Nie wieder Sex mit der Ex
(Forgetting Sarah Marshall)
USA
2008, 112 Min.
Regie: Nicholas Stoller
Aus,
Schluß, vorbei. Nach sechs Jahren Beziehung beendet die aufstrebende
Jungschauspielerin Sarah Marshall die Beziehung mit dem Filmmusikkomponisten
Peter Bretter. Dieser ist am Boden zerstört, und versinkt in den
darauffolgenden Wochen in Selbstmitleid. Selbst der eine oder andere
One-Night-Stand kann ihm über die Trennung nicht hinweghelfen. Doch sein Bruder
weiß Rat: Er braucht dringend einen Tapetenwechsel! Und so nimmt sich Peter ein
Herz und reist nach Hawaii, um einmal so richtig auszuspannen und die
gescheiterte Beziehung zu vergessen. Die Sache hat nur einen Haken: Just in
jenem Ressort, in dem Peter absteigt, wohnen auch Sarah Marshall und ihr neuer
Freund. Kann ihm eventuell die charmante Rezeptionistin Rachel über diese unglückliche
Wendung des Schicksals hinwegtrösten und ihn Sarah Marshall endlich vergessen
lassen???
Ich möchte gar nicht wissen, wie viele deutsche Kinofans diesem Film aufgrund des debilen deutschen Titels eine Absage erteilen werden – was extrem schade ist, denn hinter dem billigen (und im weiteren Verlauf dieses Reviews von mir bewusst boykottierten) Titel verbirgt sich mit "Forgetting Sarah Marshall" eine weitere Komödie aus dem Hause Apatow, das uns mit "Jungfrau, 40, männlich, sucht...", "Beim ersten Mal" und "Superbad" bereits einige der besten Komödien der letzten Jahre beschert hat. So thematisch unterschiedlich sie auch sein mögen, was all diese Filme auszeichnet, ist dass sie zwar einerseits ungemein witzig sind (vor allem auch dank ihres angenehm schamlosen Umgangs mit dem Thema Sex), aber zudem dreidimensionale Figuren bevölkern, und auch auf die nötige Portion Tiefgang und Dramatik nicht verzichten. "Forgetting Sarah Marshall" fällt in genau dasselbe Schema. Geschrieben und gedreht von Jason Segel, der in "Beim ersten Mal" noch in einer relativ kleinen Nebenrolle zu sehen war, und dessen Bekanntschaft mit Judd Apatow bis zur besten Teenagerserie aller Zeiten, "Freaks & Geeks" (dt. "Voll daneben, voll im Leben") zurückreicht, beweist dieser ein unheimliches Talent für Timing, Komik, aber auch die ernsten Aspekte des Lebens.
Sein
Drehbuch holt so ziemlich alles an Komik und auch Tragik heraus, was aus dem
Thema Trennung herauszuholen ist, und ist damit wohl zugleich der witzigste als
auch einer der traurigsten Filme, die sich damit auseinandersetzen. Die Story
zwischen Sarah, Peter und Rachel weiß absolut zu überzeugen und mit sowohl
romantisch, als auch witzigen, als auch tragischen Momenten zu überzeugen.
Wichtig ist, sich in Erinnerung zu rufen, dass bei den Apatowschen Filmen der
Humor zwar vorhanden ist und es zahlreiche zum Schreien komische Szenen gibt
(wie das Stöhnduell), es allerdings keine reinen Gagparaden sind, wo ein
(flacher) Witz den nächsten jagt. Dass es dafür erneut gelingt, einerseits
frecher und andererseits weniger tief zu sein als American Pie und Konsorten,
streicht nur wieder heraus, wie hoch diese komödiantischen Talente rund um Judd
Apatow einzuschätzen sind. Segel setzt den Humor wohldosiert ein, wie auch ein
paar traurige Szenen, im Mittelpunkt stehen aber eindeutig die Figuren und die
Geschichte. Einigen mag der Film daher schon fast wieder eine Spur zu wenig wert
auf Komik setzen, ich persönlich fand die Mischung aber mehr als nur gelungen.
Auch die Figuren tragen viel zum Gelingen bei. Klar gibt es auch diesmal wieder ein paar herrlich schräge Nebencharaktere, die recht eindimensional daherkommen, aber die Hauptfiguren sind wirklich großartig ausgearbeitet. Sarah Marshall, Peter Bretter und Rachel Jansen dürfen dabei durchaus unterschiedliche Facetten ihrer Persönlichkeit zeigen, und nicht alle davon sind liebenswert (auch wenn Rachel hier eindeutig noch am besten wegkommt). Trotzdem wachsen einem alle drei Figuren als Herz, vor allem Sarah Marshall, die sich in einer großartig geschriebenen und gespielten Szene vom Biest zu einer tragischen Figur wandelt, und somit - spät aber doch - auch noch meine Sympathien gewinnen konnte. Einzig Rocker Aldous Snow fällt ein wenig in die klischeehafte Arschloch-Kategorie, wo man sich teilweise schon fragen muss, was Sarah an ihm überhaupt gefunden hat. So extreme Ausmaße wie in anderen Filmen (z.B. "Party Animals) nimmt es zwar nie an, trotzdem ist schwer nachzuvollziehen, warum sie sich in diesen eingebildeten Egomanen verliebt hat. Eine der wenigen nicht wirklich gelungenen Szenen des Films ist jene, als Peter zu Aldous meint, er wäre ja eigentlich gar kein so schlechter Kerl. Wenn eine Filmfigur dem Zuschauer sagen muss "he seht mal, der ist ja gar nicht so übel" hat man einfach immer ein Problem. Und wenn wir schon bei den weniger gelungenen Aspekten sind... ein wenig vorhersehbar ist der Film schon geraten, und auch das eine oder andere Genreklischee konnte oder wollte man sich partout nicht verkneifen. All das fällt aber angesichts der Stärken des Films kaum ins Gewicht.
Jason
Segel überzeugt nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera und beweist hier
– im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen die immer nur den Kasperl geben
können – auch sein Talent als Schauspieler. Oscar wird er für seine
Performance zwar nicht gewinnen, aber dafür wohl einige Herzen der weiblichen
Kinobesucher. Er spielt den charmanten Loser durchaus facettenreich und vor
allem mit vollem Körpereinsatz – denn einige Millisekunden lang ist er sogar
in sei ner ganzen Männlichkeit zu bewundern (wurde ja auch
Zeit, dass sich die Bild-zu-Bild-Funktion auf dem DVD-Player auch mal für
Frauen lohnt
).
Mila Kunis bekommt zwar etwas wenig zu tun, überzeugt aber mit einer äußerst
charmanten Performance, die den Zuschauer fast dazu zwingt, sie ins Herz zu
schließen. Kristen Bell hat als schlussmachendes Luder die undankbarste Rolle,
meistert diese aber mit Bravour. Es gelingt ihr dank des bereits angesprochenen
Dialogs auf großartige Art und Weise, aus einer potentiell ungemein
unsympathischen Figur einen vielschichtigen Charakter zu zaubern, und dabei
viele verschiedene Facetten zu zeigen. Ähnlich wie Katherine Heigl in
"Beim ersten Mal" für mich eine große positive Überraschung.
Abgerundet wird das positive Gesamtbild durch zahlreiche schräge Vögel, welche Peter auf Hawaii trifft. Dabei wird man auch auf zahlreiche aus anderen Apatow-Produktionen bekannte Gesichter stoßen, wie Paul Rudd und Jonah Hill. Ebenfalls hervorheben möchte ich den Soundtrack, der wirklich klasse beweist. Anstatt sich auf die gerade angesagten Hits zu stürzen, hat man sich genau die richtigen Tracks ausgesucht; gemeinsam mit einigen hawaiianischen Liedern sorgt dies für einen unwiderstehlichen Mix, den ich mir auf CD zulegen muss (sobald dieser einmal zu einem vernünftigen Preis zu haben ist, weil € 18,- für eine CD, das ist einfach nur lächerlich. Da bekomme ich ja 2-3 DVD's um das Geld!). Apropos Hawaii... die Location ist natürlich auch eine weitere ganz große Stärke des Films. Gedreht im Luxusressort "Turtle Bay" (klick), weiß Segel die Schönheit der Insel perfekt einzufangen und für seinen Film zu nutzen. Wohl nicht wenige würden sich wünschen, sich als nächstes auch einen so traumhaften Urlaub leisten zu können. Zuletzt noch ein paar Worte zum Ende: Nach einer herrlich schrägen Musical-Performance kommt es zum vorhersehbaren, versöhnlichen Happy End – welches aber, und auch das ist angenehm abwechslungsreich, nur angedeutet wird. Ein großartiger Abschluss für einen tollen Film, bei dem Jason Segel und Nicholas Stoller dort erfolgreich waren, wo "Trennung mit Hindernissen" gescheitert ist: Nämlich eine witzige, aber auch sehr originelle romantische Komödie mit Tiefgang rund um das tragische Ende einer Beziehung zu spinnen...
Fazit:
American-Pie Fans und LiebhaberInnen der 08/15 romantischen Komödien seien
vorgewarnt, dass sich dieser Film viel Zeit für die Figuren nimmt, weshalb er
nicht ganz so schnell von einem Gag zum nächsten rast wie andere Vertreter.
Dass man dafür die Charaktere besser kennen lernt und sie einem mehr ans Herz
wachsen - und daher auch das Ende viel befriedigender ist - ist dafür jedoch
mehr als Entschädigung genug. Wer "40 Jahre, Jungfrau, männlich,
sucht...", "Beim ersten Mal" und "Superbad" mochte,
darf jedenfalls auch "Forgetting Sarah Marshall" nicht verpassen. Höchst
empfehlenswert für alle, welche den typischen, faden und formelhaften Romantic
Comedy-Einheitsbrei aus Hollywood satt haben, aber trotzdem nicht auf ihre
Portion Humor und Romantik verzichten wollen...
Wertung:
(8/10)
Verfasser: cornholio
Veröffentlicht am 11.09.2008
Titelbild und Filmausschnitte © 2008 United Pictures International