Krieg der Welten

(War of the Worlds)

USA 2005, 116 Min.

Regie: Steven Spielberg

Für das allererste Remake in seiner gesamten Karriere als Regisseur hat sich Steven Spielberg einen ganz besonderen Stoff ausgesucht, nämlich H.G. Wells SF-Klassiker "Krieg der Welten", der bereits einmal, nämlich 1953, verfilmt wurde, und zuvor als gespenstisch-realistisches und eine Massenhysterie auslösendes Hörspiel von Orson Welles Furore machte. Auch diesmal hat er sich dazu entschlossen, mit Tom Cruise zusammenzuarbeiten, und das Ergebnis zählt, wie schon ihr erster gemeinsamer Film "Minority Report", erneut zu den besten SF-Filmen der letzten Jahre...

Ray Ferrier (Tom Cruise) kommt, wieder mal, zu spät zum vereinbarten Treffen mit seiner Ex-Frau und ihrem neuen Lebensgefährten. Die beiden fahren übers Wochenende zu ihren Eltern nach Boston, und Ray soll auf die beiden Kinder, Rachel (Dakota Fanning) und Robbie (Justin Chatwin), aufpassen. Die beiden Sprösslinge sind darüber jedoch wenig begeistert: Robbie steht mit seinem Vater ohnehin auf Kriegsfuß, und Rachel beschwert sich über mangelndes Pay-TV und den leeren Kühlschrank. Als ihm Rachel dann schließlich auch noch relativ nüchtern offenbart, dass sich ihr Bruder mal schnell seinen Wagen geliehen hat, wirkt er endgültig heillos überfordert, und stürmt wütend auf die Straße - nur um auf einen Menschenandrang zu stoßen, der in seine Richtung blickt - jedoch nicht direkt auf ihn, sondern auf den Himmel über ihn. Ray dreht sich um und sieht einen großen Sturm auf sich zukommen. Anfangs noch beeindruckt vom Schauspiel, wandelt sich seine Begeisterung schon bald in Angst, als mehrere Blitze ganz in der Nähe einschlagen - immer wieder, genau am gleichen Ort. Seitdem ist der Strom ausgefallen, und auch die Autos funktionieren nicht mehr. Trotz dieser seltsamen Ereignisse ist Ray's Neugier noch nicht gestillt, und er begibt sich zum Ort des Geschehens - und rennt nur wenige Minuten später um sein Leben, als Höllenmaschinen aus der Erde hochsteigen und die Menschen zu Asche verbrennen. Nun gibt es für Ferrier nur mehr eine Devise: Überleben. Gemeinsam mit seinen beiden Kindern sucht er sein heil in der Flucht...

Angesichts der Thematik des Films (böse Aliens greifen die Erde an) war zu befürchten, dass es Spielberg nicht gelingen würde, sich von den unzähligen anderen entsprechenden Filmen der letzten Jahre (insbesondere "Independence Day", der seines Zeichens selbst fleißig von der literarischen und filmischen Vorlage "Krieg der Welten" geklaut hat) entsprechend abzugrenzen, so dass einige weniger informierte Filmfans am Ende gar hinter seiner neuesten Regiearbeit ein Plagiat vermuten könnten. Eben solchen Kommentaren beugt Spielberg jedoch klugerweise vor, in dem er einen ganz anderen Film abliefert, als es wohl viele erwartet haben, ist doch "Krieg der Welten" eher ein Katastrophenfilm und definitiv kein Action-SF-Spektakel. Besonders interessant ist dabei der von Spielberg gewählte Ansatz: Nach der Titelsequenz zoomt die Kamera langsam an Ray Ferrier heran... und lässt ihn danach praktisch nicht mehr aus den Augen. Wir verfolgen das weitere Geschehen nur aus seiner Perspektive - auch wenn das bedeutet, vom eigentlichen Kampf gegen die Aliens relativ wenig zu zeigen. Für mich war dies Spielbergs eigentlicher Geniestreich bei diesem Film. Zugegeben... den Geschmack von jedermann wird er damit nicht treffen - insbesondere die "Hügel-Szene", als Spielberg sich partout weigert die dahinter stattfindende Action zu zeigen, dürfte die Actionjunkies unter den SF-Fans, denen des öfteren bombastische Szenen quasi versprochen werden, die dann doch nicht näher gezeigt werden, enttäuschen und vielleicht sogar ein wenig frustrieren. Ich für meinen Teil bin jedoch mit diesem Ansatz hochzufrieden und ziehe vor Spielberg und den restlichen Beteiligten meinen (nicht vorhandenen) Hut - denn die Versuchung, diesen Ansatz doch nicht so streng zu verfolgen und mal kurz von Ferrier wegzuschwenken, um den eigentlichen Krieg besser zeigen zu können, war bestimmt groß. Doch wo sich viele SF-Filme auf die Action konzentrieren, konzentriert sich Spielberg wirklich rein auf die Figuren - und dafür gebührt ihm meines Erachtens großes Lob.

Das soll nun jedoch nicht heißen, dass "Krieg der Welten" keine Action zu bieten hätte: Unzählige Häuser werden zerstört, Menschen kommen in Scharen um, und auch vor Schiffen machen die dreibeinigen Angriffsmaschinen nicht halt. Und auch wenn der Schwerpunkt eindeutig auf der typischen Zerstörungsaction aus Katastrophenfilmen liegt denn auf einem richtigen Actionspektakel, so gibt es auch von letzterem ein paar Szenen zu bestaunen - wobei diese aber eben immer nur soweit gezeigt werden, wie die Figuren unmittelbar daran teilnehmen und diese Ereignisse auch wirklich (mit)erleben. Doch auch wenn die wirklich bombastischen Actionszenen in "Krieg der Welten" eher eine Nebenrolle spielen, sollte beim Zuschauer wohl so schnell keine Langeweile aufkommen. Denn sobald die Invasion der Aliens beginnt, ist Krieg der Welten so packend wie kaum ein Streifen vor ihm. Sobald die dreibeinigen Angriffsmaschinen aus der Erde hochsteigen, verpasst Spielberg seinem Film eine unheimlich dichte Atmosphäre, und lässt dem Zuschauer die Anspannung, die Angst und den Horror der Figuren wirklich spüren. Durch die durchwegs rasante Inszenierung wird außerdem dafür gesorgt, dass man kaum zur Ruhe kommt, und fast ständig ein bedrohliches Gefühl von Gefahr und Dringlichkeit vermittelt wird. Verstärkt wird diese Atmosphäre dann noch zusätzlich durch einige in ihrer Darstellung, zumindest für einen Spielberg-Blockbuster, erstaunlich kompromisslose und wirklich erschreckend drastische Szenen (wie die Wirkung der Strahlenwaffe der Außerirdischen, oder die im Fluss treibenden Leichen) sowie einige Szenen, in denen man zwangsweise den Atem anhält, wie z.B. jene im Keller. Einfach großartig...

Trotzdem vergisst Spielberg nicht darauf, dem Kinobesucher und seinen Figuren auch immer wieder kurze Ruhepausen zu gönnen, um sich zu entspannen und die Verzweiflung, Angst und Hilflosigkeit deutlich zu machen. Zwar gibt es viele entsprechende, kurze Momente (zum Beispiel im Auto gleich nach der Flucht, wo Ray heillos überfordert erscheint), besonders deutlich wird dies jedoch in der großartigen Szene im Café, als Ray völlig verzweifelt zusammenbricht. Generell ist die zerrüttete Familie, die im Mittelpunkt des Films steht, eine dessen großen Stärken.  Es ist teilweise wirklich schmerzhaft mit anzusehen, wie sehr sich Ray Ferrier bemüht, ein guter Vater zu sein, und wie er trotzdem bei seinen Kindern immer wieder auf Granit beißt. Doch diese familieninternen Problemchen sind natürlich längst nicht alles, was Spielberg an Konflikten präsentiert, denn auch wenn sich Spielberg stark auf die Familie Ferrier konzentriert, so lässt er trotzdem dabei das größere Bild nicht gänzlich aus den Augen. So würzt er "Krieg der Welten" mit einer ordentlichen Portion Gesellschaftskritik, in dem er aufzeigt, zu welchen abscheulichen Taten Menschen in derart extremen Situationen fähig sind. Dies beginnt schon damit, dass Ray, recht egoistisch, das einzig funktionierende Fahrzeug klaut, dass in seiner Nachbarschaft herumsteht - welches ihm jedoch schon bald auf sehr brutale Art und Weise abgenommen wird. Auf erschreckend deutliche Art und Weise zeigt Spielberg in diesem Film auf, dass in einer solchen Extremsituation jeder sich selbst der nächste ist und solche Dinge wie Hilfsbereitschaft, Mitgefühl etc. nur mehr äußerst selten anzutreffen sind, wenn überhaupt. Eben dies kulminiert dann schließlich in einer Art Showdown in Harlan Ogilvy's Keller, (Achtung, Spoiler!) in dem Ray Ferrier schließlich zum Äußersten getrieben wird (Spoiler Ende), wodurch Spielberg sehr subtil wieder die Thematik aufgreift, dass das erste Opfer jedes Krieges die Menschlichkeit ist...

Wenden wir uns nun den schauspielerischen Leistungen zu. Tom Cruise liefert als hilflos-überforderter Ray Ferrier ohne jeden Zweifel eine der besten Performances seiner bisherigen Karriere ab. Er überzeugt wirklich in jeder Szene, und wenn er verzweifelt versucht, eine Bindung zu seinen Kindern aufzubauen, sich in ihren Augen zu beweisen und trotz all dieser schrecklichen Geschehnisse ein Vorbild zu sein und zumindest so zu tun, als wäre er Herr der Lage, kann man gar nicht anders als mit ihm mitzufühlen. Justin Chatwin bleibt als typischer, rebellischer Teenager zwar etwas blass und unauffällig, liefert jedoch auch eine weitestgehend solide Performance ab. Völlig überzeugen kann dafür wieder Tim Robbins, der die wohl größte Nebenrolle inne hat und diese mit gewohnt hoher Intensität spielt. Doch egal ob Tim Robbins, Tom Cruise oder sonst wer, sie alle werden von Dakota Fanning gnadenlos an die Wand gespielt. Ihr Talent ist wirklich beeindruckend, und ihre Performance allein ist die Kinokarte (oder den Preis der DVD) wert. Wenn ich nicht wüsste, dass die Academy SF-Filme allgemein und deren Darsteller und -innen üblicherweise eher stiefmütterlich behandelt, würde ich laut "Oscar!" rufen. Sie überzeugt in jeder einzelnen Szene, wechselt ohne jegliche Probleme von ruhig zu hysterisch zu katatonisch zu was auch immer das Drehbuch verlangt. Apropos Drehbuch, so gelungen Fanning's Performance auch ist, was ihre Figur betrifft müssen insbesondere auch die beiden Drehbuchautoren Josh Friedman und David Koepp lobend erwähnen werden. Meines Erachtens hat Hollywood schon seit Jahren, wen nicht gar Jahrzehnten, keine so realistische Kinder-Figur mehr geschaffen. Rachel reagiert immer wirklich genau so, wie man sich das von einem Kind in ihrem Alter erwarten würde. Jedenfalls sind sowohl die Rolle an sich als auch Dakota's Performance absolut perfekt...

Apropos perfekt - eben jenes Prädikat ist auch den Effekten zu verleihen. Nach einer Schwächephase zu Beginn dieses Jahrtausends haben sich ILM ja in den letzten Monaten laufend rehabilitiert, und auch hier liefert die Trickfirma wieder großartige Arbeit ab. Dies gilt sowohl fürs gelungene Design, als auch der Effektarbeit an sich, wirken doch die Dreibeiner völlig real, und auch die Zerstörung der Häuser etc. wirkt zu keinem Zeitpunkt künstlich. Besonders hervorgehoben werden muss außerdem der Sound: Nicht nur die hallenden Rufe der Dreibeiner, sondern auch der originelle Ton des Hitzestrahls. Hier ist es wirklich gelungen, etwas neues und denkwürdiges zu schaffen, dass den Horror des Films nochmal zusätzlich verstärkt. Im Gegensatz zu "Terminal", dass auch gut und gerne von jedem anderen mittelmäßigen Regisseur hätte sein können, trägt "Krieg der Welten" wieder deutlich Spielbergs Handschrift und überzeugt mit einigen großartigen Bildern und gelungenen Kamerafahrten. Besonders beeindruckend: Die Szene, als Ray, Rachel und Robbie im Auto gerade die Stadt verlassen - hier zoomt die Kamera zuerst an sie heran, schwenkt zwischen den Figuren hin und her, und das alles ohne einen Schnitt. Was auch angenehm auffällt, ist dass die Kamera selbst bei Actionszenen fast immer den Charakteren folgt, anstatt sich direkt auf die Action bzw. die Effekte zu konzentrieren. Dies verstärkt das Realismus-Gefühl und diesen "Mittendrin statt nur dabei"-Eindruck noch zusätzlich, und gibt den Effekten etwas beiläufig-sachliches, anstatt jede Effekteinstellung in den Mittelpunkt zu rücken und zu zelebrieren. 

Der einzige Kritikpunkt, den ich gegenüber "Krieg der Welten" vorzubringen habe, und der dazu führt, dass ich dem Film, so sehr mich das auch schmerzt, die Höchstwertung vorenthalten muss, bezieht sich auf das Ende. Und damit meine ich nicht einmal das eher unspektakuläre Ende des Krieges - eben dieses orientiert sich ja stark am Roman und ich empfand es als völlig gelungen. Vor allem auch, da es die Eigenständigkeit und die Originalität des Films nochmal dadurch unterstreicht, dass es eben keinen bombastischen Showdown gibt. Auch der  Abschlussmonolog hat mich, im Gegensatz zu einigen anderen, die hier wohl offensichtlich etwas zu viel hineininterpretiert und/oder einiges missverstanden haben, nicht im geringsten gestört (und auch dieser orientiert sich ja eben wieder recht deutlich an H.G. Wells Vorlage und wurde wohl vor allem deshalb eingefügt, um dem Autor Respekt zu zollen). Nein, der Grund, warum ich "Krieg der Welten" so leid es mir tut nicht guten Gewissens 10/10 verleihen kann, ist das übertrieben glückliche Ende. (Achtung, Spoiler!) Ich meine, es ist ja schon schlimm (und unrealistisch) genug, dass die Familie in Boston den Krieg der Welten so unbeschadet überstanden hat, aber gut ok, mit einem völlig bösen Ende war bei Spielberg nicht zu rechnen, und so kann ich das noch akzeptieren. Tatsächlich hätte es ein herrlich bittersüßes Ende werden können bzw. war es ja auch, bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Wie Ray Ferrier, etwas entfernt von seiner Frau steht, diese ihm dankt während sie Rachel umarmt, während er jedoch alleine dasteht, etwas abseits, wie als wäre er jetzt wo er sie hingebracht hat wieder überflüssig und unerwünscht und müsste einsam weiterleben - einfach ein großartiges Bild, dass seinen Erfolg in einem deutlich pessimistischeren Licht dastehen lässt. Und wenn seine Frau dann vielleicht noch die Stille Frage "Robbie?" nachgeworfen hätte, und er traurig den Kopf geschüttelt hätte, dann wäre das Ende von "Krieg der Welten" wirklich perfekt gewesen. Aber nein, stattdessen kommt die pubertäre Dumpfbacke natürlich rausgelaufen und umarmt überschwänglich seinen Daddy. (Spoiler Ende). Mann, noch kitschiger hätte man das ja gar nicht hinbekommen können. Schade drum!

Fazit: In einer Zeit, in der jeder Kinoblockbuster vor Effekten nur so strotzt und eigentlich ALLES möglich ist, wagt Spielberg den mutigen Schritt, die Effekte in den Hintergrund zu rücken, die Action eher am Rand abspielen zu lassen und sich fast ausschließlich auf seine Figuren zu konzentrieren. Dass er damit nicht jedermanns Geschmack treffen wird, ist klar - insbesondere das unspektakuläre Ende dürfte bei einigen für Unmut sorgen. Mir hat der gewählte Ansatz jedenfalls sehr gut gefallen. Neben Spielbergs inspirierter Inszenierung begeistern vor allem die schauspielerischen Leistungen, insbesondere von Dakota Fanning, sowie das wirklich gelungene Drehbuch. Schade nur, dass Spielberg am Ende leider wieder mal der Mut verlassen hat und er den Zuschauern ein Weichspüler-Ende präsentiert - welches insbesondere im Kontrast zur mutigen und erstaunlich kompromisslosen Handlung zuvor völlig unpassend erscheint und extrem negativ auffällt. Und so scheitert Spielberg im Endeffekt, trotz der großartigen 110 Minuten zuvor, an sich selbst, und verhindert damit, dass man "Krieg der Welten" guten Gewissens als Meisterwerk des SF-Kinos einstufen kann... 

Wertung:   (9/10)

 

Verfasser: cornholio

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2005 Paramount Pictures