Hautnah
(Closer)
USA 2004, 98
Minuten
Regie: Mike
Nichols
Mike
Nichols schuf in jungen Jahren Klassiker wie die "Reifeprüfung",
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf" oder "Catch 22". Mit
Mainstream-Durchschnittskost wie "In Sachen Henry", "Birdcage"
oder gar "Good Vibrations" geriet er in den 90-er
Jahren fast schon etwas in Vergessenheit bis er 2003 den vielumjubelten
TV-Mehrteiler "Angels in America"
für den US-Pay TV Sender HBO inszenierte. Mit Closer meldet er sich nun auch
auf der großen Leinwand eindrucksvoll zurück.
4
Personen, der Nachruf-Verfasser Dan (Jude Law), Stripperin Alice (Natalie
Portman), Fotokünstlerin Anna (Julia Roberts) und der Dermatologe Larry (Clive
Owen) spielen (heterosexuelles) Bäumchen wechsle dich. Nun ja…direkt nach dem
Ende von Closer kam mir in den Sinn das man die Handlung eigentlich auch mit dem
Refrain von Conny Francis fürchterlichem
Schmalzschlager zusammenfassen könnte: "Die Liebe ist ein seltsames Spiel,
sie kommt und geht von einem zum andern, sie nimmt uns alles doch sie gibt auch
viel zu viel, die Liebe ist ein seltsames Spiel." (Anm.
Cornholio: Ich möchte mich vielmals für diesen musikalischen Fehltritt (den
man durchaus auch als seelische Grausamkeit einstufen könnte) meines werten
Kollegen entschuldigen. Von jetzt an wird für diese Seite ein Schlager-Verbot
verhängt, dessen Verletzung mit Hansi Hinterseer-Dauerbeschallung nicht unter
12 Stunden bestraft wird!!!)
Die
Handlung mit all ihren Seiten- Quer- und Zurücksprüngen, Versöhnungen,
Trennungen, Lügen
und…besonders wichtig in diesem Film schmerzhaften Wahrheiten bietet dann auch
wirklich nur das grobe Gerüst das man in 1000-den von Beziehungsfilmen aus
aller Herren Länder schon bis zum Erbrechen gesehen hat. Was aus Closer einen
bemerkenswerten Vertreter seines Genres macht, sind 4 Hauptdarsteller in der
Form ihres Lebens und die teilweise göttlichen Dialoge. Paradoxerweise sorgen
aber gerade Letztere dafür das Closer zwar ein sicherer Kandidat für die
2005-er Hitlisten, aber meines Erachtens kein Meisterwerk ist. Zu geschliffen
spielen sich die Figuren ihre geistreichen, entlarvenden oder auch mal
erstaunlich schmutzigen Dialogbälle zu. Bis auf die grandios gefilmte Eröffnungs-
und Schlussszene sowie Owens Besuch im Stripclub merkt man Closer (und seinem
Drehbuchautor Patrick Marber) deshalb die Theaterherkunft und die Absicht
zitierfähiges zu fabrizieren oft zu deutlich an. Das mindert nicht die Klasse
der einzelnen Episoden, aber die Glaubwürdigkeit der Figuren in einem Maße,
das der Zuschauer fast unweigerlich (zumindest in meinem Fall) eine zu große
Distanz zu Ihnen aufbaut um mit ihnen zu leiden. Natürlich ist Mike Nichols
neuester Film mehr als eine bloße Liebesgeschichte und erzählt die wirklich
interessanten Dinge hinter dem offensichtlichen, aber was nützt der schönste
doppelte Boden wenn die äußere Schicht nur notdürftig zusammengeflickt ist?
Halt...
ich höre hier besser auf die negativen Seiten hervorzuheben, denn schließlich
überwiegt klar das Positive und meine Erwartungen wurden gar noch übertroffen.
Kommen wir lieber zurück auf die positiven Eigenschaften. Wie der wunderbar auf
die Szenen abgestimmte Soundtrack. Oder die Darsteller. Natalie Portman – Ihre
beste Leistung seit "Leon der Profi". Keine Diskussion.
Kann ihre volle Bandbreite abrufen und bleibt dennoch sehr natürlich.
Einen Oscar würde ich ihr trotzdem nicht geben... fragt mich nicht warum.
Vielleicht nur weil die Rolle zu dankbar war und jeder talentierten, hübschen
Jungdarstellerin Raum zum Glänzen gelassen hätte. Vielleicht auch wegen der
angesprochenen Distanz zu den Figuren. Jude Law – Der Mann ist mir ein Rätsel.
Er wirkt auf mich zu glatt/uncharismatisch, spielt meist den blasierten Schönling
und doch hat er mir in fast allen seinen Rollen gut gefallen. Closer bildet da
keine Ausnahme. Law überzeugt ohne zu glänzen.
Julia Roberts – In den Kritiken hört man fast immer nur Lob für
Portman und Owen... mir unverständlich, denn wenn Mrs. Roberts
jemals einen Oscar verdient hat (für "Erin Brockovich" hat sie
es nicht!), dann für diesen zurückhaltenden und uneitlen Auftritt. Ihr Pech
ist die Einstufung als Hauptdarstellerin im Gegensatz zu Portman. Ich frage mich
sowieso wo man hier den Trennstrich zwischen Haupt und Nebenrolle ziehen will.
Meines Erachtens hat das Stück 4 gleichberechtigte Charaktere. Clive Owen –
Nach den guten Kritiken keine echte Überraschung mehr, aber ich muss zugeben,
das ich ihm vorher nicht zugetraut habe mehr als coole Typen mit Steinfresse zu
spielen. Ihm gelingt es sogar seinem Charakter das (Drehbuch-) Papierknistern
auszutreiben.
Wertung: (8/10)
Verfasser: evildead
Titelbild und Filmausschnitte © 2004 Sony Pictures