Königreich der Himmel
(Kingdom of Heaven)
USA
2005, 145 Minuten
Regie: Ridley Scott
Wenn man sich die eher weniger gelungenen Historien-Schlachtepen des letzten Jahres in Erinnerung ruft (King Arthur, Troja), dann ist man unweigerlich dafür dankbar, von Ridley Scott nicht eine ähnliche Enttäuschung serviert bekommen zu haben. Nichtsdestotrotz ist der Film nicht perfekt und es gelingt ihm nicht, ähnlich mitzureißen wie z.B. "Braveheart". In der Zeitschrift Widescreen hat man es eigentlich schon recht passend ausgedrückt: "Famos, aber kein Meisterwerk" (wobei ich persönlich die Bezeichnung "imposant" vorziehen würde, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein).
Eines Tages bekommt der junge Schmied Balian (Orlando Bloom) Besuch vom berühmten Kreuzritter Gottfried von Ibelin (Liam Neeson), der sich als sein Vater vorstellt. Er bittet ihn um Vergebung und bietet Balian an, mit ihm nach Jerusalem zu reisen. Anfangs lehnt der junge Mann noch ab, doch nachdem er eine schwere Sünde begangen hat, beschließt er dem Ruf seines Vaters zu folgen, hofft er doch in Jerusalem Vergebung für sich und seine Frau (die Selbstmord begangen hat) zu erlangen. Doch auf dem Weg nach Jerusalem kommt es zu einem schweren Kampf, und schließlich erliegt Gottfried seinen Wunden. Mit letzter Kraft schlägt er seinen Sohn zum Ritter, der sich nun allein nach Jerusalem aufmacht. Er findet dort eine Stadt vor, in der der Frieden auf sehr wackeligen Beinen steht - und der Statthalter Tiberias (Jeremy Irons) alles dafür tut, um diesen zu bewahren. Auch der König (Edward Norton) möchte einen Krieg mit den Sarazenen möglichst vermeiden, doch dieser ist von seiner Leprakrankheit schwer gezeichnet. Und als er schließlich stirbt, gibt es niemanden mehr, der sich der Kriegstreiberei von Guy de Lusignan (Marton Csokas) und Reynald (Brendan Gleeson) entgegenstellen würde. Am Ende liegt es schließlich an Balian, Jerusalem vor einer feindlichen Übermacht zu verteidigen...
Das
Beste an „Königreich der Himmel“ ist, wie man es bei Scott’s Filmen ja
oft sagen muss, die Inszenierung. Wie man es von Scott mittlerweile eigentlich
schon gewöhnt ist, ist die Bildkomposition auch in seinem neuesten
Historienepos wirklich atemberaubend. Immer wieder gibt es imposante,
beeindruckende und/oder wunderschöne Bilder zu bestaunen. Meiner Meinung nach
gibt es momentan kaum einen anderen Regisseur mit einem ähnlichen Gefühl für
Bilder, wie sie Scott besitzt – und auch hier beweist er wieder seine
Vormachtstellung, was prachtvolle Inszenierungen betrifft. Bereits die erste
Einstellung des Films ist einfach nur wunderbar, und im Großen und Ganzen wird
dieses Niveau den ganzen Film über gehalten – einfach eine imposante
Bilderpracht, die es allein wert ist, sich den Film (im Kino!!!) anzusehen.
Was
die schauspielerischen Leistungen betrifft, gibt’s eigentlich auch nichts zu
meckern. Das Staraufgebot für diesen Film kann sich wirklich sehen lassen, und
jeder der Schauspieler wird auch dem von Scott in ihn/sie gesetzten Vertrauen
absolut gerecht – keine einzige Performance, die irgendwie negativ
hervorstechen würde. Orlando Bloom hat ja in letzter Zeit (gerade für seine
Leistung in Troja) einiges an Kritik einstecken müssen, und auch wenn er sicher
(noch) nicht über das Charisma und die Präsenz absoluter Leinwandgrößten
verfügt, und die Rolle eigentlich nicht unbedingt viel an Schauspielkunst von
ihm fordert, zeigt er zumindest, dass er auch einen Film als Hauptdarsteller
ohne Probleme tragen kann. Eva Green überzeugt nicht nur als optischer Aufputz,
ihre Rolle gehört sogar zu den interessantesten und vielschichtigsten des
Films. Der Rest des Ensembles kommt leider relativ eindimensional daher, und
wird generell eher weniger (zu wenig) beleuchtet. Gleiches gilt für die Romanze
zwischen Balian und Sybilla, die leider viel zu oberflächlich geraten ist und
daher nicht wirklich nachvollziehbar ist. Diese beiden Probleme dürften jedoch
eher FOX zuzuschreiben sein als Ridley Scott – sind doch bei der aktuellen
Kinofassung im Vergleich zu früheren „Testscreenings“ 30-40 Minuten an
Filmmaterial der Schere zum Opfer gefallen, und die Tatsache dass Ridley Scott
mittlerweile einen um mehr als eine Stunde längeren Director’s Cut für die
DVD-Veröffentlichung angekündigt hat legt die Vermutung nahe, dass einiges an
Material im Schneideraum liegen geblieben ist. Dementsprechend könnte sich
dieser Kritikpunkt in der DVD-Version relativieren...
Wie
auch immer, eine der größten Schwächen des Films ist leider, dass er mich
nicht so recht packen konnte. Ich fühlte mich nicht „mittendrin“, ich war
nicht emotional in die Geschehnisse involviert und habe nicht mit den
Charakteren mitgefühlt – ich habe einfach die Bilderpracht bestaunt und die
Handlung verfolgt – nicht gänzlich unbeteiligt zwar, aber wohl unbeteiligter,
als es Ridley Scott’s Absicht war. Das ist meines Erachtens auch der größte
Schwachpunkt im Vergleich zu Scott’s anderem Historienepos „Gladiator“.
Auch wenn ich den Meisterwerk-Status des Crowe-Films immer noch nicht anerkennen
kann und will, da es auch dort einige Schwächen gegeben hat – aber zumindest
hat man so richtig mitgefiebert und mit Maximus mitgelitten und seinen Feind
gehasst. Ähnlich starke Gefühle kamen bei mir bei diesem Film leider zu keinem
Zeitpunkt auf.
Noch
einen Punkt gibt es, den ich leider (auch gerade im Vergleich zu Scotts
„Gladiator“, zu dem sich ein Vergleich nun mal (leider) aufdrängt)
kritisieren will/muss: Den Soundtrack. Dieser ist zwar nicht mal annähernd so
katastrophal wie jener von „Troja“, aber es fehlt ihm einfach das gewisse
etwas. Man merkt deutlich, dass Henry Gregson-Williams (ua. für die
Shrek-Soundtracks verantwortlich) mit aller Macht versucht, einen epischen Score
zu erschaffen, der sich vor Zimmers besten Werken nicht zu verstecken braucht
– leider ist jedoch dieser Anspruch und dadurch im Endeffekt auch sein
Scheitern nur zu offensichtlich. Bezeichnend: Die musikalisch gelungenste Szene,
die einen bewegenden Moment wirklich perfekt unterstützt hat (fast die einzige
Szene des Films, die mich wirklich berühren konnte) ist jene, in der Ridley
Scott auf die Arie „Vide Cor Meum“ aus Dante’s „La Vita Nuova“ zurückgegriffen
hat, die Hans Zimmer anno dazumal gemeinsam mit Patrick Cassidy für Scott’s
„Hannibal“ produziert hat. Gregson-Williams’ Score fehlt es einfach an
epischer Breite, und es gelang ihm so wie dem Film nicht, mich zu berühren
(bzw. halte ich es für durchaus möglich, dass eben diese Schwäche des
Soundtracks im Endeffekt stark auf den Film abgefärbt hat).
Zuletzt
muss ich was die Kritik betrifft noch kurz auf die Synchronisation eingehen. Im
Großen und Ganzen ist diese gut gelungen, und Orlando
Bloom hat (Gott sei Dank) wieder Philip Moog, der ihm bereits in HDR und Troja
seine Stimme geliehen hat (im Gegensatz zu Matthias Deutelmoser aus Fluch der
Karibik, der überhaupt nicht auf Bloom gepasst hat). Leider jedoch hat man bei
Edward Norton ordentlich danebengegriffen. Gut ok, es ist eigentlich nicht zu
erkennen dass er hinter der Maske steckt, nur wenn man es (so wie ich) weiß und
quasi auf seine Standardstimme eingestellt ist, wirkt es doch etwas störend,
dass man sich für einen anderen Sprecher entschieden hat. Hier dachte man sich
wohl, dass es die meisten ohnehin nicht bemerken würden, und hat auf jene, die
sich über den Film informieren und/oder über ein gutes Gehör verfügen, keine
Rücksicht genommen.
Gut,
genug Kritik, was gibt es, von Ridley’s Bildkomposition mal abgesehen, sonst
noch positives zu berichten? Nun, das Drehbuch ist durchaus gelungen, der
Konflikt wird wirklich perfekt dargestellt, wie Jerusalem langsam aber sicher
durch die fanatischen Templer in den Krieg mit den Sarazenen getrieben wird.
Sowohl der König von Jerusalem als auch der Anführer der Sarazenen wollen
eigentlich keinen Krieg, sie wollen möglichst versuchen in Frieden miteinander
zu leben – doch die verräterischen und hinterhältigen Angriffe der Templer
lassen ihnen im Endeffekt keine andere Wahl. Ein Punkt, der möglicherweise für
einige Diskussionen sorgen wird, denn der allzu christliche Klerus wird hier
eindeutig als eigentlicher Aggressor entlarvt, während die Moslems zwar die
Gegner Jerusalems sind, aber
dabei keinesfalls als Monster oder eindimensionale Bestien dargestellt werden
(wie es bei King Arthur z.B. mit den Sachsen geschah). Wie die eher gemäßigten
Kräfte quasi in der Mitte dieses Konfliktes stehen und verzweifelt versuchen,
ihn aufzuhalten – das ist schon interessant mit anzusehen, vor allem, da man
darin auch immer wieder Kritik an beiden Seiten des immer noch währenden
Konfliktes im Nahen Osten erkennen kann.... jedoch nicht mit dem Holzhammer,
sondern durchaus subtil und in verträglichen Dosen serviert. Eben jene Bezüge
zum aktuellen Konflikt sind es, die diesen Film, neben den imposanten Bildern, für
mich auszeichnen und ihn quasi für alle an Geschichte oder Politik
interessierten zum Pflichtprogramm machen.
Doch
auch als Fan epischer Kampfszenen bekommt bei „Königreich der Himmel“
einiges geboten – wobei ich die Actionjunkies unter uns insofern warnen muss,
dass sie kein 2-stündiges Schlachtenspektakel erwarten dürfen – da doch die
Politik eindeutig den größten Teil des Films einnimmt. Doch wenn es mal
kracht, dann gewaltig. Zwar verlegt sich Scott bei den Schlachten für meinen
Geschmack etwas zu sehr auf den mittlerweile ja in Hollywood allzu beliebten
hektischen Schnittstil, so dass es teilweise wirklich schwer ist, dem Geschehen
zu folgen, trotzdem streut er auch immer wieder geschickt Zeitlupen etc. ein,
und gerade in den Schlachtszenen kommt auch wieder die herrliche Bildkomposition
besonders zur Geltung. Auch mit Blut und Gewalt wird nicht gespart. Ridley Scott
möchte hier kein verharmlostes Bild des Krieges servieren, sondern zeigt ihn
mit aller Brutalität und Abscheulichkeit in teilweise durchaus drastischen
Bildern, die nichts für allzu Zartbesaitete sind. Auch dafür gebührt ihm Lob,
denn es ist allzu leicht, den Krieg zu verharmlosen und ihn als helden- oder
ehrenhaft zu glorifizieren. Scott begibt sich nicht in diese Falle und zeigt den
Krieg so wie er ist: Brutal und erbarmungslos. Um so überraschter war und bin
ich über die FSK 12 Freigabe – aber wie heißt es doch so schön: Die Wege
der FSK sind unergründlich...
Fazit:
Die größte Stärke des Films ist Ridley Scotts Inszenierung, die eine wirklich
beeindruckende Bilderpracht auf die Leinwand zaubert, die sich jeder Kino-Fan
unbedingt auf der großen Leinwand ansehen sollte. Die Story gefällt vor allem
mit ihren interessanten, wenn auch subtilen, Bezügen zum aktuellen
Nahost-Konflikt, vermochte jedoch nie so recht, mich mitzureißen. Die
Schauspieler liefern allesamt tolle Performances ab, und auch Orlando Bloom
zeigt, dass er als Hauptdarsteller keine Schande ist – wenn seine Rolle auch
ein bisschen mehr Charisma vertragen hätte. Auch der Soundtrack bleibt alles in
allem leider hinter den Möglichkeiten zurück und schafft es nicht, den Film
noch besser zu machen und die Schwächen des Films (die jedoch unter anderem
auch auf die von FOX aufgezwungenen Schnitte zurückzuführen sein dürften)
auszugleichen. Nichtsdestotrotz gibt es einige imposante und bewegende Momente,
die „Königreich der Himmel“ zum besten Historienepos seit Jahren machen.
Und so muss ich abschließend festhalten: Trotz aller Schwächen ist „Königreich
der Himmel“ wohl der erste große Film des Jahres 2005...
Wertung:
(8/10)
Verfasser: cornholio
Titelbild & Filmausschnitte © 2005 20th Century Fox