Im Netz der Spinne

(Along Came a Spider)

 

USA 2001, 104 Minuten

Regie: Lee Tamahori  

Nach dem ersten zwar nicht wegweisenden, aber durchaus unterhaltsamen Thriller mit Alex Cross konnte ich den ganzen negativen Stimmen zur Fortsetzung ja nicht so recht glauben... und gestehe hiermit reumütig meinen Irrtum ein.

Ein halbes Jahr nachdem Alex Cross (Morgan Freeman) bei einem misslungenen Überwachungseinsatz seine Partnerin verloren hat, wird er gegen seinen Willen in einen neuen Fall hineingezogen: Ein Mann hat die Tochter eines Senators entführt und scheint sich unbedingt mit Alex messen zu wollen. Wohl oder übel nimmt Alex die Ermittlungen auf und findet schon bald eine heiße Spur - nicht wissend, dass er nur eine Marionette in einem perfiden Plan ist, bei dem nicht der Entführer, sondern eine hinterlistige Spinne in dem von ihr ausgelegten Netz an den Fäden zieht...  

Eine von Chekov's Regeln für das Schreiben eines Theaterstücks lautet folgendermaßen: Wenn in Akt 1 Szene 1 eine Waffe an der Wand hängt, muss diese spätestens in Akt 3 Szene 3 benutzt werden. Dementsprechend gilt auch, dass eine Waffe, die in Akt 3 abgefeuert wird, bereits in Akt 1 an der Wand zu sehen sein sollte. Was das alles mit Filmen generell bzw. mit "Im Netz der Spinne" im Besonderen zu tun hat? Nun... mehr als man vielleicht auf den ersten Blick denkt, denn diese Regel Chekov's ist im Filmbereich zu einem Dogma geworden, dass aufgrund der üblicherweise schlechten Ausführung zu einer erhöhten Vorhersehbarkeit führt. Der einzige Unterschied ist, dass es sich im Film üblicherweise nicht um eine Waffe dreht, sondern eine spezielle Fähigkeit einer der Figuren, die dann natürlich just zum großen Showdown von Nutzen ist. Bringt euch mal ein paar Filme in Erinnerung, und ihr werdet erkennen, dass dieses Schema häufig präsent ist.

Nun ist Chekov's Regel natürlich durchaus sinnvoll - schließlich wäre es ein ziemlicher Betrug am Seher, wenn man just zum Showdown auf einmal eine neue, bisher nicht genannte besondere Fähigkeit eines Charakters aus dem Hut zaubert. Was diese Regel im Filmbereich aber zu solch einem Fluch macht, ist das Unvermögen der Filmemacher, ein gewisses Maß an Subtilität walten zu lassen. Merke: Chekov sagt, man solle die Waffe an der Wand ZEIGEN, und nicht sie von einer der Figuren finden, in die Hand nehmen und dann auch noch im Dialog mit einer anderen Person darüber philosophieren lassen - noch dazu auf derart beiläufige Art und Weise, dass der filmkundige Zuschauer erst recht mit der Nase darauf gestoßen wird, dass dies im weiteren Verlauf des Films noch einmal von Bedeutung sein wird. Der Grund, warum ich die Thematik rund um Chekov's Regel nun just bei meinem Review zu "Im Netz der Spinne" aufführe ist, dass der Zusammenhang zwischen dieser Regel und Filmen als auch der "mangelnden Fähigkeit" der Filmschaffenden selten so offensichtlich und deutlich war wie hier, geht es doch in einer Szene TATSÄCHLICH um eine Waffe, die auf oben beschriebene Weise vorgeführt wird, als sie einfach nur im Hintergrund anzudeuten. Jeder, der schon ein paar Filme mit einem ähnlichen Phänomen gesehen hat, ist zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Waffe bei der Konfrontation zwischen Cross und dem Entführer noch einmal eine große Rolle spielen wird - von Subtilität keine Spur. In Hollywood wird heutzutage leider viel zu selten Aufmerksamkeit und viel zu oft Dummheit belohnt - weshalb viel zu viele Filmschaffende meinen, ihre Zuschauer mit der Nase auf gewisse Begebenheiten stoßen lassen zu müssen, anstatt diese eher nur anzudeuten und dafür in Kauf zu nehmen, dass es der eine oder andere nicht kapiert und dem Film schließlich seine eigene Dummheit vorwirft.

Doch mangelnde Subtilität beim Festhalten an diese Regel Chekov's ist noch das geringste Problem, mit dem dieser Thriller zu kämpfen hat, denn bereits zu Beginn des Films wird man mit einem derart unrealistisch aussehenden Crash konfrontiert, dass man eigentlich gar nicht mehr weiß, wie man den Film noch ernst nehmen soll. Dagegen sah ja selbst die "James Bond surft auf einer Eisscholle"-Szene aus "Stirb an einem anderen Tag" (auch von Tamahori in Szene gesetzt) noch gut aus! Selten so 'nen Mist gesehen. Die Handlung dieses Beginns ist natürlich nicht viel besser, wird hier doch nur ein typisches Thriller-Klischee bedient, durch das der Hauptfigur eine Art Trauma verpasst werden soll, damit diese interessanter wird und mehr Ecken und Kanten bekommt. Doch eben dadurch, dass dieses Stilmittel mittlerweile so "overused" ist, stellt dies für mich eher einen Nachteil als einen Vorteil dar...

Wenigstens weiß man nach diesem Beginn gleich, was einen erwartet... denn auch der Rest des Films strotzt vor Einfallslosigkeit, der Bedienung unzähliger Thriller-Klischees und mangelnder Eigenständigkeit und Originalität. Insbesondere natürlich die "überraschende" Wendung am Ende, die auch mal wieder bestätigt, dass alle Bösewichte eindimensionale Charaktere ohne Loyalität, Treue oder gar Liebe sind, sticht als ungemein störend hervor - man hat es einfach schon viel zu oft gesehen, als das man ob dieser Wendung noch groß jubeln könnte, im Gegenteil, mittlerweile wirken solche Twists leider nur mehr einfallslos. Hinzu kommt noch, dass das Drehbuch nur so vor Logik-Fehlern strotzt, die insbesondere mir als Logik-Fanatiker (weshalb Evildead auch laufend behauptet, ich würde von einem Planeten mit dem Namen "Vulcan" stammen - spitze Ohren sind mir aber Gott sei Dank noch keine gewachsen ) unangenehm auffallen und meine Meinung zusätzlich stark negativ beeinflussen. Wohl der größte und dümmste Logik-Fehler des Films: Woher wissen nur alle, dass der Mord an dem Kerl, der die Tochter des Senators bei ihrem Fluchtversuch aus dem Wasser retten wollte, mit der Entführung zu tun hat?? Das wird ja wohl kaum der einzige Mord seit der Entführung gewesen sein, oder? Warum also wird gerade in diesem Fall ein besonderer Zusammenhang entdeckt? Das war arg konstruiert, liebe Drehbuchautoren...

Weitere logische Ungereimtheiten, die mir erwähnenswert erscheinen: Dass es dem Entführer gelingt, bei seiner gescheiterten Entführung des Sohnes des russischen Präsidenten zu entfliehen wirkt schon etwas seltsam - auch wenn man die Wendung am Ende des Films in Betracht zieht. Und dass sich bei der Geldübergabe dann zur Überwachung unbedingt eine Person einteilt, die der Entführer bereits kennt, ist natürlich auch sehr clever. Doch auch wenn man von den schwächen der Handlung generell bzw. dem Drehbuch im Besonderen absieht, ist der Film nicht gerade ein strahlender Vertreter seines Genres. Ja, Morgen Freeman liefert eine gewohnt gute Performance ab, der Rest spielt immerhin auf erträglichem Niveau, aber alles in allem wirkt die Inszenierung unheimlich einfallslos und bieder, so dass es Tamahori nicht einmal ansatzweise gelingt, für die zahlreichen logischen Ungereimtheiten und der unheimlich klischeehaften Handlung zu entschädigen.

Fazit: "Im Netz der Spinne" ist Thriller-Dutzendware, die altbekannte Klischees bedient und keine Überraschungen oder sonstige besondere Vorzüge zu bieten hat. Da es Tamahori mit seiner Inszenierung nicht gelingt, für diese Schwächen zumindest halbwegs zu entschädigen und die Handlung mehr Logik-Löcher aufweist als der durchschnittliche Emmentaler, ist "Im Netz der Spinne" ein nicht wirklich empfehlenswerter Vertreter seines Genres.

Wertung: (3/10)

 

Verfasser: cornholio

 

Zurück zur Übersicht

Zur Hauptseite

Titelbild © 2001 Paramount Pictures