

Durch den Austritt Nibelungias zu Pfingsten 1926, auch mehrere andere Verbindungen verließen den VPV, war für sie die Affäre zunächst beendet und es gab auch kein Erkenntnis des Verbandsschiedsgerichtes.

Nibelungia trat jedenfalls nie mehr in den VPV ein, sondern war schon ab 1927 eine der Initiatorinnen der "Seniorenkonferenz" der späteren Arbeitsgemeinschaft. Damit begann die "schwierige Zeit" von 1927 bis 1934/35, die von politischen Wirrnissen und einer prekären wirtschaftlichen Situation geprägt war.

Im März 1930 wurde auf der Nibelungenbude am Ulrichsplatz die Gründungsurkunde der "Arbeitsgemeinschaft katholisch-deutscher Wiener Studentenverbindungen" (AG) unterzeichnet. Es kann mit Recht gesagt werden, daß Nibelungia großen Anteil am Zustandekommen dieses neuen Verbandes hatte und als Gründungsmitglied der "Arbeitsgemeinschaft" angesehen werden kann. Leitungspositionen konnten Nibelungen in der AG nicht einnehmen, was auf die Schwächung durch die Ereignisse 1926 innerhalb Nibelungias zurückzuführen ist.

Im Rahmen des Allgemeinen Deutschen Katholikentages in Wien wurde am 9.9.1933 der "Verband der katholischen deutschen farbentragenden Mittelschul-Korporationen Österreichs" (VMK) gegründet. Die AG hatte vorerst kein Interesse am Beitritt. Trotzdem traten 15 Verbindungen, darunter Nibelungia, am 21.6.1934 geschlossen dem VMK bei.

Im Juli 1934 löste sich die Verbindung Nibelungia auf. Ob die Auflösung Nibelungias eine Spätfolge der Ereignisse von 1926 war, durch die sich ein dauernder Riß in der Verbindung zwischen katholisch und national ergeben hätte, oder ob neue Anlässe oder politische Einflüsse wie der Nationalsozialismus dazugekommen waren, kann aufgrund der fehlenden Quellen nicht mit Bestimmtheit gesagt werden.

Mit einem Brief vom Juni 1935 enden die Spuren Nibelungias bis zum Zweiten Weltkrieg, in dem vier Nibelungen fielen, aber auch gegenseitige Hilfe im Sinne der Lebensfreundschaft geübt wurde.

Am 1.1.1946 wurde die Gemeinschaft der Nibelungen, die nach außen rund zwölf Jahre geruht hatte, wieder belebt. Wir können dabei von einer ersten Reaktivierung Nibelungias sprechen. Sie konstituierte sich als verbandsfreie Hochschulverbindung in der Nachfolge der vaterländischen Nibelungia. Bald sollte die Korporation den Namen "Austro-Nibelungia" annehmen.

"Austro-Nibelungia" bewegte sich im Nachkriegs-Wien erfolgreich auf dem gesellschaftlichen Parkett, auch die Zahl der Mitglieder war nach allen Hinweisen verglichen mit den Vorkriegsverhältnissen sehr hoch.

Nach mehreren Jahren eines regen Verbindungslebens ergaben sich politische oder gesellschaftliche - und wohl auch persönliche - Differenzen. Aus den Quellen geht eine - in späteren Jahren mehrfach von außen behauptete - national-freiheitliche Orientierung der Korporation oder einzelner ihrer Mitglieder nicht hervor. 1952 lösten sich jene "Austro-Nibelungen", die schon Mitglieder der Vorkriegs-Nibelungia gewesen waren, nahezu geschlossen von "Austro-Nibelungia" und gründeten die katholische Hochschulverbindung "Die Nibelungen".

Der Verbindungsbetrieb der "Nibelungen" wird sich auf die Zusammenkünfte einer kleineren Runde Alter Herren beschränkt haben, Rezeptionen konnten nicht nachgewiesen werden.

Ein Zufall führte 1958 - im Mai - zur Kontaktaufnahme des verdienten "Nibelungen" Dr. Kurt Obendorfer mit dem aktiven MKV-Burschen Norbert Müller ("Gothia"). Drei "Nibelungen" und drei "Gothen" vereinbarten bei einem ersten Treffen die Grundzüge einer neuerlichen Reaktivierung Nibelungias. Innerhalb mehrerer Wochen schlossen sich elf aktive Mitglieder aus neun MKV-Korporationen dem Reaktivierungsvorhaben an. Im Juni wurden die ersten Rezeptionen vorgenommen.

Der Stiftungsfest- und Publikationskommers am 14.11.1958 war ein nachhaltiger Erfolg, der Nibelungia zu hohem Ansehen und Bekanntheit verhalf. Die Reaktivierungsburschen strebten - nach kurzer Überlegung, die bisherigen "Nibelungen" in eine Hochschulverbindung "Burgundia" zu integrieren - mit diesen sehr bald eine Aufnahme in den MKV an. Die Verbindung hatte jedoch in der langen Periode von 1935 bis 1958 nicht im Kontakt mit einem Dachverband gestanden. Dies mag eine Begründung für die zweijährige probeweise Aufnahme in den MKV gewesen sein, 1960 erlangte man den Status einer vollberechtigten Korporation des MKV.

Die ersten Jahre nach 1958 waren von einem steten Aufbau und bald schon von der Suche nach geeigneteren Räumlichkeiten, als sie das Extrazimmer eines Gasthauses ("Spatzennest") darstellten, geprägt. In der Aktiven- wie in der Altherrenschaft hatte sich bald ein einsatzbereiter Kreis gebildet, der jeweils die Geschicke der Verbände lenkte. Nicht minder wertvoll für die Verbindung war das Engagement später aus den vielfältigsten Gründen wieder ausgeschiedener Mitglieder, von denen viele einen beträchtlichen Anteil für den erfolgreichen Bestand Nibelungias geleistet haben.

Nibelungia rekrutierte ihre Mitglieder anfangs vor allem aus Besuchern der Lehrerbildungsanstalt. Hinzu kamen durch persönliche Freundschaften Geworbene und Verwandte der Bundesbrüder. Atypisch für eine MKV-Verbindung ist, daß Nibelungia schon in den Sechziger Jahren einen Großteil ihrer Mitglieder nicht im Schüler- sondern im Erwachsenenalter aufnahm.

Nibelungen (insbesondere die Urmitglieder) haben sich selten intensiv im Verband (WStV und MKV) engagiert. Eine Ausnahme stellt hier nur Hochschulprofessor Dr. Bruno Kunz dar, der über zwei Amtsperioden Kartellphilistersenior des MKV war.

Politische Themen wurden insbesondere in der Verbindungszeitschrift und bei von Nibelungia veranstalteten Diskussionsveranstaltungen insbesondere bis 1966 rege besprochen. Nicht zu kurz kamen auch gesellige und studentische Veranstaltungen. 1961 war es gelungen, eigene Räumlichkeiten in Wien 7., Kaiserstraße 77 anzumieten. Mit großem Aufwand wurden diese nach den Bedürfnissen einer Studentenverbindung gestaltet. 1968 übersiedelte Nibelungia, nach einem etwa einjährigen Zwischenspiel ohne eigene Räumlichkeiten in die Neustiftgasse 9, ebenfalls im 7. Bezirk.

Die Verbindung blieb bis etwa 1965 sehr stabil, ihre Veranstaltungen auf hohem Niveau. Um 1965/66, als sich eine "Erschöpfung" der aktiven Mitglieder und ein Nachwuchsmangel bemerkbar machten, setzte ein leichter Rückgang ein. Der Kampf gegen das "Einschlafen" begann. Die verbindungsinterne Diskussion über Sinn oder Unsinn eines parallel zur Korporation zu führenden Jugendklubs - eine Mitte der Sechziger Jahre durchaus nicht mehr neue Institution - nahm viele Auseinandersetzungen vorweg. So brach "das Jahr 1968" nicht mit voller Wucht in die Verbindung ein - es hatte schon stattgefunden. Ein Rückgang bei den Aktivitäten und den Rezeptionen ist dennoch unübersehbar. Bis 1970 und darüber hinaus formierte sich Nibelungia wohl neu, doch nicht radikal anders.

Bilder: Ulrichskirche 1914: Historisches Museum der Stadt Wien;
10. Stiftungsfest: Archiv ÖVfSG

 

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