Nemesis Game

 

USA 2003, 89 Min.

Regie: Jesse Warn 

Durchschnittliche Inszenierung, unoriginelle Handlung, mäßige schauspielerische Leistungen, billiger Look... eben diese Attribute sind allzu oft mit dem Genre der "B-Movies" behaftet. Dass es auch anders geht, hat Jesse Warn mit seinem äußerst gelungenen B-Thriller "Nemesis Game" eindrucksvoll beweisen... 

Das Lösen von Rätseln ist Sara Novak's (Carly Pope) große Leidenschaft. Ansonsten eher still und introvertiert, blüht sie bei dieser Beschäftigung richtiggehend auf. Eines Tages wird sie auf ein ganz besonderes Rätsel aufmerksam, dessen Lösung dem erfolgreichen Teilnehmer die Offenbarung des "Plans", also dem Sinn des Lebens etc. verspricht. Ihr Freund Vern (Adrian Paul) warnt sie davor, sich näher mit den Rätseln zu beschäftigen, ist es doch angeblich ein paar Jahre zuvor einer Frau (Rena Owen) gelungen, es zu lösen... woraufhin diese wahnsinnig geworden ist und versucht hat, einen Jungen zu ertränken. Doch für Sara, die sich seit einem schweren Schicksalsschlag schon immer die Frage nach dem "Warum?" gestellt hat, ist die Versuchung einfach zu groß, und so werden sie und ihr Freund immer tiefer in dieses gefährliche Spiel hineingezogen...

Natürlich handelt es sich bei "Nemesis Game" nicht um eine Top-Thriller-Produktion, doch im Gegensatz zu anderen Filmen aus dem B-Genre merkt man dem Film die Budgetbeschränkungen eigentlich nicht wirklich an. In keiner Sekunde hat man das Gefühl, Jesse Warn wäre bestimmte Kompromisse (was Handlungsorte, Inszenierung etc. betrifft) eingegangen, um Geld zu sparen, ja tatsächlich sieht der Film für eine B-Produktion schon fast unverschämt gut aus. "Nemesis Game" hat eine unheimlich dichte und tolle Atmosphäre, die Kameraarbeit und Inszenierung sind zwar nichts besonderes, aber dennoch auf erstaunlich hohem Niveau, die verwendeten eher kühlen Farben unterstützen perfekt die Stimmung des Films, genau so die wirklich gute Musik. Auch der Aufbau sorgt dafür, dass man als Zuschauer von der ersten Minute an gefesselt wird, beginnt der Film doch mit einer wirklich herrlich inszenierten Verhör-Szene... und weckt damit gleich das Interesse des Sehers, was es mit der seltsamen Mörderin und ihrer Tat auf sich hat. Doch auch danach kommt nie Langeweile auf; dafür sorgen die originelle Grundidee und die spannende Handlung. Ebenfalls erstaunlich: Trotz eines leichten Mystery-Einschlags wirkt das Geschehen nie unrealistisch, ja tatsächlich kann man dem Film durchaus ein gewisses "True Story"-Feeling attestieren. Einen großen Anteil daran haben wohl auch die Texttafeln am Ende... ein mittlerweile etwas aus der Mode gekommenes Stilmittel, das hier auf sehr kurze, prägnante und gelungene Weise den Zuschauer über das weitere Schicksal der Personen informiert.

Wenden wir uns nun den Schauspielern zu. Sowohl Carly Pope als auch Adrian Paul liefern erstaunlich gute schauspielerische Leistungen ab, die es möglich machen, mit ihren Figuren richtig mitzufiebern. Die wirkliche Glanzleistung des Films vollbringt aber Rena Owen als durchgeknallte (?) Killerin. Sie strahlt eine derartige Ruhe, eine Überlegenheit und eine Gleichgültigkeit aus, die einem wirklich kalte Schauer über den Rücken jagt. Auch die Synchronisation ist durchaus gelungen... besonders, dass man bei Adrian Paul darauf geachtet hat, ihn wieder durch seinen "Highlander"-Standardsprecher synchronisieren zu lassen, verdient Lob. Wo die Synchronisation aber natürlich einige Schwächen aufweist, ist die Übersetzung der Rätsel. Diese konzentrieren sich einfach oftmals sehr auf englische Wortspiele, weshalb man in der Übersetzung nicht mehr unbedingt nachvollziehen kann, wie die Figuren eigentlich auf die eine oder andere Lösung des Rätsels gekommen sind. Wirklich vorwerfen kann man das dem Synchronstudio aber natürlich nicht... tatsächlich finde ich, dass sowohl Synchronisation als auch Übersetzung für eine B-Produktion erstaunlich sorgfältig durchgeführt wurden.  

Am meisten Kritik erntet der Film von seinen Zusehern üblicherweise für das Ende: Dieses sei zu abrupt, es würde überhaupt nicht erklärt, was es mit dem Rätsel bzw. dem Plan genau auf sich hat etc. Nun Leute... darf ich euch fragen, was ihr eigentlich erwartet habt? Dass euch dieser Film am Ende den Sinn des Lebens bzw. den "Plan" offenbart?? Wie soll das denn bitte gehen?!?! Nein, das Ende war meines Erachtens überaus gelungen. Eigentlich hat die Handlung die ganze Zeit auf diesen Punkt zugesteuert, es war im Prinzip das einzig logische und konsequente Ende... und dennoch konnte es mich überraschen. Vor allem finde ich aber genau das toll, was von anderen kritisiert wird: Nämlich dass der Film am Ende keine definitive Antwort auf die von ihm aufgeworfenen Fragen gibt. So bleibt jedem die Möglichkeit, seine ganz eigene Interpretation zu finden. (Achtung, Spoiler!) Ich interpretiere das Ende z.B. analog zu dem, was Sara's Vater zu ihr gesagt hat, bevor sie sich zum Lagerhaus begeben hat: Mehr Fragen zu haben als Antworten, ist genau das, was uns zu Menschen macht. In dem Moment, wo uns alles über diese Welt offenbart wird, werden wir etwas anderes... eine Art Übermensch nach Nietzsche. Danach empfindet man keine Reue mehr für die Taten, kein Schuldbewusstsein... man hört einfach auf, Mensch zu sein. (Spoiler Ende) Doch das ist wie gesagt nur eine von vielen Interpretationsmöglichkeiten... selbst mir würden auf Anhieb noch mindestens 5 andere Schlüsse einfallen, die man aus dem Ende bzw. generell den Geschehnissen des Films ziehen kann. Eben dies stellt wohl für viele die größte Schwäche des Films dar... für mich zählt es zu den ganz großen Stärken von "Nemesis Game".

Fazit: Gut gemachter B-Thriller mit erstaunlich guten Schauspielern, einem zwar komplexen, aber nicht undurchschaubaren Plot, einigen netten philosophischen Ansätzen, toller Atmosphäre und ansprechender Inszenierung. Durchaus empfehlenswert.

Wertung:      (7/10)

 

Verfasser: cornholio

 

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