Kikujiros Sommer

(Kikujiro no natsu)

 

Japan 1997, 118 Minuten

Regie: Takeshi Kitano 

Es mag mittlerweile zur Phrase verkommen sein…ja selbst der US-Trailer verwendet sie, aber selten traf sie so den Kern wie in diesem Fall: Der Weg ist das Ziel. Schnell wird es uninteressant warum die Protagonisten dieses Roadmovies aufgebrochen sind oder was passiert, wenn sie dort eintreffen (das geschieht sowieso schon zur Mitte des Films). Wie bei jedem guten Genrevertreter ist der Film dann am besten, wenn die Figuren zum Stillstand kommen. Da Autos hier nur selten zum Einsatz kommen, geschieht dies bei Kikujiro glücklicherweise ungewöhnlich oft.  

Der achtjährige Masao lebt bei seiner Großmutter, da sein Vater verstorben ist und seine Mutter in einer anderen weit entfernten Stadt arbeitet. Als die Sommerferien anbrechen und er feststellen muss, dass all seine Freunde vereist sind und die Langeweile immer größere Ausmaße annimmt, beschließt er seine Mutter zu besuchen. An seiner Seite der ungehobelte und in den Tag lebende Ehemann (gespielt von Kitano selbst; Schnitt und Drehbuch hat das Allroundgenie natürlich auch übernommen) einer Familienbekannten, der den Jungen während dieser Reise oft in turbulente Situationen bringen wird. 

Kikujiros Sommer ist ein Road-Movie, bei dem man kaum umhin kommt es einfach nur als *schön* oder auch *wunderschön* zu bezeichnen. Das (trotz einiger ernster Szenen, die niemals in einem westlichen Film dieser Art Einzug gefunden hätten) als origineller Kinderfilm für alle Generationen, als poetische Stummfilmhommage(keine Sorge, der Film ist zwar alles andere als geschwätzig, aber hier wird geredet!), aber genau so auch als Selbstfindungstrip eines egoistischen Aufschneiders funktioniert. In einem Moment schreiend komisch, wenn Kitano von einem Fettnäpfchen ins Nächste stapft oder sich mal wieder durch unverschämte Aktionen und unbedachte Sprüche in Schwierigkeiten bringt und im nächsten Moment schafft er es den Zuschauer mit der aufkeimenden Beziehung des ungleichen Duos zu rühren. Faustpfand für das Gelingen des Films ist aber vor allem der wunderbare Soundtrack, der für die magische Atmosphäre in den zahlreichen schweigsamen… bildschwelgerischen Momenten sorgt. Vergleichbar mit den besten Ghibli-Filmen. Ohne  Übertreibung einer der wirksamsten (da der Maintheme meist nur leicht variiert wird, vielleicht nicht unbedingt auch der besten) Soundtracks, die ich je gehört habe. 

Kitano besticht erneut durch seine außergewöhnliche Leinwandpräsenz doch im Gegensatz zu z.B. Battle Royale ohne seine Mitspielern auch nur den geringsten Raum zum glänzen zu nehmen.  Der Darsteller des Jungen überzeugt mit seinem ruhigen Spiel ohne altklug zu wirken und ist damit einer der seltenen Glücksfälle in dieser sonst oft so nervigen Schauspieler-Altersklasse. Auch die teils sehr skurrilen Wegbekanntschaften wurden mit großem Bedacht ausgewählt. 

Fazit: Takeshi Kitano mal ganz anders als in seinen knallharten Gangsterfilmen. Statt mit Ausbrüchen exzessiver Gewalt reißt er den Zuschauer in diesem angeblich auf Erinnerungen an seinen Vater beruhenden Road Movie mit teilweise fast surrealen Ausbrüchen köstlichstem Humors aus der ruhigen Atmosphäre. Ein Musterbeispiel, das ein leichtfüßig erzähltes Feel-Good Movie keine hohle Kost sein muss. Anschauen, dem zynischen inneren Schweinehund eine Pause gönnen und einfach genießen!

Wertung:  (9/10)

 

Verfasser: evildead

 

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Titelbild und Filmausschnitt © 1997 Sony Pictures