Akte X: Jenseits der Wahrheit

(The X-Files: I Want to Believe)

USA 2008, 104 Min.

Regie: Chris Carter

Ein paar Jahre sind seit dem Ende der Serie vergangen. Die X-Akten sind lang geschlossen, Mulder wurde aus dem FBI rausgeworfen, und auch Scully geht mittlerweile wieder ihrer Tätigkeit als Ärztin nach. Dann steht eines Tages auf einmal das FBI vor ihrer Tür: Eine Agentin wird vermisst, und die einzige Spur zu ihr ist ein ehemaliger Priester, der behauptet, Visionen von Gott zu empfangen. Aufgrund dieser übersinnlichen Quelle würde man gerne Fox Mulder zu Rate ziehen. Dieser erklärt sich nur zögerlich und nach einiger Überredungskunst dazu bereit, dem FBI, das ihn so unehrenhaft aus dem Dienst geschmissen hat, helfend zur Seite zu stehen. Doch kaum trifft er den Priester, sind all seine Bedenken zerstreut. Sehr schnell fällt er wieder ins altbekannte Muster zurück, jedwede Übersinnlichkeit ohne große Skepsis hinzunehmen. Während Mulder sich immer tiefer in die Ermittlungen hineinziehen lässt, kehrt Scully wieder in ihre Klinik zurück, wo sie ganz andere Sorgen plagen: Einer ihrer Patienten, ein kleiner Junge, ist an einer scheinbar unheilbaren Krankheit erkrankt – weshalb die Leitung des Krankenhauses ihn in eine Hospiz überstellen will. Verzweifelt sucht Scully nach einer Lösung, und findet schließlich eine neue, riskante und höchst umstrittene Behandlungsmethode, mit der sie hofft, sein Leben doch noch retten zu können. In der Zwischenzeit kommen Mulder & Co. der vermissten FBI-Agentin nur langsam näher. Erst als eine weitere Frau entführt wird, kann man ihre Spur wieder aufnehmen. Doch nach einem Rückschlag ist Mulder wieder auf sich alleine gestellt. Von seinen Theorien überzeugt, macht er sich alleine daran, das Rätsel rund um das Verschwinden der Agentin zu lösen – und gerät dabei in größte Gefahr…

Bei einem Film wie „Akte X“ ist natürlich immer wichtig zu wissen, wie der werte Herr Kritiker denn eigentlich zur Serie steht, um dessen Meinung halbwegs einschätzen zu können. Daher gleich vorweg: Ja, ich war für lange Zeit ein großer Fan der Serie, habe die ersten Staffeln interessiert verfolgt – bis mir das mit der Alien-Verschwörung zu konfus wurde, und man einfach deutlich erkannte, das Chris Carter & Co. keinen Plan hatten, sondern sich von Wendung zu Wendung hangelten. Da mich ziemlich zur gleichen Zeit Babylon 5 mit einer über alle 5 Staffeln hinweg durchdachten Handlung ziemlich verwöhnte, war ich das ständige, planlose hin- und her bei Akte X schon bald leid, und bin nach der Folge „Ein Sohn“ aus der 6. Staffel schließlich ausgestiegen. Nichtsdestotrotz hatte ich insbesondere an die ersten Staffeln einige gute Erinnerungen, was mich schließlich dazu veranlasst hat, mir nach und nach alle Staffelboxen (ja, auch jene der Seasons 6-9) zuzulegen und vor ein paar Monaten langsam aber sicher damit zu beginnen, die Serie noch einmal anzusehen. Zwar stecke ich noch in der Mitte der 1. Staffel fest, habe aber doch schon wieder einiges entdeckt, was mir an dieser Serie so gut gefallen hat. Vieles davon sucht man in „Jenseits der Wahrheit“ leider vergeblich…

Ich hatte das Glück, den zweiten Akte X-Film bereits vorab in einer Pressevorführung zu begutachten, und war danach – obwohl ich relativ unbeschwert und ohne große Erwartungshaltung in den Film gegangen bin – eher enttäuscht. Es gibt zwar einiges, dass gut gelungen ist, aber eben leider auch vieles, dass mich weniger überzeugen konnte. Eines der Hauptprobleme des Films ist, dass er es an Übersinnlichem vermissen lässt. Ja, wir haben den ehemaligen Priester mit (angeblichen) Visionen vom lieben Gott… aber, liebe Leute, das war dann leider auch schon alles, was „Jenseits der Wahrheit“ an übernatürlichen Elementen zu bieten hat. Auch die Bedrohung, der sich Mulder, Scully & Co. stellen müssen ist eine gänzlich irdische. Nachdem man sich in der Serie Woche für Woche einem übernatürlichen Phänomen gewidmet hat, schon ein kleiner Stilbruch, und für mich definitiv eine Enttäuschung. Zudem wirkt es sehr konstruiert, dass das FBI den guten Mulder gerade wegen dieses Falls – und nur wegen eine Hellsehers – aus dem „Exil“ zurückholt – verschwundene FBI-Agentin hin oder her.

Auch wenn ich aufgrund der Berichte und der Trailer schon vorgewarnt war, aber… Mulders neue Stimme hat mich vor allem zu Beginn ziemlich gestört und irritiert. Mir ging es anfangs wie schon beim Trailer so, dass wenn ich nicht sah, dass hier Mulder spricht, ich es einfach nicht als seine Stimme identifizieren konnte (wobei ich zugeben muss, dass ich für so etwas sehr anfällig bin und mir Sprecherwechsel ziemlich schnell ziemlich unangenehm auffallen). Dem Sprecher ist hier nicht der geringste Vorwurf zu machen, Johannes Baasner macht seine Sache – die nun wirklich keine kleine Herausforderung war – sehr gut, wenn er auch meines Erachtens nicht ganz an den genialen Benjamin Völz heranreicht. Jedenfalls… so schlimm wie in anderen Filmen (z.B. Hannibal, wo mir dessen neue Stimme den kompletten Film verdorben hat) war’s zwar nicht, da ich mich mit der Zeit doch daran gewöhnt habe, aber schade finde ich es schon, dass FOX und Völz hier keine Einigung erzielen konnten – und im Endeffekt die Fans der Serie die Leidtragenden sind.

Negativ überrascht war ich auch von der sehr gewöhnlichen und durchschnittlichen Inszenierung. Vor allem angesichts der Tatsache, dass sich Chris Carter in der Serie ja immer um eine möglichst hochwertige Inszenierung deutlich über dem TV-Standard bemüht hat (man nehme nur die lange Sequenz ohne einen einzigen Schnitt aus „Das Bermuda-Dreieck“), war es für mich schon eine herbe Enttäuschung, wie vergleichsweise einfallslos „Jenseits der Wahrheit“ auf Zelluloid gebannt wurde. Schöne Einstellungen findet man ebenso selten wie gute inszenatorische Kniffe. Das einzige, was mir – allerdings negativ – aufgefallen ist, war Carters Ansatz, in einigen Momenten des Films zwei Szenen quasi parallel laufen zu lassen und fast ständig zwischen ihnen hin- und herzuwechseln. Mal ein paar Sekunden hier, dann dort. Besonders fatal war das für mich bei der Verfolgungsjagd (die mit Mulders „Hier“ einen an dieser Stelle ganz ungünstig platzierten unfreiwillig komischen Moment zu bieten hatte), als diese mit dem Auffinden eines Behälters vermischt wird. Durch die ständigen Schnitte kam bei mir in keiner der beiden Handlungen Spannungen und/oder Dramatik auf, da man sich einfach da wie dort nicht lang genug aufgehalten hat, um Stimmung aufkommen zu lassen. Womit wir schon bei einer weiteren wesentlichen Schwäche wären: Wo die Serie mit vielen atmosphärisch dichten Szenen aufwarten konnte, hielten sich diese bei „Jenseits der Wahrheit“ sehr in Grenzen. Generell mangelte es dem Film doch etwas an Spannung – zum nervösen Nägel beißen wird er jedenfalls wohl nur die wenigsten animieren.

Das Hauptproblem des Films war für mich allerdings, dass Mulder und Scully nur viel zu selten gemeinsam ermitteln. Zwar sind die beiden nun privat zusammen (dazu gleich mehr), doch während sich Mulder Hals über Kopf in diesen Fall stürzt, meint Scully es offenbar ernst, wenn sie in einer aus dem Trailer bereits bekannten Szene meint „Ich habe genug davon, Monster im Dunkeln zu jagen“. Dadurch fehlt dem Film allerdings leider eine der wesentlichen Stärken der Serie, nämlich das Zusammenspiel zwischen den beiden Gegensätzen – Glauben und Skepsis – während den Ermittlungen. Stattdessen ist Mulder die meiste Zeit mit der anderen FBI-Agentin oder auch solo unterwegs. Gerade nachdem man in den letzten Staffeln der Serie ohnehin schon zumeist auf dieses Element verzichten musste, hätte ich eigentlich schon erwartet, er hier bei dieser Kino-Fortsetzung wieder zu sehen. So schön es auch ist, dass die beiden letztendlich doch noch zusammengekommen sind, aber von einem Akte X-Film erwartet man sich halt doch irgendwie, dass sich Mulder und Scully gemeinsam einem unheimlichen Phänomen stellen. Stattdessen halten sich die unnatürlichen Elemente sehr in Grenzen, und Scully ist noch dazu die meiste Zeit mit anderen Sorgen beschäftigt und kaum in den Fall involviert.

Auch wenn die Handlung für mich alles in allem zu den Schwächen des Films gezählt werden muss, hat sie doch ein paar gelungene Elemente. So ist sie nicht gänzlich ohne Anspruch, und nimmt sich mit der düsteren Vergangenheit des Priesters und der Stammzellenforschung gleich zwei heißen Eisen an – wenn auch teilweise nur an der Oberfläche gekratzt wird. Die sehr auf den christlichen Glauben ausgerichtete Story wird zudem wohl einige Nicht-Katholiken ein wenig vor den Kopf stoßen. Im Zentrum des Films steht nämlich die Frage des Glaubens… bzw., passend zum Originaltitel, der Wunsch, glauben zu können. Diese zentrale Thematik des Films lässt sich auf jeden seiner Hauptfiguren auf die eine oder andere Art und Weise anwenden. Mulder möchte daran glauben, dass der Priester auch wirklich hellsehen kann – einfach, um sich seinen Glauben an das Übernatürliche (und damit vielleicht auch die Hoffnung, seine Schwester eines Tages doch noch lebend wiederzusehen) zu bewahren. Der Priester wiederum möchte daran glauben, dass die Visionen tatsächlich von Gott kommen, und er somit auf Vergebung seiner Sünden und Erlösung seiner Seele hoffen darf. Und Scully möchte daran glauben, dass sie bezüglich des Jungen auch wirklich die richtige Entscheidung trifft – und auch Gott ihrer Vorgehensweise zustimmt.

Was mit an „Jenseits der Wahrheit“ besonders gut gefallen hat – und damit sind wir nun endgültig bei den positiven Aspekten des Films angelangt – ist, dass es diesmal keine eindeutige Auflösung gibt, wer denn nun recht hat; Mulder mit seinem Glauben oder Scully mit ihrer rationalen Skepsis. Dies ist sehr Akte X-untypisch und eine angenehme Abwechslung, war man es von der Serie doch gewohnt, dass am Ende zu 95% Mulders Sicht der Dinge bestätigt wurde, während Scully grad zufälligerweise abkömmlich war und davon nichts mitbekam (um sich ihre angeborene Skepsis bewahren zu können). Diesmal bleibt es hingegen dem Zuschauer überlassen, die Handlung auf diese oder jene Weise zu interpretieren, was mir sehr gut gefallen hat. Auch die schauspielerischen Leistungen sind – mit Ausnahme von Xzibit, der sich den ganzen Film über darauf beschränkt, bös dreinzuschauen – positiv zu erwähnen. Vor allem Gillian Anderson bekommt in ihrem Handlungsstrang einige Szenen, in der sie ihr schauspielerisches Talent wieder einmal unter Beweis stellen kann. Auch David Duchovny und Billy Connolly zeigen sehr gute Performances, während Amanda Peet – weniger aufgrund ihrer Leistung, sondern aufgrund der eher uninteressanten Rolle – nicht ganz so zu überzeugen vermag.

Nicht nur die größte Schwäche, sondern auch die größte Stärke des Films hat unmittelbar mit Mulder & Scully zu tun. Nach 9 Staffeln Herumgeplänkel spannt uns Chris Carter hier nicht länger auf die Folter, sondern präsentiert uns die beiden von Anfang an als Liebespaar – noch dazu unter einem Dach. Die Chemie zwischen Gillian Anderson und David Duchovny ist wieder mal absolut perfekt und erinnert an die besten Momente der Serie. Generell wirkt die Beziehung sehr natürlich, realistisch, und ist gut ausgearbeitet und geschrieben. Nichtsdestotrotz ist nicht alles gänzlich harmonisch. So kommt es im Verlauf des Films zu einer deutlichen Auseinandersetzung, als Mulder wieder in alte Muster verfällt und sich zu sehr in den Fall hineinsteigert – sehr zu Scully’s Missfallen, dass sie auch deutlich zum Ausdruck bringt. Diese Reiberei ist jedoch nur von kurzer Dauer – es ist offensichtlich, dass sich die beiden mittlerweile einfach zu viel bedeuten, um sich von so etwas entzweien zu lassen. Wenn Mulder und Scully auch von Beginn an ein Paar sind, was ihren ersten Filmkuss betrifft, lässt Carter die Fans doch noch ganz schön lange warten. Dafür ist die Szene, wenn es dann einmal so weit ist, um so bedeutungsvoller und schöner. Hier geht für viele Fans wohl ein langgehegter Traum in Erfüllung…

Abgerundet werden die positiven Aspekte von kleinen Details für Fans, wie zum Beispiel das provisorische Büro, dass sich Mulder in einem Zimmer des Hauses eingerichtet hat, und dessen frappante Ähnlichkeit mit dem Saustall seines Kellerbüros (Zeitungsausschnitte an der Wand, Bleistifte an der Decke und natürlich das berühmte Poster im Hintergrund) dem geneigten Fan bestimmt ein Lächeln auf die Lippen zaubern wird. Auch auf Mulders ironischen Humor müssen wir nicht verzichten, wobei sich die Macher dank des Mediums Film was die Sprache betrifft etwas mehr Freiheiten nehmen können und diese auch nutzen (so darf nun auch etwas deftiger geflucht werden), jedoch ohne dass es aufgesetzt oder erzwungen wirkt. Auch der Gastauftritt einer weiteren aus der Serie bekannten Figur wird die Herzen der Fans erfreuen - näheres soll aber an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Zu guter letzt muss auch noch der Soundtrack von Mark Snow positiv hervorgehoben werden. Dieser ist gewohnt atmosphärisch, und verbindet alte, bereits bekannte musikalische Themen (jedoch teilweise in neuen, interessanten Variationen) mit neuen, gelungenen Kompositionen, in denen Snow auch etwas aus dem recht engen musikalischen Korsett der Serie ausbrechen darf.

Alles in allem ist „Jenseits der Wahrheit“ ein guter, aber kein überragender Film, der jene, die mit Akte X bisher wenig anfangen konnten, sicher nicht bekehren wird. Bei den Fans kommt es wohl darauf an, was ihnen an der Serie gut gefiel bzw. was sie sich vom Film erwarten: eine weitere spannende X-Akte mit übersinnlichen Elementen, oder geht es ihnen mehr um die Figuren Mulder und Scully bzw. ihre Beziehung zueinander? Erstere werden von „Jenseits der Wahrheit“ eher enttäuscht werden, während er letzteren eigentlich recht gut gefallen sollte. Ich stehe hier ziemlich in der Mitte – was sich in meiner Meinung zum Film wiederspiegelt und auch auf meine Wertung niederschlägt. Trotz meiner Enttäuschung würde ich mich über ein weiteres Wiedersehen mit Mulder und Scully aber sehr freuen – wobei ich diesbezüglich leider eher skeptisch bin. Zu groß erscheint mit die momentane Konkurrenz in den US-Kinos, und auch dass man wohl nicht alle Fans mit diesem Film zufriedenstellen wird, verheißt für das Einspielergebnis nichts Gutes. Und auch wenn der 2. Kinofilm keinen richtigen Neustart darstellt – ganz im Gegenteil, sind doch am Ende sowohl Mulder als auch Scully dazu bereit, der „Dunkelheit“ ein für alle Mal den Rücken zu kehren – so schließt er eine weitere Fortsetzung doch auch nicht dezidiert aus. Angesichts des Potentials, das meines Erachtens immer noch im Konzept und den Figuren steckt, hoffe ich jedenfalls sehr, dass „Jenseits der Wahrheit“ nicht die letzte X-Akte gewesen ist…

Fazit: „Jenseits der Wahrheit“ ist meines Erachtens eine etwas durchwachsene Rückkehr der Serie, die die Erwartungen der Fans wohl nicht gänzlich erfüllen können wird und es keinesfalls mit den besseren Episoden der Serie aufnehmen kann. Das beste am Film ist das Wiedersehen mit den Figuren - davon zehrt "Jenseits der Wahrheit" auch die meiste Zeit, während die eigentliche Handlung etwas gewöhnlich ist und nicht so recht zu begeistern vermag. Zudem gab es doch ein paar Schwächen, wie die durchschnittliche Inszenierung, die mangelnde Atmosphäre oder auch der zu geringe Spannungslevel, die ich bei einem Akte X-Film definitiv nicht erwartet hätte. Sei’s drum… Mulder & Scully dürfen von mir aus gerne wieder kommen - aber dann bitte auch wirklich als Ermittlerduo und mit einem übernatürlichen Phänomen, das über schlichtes Hellsehen/Visionen von Gott hinausgeht. Dann steht einer erneuten Öffnung der X-Akten aus meiner Sicht nichts im Wege...

Wertung:   (5/10)

 

Verfasser: cornholio

Veröffentlicht am 11.09.2008

 

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