Casino Royale
USA/GB
2006, 144 Min.
Regie: Martin Campbell
Zwar ist und bleibt James Bond der unbestrittene König der cineastischen Geheimagenten, doch andere Actionhelden wie Jason Bourne und Ethan Hunt setzten den Gentleman mit der Lizenz zum Töten zunehmend unter Druck. Zeit also für einige einschneidende Veränderungen, die nicht nur Albernheiten wie unsichtbaren Autos ein vorläufiges Ende setzen und dank eines neuen Bond-Darstellers endlich wieder für Schlagzeilen und Interesse am langlebigsten Franchise der Filmgeschichte sorgen, sondern die Filmreihe rund um 007 auf einen Kurs bringt, mit dem man sich erfolgreich gegen die immer stärker werdende Konkurrenz durchsetzen kann. Und auch wenn mir bei "Casino Royale" viele Elemente gefehlt haben, die ich für einen Bond-Film als unverzichtbar erachte - vor allem dank der Rückbesinnung auf echte Stunts und einer Handlung mit erstaunlich viel Tiefgang ist den Produzenten einer der besten Bond-Filme aller Zeiten gelungen...
Nur kurz nachdem sich James Bond (Daniel Craig) seinen Doppelnull-Status verdient hat, geht eine Spionagemission gehörig schief: Er verfolgt einen Bombenattentäter quer durch eine ganze Stadt, und will schließlich auch nicht aufgeben, als sich dieser in die Botschaft zurückzieht - wo es zu einem blutigen Showdown kommt. Der MI-6 steht nach diesem von Kameras aufgezeichneten Einsatz schwer unter Beschuss, und M lässt ihrem neuen Mann mit der Lizenz zum Töten ganz genau wissen, was sie von solch einer Vorgehensweise hält. Doch Bond gibt nicht auf: Er ermittelt auf eigene Faust weiter, was es mit dem geplanten Bombenanschlag und dem mittels SMS verschickten Codewort auf sich hat. Die Spur führt schließlich zum renommierten Investmentbanker Le Chiffre (Mads Mikkelsen), der Gelder für Terrororganisationen auf der ganzen Welt wäscht. Doch nachdem ihm James Bond eine Transaktion vermasselt hat, plagen Le Chiffre Geldnöte - denn seine Kursverluste sind seinen Investoren nicht verborgen geblieben. Er beschließt, in Montenegro ein großes Pokerturnier abzuhalten, bei dem sich die 20 besten bzw. reichsten Spieler der Welt miteinander messen sollen. Mit vom Schatzamt zur Verfügung gestelltem Geld, übergeben von Vesper Lynd (Eva Green), soll James Bond - der beste Pokerspieler des MI-6 - an dem Turnier teilnehmen, und einen Sieg Le Chiffre's unter allen Umständen verhindern. Doch dieser erweist sich schon bald als unerbittlicher Gegner...
Was gab es denn unter den Bond-Fans nicht für einen Aufschrei, nachdem Daniel Craig offiziell als der nächste Doppelnull-Agent vorgestellt wurde. Binnen weniger Stunden nach der Ankündigung ging eine Internetseite online, in der die Fans lautstark ihren Protest bekundeten und teilweise sogar zum Boykott des neuen Films aufgerufen wurde. Berichte über das kleine Missgeschick mit dem Zahn beim Dreh und Gerüchte über Schwimmwesten und seine Probleme mit der Gangschaltung halfen nicht gerade dabei, die Skepsis der 007-Fans zu lindern. Dann kamen die ersten Trailer, und bei einer Vielzahl von Fans schien ihre anfängliche Ablehnung auf einmal in Begeisterung umzuschlagen - ein Prozess, der sich mit der Veröffentlichung des Kinos fortsetzte. Mittlerweile sind die meisten der kritischen Stimmen verstummt - sowohl in der Presse als auch unter der Mehrzahl der Filmfans wird Daniel Craig als neuer Bond in den höchsten Tönen gelobt. Vielleicht liegt es ja einfach daran, dass ich auf diesen Pessimismus-Zug nie aufgesprungen bin und daher meine Erwartungen nicht durch meine Skepsis auf ein Minimum reduziert wurden - dementsprechend schwerer ist es natürlich, jemanden positiv zu überraschen - aber mich konnte Daniel Craig nicht 100%ig überzeugen.
Natürlich bringt er viele Aspekte der Figur besser rüber als dies seinem Vorgänger Pierce Brosnan gelungen ist. Bei dem hat es ja selbst nicht gereicht wenn er 'ne Frau umgenietet hat damit man ihm den eiskalten Killer abgekauft habe. Bei Craig habe ich in dieser Hinsicht kein Problem - allerdings fehlt es ihm an Charme, Elleganz und Ausstrahlung. Es tut mir leid, aber ich kann mir Daniel Craig einfach nicht als Frauenheld vorstellen, er ist für mich in dieser Rolle nicht glaubwürdig, da ihm meines Erachtens das nötige Aussehen dafür fehlt - auch wenn ich natürlich nicht unbedingt der Richtige bin, um das zu beurteilen . Er ist für mich einfach kein Charmeur, ihm fehlt der nötige Sex-Appeal, und leider teilweise auch die Coolness - so sehr sich Craig auch bemüht eben diese zu beschwören, in meinen Augen ist ihm dies nie so recht gelungen. Zudem fehlen ihm leider das Kultivierte, der Gentleman-Aspekt - wesentliche Bestandteile der Figur, deren Fehlen aber wohl nicht nur Daniel Craig, sondern auch den Drehbuchautoren anzulasten ist. Um meine Kritik - sehr plakativ - an einer Szene zu verdeutlichen: Bond erfährt, dass die Person die er beschattet überraschend nach Miami geflogen ist. Er hat aber grad dessen Frau im Bett. Was macht der Craig-Bond? Bestellt Champagner und Kaviar nur für eine Person und macht sich auf den Acker, um den Bösewicht noch rechtzeitig stoppen zu können.. Tz tz... der Connery-Bond hätte die Dame zuerst flachgelegt und wäre danach immer noch rechtzeitig dort gewesen um dessen Pläne zu durchkreuzen .
Wo wir grad von dieser Szene sprechen: Caterina Murino hat sich für mich nicht nur den Titel unattraktivstes Bond-Girl aller Zeiten verdient, ihre Sexszene mit Daniel Craig war zudem die definitiv unerotischste der Bond-Geschichte (ja selbst unter Berücksichtigung der "Roger Moore gegen die 2 Wildkatzen"-Szene!). Da prickelte ja nun wirklich gar nichts - für diese Filmreihe eine echte Schande! Auch der Einstieg in den Film war sehr gewöhnungsbedürftig. Die Schwarz-Weiß-Rückblende konnte mir ja noch recht gut gefallen, aber das "Casino Royale" ohne das üblicher 007-Intro beginnt wird einigen Fans wohl doch sauer aufstoßen. Bei der Titelsequenz hat man sich dann wiederum ganz an die früheren, teils abstrakten Sequenzen orientiert und gibt sich bemüht retro. Leider jedoch konnte ich mit der Titelsequenz wenig bis gar nichts anfangen - meines Erachtens war das ein sehr verzweifelter Versuch, an die alten klassischen Intros anzuschließen. Viel schlimmer als die Animation der Sequenz war allerdings noch die musikalische Untermalung. Während mich die ersten paar Zeilen noch halbwegs milde stimmen, war für mich spätestens nach dem Refrain klar, dass meine Ohren hier mit einem der schlechtesten Bond-Titelsongs aller Zeiten gequält werden. Da fand ich ja selbst Madonna's Komposition zu "Die Another Day" gelungener - die war zwar sehr eigenwillig, aber wenigstens unverwechselbar. "You know my name" war nervig UND austauschbar, und in meinen Ohren einfach nur mies. Und wenn wir schon bei den negativen Aspekten sind, muss ich unbedingt auch noch 007's beschränkt-belämmertes Agentenazubibüblein, das aufgrund der Penetranz start auffallende und störende Sony-Product-Placement sowie den sich selbst synchronisierenden, Wiener Croupier erwähnen.
Jetzt werden sich wohl einige Fragen, wie ich nach diesen Kritikpunkten "Casino Royale" noch guten Gewissens als einen der besten Bond-Filme aller Zeiten bezeichnen kann. Ganz einfach: Die oben erwähnten Kritikpunkte werden von den gelungenen Elementen fast bis zur Unkenntlichkeit überschattet. Ganz oben auf der Liste der Stärken des Films steht ganz eindeutig die Handlung, die mit einigen interessanten und überraschenden Wendungen gespickt wurde. Ich kann mich an keinen Bond-Film erinnern (und ich habe sie alle - mehrmals - gesehen), der mit einer besseren, vielschichtigeren und anspruchsvolleren Handlung hätte aufwarten können (wobei anspruchsvoll natürlich relativ zu sehen ist). Statt anspruchslose, flache Unterhaltung ist beim neuen Bond Tiefgang angesagt - was auch bedeutet dass alle Actionfans einiges an Geduld und Sitzfleisch mitbringen sollten. Überhaupt würde ich mit "Casino Royale" einen Bond-Film ENDLICH wieder in erster Linie als Agenten- und Spionagefilm einordnen, und erst "in 2. Dings" als Actionfilm. Anstatt Bond gegen den x-ten größenwahnsinnigen Irren antreten zu lassen, dessen einziges Ziel es ist... DIE WELT ZU EROBERN... bekommt er es diesmal mit einer deutlich greifbareren und vergleichsweise realistischen Bedrohung zu tun. Le Chiffre wird von Mads Mikkelsen wirklich sehr gut gespielt, und erweist sich als einer der besten Bösewichte der Bond-Geschichte: Hart und erbarmungslos, aber nicht unfehlbar und keiner dieser größenwahnsinnigen comichaften Superschurken.
Interessant auch, dass wir nach langer Zeit endlich wieder einen Blick auf eine große Organisation im Hintergrund (Phantom?) werden dürfen und man damit ja vielleicht von den ständigen "Einzeltätern" abrückt, um Bond wieder mehrere Filme lang gegen einen Gegner kämpfen zu lassen - wünschenswert wäre dies auf alle Fälle. Passend zum härteren und realistischeren Bond ist man auch was die Actionszenen betrifft wieder auf ein glaubwürdiges Niveau zurückgekehrt: Statt (schlechter) CGI-Effekte und Rückprojektionen dominieren echte Stunts und knallharte Kämpfe. Zudem ist Bond nun kein unfehlbarer Superheld mehr, sondern leistet sich durchaus den einen oder anderen Schnitzer, der von den angenehm cleveren Gegnern auch gnadenlos ausgenützt wird. Die Inszenierung ist an sich nichts allzu besonderes, fällt jedoch auch zu keinem Zeitpunkt negativ auf und kann das eine oder andere Mal durchaus mit netten Einstellungen aufwarten. Ebenfalls großartig gelungen ist David Arnolds angenehm klassischer Score - meines Erachtens seine bisher beste Bond-Filmmusik. Absolut genial auch das Ende des Films mit einem der berühmtesten Zitate der Bond-Filme. Sonst oftmals sehr klischeehaft und mit der Zeit zu einer Art Witz verkommen, hatte der Satz hier endlich wieder Bedeutung.
Das - im wahrsten Sinne des Wortes - Herzstück des Films ist aber die sich langsam entwickelnde Liebesbeziehung zwischen James Bond und Vesper Lynd. Dies ist die mit Abstand glaubwürdigste Liebesgeschichte, die in der langjährigen Geschichte der 007-Filme je auf die Leinwand gebannt wurde. Nach anfänglichem spielerischen Geplänkel herrscht zwischen den beiden nach ihrer Weigerung, James Bond weiter mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, offene Antipathie - doch mit der Zeit und vor allem aufgrund der zahlreichen Krisen und Gefahrensituationen, die sie gemeinsam bestehen, wachsen sie langsam aber sicher zusammen. Jede ihrer gemeinsamen Szenen ist großartig - hier werden keine hohle Phrasen gedroschen, stattdessen erzählen uns die Figuren mit jedem Satz etwas über sich (teilweise auch unbewusst), und wir lernen sie besser kennen. Die Highlights: Ihr erstes Zusammentreffen im Zug, die Dusch-Szene und der Abschied. (Achtung, Spoiler!) Letzter war wirklich großartig und schonungslos inszeniert, und konnte mich so trotz der Vorhersehbarkeit (immerhin soll das ja ein Relaunch der Reihe sein, und nicht das Ende ) berühren. Gut gefallen hat mir auch Vesper Lynd's Motiv für den Verrat: Es ging ihr nicht darum, sich selbst zu bereichern, vielmehr wollte sie einerseits ihrem Freund und andererseits James Bond das Leben retten. In gewisser Weise ist es nur schade, dass man diese Information nicht bereits vor ihrem Tod kannte - ansonsten hätte man nicht nur ihre Weigerung, sich retten zu lassen, besser nachvollziehen können, sondern hätte ihren Tod auch stärker betrauert (Spoiler Ende). Alles in allem macht das 9/10 Wertungspunkte auf der Agentenfilmskala - als James Bond-Film könnte ich "Casino Royale" allerdings aufgrund der erwähnten Schwächen nur 7 von 10 geschüttelten Wodka Martinis servieren.
Fazit: Mit dem 21. (offiziellen) Film der Reihe hat MGM viel riskiert - und gewonnen. Der neue 007 ist härter, kompromissloser und realistischer, und überzeugt vor allem durch die großartige Handlung, die tollen Stunts und die erfrischend realistischen Actionszenen. Allerdings lässt der Film auch ein wenig an Charme vermissen und verliert durch das Fehlen elementarer Bestandteile an Profil. Bei "Casino Royale" hat das aufgrund der starken Story, die man ohne zu übertreiben als die beste aller bisherigen Bonds bezeichnen kann, noch gut funktioniert. Doch wenn man auch in Zukunft auf diesen neuen harten, realistischen Bond setzen will und wichtige Elemente der Filmreihe wie die Gadgets (wenn diese auch in "Stirb an einem anderen Tag" mit dem unsichtbaren Auto endgültig den Rahmen des Glaubwürdigen gesprengt haben) oder James Bond's Charme negiert, verliert man genau jene Bestandteile der Reihe bzw. Charakterzüge der Figur, die die Filme von der Konkurrenz abgehoben und sie so unverwechselbar gemacht haben. Insofern hoffe ich für den nächsten Craig-Bond auf etwas mehr Rückbesinnung auf alte Tugenden. Tut man das nicht, droht Bond (ohne ähnlich starkes Drehbuch) erst recht im Meer der Actionfilme und Geheimagenten unterzugehen...
Wertung: (9/10)
Verfasser: cornholio
Veröffentlicht am 06.12.2006
Titelbild und Filmausschnitte © 2006 Sony Pictures