Hancock
USA
2008, 92 Min.
Regie: Peter Berg
John
Hancock ist ein Superheld, und soweit er weiß der einzige seiner Art: Er kann
fliegen, verfügt über unmenschliche Kräfte und ist unverwundbar. Solcherarts
sorgt er in den Straßen, an den Stränden und in der Luft von Los Angeles für
Ordnung, stellt Verbrecher und rettet den Ottonormalbürger aus lebensgefährlichen
Situationen. Dass ihn die Bewohner der Stadt der Engel trotzdem nicht als
Volksheld feiern, sondern oftmals verteufeln und sich wünschen, er würde sie
endlich in Ruhe lassen, hat wohl damit zu tun, wie brachial er dabei zu Werke
geht: Schon allein nach seiner Landung ist immer eine Straßensanierung nötig,
und auch sonst kann sich der Schaden, den er regelmäßig bei seinen
Rettungsaktionen anrichtet, sehen lassen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass er
sich gerne einen hinter die Binde kippt, und im volltrunkenen Zustand auch schon
mal sehr rüpelhaft agiert. Auch als er dem PR-Berater Ray Embrey, das Leben
rettet, kann er sich wieder einiges an Hasstiraden und Beschimpfungen anhören,
ist die Fülle an zerstörten Autos doch beachtlich. Doch Ray ruft sie zur
Vernunft; immerhin hat Hancock ihm das Leben gerettet! Um sich erkenntlich zu
zeigen, lädt er den Superhelden nicht nur zu sich nach Hause ein - worüber
sich seine Frau wenig begeistert zeigt - sondern bietet ihm zudem an, kostenlos
für ihn als PR-Berater tätig zu sein, um sein Image aufzupolieren. Der erste
Schritt ist neben einer Absage an Hancocks Lieblingsfreunde Jim Beam und Johnny
Walker, dass Hancock dem Aufruf des Staatsanwalts, der ihn für seine
zahlreichen Sachbeschädigungen verklagen will, folgt und freiwillig ins Gefängnis
geht. Der Plan dahinter: Ray ist sich sicher, dass die Bevölkerung von L.A.
schon bald nach ihrem Helden schreien wird, wenn die Verbrechensrate laufend
steigt. Lange dauert es auch nicht, dann holt ihn der Polizeipräsident schon zu
Hilfe: Nüchtern und mit schickem Superheldenanzug (zwar aus Latex, aber ohne
Cape) eilt er zur Rettung, als eine brutale Bande eine Bank überfällt und
Geiseln nimmt. Doch der Anführer, der daraufhin ins Gefängnis wandert, schwört
Hancock bittere Rache...
Wir haben es in den letzten Jahren allzu oft erlebt, dass für einen Film völlig falsche Erwartungen geschürt wurden – sei es durch Vorgänger, Trailer bzw. generell die Werbekampagne – die im Endeffekt dazu geführt haben dass viele Kinobesucher den Saal enttäuscht verließen und ihren Unmut danach in Foren und auch unter Freunden kund taten. Das Ergebnis: Die Einspielergebnisse rasselten recht schnell in den Keller, und viele andere Kinofreunde gaben den entsprechenden Filmen aufgrund dieser Verrisse gar keine Chance mehr. Man sollte also meinen, dass die Verantwortlichen mittlerweile erkannt haben, dass das Spiel mit den Erwartungen der Fans ein Gefährliches ist, dass schnell nach hinten losgehen kann. Nun weiß ich natürlich nicht, wer hinter den Trailern für Hancock steckt, ob Peter Berg den Zuschauer ganz bewusst in die Irre führen wollte, oder ob der Verleih die Werbekampagne ganz bewusst in eine völlig falsche und deutlich kommerziellere Richtung gelenkt hat, um so viele Leute wie möglich anzusprechen und ins Kino zu locken... aber wie auch immer, meines Erachtens ist die sehr gespaltene Reaktion – sowohl hierzulande als auch in Übersee – zu einem großen Teil auf die Trailer zurückzuführen, die einen völlig anderen Film versprachen: Eine luftig-lockere Actionkomödie mit parodistischen Elementen, welche die Superheldenfilme der letzten Jahre ein bisschen aufs Korn nimmt. Doch Tatsache ist: 90 % der lustigen Szenen aus dem Trailer finden sich in den ersten 15 Minuten des Films wieder – der danach deutlich ernstere Töne anschlägt.
„Hancock“
ist keine Superheldenparodie, und er ist längst keine so oberflächliche
Popcorn-Unterhaltung, wie es die Trailer und TV-Spots vermuten ließen.
Stattdessen versucht man hier, einen völlig neuen Superhelden zu erschaffen,
abseits aller Comicvorlagen, und dies auf durchaus ernste und im weiteren
Verlauf des Films auch dramatische Art und Weise. Meines Erachtens ein sehr
mutiger Schritt, und schon allein dadurch, dass man sich nicht einfach einen
x-beliebigen Helden aus den Comics schnappt, sondern versucht, etwas neues zu
kreieren, gebührt den Machern in meinen Augen Lob. Nur... den Geschmack aller
wird man damit bestimmt nicht treffen – schon gar nicht, wenn der Kinobesucher
deutlich leichtere Kost erwartet, als ihm letzten Endes serviert wird. Mir hat
dieser Zugang und generell der Film ja sehr gut gefallen, gleichzeitig vernahm
ich im Kinosaal aber auch einige Stimmen, die das gänzlich anders sahen (O-Ton
zwei Reihen vor mir nachdem der Film zu Ende war: „So a Schaß...“). Damit
ist „Hancock“ wieder einmal einer jener Filme, über die man sich am besten
selbst ein Bild macht – und das bitte im Bewusstsein, dass die Trailer wieder
einmal einen gänzlich anderen Film vorgaukeln...
Genug gewarnt, jetzt wollen wir den Film mal ein wenig Revue passieren lassen: Die ersten 15-20 Minuten sind wie gesagt genau so, wie man es nach den Trailern vermuten konnte: Hancock fliegt sturzbetrunken durch L.A. um einer Verbrecherbande das Handwerk zu legen, und rettet danach Ray, in dem er sich vor den Zug wirft und dabei gehörigen Schaden anrichtet. Nach ein paar witzigen Clips auf YouTube, die weitere Verfehlungen von Hancock zeigen, beginnt dann auch schon die Läuterung des Helden. Der nachfolgende Teil im Gefängnis ist wohl jener, der am wenigsten unterhaltsam geraten ist, einfach da er bis auf ein paar Gags und eine gute ruhige Szene, die aufzeigt das Hancock Ray vertraut und sich jetzt wirklich ändern will, nicht viel zu bieten hat. Nachdem der Polizeipräsident höchstpersönlich Hancock aus dem Gefängnis holt, dreht der Film wieder auf. Die Szenen, als er die Geiselnehmer in der Bank stellt, sind sowohl humorvoll als auch spannend, und sehr gut inszeniert. Danach herrscht beim Zuschauer kurzfristig Ratlosigkeit: Was soll jetzt noch passieren? Wie will man gegenüber diesen unschlagbaren Helden eine wirksame Bedrohung und damit Spannung aufbauen? Nun, zuerst sieht es so aus, als würde man sich im weiteren Verlauf der Handlung nur mehr um Hancocks geheimnisvolle Vergangenheit kümmern und seinen mysteriösen Ursprung aufklären, was der Begeisterung schon einen kleinen Dämpfer verpasst.
Dann
vollzieht der Film jedoch eine plötzliche – wenn auch nicht gänzlich
unvorhersehbare – Wendung, welche nach weiteren 10-15 eher
humorvoll-amüsanten Minuten schließlich in einem ungemein spektakulären,
vorgezogenen Showdown kulminiert, der mehrere Straßenzüge in L.A. in Schutt
und Asche legt. So richtig spannend und dramatisch wird es allerdings erst kurze
Zeit später, als man Hancock’s Achillesferse offenbart und deutlich wird,
dass auch er nicht unverwundbar ist. Die nachfolgenden 20-30 Minuten sind dann
das Herzstück des Films, in dem es gelingt, selbst den Kampf gegen einen
normalen Menschen für Hancock zu einer Herausforderung zu machen. Sonderlich
spektakulär ist das Finale zwar nicht geraten, dafür ist er sehr dramatisch
und emotional. Für Hollywood-Verhältnisse ist es ohne jeden Zweifel sehr
ungewöhnlich, was Peter Berg uns hier quasi als Showdown anbietet – mir
konnte es aber sehr gut gefallen. Am Ende schlägt der Film dann schließlich
wieder etwas leichtere Töne an, und schließt eine – angesichts des unter den
Erwartungen liegenden Einspielergebnisses jedoch keineswegs sichere –
Fortsetzung nicht aus.
Die erfrischend andere Handlung, die mit einigen Überraschungen und tonalen Schwenks aufwarten kann, zählt klar zu den Stärken des Films – wie auch Peter Bergs Inszenierung, die ebenfalls teilweise ein wenig mit üblichen Hollywoodkonventionen bricht und sich fast ein wenig europäisch präsentiert. Auch die Schauspieler tragen ihres zum Gelingen von „Hancock“ bei. Will Smith beweist in einer weiteren abwechslungsreichen Rolle, die ihm erneut einiges abverlangt, dass er deutlich mehr kann, als er es in den ersten Jahren seiner Kinokarriere gezeigt hat – wenn aus ihm wohl auch nie ein großer Charakterdarsteller werden wird. Jason Bateman hat als aufrechter Optimist und Weltverbesserer die unscheinbarste und damit auch undankbarste Rolle, holt daraus aber alles hervor was hervorzuholen war. Charlize Theron zeigt erneut eine sehr charismatische und überzeugende Performance, und beweist auch hier wieder ihren Mut zur Abwechslung – und dass sie sich trotz ihres Oscars und zahlreicher anspruchsvollerer Rollen auch nicht davor scheut, in einem reinen Unterhaltungsfilm mitzuspielen. Die einzigen weniger gelungenen Elemente des Films – soweit es mich betrifft - sind der unverschämt farblose Bösewicht, die etwas gar phantastische Erklärung für Hancocks Kräfte, sowie der etwas unauffällige Score von John Powell. Davon abgesehen war das ein sehr gelungener Superheldenfilm mit deutlich mehr Dramatik und Tiefgang als ihn Sommerblockbuster üblicherweise vorweisen können...
Fazit:
„Hancock“ hat neben ein paar witzigen Szenen deutlich mehr Dramatik zu
bieten, als man dies nach den Trailern vermuten konnte. Das wird die einen enttäuschen
und die anderen – zu denen auch ich mich zähle – positiv überraschen.
Lediglich der eine oder andere Hänger zwischendurch (Stichwort Gefängnis), die
gar schnelle Läuterung des gar nicht vorbildhaften Superhelden, die
Vorhersehbarkeit einiger Wendungen sowie die doch ein wenig weit hergeholt
wirkende Erklärung über seine Ursprünge haben mich nicht gänzlich überzeugt
und verhindern eine höhere Bewertung. Nichtsdestotrotz ist „Hancock“ ein
Film, dem man als Kinofan eine Chance geben sollte. Wichtig ist nur, mit den
richtigen Erwartungen ins Kino zu gehen, denn entgegen der Werbekampagne spielt
der Humor – wenn auch vorhanden – nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen
ist er ein ernster und ernsthafter Superheldenfilm – der mit seiner außergewöhnlichen
Mischung aus Humor, Spannung und Dramatik sicher nicht jeden zufriedenstellen
wird...
Wertung:
(7/10)
Verfasser: cornholio
Veröffentlicht am 11.09.2008
Titelbild und Filmausschnitte © 2008 United Pictures International