Märchen
die Oma gerne erzählt ;-)

Der Marienkäfer
Plumps! machte es, als der Marienkäfer vom Apfelbaum fiel.
"Ich werde nie fliegen lernen!" seufzte er. "Nie!"
"Doch, du wirst es lernen, wenn du alt genug dafür bist", sagte
der Specht. "Ach, so lange kann ich doch nicht warten!" rief der
Marienkäfer. Der Specht lachte. "Ich werde das Datum, an dem du zum
ersten Mal fliegst, in den Stamm deines Apfelbaumes ritzen", sagte
er.
Plötzlich kam ein Taschentuch angeflattert. "Das muss der Wind
weggeblasen haben!" sprach der Specht. "Komm, ich habe eine gute
Idee!" Und damit wickelte er den Marienkäfer ins Taschentuch und
flog hoch in die Luft. Dort ließ er das Taschentuch los und rief:
"Nun flieg mal!" "Oh, ich kann nicht!" rief der
Marienkäfer ängstlich. "Meine Flügel tun weh, ich falle!" Und
schon landete er auf einer Wolke.
"Ich kann nicht halten", sagte da eine tiefe Stimme. "Ich
nehme an einem Wettkampf teil ... ein Wolkenkampf. Wir sind schon nahe am
Ziel." "Schön!" sagte der Marienkäfer erleichtert,
"du hast mich gerettet, darum will ich dir auch helfen."
Und er hielt das Taschentuch wie ein Segel in den Wind. Bald holten sie
die anderen Wolken ein und gewonnen sogar den ersten Preis. "Das ist
dein Preis", sagte die Wolke und überreichte dem Marienkäfer die
große rote Rosette. "Ohne dich hätte ich nie gewonnen. Komm, ich
bringe dich heim."
Bald verabschiedete sich der Marienkäfer von der Wolke, warf die Rosette
in seinen Apfelbaum und sprang ab. Ich muss das unbedingt dem Specht erzählen,
dachte er.
"He!" rief da der Specht. "Das ist aber ein kluger,
geschickter Marienkäfer!" "Meinst du etwas mich? Ich ..."
Jetzt erst merkte er, dass er flog. Bisher war er mit anderen Dingen beschäftigt,
er konnte fliegen! "Soll ich das heutige Datum in den Stamm
ritzen?" lacht der Specht. "Nicht nötig", meinte der
Marienkäfer, "an der Rosette ist ein Datum dran."
Er befestigte die große rote Rosette stolz am Stamm des Apfelbaumes und
vergaß niemals diesen wunderschönen Tag.

Die
drei Schmetterlinge
Es waren
einmal drei Schmetterlinge: ein weißer, ein gelber und ein roter. An
einem schönen Frühlingstag tanzten und spielten sie über der großen
Wiese und versteckten sich in den Büschen. Sie waren so in ihr Spiel
vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, wie dunkle Wolken aufzogen und die
Sonne verdunkelten.
Plötzlich blitzte und donnerte es und die ersten Regentropfen fielen. Die
drei Schmetterlinge mussten schnell Schutz vor dem Regen suchen. Sie
flogen zu einer weißen Tulpe und sagten: "Lass uns bitte in deine Blüte,
sonst werden wir nass!" Die Tulpe antwortete: "Den weißen will
ich gerne aufnehmen. Aber den roten und den gelben nicht." Da sagte
der weiße Schmetterling:" Ohne meine Freunde will ich auch nicht bei
dir bleiben." Und zusammen flogen sie weiter.
Sie kamen zu einer gelben Tulpe und fragten sie: "Willst du uns bei
dir aufnehmen?" Die Tulpe antwortete: "Den gelben Schmetterling,
der so aussieht wie ich, nehme ich gerne auf. Aber den weißen und roten
mag ich nicht." Da wollte der gelbe auch nicht bleiben und sie flogen
zusammen weiter.
Inzwischen regnete es schon stärker und die Schmetterlinge konnten kaum
noch fliegen. Da kamen sie zu einer roten Tulpe und fragten sie:
"Willst du uns bei dir aufnehmen?" Die antwortete: "Den
roten nehme ich gerne auf. Aber für den weißen und den gelben habe ich
keinen Platz." Da sagten die Schmetterling: "Dann wollen wir
lieber zusammen nass werden!"
Das hörte die Sonne hinter den Wolken. Ihr taten die drei Freunde, die so
fest zusammenhielten, leid. Sie schickte ihre Strahlen aus, die die Wolken
durchbrachen und den drei Schmetterlinge ganz schnell die Flügel
trockneten. Vor Freude tanzten die drei für die Sonne ihren schönsten
Schmetterlingstanz.

DER
ZAUBERSTEIN
Es war einmal eine Elfe. Sie war sehr klein, nicht größer als ein Spatz
und so zart, dass sie mit durchsichtigen Flügeln wie eine Libelle fliegen
konnte. Sie schimmerte in zarten Blautönen wie durchsichtiges
Kristallglas und wohnte in einem Haus, einer richtigen kleinen Traumvilla
hoch auf einer Wolke.
Die Elfe liebte es vor ihrer kristallenen Villa zu schweben und zu träumen
oder sie saß vor ihrem Kamin und blickte träumend in das Sternenfeuer,
das im Kamin flackerte. Am Kamin hing ein Stein, der funkelte wie ein
Diamant und dieser Stein warf Lichtreflexe an die Kristallwände der
Traumvilla und erleuchtete das Zimmer mit allen Farben des Regenbogens.
Von der Wolke, auf der das Haus der Elfe schwebte, führte eine
Himmelsleiter zur Erde, aber die Elfe hatte vergessen, dass es noch etwas
anderes als ihr geliebtes Wolkenkuckucksheim gab. Auch die Menschen fanden
nicht mehr den Weg zur Elfe, denn niemand konnte diese Himmelsleiter
finden, der nicht an Wunder glaubte.
Eines Tages aber kam ein Prinz an die Himmelstreppe. Er hatte seine Heimat
verlassen, weil eine unendliche Sehnsucht ihn erfasst hatte. Er wusste
nicht, wonach er sich sehnte, aber als seine Eltern ihn mit einer fremden
Prinzessin verheiraten wollten, war er eines Nachts weggegangen. Er hatte
das Wünschen noch nicht vergessen und er glaubte ganz fest an Wunder,
denn eine gute Fee hatte ihm schon oft beigestanden, wenn er ruhelos durch
das Schloss und durch seine Heimat gewandert war.
Als der Prinz an die Stelle kam, wo die Himmelsleiter die Erde berührte,
beschloss er sofort, die Leiter zu erklimmen und herauszufinden, wohin sie
führte. Also erstieg er die Sprossen, die irgendwo hoch in den Wolken
verschwanden. Er kletterte und kletterte, aber der Weg schien unendlich
weit zu sein und bald wurde der Prinz müde. Da beschloss er, sich mit
seinem Gürtel an den Sprossen festzubinden und so die Nacht zu
verbringen. Als der Prinz eingeschlafen war, träumte er von einem märchenhaften
Wesen, einem Mädchen, das er noch nie erblickt hatte. Aber ein böser
Drache erschien und zerstörte das Traumbild. Als der Prinz am Morgen
erwachte, konnte er sich noch immer an das geheimnisvolle Mädchen
erinnern und er erkannte, dass seine ganze Sehnsucht diesem Mädchen galt.
Da kletterte der Prinz mit neuer Kraft die Himmelsleiter hinauf, aber
wieder konnte er nicht an das Ende gelangen. Er musste noch eine Nacht auf
den Sprossen ausharren. Wieder träumte der Prinz von dem geheimnisvollen
Mädchen und er erkannte, dass der Drache es auf eine Insel entführt
hatte und dort gefangen hielt. Am Morgen setzte der Prinz seinen Weg in
den Himmel fort, und erreichte endlich, als schon die Sonne unterging, die
Wolke. Erschöpft ließ er sich auf die Wolke sinken und schlief ein. Und
wieder erschien ihm das wunderschöne Mädchen im Traum. Diesmal sah er
sich selbst. In der Hand hielt er einen seltsam glänzenden Kristall, vor
dem der Drache entsetzt floh.
Als der Prinz an diesem dritten Morgen erwachte, entdeckte er vor sich,
mitten auf der Wolke, die Zaubervilla der Elfe. Neugierig trat er ein und
fand das Elfchen vor dem Kamin, wo es seinen Kristall betrachtete. Zaghaft
kam der Prinz näher und grüßte das winzige Zauberwesen. Überrascht
blickte die Elfe auf und langsam erinnerten sie sich daran, dass sie vor
langer Zeit gerne mit Menschen auf den taunassen Wiesen auf der Erde
gespielt hatte. Was wollte sie da nicht alles wissen und ihr Fragen nahm
kein Ende. Der Prinz erkundigte sich verwundert, warum sie denn die Erde
nie mehr besucht habe, aber darauf wusste die Elfe keine Antwort. Da
entdeckte der Prinz den wunderbaren Kristall und bat die Elfe um Hilfe.
Schweren Herzens gab sie ihm den geliebten Stein, den der Prinz im Kampf
gegen den Drachen einsetzen wollte. Aber im selben Augenblick, als er den
Stein von der Schnur am Kamin löste und aus dem Haus trug, ertönte ein
gewaltiges Donnergrollen und die Villa verschwand und verwehte im Wind und
der Prinz stand mit dem Elfchen auf der taunassen Wiese, wo der Prinz die
Himmelsleiter entdeckt hatte. Die Himmelsleiter aber war verschwunden.
Da machten sich der Prinz und die Elfe auf den Weg zum Meer, um zu der
fernen Insel zu segeln, den zauberhaften Stein aber trug der Prinz gut
versteckt in seinem Hemd. Bald erreichten sie das Meeresufer und baten
einen Fischer um sein Boot. Der gab es ihnen, denn seit sich ein böser
Drache auf der Insel angesiedelt hatte, konnte keiner mehr hinaus fahren,
weil der Drache alle auffraß, die der Insel zu nahe kamen.
Der Prinz und die Elfe bestiegen das Boot und die Elfe besang mit ihrem
zauberhaften Stimmchen den Wind, der das Boot schnell zur Insel lenkte.
Sie landeten unentdeckt am steinigen Ufer und gingen den Strand hinauf.
Bald entdeckten sie eine riesige Höhle, aus der das Schnauben des Drachen
drang. Da wälzte sich auch schon das Untier heraus und wollte sich auf
den Prinzen stürzen. Furchtlos hob der den Kristall ins helle Sonnenlicht
und tausend Blitze fingen sich in seinen Facetten und trafen den Drachen.
Im selben Augenblick wich der Drache zurück, begann zu schrumpfen und
sich aufzulösen. Ganz langsam verwandelte er sich in ein gläsernes,
durchsichtiges, zartes Wesen und die Flügel wurden so fein wie die Flügel
einer Libelle. Die kahle Insel ringsum verwandelte sich in ein Blütenmeer
und mitten in einem blühenden Garten entdeckte der Prinz das Mädchen,
von dem er geträumt hatte. Er eilte zu ihm, sank auf seine Knie und
umarmte es. Als sich das Menschenpaar umblickte, entdeckte es verwundert
einen Elfenkönig, der gerade die kleine Elfe in seine Arme schloss.
Er erzählte, dass er von einem bösen Zauberer in den furchtbaren Drachen
verwandelt worden war, weil seine geliebte Elfe sich geweigert hatte, den
bösen Zauberer zu heiraten. Die kleine Elfe war von ihm ins Wolkenheim
verbannt worden und da er ihre Liebe nicht erzwingen konnte, hatte er ihr
die Erinnerung geraubt. Nur ihre Selbstlosigkeit, mit der sie dem Prinzen
geholfen hatte, der Glaube des Menschenprinzen an ein Wunder und der Mut
beider hatte den Bann brechen können.
Das
eigensinnige Kätzchen
Bei einem kleinen Mädchen lebte einst ein junges, graues Kätzchen. Es
war so eigensinnig, dass es alles nach seinem Kopf machen wollte. Einmal
ging das Kätzchen spazieren. Da sagte das Mädchen zu ihm:
"Geh nur nicht so weit fort, sonst verirrst du dich!"
Das Kätzchen aber hörte nicht darauf und lief fort in den Wald. Immer
weiter und weiter lief es, und schließlich fand es sich nicht mehr
zurecht.
Das Kätzchen streifte durch den Wald, aber es konnte nicht mehr nach
Hause finden. Es irrte umher, bis es dunkel wurde. Auf einmal rief im Wald
ein Uhu. Das Kätzchen erschrak, setzte sich auf einen Baumstumpf und
weinte.
Da kam ein Häslein vorbeigehoppelt, sah das Kätzchen und fragte:
"Was machst du denn hier?"
"Ich hab mich verlaufen!" antwortet das Kätzchen.
"Na, du siehst aber seltsam aus", meinte das Häslein
verwundert. "Sag mal, wer bist du denn eigentlich?"
"Weiß nicht", sagte das Kätzchen, "bin noch so
klein!"
"Oje, bist du aber dumm, sag, wer ist denn deine Mutter?"
"Aber ich hab doch nur das Mädchen", antwortete das Kätzchen.
Da lachte das Häslein, setzte sich neben dem Baumstumpf ins Gras und
wackelte mit den Ohren. Es lachte, dachte ein Weilchen nach und fragte
schließlich:
"Sag mal, kannst du springen?"
"Springen kann ich gut", antwortete das Kätzchen.
"Na, dann ist es klar, du bist ein Hasenkind", erklärte ihm das
Häslein.
"Komm, ich bring dich nach Hause."
Nun gingen die beiden, das Häslein und das Kätzchen, zusammen fort. Als
sie über einen Graben sprangen fragte das Häslein:
"Sag mal, warum hast du nur so kleine Ohren?"
"Diese Fragerei liebe ich gerade", ärgerte sich das Kätzchen,
"immer, warum und warum! Ist es nicht ganz gleich – dafür habe ich
doch einen ganz langen Schwanz!"
"Na macht nichts", antwortete das Häslein, "lass uns
weitergehen!"
Und das Häslein führte das Kätzchen zu dem Gemüsefeld, wo die Hasen
wohnen.
"Mama", sagte es zur Hasenmutter, "ich habe im Wald ein
Hasenkind gefunden."
"Na gut", antwortete des Häsleins Mutter, "gib ihm etwas
zu essen und dann legt euch schlafen, es ist schon spät."
Nun nahm das besorgte Häslein ein saftiges Salatblatt und hielt es dem Kätzchen
hin: "Da!"
"Was heißt – da!?" fragte das Kätzchen.
"Das heißt, nimm und iss!" erklärte ihm das Häslein.
Da nahm das Kätzchen das Kohlblatt und fing an zu weinen.
"Ich kann das nicht essen", sagte es, "ich bin doch noch so
klein!"
"Was meinst du immer, klein und klein?" neckte das Häslein.
"Ich selbst bin auch noch klein, aber schau wie ich es mache",
nahm dem Kätzchen das Kohlblatt weg und – hast du nicht gesehen –
knabberte es in einem Rutsch auf und ließ nur einen kleinen Strunk übrig.
Das Kätzchen nahm den Rest und wischte sich damit die Tränen ab.
Da schüttelte die Hasenmutter den Kopf.
"Nein", sagte sie, "du bist bestimmt kein Hasenkind."
"Hasen!" – rief sie – "Springt alle mal schnell her und
schaut, was für ein seltsames Tierchen mein Sohn im Walde gefunden
hat!"
Da versammelten sich die Hasen und betrachteten das Kätzchen von allen
Seiten, aber sie konnten nicht darauf kommen, was das für ein Tier sei.
Schließlich kam aus dem Haselbusch ein alter, lahmer Hase.
"Lasst mich mal durch", sagte er, "lasst mich mal
sehen."
Der alte Hase beguckte sich das Kätzchen und fragte endlich:
"Na wie ist es denn, kannst du auf Bäume klettern?"
"Kann ich", antwortete das Kätzchen
"Dann komm mit, ich führ dich nach Hause. Ich weiß jetzt, wer du
bist. Ist doch ganz klar: Du bist ein kleines Eichhörnchen. Seht doch:
Kleine Ohren hat es und einen langen buschigen Schwanz!"
"Richtig, richtig!" riefen die Hasen, "dass wir nicht eher
darauf gekommen sind!"
Nun humpelte der lahme Hase davon und das Kätzchen lief hinter ihm her.
Sie kamen zum Waldrand hinter einem Acker. Dort stand eine alte Eiche. Auf
dieser Eiche wohnte das Eichhörnchen. Der Hase blickte zur Eiche, setzte
sich auf die Hinterbeine und trommelte mit den Vorderpfoten an den Stamm.
"Wer ist denn da?" rief von oben das Eichhörnchen.
"Ich bin's, der lahme Hase, ich bringe dir ein kleines Eichhörnchen."
"Lass es heraufkommen", sagte das Eichhörnchen, "mir macht
es nichts aus, ich habe genug Wintervorrat gesammelt."
Das Kätzchen kletterte nun die Eiche hinauf. Immer höher und höher
musste es klettern, und endlich war es oben angelangt. Als es zum Nest
kam, gab ihm das Eichhörnchen einen Tannenzapfen.
"Komm", sagte es, "nimm und iss!"
Da war das Kätzchen sehr beleidigt.
"Das kannst du selber essen", sagte das Kätzchen und warf den
Tannenzapfen weg.
"Was fällt dir ein", schrie das Eichhörnchen, "den schönen
Tannenzapfen wegzuwerfen! Du kriegst gleich einen Klaps!" Es holte
schon mit der Pfote aus, besann sich dann aber. Das Eichhörnchen sah sich
das kleine Kätzchen noch einmal genau an und sagte dann:
"Vielleicht bist du gar kein Eichhörnchen."
"Weiß nicht", antwortete das Kätzchen, "ich habe
Hunger."
"Was soll ich dir denn geben?" fragte das Eichhörnchen.
"Magst du vielleicht getrocknete Pilze?"
"Nein", antwortete das eigensinnige Kätzchen, "ich will
eine Maus haben!"
"Ach du Dummchen", rief das Eichhörnchen erleichtert,
"warum hast du das nicht eher gesagt, dann hätt' ich doch gleich
gewusst, dass du ein Igelkind bist. Komm schnell, ich bring dich nach
Hause." Nun führte das Eichhörnchen das Kätzchen zur Igelmutter.
"Nimm dein Kind, sagte das Eichhörnchen, "wir haben es ihm Wald
gefunden."
"Geh zu den kleinen Igeln", sagte die Igelmutter. "Esst ein
Mäuslein und legt euch schlafen, es ist schon spät." Endlich konnte
sich das Kätzchen satt essen. Aber mit den Igelchen schlafen legen? Wie
das stach!
"Au miau", schrie es, "ich bin schon ganz zerstochen!"
Und das Kätzchen weinte kläglich. Davon wachte die Igelmutter wieder auf
und sagte ganz ratlos:
"Was soll ich nun mit dir machen? Du bist kein Häslein, kein Eichhörnchen,
und ein Igelkind bist du auch nicht! Was bist du eigentlich?"
"Aber ich weiß es doch auch nicht", antwortete das Kätzchen,
"ich bin doch noch so klein!"
Da gähnte die Igelmutter und ging zu ihrem Lager, um zu schlafen. Das Kätzchen
aber setzte sich unter einen Baum und weinte die ganze Nacht hindurch. Am
Morgen, als die Sonne aufging, erwachte auf der hohen Pappel die Krähe.
Sie erblickte das Kätzchen und rief:
"Ich weiß, wer du bist!"
"Wer denn?" fragte das Kätzchen.
"Du bist das eigensinnige Kätzchen", antwortete die Krähe.
"Führst du mich auch nicht an?" fragte das Kätzchen.
"Na, du bist ja gut! Du glaubst wohl, ich hätte noch keine Katze
gesehen, was?"
"Krähe, weißt du denn nicht, wo das kleine Kätzchen wohnt?"
fragte die Igelmutter.
"Sicher weiß ich das."
"Dann bring es doch nach Hause!"
Nun flog die Krähe voran, und das Kätzchen sprang wie der Wind hinter
ihr her. Sie kamen aus dem Wald heraus, und ad erblickte das eigensinnige
Kätzchen den Weg und das Haus. Es stellte den Schwanz in die Höhe und
lief, was es konnte. Als es zu Hause angekommen war, sagte es:
"Nie wieder gehe ich alleine in den Wald!"

Von der törichten
Grete
(obereidisches Märchen)
In einer Gemeinde
lebte ein Mann mit seiner Frau, die hieß Grete - auch ich heiß Grete.
glaubt jetzt aber nur nicht, ich sei es, denn diese Frau war sehr faul und
sehr dumm, und ich bin nicht faul und auch nicht so dumm wie sie*gg*
Der Mann ging morgens zur Feldarbeit und schickte seine Frau in den
Weingarten hacken. Die faule Grete ging wirklich hin, aber dort hieb sie
die Hacke in den Boden, dass sie stecken blieb, und sagte: " So
Hacke, nun sei fleißig!" Sie selbst aber legte sich in den Schatten
und schlief. Zu Mittags weckte sie der Hunger. Vor lauter Faulheit stand
sie gar nicht auf, langte nur so nach den Trauben und aß sich satt.
Nachher legte sie sich auf die andere Seite und schummerte weiter. Den
ganzen langen Tag tat sie nichts als schlafen. Die Hacke aber wollte
alleine nicht arbeiten. Darüber machte sich Grete indessen keine Sorgen.
Am Abend nahm sie das Gerät, schulterte es, ging heim und kochte ein
gutes Essen, von dem sie ebenso eifrig aß wie ihr Mann, der den ganzen
Tag tüchtig gearbeitet hatte. Er fragte sie :"Nun, Grete, hast du
viel gehackt?" "Ja", log sie, "ich glaube in einigen
Tagen bin ich fertig."
Den nächsten Tag verschlief sie sie auf dieselbe Art und den dritten
auch. Als sie am vierten Tag wieder in den Weingarten ging, wunderte sich
ihr Mann sich, dass sie noch nicht fertig gehackt hatte, und er
dachte:" Ich muss doch einmal nachsehen, wie sie mit der Arbeit
steht."
Als er in den Weingarten kam, sah er seine Frau zuerst gar nicht, dafür
aber merkte er, dass hier überhaupt noch nichts getan war. Ärgerlich
suchte er überall nach Grete, bis er sie endlich unter einem Nussbaum
entdeckte. Hier lag sie und schlief und schnarchte, was das Zeug hielt.
Neben ihr steckte die Hippe in der Erde. Bei diesen Anblick wurde der Mann
so zornig, dass er nach der Hippe griff, und der faulen Grete den Zopf
abschnitt, Hippe und Hacke mitnahm und heimging.
Hier sprach er zu seinem Knecht:" Wenn meine Frau ohne Zopf und ohne
Hacke heimkommt, dann sag ihr, die Bäuerin sei schon da. Wir brauchen
keine faule Hausfrau mehr." Damit ging er wieder an die Arbeit.
Am Abend wachte Grete auf, rieb sich die Augen und hatte dabei das Gefühl,
dass ihr Kopf leichter sei als sonst. Sie schüttelte ihn, griff in die
Haare und fand, dass sie keinen Zopf mehr hatte.
'Ei', dachte sie, bin ich die Grete, oder bin ich es am Ende nicht? Ich
hatte doch eine Hacke mit, wenn die da ist, dann muss ich doch die Grete
sein.! Sie suchte die Hacke im ganzen Weingarten, fand sie nicht. 'Dann
bin ich nicht die Grete', dachte sie, 'Aber zuerst will ich doch noch
daheim nachfragen': Sie kam an ihr Haus und fand es verschlossen. Auf ihr
Klopfen erschien der Knecht. Grete schämte sich vor ihm, darum stellte
sie sich, als sei sie eine Fremde.
"Ist die Bäuerin daheim?" fragte sie
"Ja", antwortete der Knecht. " Die Bäuerin ist schon lange
da. Sie kocht gerade das Abendessen"
'Nun*, sprach Grete zu sich selbst, es ist klar, ich bin nicht die Bäuerin.
Ich muß also gehen und mich suchen. Wenn ich meinen Zopf und die Hacke
wiederfinde, dann werde ich wissen wer ich bin.'
Der Bauer und sein Knecht aber waren froh, dass sie die faule Frau los
waren.
Grete irrte indessen durch die Welt und fragte überall nach sich selbst.
Niemand konnte ihr Auskunft geben, und ihre Hacke und ihr Zopf blieben
verschwunden. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann sucht sie auch heute
noch, obwohl ihr inzwischen bestimmt ein neuer Zopf gewachsen ist.
ZURÜCK
|