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Märchen 2 Sonne, Mond und Sterne Am Anfang waren Sonne und Mond Mann und Frau. Sie lebten zusammen und hatten viele Kinder. Die Kinder von Sonne und Mond nennt man Sterne. Sonne, Mond und Sterne essen nicht die gleichen Speisen wie wir. Sie ernähren sich von Feuer, und darum glänzen sie. Am Anfang waren Sonne und Mond also Mann und Frau und lebten zusammen. Da kam eines Tages ein mächtiger Häuptling in ihr Dorf; seinen Namen und sein Land kenne ich nicht. Er brachte viele Kisten voller Waren mit. Seine Schönheit und sein Reichtum waren so groß, daß des Mondes Herz sich ihm zuneigte. Als der Häuptling weiterzog, gab Frau Mond ihm ein Zeichen. An der Wegbiegung wollten sie heimlich zusammentreffen, um gemeinsam zu fliehen. Herr Sonne merkte aber bald, daß seine Frau, der Mond, nicht mehr an seiner Seite war. "Wo ist sie?" schrie er seinen Kindern zu. Die wußten keine Antwort. "Wo ist sie, frage ich euch?" Sein Gesicht funkelte vor Zorn, daß alle Sterne sich fürchteten. "Aha", tobte er, "ihr wart es, die eurer Mutter geholfen habt." Seitdem macht er Jagd auf seine Kinder. Jedesmal, wenn er einen Stern ergreifen kann, verschlingt er ihn, und niemand spricht mehr von diesem Stern. Aber die Sterne sind so weit verstreut und so zahlreich, daß immer noch einige übrigbleiben, sogar viele. Seit dieser Zeit läuft Herr Sonne jeden Tag dem Abend und den Sternen hinterher. Sobald Frau Mond Herrn Sonne am Himmelsrand aufgehen sieht, beeilt sie sich, in ihrer Hütte zu verschwinden. Hat Herr Sonne das Firmament durchwandert, wie wir es täglich sehen, eilt er wieder zur anderen Seite. Niemals ermüdet er und rastet nicht einen Tag. Kaum ist er verschwunden, seht ihr Frau Mond aufsteigen, bald hier, bald da, denn sie wechselt oft den Schlupfwinkel, um ihren Mann von der Spur abzubringen. Mitunter überrascht er sie, und dann reißt er ihr mit einem Biß ein Stück aus. Manchmal, wenn Mutter Mond sich inmitten ihrer Kinder zu sehr verspätet hat, trifft er sie noch am Himmel und will sie verschlingen. Bis jetzt gelang ihm das nicht, denn Frau Mond ist sehr flink. Sobald ihr Mann sie erreicht, rettet sie sich rasch, und die Verfolgung beginnt von neuem. Bisweilen entdeckt Herr Sonne den Schlupfwinkel seiner Frau. Er nähert sich leise, leise, und über lange Stunden ist der Mond nicht zu sehen. Doch wenn Frau Mond frei ist, begibt sie sich schnell in die Mitte ihrer Kinder, der Sterne, denn sie liebt sie sehr, und sie verschlingt sie, wie eine gute Mutter, niemals. Von einer Hütte zieht sie zur anderen und besucht die Sterne nacheinander. Ab und zu feiert sie mit ihnen Hochzeit. Dann windet sie sich ein wunderbares Band um den Kopf, das gleiche, das sie am Tag ihrer Hochzeit mit der Sonne trug. Sobald die Sonne auf der anderen Seite der Erde wieder erscheint, flieht Frau Mond mit all ihren Kindern. Nur eines läßt sie zurück, immer den gleichen Stern, damit er im Fall der Gefahr Nachricht bringt. Dieser Stern wacht sorgsam, morgens wie abends. Die Verfolgung dauert schon lange, lange Zeit. Aber einmal wird der Tag kommen, an dem sie zu Ende geht, denn schließlich ist der Mann Meister der Dinge, und er muß recht behalten. Ohne ihn wären die Dinge schlimm. An diesem Tag wird Herr Sonne seine Frau in der Erde in einer tiefen Grube verschließen, und niemals mehr darf sie heraufsteigen. Ist die Mutter erst gefangen, werden die Kinder rasch gefressen sein. Was dann mit uns, den Menschen, geschieht, weiß niemand, mein Bruder. Märchen 3 Von Nsambe und seinen sieben Söhnen Nsambe hatte sieben Söhne. Der erste hieß Mode, Mensch, der zweite Küi, Pygmäe, der Name des dritten war Ngi, Gorilla, der des vierten Sohnes Oaa, Schimpanse. Schok, das bedeutet Elefant, war der fünfte, den sechsten nannte man Ekute, Dummling, und der siebente Sohn trug den Namen Ngomwenio. Eines Nachts verließ Nsambe die Söhne und zog heimlich an einen anderen Platz. Ohne alle Mittel ließ er sie zurück, sie hatten kein Feuer, nichts zu essen und auch nichts anzuziehen. Als sie dessen am anderen Morgen gewahr wurden, sprachen die Söhne bedrückt zueinander: "Was sollen wir tun, ohne Feuer, ohne Essen, ohne irgend etwas?" Da trug Mode, der Mensch, seinem Bruder Oaa, dem Schimpansen, auf: "Folge dem Vater und bring uns so bald wie möglich Nachricht." Oaa ging fort, aber kaum war er in den Wald gekommen, sagte er zu sich: "Ach, bin ich hungrig", und als er Kardamomfrüchte sah, aß er sich satt. Dann lief er weiter und weiter, von seinem Vater aber war noch immer keine Spur zu sehen. Müde bog Oaa vom Weg ab, kletterte auf einen Schirmbaum, bereitete sich dort oben ein Lager aus Zweigen und vergaß Vater und Brüder. Am darauffolgenden Tag, als Oaa nicht wiederkam, sprach Mode zu Ngi, dem Gorilla: "Folge du dem Vater und Oaa. Beeil dich und bring uns Nachricht!" Ngi machte es aber nicht anders als Oaa. Kaum sah er die Kardamomfrüchte, sagte er: "Was, zwei Tage habe ich schon nichts gegessen!" Ratsch, riß er eine Frucht ab und verzehrte sie. Auf seinem Weitermarsch gelangte er an einen Fluß. Als er auch dort seinen Vater nicht sah, kroch er ins Gebüsch und ließ Nsambe und Brüder Nsambe und Brüder sein. Am nächsten Morgen klagte Mode: "Oaa und Ngi sind fortgegangen und nicht wiedergekommen!" Dann wandte er sich an Schok, den Elefanten, mit der Bitte: "Folge den beiden." Schok machte sich auf den Weg. Er war aber noch nicht weit über die Stellen hinausgekommen, an denen Oaa und Ngi den Weg verlassen hatten, als er die roten Früchte der Ölpalme entdeckte. Rasch pflückte er davon und aß. Etwas später gelangte er an eine lichte Stelle, wo viele, viele Weinranken wuchsen. Schok versuchte ein paar Blätter, sie schmeckten ihm herrlich, und so verließ auch er den Weg, der zu Nsambe führte, und schlug sich ebenfalls in die Büsche. "Ach, Schok kommt auch nicht wieder", sprach Mode zu Küi, dem Pygmäen, als der Morgen graute. "Hat er den Weg verloren, oder ist er bloß seinen Trieben gefolgt? Ich weiß es nicht. Nun geh du und ruf die Brüder zurück und auch unseren Vater, Nsambe." Küi nahm den Bogen, holte auch sein Gewehr und brach auf. Im Wald entdeckte er Spuren eines Quastenstachlers. Da baute Küi erst einmal eine Falle. Beim Weitergehen er- blickte er ein Rotarmhörnchen. Wupp, schnellte der Pfeil vom Bogen, und das Tier stürzte herab. Küi setzte seinen Weg fort. Da sah er eine rotschwänzige Meerkatze und schoß auch sie. Nun kehrte er mit seiner Beute stolz zu Mode zurück und sagte: "Viele schöne Tiere habe ich erlegt!" Aber Mode erwiderte ärgerlich: "Bist du denn nicht gescheit! Anstatt den Vater zu suchen, folgst du den Tieren, was soll ich denn mit denen. Morgen gehst du noch einmal und kümmerst dich nicht um das Wild, sondern gibst dir Mühe, den Vater zu suchen." Am anderen Tag brach Küi auch mit den besten Vorsätzen auf, aber es dauerte nicht lange, da lief ihm eine Antilope über den Weg, die mußte er doch schießen. Und dann gab es so viele Rotarmhörnchen, so viele Meerkatzen und Vögel im Busch, zuletzt sah Küi sogar ein großes Schwein! Er konnte gar nicht anders, alle Tiere, die er sah, erlegte er. Erst spät in der Nacht langte er, unter seiner schweren Beute keuchend, zu Hause an. "Hast du unseren Vater gesehen?" fragte Mode ihn. "Nein", meinte Küi, "aber ich habe unterwegs eine Menge Tiere geschossen und dir mitgebracht." - "Du bist wirklich nicht bei Troste", schimpfte Mode. "Warum bist du denn dem Weg nicht weiter gefolgt? Dich kann man keinen Mann mehr nennen, du heißt zu Recht Küi!" Als der nächste Tag angebrochen war, erteilte Mode seinem Bruder Ngomwenio den Auftrag: "Folge du heute dem Vater, aber mach es nicht so wie Küi und die anderen, sondern halte dich an den Weg!" Ngomwenio aber handelte genau wie Küi. Erblickte er ein Rotarmhörnchen, schoß er es, sah er Meerkatzen, nahm er die Verfolgung auf, und die Antilopen jagte er ebenfalls. Mit Beute beladen kam er zu Mode und sprach: "Bruder, so viele Tiere waren im Busch. Ich habe es einfach nicht fertiggebracht, daran vorüberzugehen." Da beschimpfte Mode auch ihn: "Du dummer Kerl! Bleib von nun an hier! Du bist nicht mehr wert als dein Bruder Küi, darum heißt du ja auch Ngomwenio." Früher hatten die beiden nämlich andere Namen, ihre Torheit hat ihnen die jetzigen verschafft. Einen letzten Versuch machte Mode nun mit Ekute. Er sagte zu ihm: "Du bist an der Reihe. Wirst du es aber nicht auch so machen wie die anderen?" Ekute versprach, genau nach Modes Weisungen zu handeln, und brach auf. Bald kam er an ein Flüßchen. Dort badete er erst einmal ausgiebig, legte sich dann in die Sonne und ließ sich trocknen. "Ach, wie schön es hier in der Sonne ist!" rief er aus, denn er verspürte wenig Lust, ins Ungewisse weiterzugehen. Aber schließlich raffte er sich auf, setzte den Weg fort und kam an einen Fruchtbaum. Gleich kletterte er hinauf und aß, aß, bis er nicht mehr konnte. Dann machte er sich Körbe und füllte sie bis an den Rand mit den erfrischenden Früchten, nahm mit, soviel er tragen konnte, sogar in der Hand hielt er noch Zweige mit Früchten. Mit Modes Geduld aber war es vorbei, als sein Bruder Ekute so beladen ankam. Er nahm einen Stock, verprügelte Ekute ganz fürchterlich und sprach dann: "So, morgen gehst du noch einmal." Beim zweiten Mal wanderte Ekute ziemlich weit, bis er schließlich eine Plantenpflanzung erreichte. Dort fiel ihm nun nichts Besseres ein, als die reifen Planten abzuschlagen. Zehn große Trauben lagen in einer Reihe vor ihm. Ekute lud sie sich auf den Rücken, kehrte zu Mode zurück und sagte: "Hier hast du das Essen, nach dem du mich geschickt hattest." - "Nach dem Vater solltest du suchen, nicht nach etwas Eßbarem!" rief Mode entrüstet und setzte hinzu: "Wir haben ja hier kein Feuer, was sollen wir da mit dem Essen anfangen? Den Vater hast du wohl nicht gesehen?" - "Nein", antwortete Ekute, "aber morgen gehe ich noch einmal, vielleicht finde ich ihn dann." Bevor Ekute am nächsten Morgen zum dritten Mal aufbrach redete Mode ihm noch einmal gut zu: "Bruder", sprach er, "wir sind nun schon acht Tage in dieser jämmerlichen Lage, heute beginnt der neunte Tag. Du mußt dich beeilen, darfst dich nirgends aufhalten und unterwegs nichts anderes treiben." Ekute versprach auch alles und marschierte los. Er hatte schon eine beträchtliche Wegstrecke hinter sich, als ihm ein Baum mit noch viel prächtigeren Früchten als der vom vorigen Tag vor Augen kam. "Ja, ihr seid die richtigen!" rief er aus und war schon oben, um zu pflücken. Nachdem er sich satt gegessen hatte, lud er sich noch ein paar Früchte auf den Rücken und ging weiter. Da kam er an einen Fluß, in dem er viele, viele Welse schwimmen sah. Sofort baute er ein Wehr und trieb die Fische in Körbe, die er am Wehr angebracht hatte. Das bereitete ihm großes Vergnügen, und sein Fang war reichlich. Aber er wollte noch mehr haben und immer noch mehr, bis er merkte, daß die Sonne längst gesunken war und die Nacht hereinbrach. "Ach was", meinte er da, "morgen ist auch noch ein Tag. Was soll ich in der Nacht noch weitergehen. Ich kehre um." Mode empfing den mit Früchten und Fischen beladenen Ekute mit der Frage: "Bist du geradenwegs dem Vater gefolgt?" Und Ekute antwortete: "Bruder, sieh her, was für herrliche Früchte ich unterwegs gefunden habe. Und dann der Fluß! So eine Menge Fische! Wenn da ein paar Frauen fischen gehen würden, ich glaube, sie könnten zehn Körbe voll nach Hause bringen!" Mode aber sprach: "Wirklich, ich wundere mich nicht mehr, daß dich dein Vater Ekute genannt hat, du bist und bleibst ein Dummling. Dreimal sandte ich dich aus, und dreimal bist du ohne den Vater zurückgekommen. Bleib hier, morgen werde ich selbst gehen." Am Morgen stand Mode zeitig auf und befahl seinen Brüdern Küi, Ngomwenio und Ekute: "Ihr bleibt hier und wartet auf mich!" Dann nahm er sein Messer und seinen Speer und eilte raschen Schritts davon. Am ersten Fluß trank er etwas Wasser und ging darauf zügig weiter. Am zweiten fing er in den Fischkörben vier Welse, reihte sie auf einen Strick und setzte seinen Weg fort. Nach einer langen Wanderung an einer Zuckerrohrpflanzung angelangt, schlug er sich ein Stück Rohr ab und aß. Anschließend kam er an Maisfeldern vorbei und nahm zwei Maiskolben mit. Nicht viel weiter hörte Mode auch schon menschliche Stimmen. Er beschleunigte seinen Schritt und erblickte bald darauf ein großes Dorf. Im Versammlungshaus fand er zu seiner Freude Nsambe, den Vater. Nsambe rief erstaunt: "Wie kommst du denn hierher!" Da erwiderte Mode: "Meine Brüder habe ich einen nach dem anderen ausgeschickt, dich zu suchen, aber bis hierher ist keiner von ihnen gelangt. Sie waren zu dumm, und Oaa, Ngi und Schok sind überhaupt nicht wiedergekommen." - "Ich merke, daß du der beste von meinen Söhnen bist", lobte ihn da sein Vater, "und dazu ein ganzer Mann. Du hast mich gefunden." Dann nahm er Mode den Mais ab und gab ihn den Leuten aus seinem Dorf, daß sie ihn für den Sohn auf dem Feuer rösteten. "Ach, wie das schmeckt!" sprach Mode nun, "zu Hause haben wir gar nichts, kein Feuer, nichts. Gib uns doch Feuer, Vater." Nsambe antwortete: "Ich werde dir alles geben und dir erklären, wie du mit den Dingen umgehen sollst." Zuerst gab er Mode das Feuer. Danach rief er ihn ins Vorratshaus, nahm zwei Korbteller, füllte den einen mit Ngon, den anderen mit Erdnüssen und lehrte Mode, wie man sie anpflanzt. Anschließend gab er ihm auch die anderen nützlichen Pflanzen, Planten, Bananen, Kassava, Pfeffer und noch viele andere, und er zeigte Mode, wie er damit umgehen mußte. Auch die genießbaren Waldfrüchte nannte er seinem Sohn. Doch damit nicht genug, reichte ihm Nsambe nun die Werkzeuge, unterwies ihn in allen Arten des Handwerks, lehrte ihn die Spiele und den Ringkampf. Vom Schwert sagte Nsambe: "Solch ein Schwert, wie ich es dir gebe, mußt du dir auch schmieden. Beschimpft dich einer, wenn du zu dem Mädchen gehst, das du liebst, dann schlag ihn damit. Und wenn ein anderer dir dein Mädchen stiehlt, um es selbst zu heiraten, darfst du ihn töten, denn du bist im Recht. Das Schwert - Streit und Kampf - wird ewig dauern." Aber nicht alle Gaben Nsambes waren für den Menschen angenehm, denn er schenkte auch Dinge, die man lieber nicht schenken sollte, die Laus war von diesen üblen Geschenken Nsambes noch längst nicht das schlimmste! Viele schreckliche Krankheiten und auch Unfruchtbarkeit für manche Frauen hat Nsambe seinem Sohn ebenfalls mitgegeben. Zum Schluß sprach Nsambe: "Und nun geh! Ngi, Oaa und Schok darfst du von nun an töten, wenn du ihnen begegnest, denn sie sind nicht mehr deine Brüder. Aber auf Küi, Ekute und Ngomwenio gib acht, denn sie sind zwar keine richtigen Männer - aber es sind Menschen, und du mußt sie als Menschen achten, du darfst sie nicht töten. Aber zu den Meinen rechne ich sie nicht. Du und sie, ihr seid verschiedener Art. Du aber mußt dich vermehren und viele Kinder zeugen, die von gleichem Verstand sind wie du!" Wie der Regenbogen entstand Einst sprach die Großmutter von Ekute, dem Sohn von Nsambe, zu ihrem Enkel: "Komm und zeig mir die Stelle, wo deine Mutter zu fischen pflegt." Sie gingen beide los, und Ekute wies auf eine gute Stelle an einem Bach. Aber die Großmutter sagte: "Nein, hier nicht!" Ekute zeigte ihr nun eine andere Stelle, aber wieder sprach die Großmutter: "Nein, das ist nicht die Stelle, an der ich fischen werde." So gingen sie noch zu vier weiteren Plätzen, aber nirgends war es der Großmutter recht. Schließlich meinte Ekute: "Andere Stellen zum Fischen gibt es nicht. Jetzt kommt schon der große Fluß." - "Gut", antwortete die Großmutter, "gehen wir dorthin." Ekute beharrte: "Aber die guten Fangplätze sind hier. Alle fischen hier. Im Fluß ist es gefährlich." Die Großmutter aber erwiderte: "Das will ich mir selbst ansehen. Komm, gehen wir." Da folgte ihr der Enkel, und als sie an eine Stelle kamen, wo der Fluß ziemlich breit wurde, entschied die Großmutter: "Hier will ich fischen." Ekute riet wieder ab, aber die Großmutter ließ sich nicht überzeugen. Sie stieg in den Fluß und versuchte das Wasser mit den Händen wegzuschieben, geriet dabei aber immer weiter hinein, so daß ihr das Wasser bald bis an den Hals reichte. Da rief sie Ekute zu: "Bring mir zwei Pfähle und leg sie ins Wasser, damit ich darauf stehen kann." Das tat Ekute, und jetzt gelang es der Großmutter, das Wasser wegzutreiben und zu fischen. Siehe da, bald hatte sie zehn Körbe voll mit Fischen. Der Enkel forderte die Großmutter nun auf: "Komm, wir haben genug. Laß uns nach Hause gehen." Die Großmutter aber wollte nicht und erwiderte: "Nein, erst will ich den Fluß leerfischen, denn ich will mehr fangen als je ein anderer zuvor." So fischte sie weiter. Aber da stieg ihr das Wasser auf einmal bis an den Hals, bald bis in Mundhöhe, und schließlich verschwand sie unter Wasser. Im selben Augenblick tauchte eine große Schlange daraus hervor. Als Ekute sie sah, griff er gleich nach seinem Speer, um sie zu töten. Da sprach die Schlange: "Warte, ich habe mit dir zu reden." Aber Ekute lief ins Dorf und holte seinen Vater und die anderen Leute. Auch der Vater wollte die Schlange sofort mit seinem Speer töten. Doch die Schlange sprach wieder: "Wartet noch, ich habe etwas zu sagen." Sie befahl den Leuten, einen Korb anzufertigen und sie darin ins Dorf zu tragen. So geschah es. Als man die Schlange dann ins Dorf gebracht hatte und ihr ein Haus zum Schlafen angewiesen wurde, forderte sie: "Nein, ich will im ersten Haus neben dem Versammlungshaus wohnen!" Auch das wurde ihr gestattet. Bald hatte es sich überall herumgesprochen, daß im Dorf eine große Schlange zu besichtigen wäre. Viele, viele Menschen kamen, um sie zu sehen. Von dem Geld, das Ekutes Vater von jedem dafür verlangte, etwa soviel wie zehn Mark, wurde Nsambe sehr reich und konnte sich zwei Frauen kaufen. Eines Tages waren er und alle seine Leute weggegangen, nur Ekute hatten sie dagelassen. Da erschienen mehrere Besucher aus einem entfernt gelegenen Dorf, um sich die Schlange anzusehen. Weil sie als Bezahlung nur zwei Haumesser mitgebracht hatten, wollte Ekute sie ihnen zuerst nicht zeigen. Doch die Leute schimpften und drohten und ließen sich nicht abweisen. Da nahm Ekute, der ja recht einfältig war, voller Ärger eins der Messer und statt vorsichtig die Tür einen Spalt breit zu öffnen und die Leute hineinblicken zu lassen, schlug er oben die Hauswand ein. Sofort kroch die Schlange heraus, kroch auf den Dorfplatz und rief: "He, jetzt gehe ich auf und davon!" Aber die Fremden und Ekute waren schon weggelaufen. Nun hob die Schlange ihren Kopf und ihren Leib und schwang sich in die Luft. In diesem Augenblick kam Ekutes Vater zurück und konnte ihr gerade noch das untere Ende abschlagen, der andere Teil schwebte bereits hoch in der Luft. Noch heute steht er als Regenbogen am Himmel. Aus dem Schwanz aber wurde die Riesenschlange, und aus den Eiern krochen alle anderen kleinen Schlangen hervor. Die Zauberschachteln Ekute, der Dummling, beschloß eines Tages, den verstorbenen Verwandten seiner Mutter einen Besuch abzustatten. Ekute hatte nämlich nur die Mutter und drei Brüder im Dorf, sonst besaß er gar nichts, auch keine Frau, und seine Brüder hatten ebenfalls nichts. Aus diesem Grund machte er sich also auf, um seine Verwandten der mütterlichen Seite, nämlich die Totengeister, zu besuchen. Bald kam er in einen großen Wald, der war voller Tierfährten. Es dauerte nicht lange, da traf er einen Quastenstachler, der seinem Jagdhund eine Glocke um den Hals gehängt hatte, damit er anderen Quastenstachlern nachspüre - denn die hätten, so erzählte er Ekute, die Kassava seiner Mutter aufgegessen. Erstaunt fragte Ekute: "Wie kommt es, daß du Quastenstachler tötest? Bist du nicht selbst einer?" Da antwortete der: "Ach, daran sind nur die Totengeister schuld. Kehr um und geh nicht zu ihnen!" Aber Ekute lief weiter. Bald darauf traf er einen Vogel, der eine Falle aufstellte, um seine Artgenossen zu fangen. Da fragte Ekute wieder: "Wie kommt es, daß du Vögel töten willst? Bist du nicht selbst ein Vogel?" - "Ach", sprach der Vogel, "daran sind nur die Totengeister schuld. Kehr um und geh nicht in ihr Land." Ekute aber setzte seinen Weg fort und traf zwei Schweine, die hoben eine Fallgrube aus, um andere Schweine zu töten. Sie täten es, erklärte das eine Schwein auf Ekutes Frage, weil die anderen Schweine die Kassava ihrer Mutter aufzufressen pflegten. Da fragte Ekute abermals: "Wie kommt es, daß ihr Schweine töten wollt, wo ihr doch selbst zur Familie der Schweine gehört?" Und die Schweine gaben zur Antwort: "Daran sind die Totengeister schuld. Kehr um und geh ins Land der Menschen zurück!" Ekute aber wollte sich nicht raten lassen, bis das eine Schwein schließlich sagte: "Ach, Ekute, ich dachte, du hättest nun allmählich etwas Verstand bekommen. Aber ich sehe, du bist noch so dumm wie früher. Geh nur deiner Wege, geh, wohin es dir beliebt." Dann begegnete Ekute einer Antilope, die ein Netz aufgestellt hatte. Er fragte sie: "Was machst du denn hier mit dem Stellnetz?" - "Wie kannst du nur so dumm fragen, Ekute", erwiderte die Antilope. "Ich bin hier, um die anderen Antilopen zu fangen." Ekute konnte sich das alles nicht erklären, aber die Antilope fragte nun ihrerseits: "Wo willst du denn hin?" Ekute sagte, daß er die Verwandten seiner Mutter besuchen wolle. Da sprach das Tier: "Dann geh nur diesen Weg, den ich gekommen bin, immer geradeaus, bis du an eine verlassene Lichtung kommst, dort bist du ganz nahe bei ihrem Dorf." Ekute ging weiter und kam noch an vielen Tieren vorbei, Elefanten, Schirrantilopen und vielen anderen, die alle auf der Treibjagd waren. So ging er lange Zeit, drei ganze Tage, bis er endlich in ein Dorf kam. Hier traf er einen Mann, der fragte ihn: "Nun, wohin willst du denn?" Ekute antwortete: "Ich will die Ahnen meiner Mutter besuchen. Bin ich hier richtig?" Da erwiderte der Mann: "Jawohl. Geh nur in das nächste Dorf, da wirst du sie alle finden." So ging denn Ekute weiter und kam auch in ein großes Dorf, das voller Tiere war. Es waren alle da: die Antilope, das Schwein, der Adler, der Hund, der Leopard, der Elefant, o je! Da sagte Ekute: "Bin ich hier nicht im Dorf meines Großvaters?" Das sei er, bestätigten ihm die Tiere. Nun trat er ins Versammlungshaus und wollte sich hinsetzen, aber da riefen lauter Stimmen um ihn her: "Au, au, wie kommst du dazu, dich auf uns zu setzen?" Er setzte sich auf einen anderen Platz, aber da sagte eine Stimme: "Ach, Ekute, paß doch auf meine Füße auf, warum mußt du dich unbedingt hierher setzen?" Ekute aber sah niemanden, weil man die Verstorbenen ja nicht sehen kann. Da sagte er zu den Unsichtbaren: "Ich wollte eigentlich meinen Großvater und die Verwandten besuchen. Wenn ich nicht willkommen bin, werde ich eben wieder zurückgehen. Sobald ich mich irgendwo hinsetze, heißt es: >Hier nicht !< Ich sehe aber niemanden, was soll ich da machen?" Nun kam sein Großvater. Der nahm ein Blatt, formte daraus einen Trichter und träufelte Medizin in Ekutes Ohren. Ekute fiel sofort tot um, und nun sah er alle Leute. Waren das aber viele! Auch das große Dorf, in dem er sich befand, sah er nun erst richtig. Die Häuser waren ordentlich gedeckt, vorher hatte er nämlich nur Dachsparren gesehen. Nun sprach Ekute: "Ach, mein Großvater, ich habe nichts - kein Huhn, kein Schaf, einfach nichts, dabei drei Brüder, die auch nichts haben, und meine alte Mutter. Ich wollte dich bitten, ob du mir nicht ein Huhn oder ein Schaf oder sonst irgendwas als Brautgeld geben könntest, denn eine Frau habe ich auch nicht." Da lachte der Großvater und sagte: "Das macht nichts. Das kommt schon alles noch. Laß uns erst einmal ordentlich essen." Er fing ein großes Schwein, schlachtete es und aß es mit seinem Enkel. Am nächsten Tag schlachteten sie ein Schaf, und so ließen sie es sich gut gehen. Nach einiger Zeit sagte der Großvater zu Ekute: "Komm nun, wir wollen in den Wald gehen. Ich will dir etwas zeigen, das dich zu einem großen Häuptling machen wird, so daß alle über dich staunen werden." Sie gingen tief in den Wald, bis sie an eine große Copaifera kamen. Dort sagte der Großvater: "Reinige den Boden um diesen Baum ordentlich, bis dort hinten." Er ging dann selbst bis dahin und fragte: "Siehst du mich?" Ekute sagte: "Nein". Da sagte der Großvater, daß er den Platz noch gründlicher säubern solle, und Ekute tat, wie ihm befohlen. "Nun mußt du kleine Häuser bauen, vierzig auf dieser Seite, vierzig auf jener Seite!" Auch das tat Ekute. Dann klopfte der Großvater an die Copaifera, und sofort schrumpfte der Baum zusammen und wurde so klein, daß sie Feuerholz von seinen Ästen abschlagen konnten. Damit entfachten sie nun ein großes Feuer, auf dem sie das Zaubermittel kochten. Der Großvater ging an einen kleinen Fluß und brachte zwei Rindenschachteln mit, die von selbst laufen konnten. Wenn er ihnen zurief: "Kommt, kommt!", kamen sie von selbst. Nun sprach der Großvater: "Lieber Ekute, hier hast du alles, was ich dir geben kann. Nimm diese Schachteln. Es sind Zauberschachteln. Verbirg sie gut, aber nicht in deinem Dorf, vergrabe sie im Bett des Baches, der in der Nähe deines Dorfes fließt. Kein anderer darf sie finden, sonst ist alles aus. Wenn du nun zurückgekehrt bist, brauchst du nur einen Wunsch zu äußern, und er wird in Erfüllung gehen. Die Schachteln werden dir helfen." Darauf erwiderte Ekute: "Ach Großvater, ich kann das alles gar nicht glauben." Aber der Großvater entgegnete: "Doch, doch, geh nur. Dein Dorf wird wachsen und immer größer werden. Achtzig Hütten wirst du bauen, denn du wirst achtzig Frauen heiraten, so wie du hier achtzig Häuser gebaut hast. Und nun ruf die Schachteln." Das tat Ekute auch. Er rief: "Kommt, kommt!" Da kamen sie schon, und Ekute freute sich und sagte: "Ja, nun sehe ich, daß alles seine Richtigkeit hat." Nachdem der Großvater abermals an den Baum geklopft hatte, damit er wieder seine ursprüngliche Größe annahm, kehrten die beiden ins Dorf zurück. Dort sagte der Großvater zum Schein vor den Leuten, daß er nicht viel zu vergeben hätte. Ekute solle nun wieder nach Hause gehen, aber er wolle ihn bis zum nächsten Dorf begleiten. Dies geschah auch und unterwegs erinnerte der Großvater Ekute noch einmal daran, die Schachteln ja niemanden sehen zu lassen, sondern unter dem bezeichneten Bach gut einzugraben. Darauf träufelte er ihm wieder die Medizin in die Ohren, und Ekute war wieder lebendig und wanderte mit seinen Schachteln durch den Wald seinem Dorf entgegen. Als er an den Bach kam, den sein Großvater ihm benannt hatte, grub er ihm ein anderes Bett, hob in dem alten ein Loch aus und legte die Schachteln hinein. Dann warf er Erde darauf und leitete den Bach zurück in sein altes Bett. Hierauf kehrte er in sein Dorf zurück. Dort waren natürlich alle erstaunt, und sein Bruder sagte: "Ekute, wir dachten, du wärst längst tot. Du bist ja so lange weggeblieben. Was hast du nur gemacht?" Ekute gab zur Antwort: "Ich bin im Wald herumgeirrt und war nahe daran, zu verhungern. Aber getroffen habe ich niemanden." - "Ach, Ekute", klagte der Bruder, "du treibst dich im Wald herum, und wir wären hier unterdessen beinahe verhungert." Nun ging Ekute dorthin, wo seine drei Häuser standen, da war alles mit Unkraut und Gestrüpp überwuchert. Bekümmert meinte er: "Ich sehe schon, mein Anwesen ist inzwischen völlig heruntergekommen." Darauf machte er sich daran, sein Haus und den Platz davor wieder in Ordnung zu bringen. Über Nacht aber war wie von Zauberhänden das gesamte Dorf so sauber gemacht worden und die Häuser waren so schön hergerichtet, wie man es selten sieht. Allen Leuten, die durch das Dorf kamen, gefiel der Ort und sie sagten sich: "Was für ein hübsches Dorf. Hier wollen wir ein wenig rasten." Sie holten kleine Gastgeschenke hervor und brachten sie Ekute. Auf diese Weise erfuhr Ekute, daß es in einem der nächsten Dörfer ein Mädchen im heiratsfähigen Alter gab. Sofort wollte er sich dorthin begeben. Aber sein Bruder hielt ihn zurück und sagte: "Was, eben bist du erst von der Reise zurückgekommen. Nichts ist vorbereitet. Du bist nicht geschmückt, und eingeölt bist du auch nicht!" Da bat Ekute den Bruder, ihm den Kopf- schmuck zu richten. Dann legte er sich einen Messingreif um den Hals, streifte Messingringe an Arme und Beine und ging nun festlich geschmückt in jenes Dorf. Als er zu dem Vater des Mädchens kam und ihn um seine Tochter bat, lehnte der jedoch ab: "Aber Ekute, du besitzt ja rein gar nichts zum Heiraten." Gegen eine Freundschaft der beiden hatte er aber nichts einzuwenden, und so stellte sich Ekute dem Mädchen vor. Als er sah, daß er ihr gefiel, fragte er vorsichtig, ob sie nicht vielleicht später einmal mit ihm in sein Dorf gehen wolle. Da erwiderte das Mädchen: "Warum so umständlich, Ekute? Ich bin jederzeit bereit, mit dir zu gehen." - "Dann laß uns auf der Stelle aufbrechen", forderte nun Ekute. Aber das Mädchen entgegnete: "Ach nein. Ich habe gerade das Essen auf dem Feuer." Als sie fertig war mit Kochen, bot sie Ekute zu essen an, der aber sagte: "Laß uns doch gehen. Ich habe jetzt überhaupt keinen Hunger." Da packte das Mädchen das Essen in ein Bündel und ging, obwohl es unterdessen schon Nacht geworden war, mit Ekute in sein Dorf. Am anderen Morgen überlegte Ekute verzweifelt, woher er das Geld nehmen sollte, eine Frau zu bezahlen. Bald kam auch der Vater des Mädchens. Er schalt Ekute wegen seiner Unvernunft und sagte: "Bring mir das Mädchen zurück. Du kannst sie ja doch nicht bezahlen." Dann drehte er sich um und ging. Als Ekute nun in sein Haus trat - standen da doch fünf große Kisten voll Speergeld, eine Kiste mit Stoffen und viele viele andere Dinge! Da rief er seinen Bruder und brachte mit ihm all die Sachen zu seinem Schwiegervater. Der wunderte sich sehr und dachte bei sich: >Wie kommt dieser Ekute, der doch vorher nichts besaß, zu all diesen Sachen?< Laut aber sprach er: "Mein lieber Sohn. Du bist herzlich willkommen. Du hast ja ungeheuer viel Geld und wirst noch ein großer Häuptling." Nun war Ekute natürlich sehr froh. Als nächstes sagte er sich: "Ja, eine Frau habe ich jetzt, aber keine Pflanzung. Wir müssen doch leben!" Da erinnerte er sich an die Worte seines Großvaters. Er ging in den Wald und suchte sich einen Platz für die Pflanzung aus. Nachts aber rodeten die Unsichtbaren für ihn die Stelle und brannten sie ab. Als Ekute am nächsten Morgen kam, fand er die Pflanzung soweit vorbereitet. Da sagte er: "Nun müssen noch die Stämme beiseite geräumt werden. Es fehlt auch noch die Begrenzung der Landstücke, denn es müssen zwei Felder sein, eins für meine Mutter und eins für meine Frau." Am nächsten Tag war auch das geschehen, und Ekute konnte zu den Frauen sagen: "Es ist Zeit für euch, an die Arbeit zu gehen. Bringt Ngon in die Erde." Erstaunt fragte seine Mutter: "Was, hast du schon alles fertig, auch die Abgrenzung?" - "Ja, gewiß", antwortete Ekute. Auch das Haus für seine Frau halfen die Unsichtbaren bauen. So konnte Ekute schon bald losziehen, um sich nach einer zweiten Frau umzusehen. Und da das Brautgeld jetzt immer bereit lag, dauerte es nur kurze Zeit, bis er neunundsiebzig Frauen geheiratet hatte. Alle Pflanzungen und alle Häuser für sie wurden ihm von den Unsichtbaren errichtet. Eines Tages hörte er, daß gar nicht weit weg ein wunderschönes Mädchen lebte mit Namen Odangemaköng, das heißt "Klüger als alle". Die wollte er auch noch haben. Sein Bruder warnte ihn: "Wer >Klüger als alle< heißt, ist immer gefährlich. Nimm dieses Mädchen lieber nicht zur Frau!" Aber Ekute meinte: "Ach was, warum soll ich sie nicht heiraten?" Dem Mädchen gefiel er auch sofort, und so brachte er sie als seine Frau in sein Dorf. Gleich am ersten Abend bat das Mädchen: "Schlafe doch heute bei einer anderen Frau. Ich mag nicht." Das tat Ekute. Aber als er schlafen gegangen war, wandte die junge Frau einen Zauber an. Sie entzündete ein Stück Holz und fragte das Feuer: "Woher kommen all die vielen Sachen, die Ekute hat? Aus dieser Richtung?" - Das Feuer brannte weiter. - "Aus jener Richtung?" - Das Feuer brannte weiter. - "Aus jener Richtung?" Und sie zeigte den Weg, der zum Bach führte. Da erlosch das Feuer. Sie ging nun den Weg entlang, bis sie an den Bach kam. Dort zündete sie wieder ein Feuer an und fragte: "Wo ist das Ding, das all die Sachen schafft? Hier?" Das Feuer brannte. "Und hier? Und hier?" Und sie zeigte in alle Richtungen, aber das Feuer brannte weiter. Da deutete sie auf den Platz zu ihren Füßen, und sofort erlosch das Feuer. Nun leitete sie den Bach ab und grub und grub und fand schließlich die beiden Schachteln. "Also das ist es", sagte sie, öffnete die Deckel und husch - all die hilfreichen Geister, die darin eingeschlossen waren, entwischten und kehrten zurück ins Land der Unsichtbaren. Da lief sie schnell ins Dorf und begann ihre Sachen zu packen. Als sie noch dabei war, kam Ekute und sagte: "Ich weiß nicht, was mit mir los ist, ich kann heute gar nicht einschlafen. Laß mich bei dir schlafen." Aber Odangemaköng rief: "Nein, bloß nicht. Komm ja nicht in mein Haus!" So ging Ekute wieder in sein Haus und legte sich hin. Odangemaköng aber sprach: "Wenn Ekute mich morgen hier antrifft und sieht, daß alles verloren ist, wird er mich töten." Sie nahm all ihre Sachen und kehrte zu ihrem Vater zurück. Als Ekute am nächsten Tag erwachte, wollte er seinen Augen nicht trauen, denn alles war weg, das ganze Dorf. Nur die drei alten Häuser standen noch wie früher, aber alle Frauen und alles übrige war verschwunden. "Siehst du, wie recht ich hatte", sagte sein Bruder. "Hättest du dieses Mädchen nicht geheiratet, wäre alles noch wie gestern. So aber hast du nun gar nichts mehr." Die schöne Meküküi Einst lebte Nsambe zusammen mit seiner Frau in einem großen Dorf. Die Frau hatte ihm schon einige Kinder geboren. Nsambe aber hatte die Kinder jedesmal bald nach der Geburt aufgefressen. Als das schon fünf- oder sechsmal so gegangen war, sagte sich die Frau: "Wie kann dieser Mann nur seine eigenen Kinder fressen! Das nächste Mal werde ich weit weg gehen. wenn die Geburt naht, und ihm das Kind gar nicht zeigen." Als es nun Zeit wurde, lief sie in den Wald, um einen geeigneten Platz zu suchen. Da fand sie eine Felshöhle, in der genügend Raum war. Hier gebar sie eine Tochter und nannte sie Obelle. Sie richtete die Höhle wohnlich her und brachte dem Kind auch immer sein Essen. Als Nsambe sie fragte, wo denn das Kind geblieben sei, sagte sie, es wäre tot geboren, und so hätte sie es im Wald gelassen. Weil ihr die List gelungen war, beschloß sie, es nun immer so zu machen. Als sie das nächste Mal schwanger wurde, begab sie sich wieder in die Felshöhle und gebar eine Tochter, die sie Mbui-Ekon nannte. Die dritte Tochter, Schi-Ekon, kam auch hier zur Welt. Die letzte Tochter aber nannte sie wegen ihrer schönen hellen Hautfarbe Meküküi, das heißt Mondlicht. Die Frau brachte ihren vier Töchtern stets heimlich etwas zu essen und zog sie groß. Den Mann aber täuschte sie und beschwichtigte ihn, wenn er ungehalten war, weil er das neugeborene Kind wieder nicht hatte essen können. Nun lebte in einem anderen Dorf ein junger Mann, der in jenem Wald oft auf die Jagd ging. Dabei gelangte er eines Tages zu der Felshöhle und sah die jüngste Tochter, Meküküi, vor der Tür sitzen. Wie gebannt von ihrer Schönheit dachte er: >So ein wunderschönes Mädchen habe ich noch nie gesehen. Ich will versuchen, sie zu meiner Frau zu machen.< Als Meküküi den jungen Mann erblickte, schlüpfte sie sogleich in die Felsgrotte zu ihren Schwestern, obwohl ihr der Mann zurief: "Hab keine Angst! Bleib doch hier, ich habe dich ja schon lange gesehen!" Gleich am nächsten Tag begab sich der junge Mann zu Nsambe und sprach: "Ich bin gekommen, um bei dir um deine Tochter anzuhalten, denn ich liebe sie sehr." Da erwiderte Nsambe: "Was für eine Tochter? Ich habe gar keine Tochter, mein Freund." Nun erzählte der junge Mann von seinem Erlebnis bei dem Felsen im Wald. Als Nsambe ihn angehört hatte, entschied er: "Gut, ruf morgen alle deine Verwandten her, und auch ich werde die meinen holen lassen, damit wir die Angelegenheit klären können. Wenn es sich so verhält, wie du sagst, soll sie deine Frau werden. Hast du aber gelogen, so wird es dir schlecht ergehen." Damit war der junge Mann zufrieden. Am anderen Tag erschien er mit seinen Verwandten. Nun ließ Nsambe seine Frau rufen, befragte sie wegen der Tochter und befahl ihr dann, sie sogleich herbeizuschaffen. Da ging die Frau fort und kam mit der ältesten Tochter, Obelle, wieder. Der junge Mann aber schüttelte den Kopf und sprach: "Nein, die ist es nicht, hol die andere." Da rief sie die zweite Tochter, aber wieder sagte der Mann: "Nein, die meine ich auch nicht." Da ließ die Frau die dritte Tochter holen, doch der Mann wollte auch die dritte nicht und sprach: "Nein. das ist nicht jene, die ich im Wald gesehen habe. Du hast noch eine Tochter. "Da ging die Frau, um die jüngste, Meküküi, zu holen. Aber Meküküi wollte nicht mitkommen und sagte: "Ich gehe nicht, ich sehe keinen Grund, warum ich gehen sollte." Nun erzählte ihr die Mutter, daß ein junger Mann erschienen sei, der sie heiraten wolle. Da sprach Meküküi: "Gut, wenn er mich liebt, soll er eine Korbschale mit Perlen und Armreifen aus Messingdraht füllen, aber eine ganz neue, frisch geflochtene Schale, und soll sie vor meine Tür stellen. Wenn ich damit zufrieden bin, werde ich kommen." Als der junge Mann das hörte, ging er sofort los, kaufte Armreifen aus Messingdraht und Perlen und häufte sie auf eine schöne neue Schale. Die stellte er vor Meküküis Tür und bat sie, nun mit ihm zu kommen. Da trat sie heraus, strahlend schön wie das Mondlicht, und ging mit ihm zum Dorf ihres Vaters. Auf einmal standen sie vor einem Baumstamm, der quer über dem Weg lag. Da sprach das Mädchen: "Bis hierher bin ich mitgekommen, aber über den Baumstamm werde ich nicht steigen - es sei denn, du füllst noch eine Schale mit Armreifen und Perlen für mich." - "Nur zu gern tue ich das für dich", gab der junge Mann zurück, ging und kaufte noch einmal Perlen und Messingdraht für Armreifen. Er brachte ihr die gefüllte Schale, und da stieg das Mädchen auch über den Baumstamm und ging mit bis ins Dorf. Doch kaum waren sie vor Nsambes Haus angelangt, forderte sie: "Wenn du willst, daß ich mit hineingehen und deine Frau werden soll, mußt du mir noch eine Schale voller Armreifen und Perlen bringen." Aber der Mann meinte: "Das macht mir nichts aus. Ich tue es gern." Er füllte noch eine Korbschale mit Perlen und Messingarmreifen und gab sie dem Mädchen. Da trat sie ins Haus. Nsambe aber sprach zu dem jungen Mann: "Sei mir als Schwiegersohn willkommen, denn wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich nie erfahren, daß ich Töchter habe. Nimm Meküküi nun mit in dein Dorf. Laß sie aber im Haus bleiben. Sie soll nur Essen kochen, weiter nichts! Achte auch darauf, daß niemand mit ihr spielt oder sie etwa eine schöne Frau nennt, sonst wird Schlimmes geschehen." Das sagte der junge Mann auch zu und kehrte dann mit seiner Frau in sein Dorf zurück. Meküküi bekam eine neue, schöne Hütte und durfte den ganzen Tag zu Hause bleiben. So ging einige Zeit alles gut, bis der Mann eines Tages wieder auf die Jagd mußte, um Fleisch für sich und seine Frau heranzuschaffen. Er rief seine Schwester und befahl ihr: "Bleib bei meiner Frau und achte darauf, daß niemand ihr nahe kommt und sie berührt!" Die Schwester versprach auch,gut achtzugeben. Kaum war der Mann fort, setzte sie sich in die Hütte zu der jungen Frau. Als sie Meküküi aber eine Weile angeschaut hatte, war sie von ihrer Schönheit so benommen, daß sie nicht anders konnte, als die junge Frau zu berühren und bewundernd auszurufen: "Was bist du doch für eine schöne Frau!" Kaum aber hatte die Schwester das ausgesprochen, verwandelte sich Meküküi in eine rotschwänzige Meerkatze. Zuerst kletterte sie auf die Planten, von da auf die höheren Bäume und verschwand dann im tiefen Wald. Bald darauf kehrte der Mann zurück. Er rief seine Schwester und fragte sie: "Wo ist meine Frau?" Da antwortete sie: "Ach, lieber Bruder, ich habe schlimme Dinge zu berichten. Deine Frau ist nicht mehr hier!" Der Bruder erschrak sehr. Sie erzählte ihm nun, was geschehen war, und schalt: "Sie war gar kein richtiger Mensch, sondern eine abscheuliche Meerkatze. Wie kannst du ihr nur nachtrauern." Am folgenden Tag begab sich der Mann betrübt zu seinem Schwiegervater und erzählte ihm das Unglück. Da gab ihm Nsambe als Ersatz seine Tochter Obelle zur Frau, und der junge Mann kehrte mit ihr zurück in sein Dorf. Wenn nun Obelle auf dem Feld war, um die Erdnußpflanzen zu jäten, weinte sie immer laut und klagte um ihre Schwester. Auch vermochte sie kaum, ein paar Unkräuter herauszuziehen, so sehr mußte sie weinen. Da rauschte es eines Tages hinter ihr und ihre Schwester kam in Affengestalt aus den Büschen. Sie warf ihre Haut ab, verwandelte sich wieder in einen Menschen und war so schön, wie sie vorher gewesen war. Sie sprach zu Obelle: "Warum weinst du denn um mich, ich bin ja nicht gestorben." Die Schwester aber antwortete: "Wie sollte ich nicht weinen. Früher haben wir so glücklich miteinander gelebt, und nun bist du ein häßlicher Affe. Das ist gerade so, als wärst du gestorben." Meküküi aber wiederholte: "Du siehst mich ja, ich bin nicht tot. Also laß das Weinen." Dann half sie beim Unkrautjäten und war dabei so schnell, daß bald alles gejätet war und Obelle heimgehen konnte. Aber kaum machte sie sich auf, ergriff Meküküi ihre Affenhaut, verwandelte sich in eine Meerkatze und verschwand eins, zwei, drei, in den Bäumen. Da lief Obelle weinend nach Hause. So ging es nun jeden Tag: Meküküi kam, verwandelte sich, half beim Jäten. Aber sowie Obelle nach Hause gehen wollte, verschwand Meküküi trotz aller Bitten wieder als Meerkatze im Wald. Schließlich fiel es dem Mann auf, daß seine Frau sehr zeitig, aber immer wehklagend vom Feld zurückkam. Er fragte sie nach dem Grund, und sie erzählte ihm alles. "Warte", sagte der Mann, "morgen verstecke ich mich in der Nähe des Feldes und packe sie, wenn sie wieder Mensch geworden ist." Obelle war damit einverstanden. Am nächsten Tag begaben sie sich zusammen zum Feld und der Mann versteckte sich nahe der Stelle, wo Meküküi sich immer verwandelt hatte. Obelle aber ging wie gewohnt an ihre Arbeit. Es dauerte nicht lange, da kam Meküküi. Aber statt sich zu verwandeln, lief sie unruhig hin und her, so daß Obelle sie fragte: "Was hast du denn heute? Sonst verwandelst du dich doch immer hier?" Meküküi antwortete: "Ich rieche etwas. Es scheint noch ein anderer Mensch in der Nähe zu sein." Aber Obelle beruhigte sie: "Ach was, ich bin ganz allein." - "Gut", sagte da Meküküi, "doch wenn du gelogen hast, werden wir nie mehr miteinander sprechen." Darauf warf sie ihre Affenhaut ab und wurde wieder ein Mensch. Kaum hatte der Mann das gesehen, als er aus seinem Versteck hervorstürzte, die Affenhaut ergriff und sie in das Feuer warf, das die Frauen der Sandfliegen wegen stets brennen haben. Nun fesselte er Meküküi, weil er fürchtete, sie würde weglaufen, und brachte sie ins Dorf. Meküküi aber war stumm geworden. Sie konnte sich zwar durch Zeichen verständigen, doch kein einziges Wort kam mehr über ihre Lippen. Ihr Mann war darüber sehr traurig. Er suchte alle Medizinmänner des Landes auf, um ihren Rat einzuholen. Aber keiner wußte ein Mittel, bis ihm schließlich ein Mann riet: "Du mußt als Essen für deine Frau Planten zerreiben und über dem Topf einen großen Tausendfüßer aufhängen. Wenn deine Frau den sieht, wird sie einen Schreck bekommen und fragen: >Wer hat das gemacht?< Dann mußt du schnell mit all deinen Leuten rufen: >Da redet sie schon, sie redet ja schon!<, und der Bann ist gebrochen." So tat es der Mann auch. Er zerrieb die Planten zum Mittagessen und band über dem Topf einen Tausendfüßer fest. Dann rief er alle seine Leute zusammen und sprach zu seiner Frau: "Geh ins Haus, ich habe Essen für dich gekocht." Da ging sie hinein, sah den Tausendfüßer, erschrak und schrie: "Wer hat denn das gemacht?" Sofort riefen alle: "Nun spricht sie ja! Nun spricht sie ja!" und der Zauber war besiegt, sie konnte wieder reden. Obelle kehrte in das Dorf ihres Vaters zurück. Die beiden Eheleute aber wurden nie mehr durch Zauberei gestört und lebten glücklich und zufrieden miteinander. |