25 Stunden
(the 25th Hour)
USA 2002, 135
Minuten
Regie: Spike Lee
Spike
Lee, Regisseur engagierter *schwarzer* Filme wie Do the Right Thing oder Malcolm
X liefert nach seinem ersten rein *hellhäutigen* Streifen Summer of Sam diesmal
ein Drama fernab von Rassenproblemen und Ghettostudie. Naja nicht ganz, denn
neben der gefühlvollen Charakterstudie verarbeitet Lee auch mehr oder weniger
subtil das 09/11 Trauma der New Yorker.
Ist
ihm mit the 25th Hour ein Anschluß an seine großen Erfolge gelungen oder reiht
er sich in die sowohl bei Publikum als auch Kritikern etwas untergegangenen jüngeren
Werke wie He´s got Game ein?
Der charismatische Drogendealer Monty Brogan (grandios wie gewohnt: Edward Norton) erlebt seinen letzten Tag in Freiheit bevor er eine siebenjährige Haftstrafe antreten muß. In diesen letzten 24 Stunden erinnert er sich an vergangene glückliche Zeiten und an die kleinen, aber gewichtigen Fehler, die ihn in diese Situation gebracht haben. Vor allem aber ist es ein Abschied von seinen besten Freunden Jacob (Phillip Seymour Hoffmann, der Nebenrollengott als weichlicher Lehrer, der in seine Musterschülerin (Oscar-Kiddy Anna Paquin)vernarrt ist…fast schon ein wenig American Beauty-Feeling innerhalb dieses Filmes) und Francis (der überraschend gut aufspielende Barry Pepper als scheinbar extrem oberflächlicher Wall Street Broker), seiner Frau (hinreissend: Rosario Dawson), die ihn möglicherweise an die Drogenpoizei verraten hat und nicht zuletzt seinem Vater(Brian Cox…wieso ist dieser Edelmime erst in den letzten Jahren so nachhaltig in die Öffentlichkeit gerückt?), dem Ex-Alkoholiker, der sich die Schuld am Lebenswandel seines Sohnes gibt. Am Ende läuft alles auf eine Entscheidung hinaus….läuft Monty davon oder wird er für seine Verbrechen gerade stehen?
Anmerkung:
Dieses Review enthält Spoiler, allerdings sind diese in schwarzer Schrift
gehalten, und somit nicht sichtbar. Wer die entsprechenden Textabschnitte lesen
will, wird gebeten, diese zu markieren.
Dass der Anfang eines Filmes schon andeutet wie er enden wird oder zumindest einen Kreis eröffnet, der mit dem Schluß eindrucksvoll geschlossen wird, ist nichts neues, aber das ändert nichts an der Effektivität dieses Mittels. Noch vor dem Vorspann wissen wir, das es in 25 Stunden um Entscheidungen geht und das man dem ersten Eindruck nicht immer vertrauen sollte. Hier sehen wir eine, der laut eigener Aussage wenigen guten des Protagonisten. Aus einer Laune heraus rettet er einen aus einem fahrenden Auto geworfenen Hund, der im Grunde mehr tot als lebendig ist und ihn aus *Dank* beißt…was aber nichts an der späteren Treue des Hundes ändert.
Im Vorspann selbst bekommen wir eine weitere Vorausdeutung auf den weiteren Verlauf. Untermalt vom im Film allgegenwärtigen Maintheme sehen wir in langen Einstellungen Scheinwerfer in mitten von Hochhäusern, die auf den ersten Blick einfach nur Lichtsäulen sind…dann der Umschnitt auf die Totale und wir sehen das nächtliche New York…die Strahler simulieren die Twin Towers. Trotzig, anklagend und als Mahnmal überthronen diese Lichtsäulen die restlichen Häuser wo einst der archetektonische Stolz dieser Stadt stand. Denn neben Monty´s Abschied zeigt Spike Lee auch eine Stadt, die immer noch verwundet ist, aber auf dem Weg zur Heilung.
Zu den beeindruckensten Momenten zählt sicherlich der wütende Monolog den Edward Norton vor einem mit *Fuck You* beschmierten Toilettenspiegel hält. Auch wenn man merkt, das diese Szene nachträglich in die Story reingeschrieben wurde, kann man sich der ungeheuren Intensität nicht entziehen. Hier klagt er alles und jeden in New York an…seien es bestimmte Rassen, Klassen, Berufe als auch seine engsten Bekannten…um ganz zuletzt sich selbst die Schuld zu geben. Für sich gesehen könnte man diese Szene fast als aufgesetzt und Selbstinszenierung bezeichnen, aber durch den Kontrapunkt am Ende des Films dürften selbst Zyniker besänftigt werden. Als Monty mit seinem Vater aus New York auf dem Weg zum Gefängnis hinausfährt, sehen wir die Randgruppen aus der Wutrede erneut…die rücksichtlosen Inder in ihren stinkenden Taxi´s, die Italiener oder die Basketballer und diesmal wird die besondere Hassliebe zu dieser Stadt deutlich. Auch wenn man es als Nicht-New-Yorker und schon gar nicht als Deutscher nicht vollkommen nachvollziehen kann, wirkt diese Szene in keinster Weise pathetisch oder kitschig.
Dieser bewegende Moment wird nur noch von
der wunderschönen und ausgedehnten Schlussszene übertroffen. Nachdem
sie aus der Stadt heraus sind, fabuliert Brian Cox über die alternative Zukunft
seines Sohnes, wenn sie anstatt zum Gefängnis einfach in eine weit entfernte
Stadt fahren würden wo Monty ein neues Leben beginnen könnte. Wir sehen Monty
wie er sich eine einfache Existenz aufbaut, neue Freunde gewinnt und schließlich
mit seiner Frau eine Familie gründet und in Ehren ergraut. Die Erzählung
schließt mit dem Satz…um Haaresbreite hätte es dieses Leben nie gegeben..
…um Haaresbreite hätte es dieses Leben nie gegeben.. und dann sehen wir
Norton wieder im Auto und wissen, das dieses Ende zu schön gewesen ist um wahr
zu sein…er wird im Gefängnis landen und seine Zukunft und vielleicht auch
sein Leben ist beendet. Dies kann man wohl auch als Gleichnis auf die
vielen durch den feigen WTC-Anschlag beendeten Leben nehmen.
Wertung: (10/10)
Verfasser: evildead
Titelbild und Filmausschnitt © 2002 Buena Vista International