Mystic River

USA 2003, 137 Min.

Regie: Clint Eastwood

"Mystic River" wurde vielerorts als DAS Thrillerhighlight des letzten Jahres bezeichnet, und hat in den vergangenen Wochen auch einige Preise abgestaubt. Vor allem Leute, die mit "Die Rückkehr des Königs" eher weniger anfangen konnten, scheinen diesen Thriller von Clint Eastwood besonders ins Herz geschlossen zu haben und stellen ihn gerne auf Platz 1 ihrer persönlichen "Best Of 2003"-Liste. Ich muss gestehen, so ganz kann ich diesen Hype nicht nachvollziehen, denn wie schon bei "Sieben" so wird mir auch hier ein an und für sich außergewöhnlicher Film durch die letzten 15 Minuten verdorben...

In ihrer Kindheit waren Jimmy (Sean Penn), Dave (Tim Robbins) und Sean (Kevin Bacon) unzertrennlich... bis zu dem schicksalhaften Tag, als Dave entführt und misshandelt wird. Es gelingt ihm die Flucht, doch die Ereignisse an diesem Tag haben ihn auch nach mehr als 30 Jahren nicht losgelassen. Während Jimmy recht erfolgreich einen kleinen Laden leitet, und Sean es sogar zum Detective gebracht hat, führt Dave ein recht unscheinbares und unaufregendes Leben. Der Kontakt zu den ehemaligen Jugendfreunden ist größtenteils verloren gegangen, nur Dave und Jimmy sehen sich noch gelegentlich. Doch als Jimmy's Tochter Katie einem brutalen Mord zum Opfer fällt, führt das Schicksal die drei ehemaligen Freunde wieder zusammen... 

Eigentlich war ich von "Mystic River", vom Ende und einigen Kleinigkeiten zwischendurch einmal abgesehen, durchaus begeistert. Die schöne, ruhige, stilvolle und sehr atmosphärische Inszenierung, die durchaus interessante und spannende Handlung... Was bei Mystic River sofort auffällt, ist das trotz des Verbrechens immer noch die Menschen im Mittelpunkt stehen. Natürlich spielt der Kriminalfall ebenfalls eine wichtige Rolle, und auch die Ermittlungsarbeit wird Gott sei Dank von Eastwood nicht vernachlässigt, doch der eigentliche Kern des Films sind die 3 Freunde aus der Kindheit, ihre Beziehung zueinander, wie sie sich entwickelt haben, und die Probleme, mit denen jeder von ihnen zu kämpfen hat. 

Damit so etwas funktioniert, braucht man gute Schauspieler, und die kann "Mystic River" wahrlich vorweisen. Während Kevin Bacon, mehr aufgrund seiner (im Vergleich zu den beiden anderen Figuren eher unscheinbaren) Rolle als aufgrund seiner Fähigkeiten, nicht so recht zu glänzen vermag, sind es vor allem Sean Penn und Tim Robbins, die wirklich außergewöhnliche und sehr beeindruckende Leistungen erbringen. Tim Robbins brilliert als immer noch von seiner Vergangenheit verfolgter Dave, der verzweifelt versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen und alles richtig zu machen. Sean Penn wiederum hat die zweifelhafte Ehre, die "Arschwarze" der Gruppe darzustellen, und schafft dies mit einer fast beängstigenden Perfektion. Auch der Rest der Besetzung leistet gute Arbeit, jedoch ohne, dass einer von ihnen großartig hervorstechen könnte...

Doch genug des Lobes, es ist nun an der Zeit, auf meine Probleme mit dem Ende des Films einzugehen. Daher an dieser Stelle eine Spoiler-Warnung! Wenn ihr nichts über das Ende des Films wissen wollt, lest lieber erst wieder beim Fazit weiter...

 

 

 

Bevor ich zum eigentlichen Ende kommen, möchte ich noch auf die Kriminalstory an sich eingehen. Man merkt, dass Eastwood mit Krimis keine Erfahrung hat. Anfangs, als Dave nach Hause gekommen ist, mit blutverschmierten Händen... da hielt ich es wirklich für möglich, dass er Katie ermordet hat. Doch je mehr uns Eastwood dazu zwingen wollte, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen (wobei er es in der einen oder anderen Szene sogar übertrieben hat; vor allem Dave's "ich könnte gefährlich sein" an seine Frau war nun wirklich ein bisschen zu viel des Guten...), desto weniger habe ich daran geglaubt, und ich denke jedem, der schon einige Krimis hinter sich hat, dürfte es ähnlich ergangen sein. Dies allein macht die Kriminalgeschichte natürlich noch nicht schlecht und uninteressant, denn es bleibt immer noch die Frage, wer es denn dann wohl war. Nur leider wirkt danach jeder weitere Versuch, uns auf die falsche Fährte zu locken und Dave als Verdächtigen ins Spiel zu bringen, überflüssig, da er sein Ziel ohnehin verfehlt.

Gott sei Dank wendet Eastwood dann rechtzeitig seine Aufmerksamkeit auf andere Verdächtige, und ab da sollten auch die mit dem Gerne der Krimis eher weniger Vertrauten zu vermuten beginnen, dass Dave vielleicht doch unschuldig ist. Dies ist auch deshalb so wichtig, um gegen Ende des Films vom Geschehen so richtig gepackt zu werden und mit den Charakteren mitfiebern zu können, Dies ist nicht unbedingt ein Film, der darauf aus ist, den Zuschauer am Ende mit einer überraschenden Wendung zu schockieren. Er erzielt seine Wirkung vor allem dadurch, dass dem Zuschauer rechtzeitig bewusst wird, wie dieser Film ausgehen wird, so dass er die Schritte dahin genau beobachtet und mit den Figuren, allen voran natürlich Dave, wirklich mitfühlt. Dieser Teil des Endes ist wirklich gut gelungen, da es so richtig schön frustrierend war, zu wissen, was für einen großen Fehler Jimmy hier begeht, aber man als Beobachter natürlich nichts tun konnte, um es zu verhindern. 

Wodurch der Film aber leider verliert, sind die letzten Szenen vor und auf der Parade, und einige arg konstruiert und teilweise auch unlogisch erscheinende Handlungselemente. Gehen wir es chronologisch durch. Dave kommt in dieser Nacht nach Hause, mit Blut auf den Händen, doch er sagt seiner Frau nicht die Wahrheit. Warum nicht? Er gesteht ihr ja schon, dass er denkt, jemanden umgebracht zu haben. Einen Dieb zwar, der ihn angegriffen hat, aber dennoch... wo ist da die große moralische Hemmschwelle, ihr zu beichten, er hätte einen Kinderschänder getötet? Warum zwar einen Mord eingestehen, aber die wahren Umstände verschweigen? Das ergibt für mich irgendwie keinen Sinn...

Einige Probleme habe ich auch mit dem entscheidenden Hinweis, der die Cops schließlich auf die richtige Fährte führt: Den Telefonanruf. Zuallererst ergibt sich hier natürlich die Frage, warum die Täter denn eigentlich so blöd sind, am Tag nach ihrer Tat die Bullen zu verständigen (mal ganz abgesehen davon, dass man meinen sollte, dass dies bis dahin schon geschehen ist). Auch hier kann ich nur sagen: Das ergibt doch keinen Sinn, noch dazu, wo sie sich ja durchaus nicht unverdächtig verhalten (vom uralten Trick des Verplapperns rede ich erst gar nicht). Weiters zu kritisieren ist der doch recht beachtliche Zufall, dass die beiden Cops geglaubt haben, der jeweils andere hätte sich das Band angehört, weswegen KEINER reingehört hat... und just an dem Abend, als Jimmy beschließt, Dave umzubringen, klärt sich dieses Missverständnis auf, man ruft das Gespräch ab und findet dadurch die wahren Täter. Wer jetzt denkt, dieses Problem wäre auf die Vorlage zurückzuführen, irrt, denn im Buch hört man sich den Notruf gleich mal an, bemerkt aber den Versprecher nicht. Dies wäre, auch wenn es auf den ersten Blick sehr ähnlich konstruiert erscheint, die von mir eindeutig bevorzugte Lösungsvariante für dieses Problem gewesen...

Schließlich gibt es dann noch einen weiteren großen Zufall: Genau am Tag nach dem Mord an Dave wird schließlich der von ihm zur strecke gebrachte Kinderschänder gefunden. Da sucht seine gute Frau tagelang nach einer Meldung, und ist, als sie keine finden kann, so verzweifelt und verunsichert, dass sie ihm den Mord an der guten Katie doch tatsächlich zutraut (ist es nicht immer wieder schön zu sehen, dass auch heutzutage Vertrauen und Loyalität noch eine wichtige Rolle in einer Ehe spielen?!?!), und dann findet man ihn just am Tag nach dem Mord an Dave... Sachen gibt's, die gibt's gar nicht!

Soweit zu den logischen Mängeln bzw. der teilweise stark konstruiert wirkenden Handlung. Doch es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt, der mich an "Mystic River" sehr gestört hat, und dass sind die moralischen Implikationen, die mit dem Ende, so wie es uns Eastwood präsentiert, einhergehen. Wenn er nach dem letzten Dialog zwischen Jimmy und Sean ausgeblendet hätte, hätte er sich dieses Problem erspart, aber die Parade zum Schluss... Da hatte des für mich den Anschein, als würde Sean Jimmy mit dem Mord an Dave davonkommen lassen! Bei ihrem Gespräch in der Szene zuvor hat er ihn einfach ziehen lassen, er nimmt ihn nicht mal in Untersuchungshaft, und auch ein paar Tage (oder Wochen? Monate?) später läuft dieser zweifache Mörder immer noch frei herum! Nun könnte man einwenden, dass das Pistolen-Handzeichen zum Schluss bedeuten soll, dass Sean ihn weiterverfolgt und sich sicher ist, dass er Jimmy zumindest für den Mord an Dave drankriegen wird. Doch ehrlich gesagt ist mir dieses Zeichen allein zu undeutlich, um daraus das weitere Schicksal der Figuren mit Gewissheit ableiten zu können, kann es doch alles bedeuten von "Denk dran, ich kann dich jederzeit hochnehmen, wenn mir danach ist" über "Ich weiß, du warst es, du weißt, du warst es, doch ich lasse dich davonkommen" bis hin zu "Hi! Auch hier?". 

Verstärkt wird dieser negative Eindruck noch vom Verständnis, dass Jimmy's Frau der Tat ihres Mannes entgegenbringt, ja sie scheint diese sogar zu befürworten! "Gut, ok, du hast einen unschuldigen Mann getötet, aber du hast es doch mit den besten Absichten getan! Zugegeben, den Mörder zur Strecke zu bringen macht unsere Katie auch nicht mehr lebendig, aber aus irgend einem Grund zeigt dass doch dennoch, wie viel wir dir bedeuten, und dass du dazu bereit bist, alles zu tun, um uns zu beschützen. Und genau darum liebe ich dich. Komm, lass uns...." *ähem* *räusper*. Ok, ich mag ein wenig übertrieben haben, aber im Großen und Ganzen hat es auf mich leider genau so gewirkt. Nun habe ich ja grundsätzlich nichts dagegen, wenn Figuren moralisch fragwürdige Standpunkte vertreten, da ich dies durchaus mutig finde... nur sollte so etwas nie unkommentiert stehen bleiben, mit anderen Worten: Ein anderer Charakter sollte dieser Sichtweise widersprechen. Und eben das geschieht am Ende nicht, zumindest nicht deutlich genug. Daher hat der Film für mich die Aussage: "Selbstjustiz ist ok. Du brauchst mit deinem Verdacht nicht mal recht haben, so lang du nur wirklich wirklich geglaubt hast, den richtigen Kerl zu erwischen." Diese Dirty Harry-Mentalität also. Schade, dass Eastwood diese offenbar immer noch nicht abgelegt hat...

 

 

Fazit: Es ist wirklich deprimierend, die ganze Zeit das Gefühl zu haben, hier ein Thriller-Meisterwerk zu betrachten, und dann am Ende so enttäuscht zu werden. Schade, denn wenn Eastwood einige logische Mängel vermieden hätte, die Handlung teilweise nicht ganz so konstruiert wirken würde, und er vor allem mehr Bedacht auf die "Moral von der Geschicht´" genommen hätte, wäre dieser Film wohl auch auf meiner "Best of 2003"-Liste sehr weit oben gewesen. So habe ich leider mit dem Ende des Films zu viele Probleme, als dass ich die allgemeine Begeisterung uneingeschränkt teilen könnte...

Wertung:    (8/10)             

 

Verfasser: cornholio

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2003 Warner Bros.