Roger & Me
USA 1989, 91 Min.
Regie: Michael Moore
Spätestens seit seinem Roman "Stupid White Men" und der großartigen, oscar-prämierten Dokumentation "Bowling for Columbine" ist der Name "Michael Moore" auch hierzulande jedem ein Begriff. Zwar war die satirische Betrachtung der Waffenverliebtheit der Amerikaner ohne Zweifel Moore's bisher bestes Werk, doch auch seine früheren Filme sind es durchaus wert, sie sich anzusehen... wie sein Regie-Erstling "Roger & Me" eindrucksvoll beweist.
In
Flint, Michigan nahm eine der größten Erfolgsgeschichten Amerikas ihren
Anfang, denn dort öffnete vor mehr als 100 Jahren die erste Fabrik von
General Motors ihre Pforten. Ende der 80er schließlich sah sich das Management gezwungen,
Fabriken in ganz Amerika zu schließen... darunter auch die
geschichtsträchtigen Werke in Flint. Diese Entscheidung hatte jedoch nichts mit
verminderter Nachfrage, schlechten Ergebnissen oder ähnlichem zu tun... die
Fabriken wurden einfach von Amerika nach Mexico verlagert, da die Arbeitskräfte
dort deutlich billiger sind. Michael Moore's erster Dokumentarfilm beschäftigt
sich nun einerseits mit dem weiteren Schicksal seiner Heimatstadt Flint, und
dokumentiert außerdem Moore's Versuche, den damaligen CEO von General Motors, Roger Smith, dazu zu
überreden, für einen Tag nach Flint zu kommen, um sich die Auswirkungen der
Fabrikschließungen aus nächster Nähe anzusehen.
Doch dafür muss er diesen erst mal vor das Mikrofon bekommen...
Im Gegensatz zu seinen späteren Romanen und Filmen oder auch seinen TV-Serien ("TV-Nation" und "The Awful Truth) fristet der satirisch-ironische Humor bei "Roger & Me" noch eher ein Schattendasein. So ist der Film eine erstaunlich nüchterne, deprimierende und ernsthafte Dokumentation über den Untergang einer typischen amerikanischen Kleinstadt, die nur dank der Fabriken von General Motors überlebensfähig war. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass es dem Film an Unterhaltungswert mangelt. Denn auch wenn "Roger & Me" sicher Moore's bisher ernsthaftestes Werk war, streut er doch auch im richtigen Moment immer wieder witzige Ereignisse oder skurrile Personen ein, um den Ton des Films ein bisschen aufzulockern. Meist ist es aber selbst bei diesen Szenen so, dass man nicht so recht weiß, ob man lachen oder weinen soll... z.b. wenn ältere reiche Damen beim Golfspielen über die Faulheit der Arbeitslosen und Notdürftigen sinnieren oder eine Selbständige Moore erschüttert von ihrem Fehler beichtet, das falsche Farbschema für sich ausgewählt zu haben... und dabei ist es doch genau ihre Aufgabe, anderen Kunden zu schildern, welcher Farbtyp sie sind. Der einzige Teil des Films, der sich wirklich rein auf Humor und Unterhaltung konzentriert, sind Moore's Versuche, den Chef von General Motors vor das Mikrofon zu bekommen. Egal ob er dem Hauptquartier von GM einen Besuch abstattet oder es im exklusiven Yachtclub probiert... bei so viel unverschämter Dreistigkeit sollte eigentlich kein Auge trocken bleiben...
Dennoch dominieren im Film deutlich die ernsteren Töne. Penibelst dokumentiert Michael Moore den langsamen Verfall Flints, und rückt dabei Einzelschicksale bzw. generell die Menschen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Seien es die verschiedenen Arbeitslosen, die ihre Häuser verlassen müssen, die verzweifelten Versuche der Menschen, sich über Wasser zu halten, die schockierenden Statistiken insbesondere was die steigende Gewalt und die Verbrechensrate betrifft, die verfallenen Häuser, oder auch die verzweifelte Rettungsaktion des Bürgermeisters, Flint mit Hilfe von eher peinlichen Werbevideos und Attraktionen wie der "Automobile World" zu einer Touristenattraktion zu machen... es macht einen traurig und auch zornig, diesen Verfall mitverfolgen zu müssen und mitzuerleben, wie diese Stadt zugrunde geht, während General Motors dank der Verlegung der Fabriken Rekordgewinne einfährt.
Womit wir schon bei dem Punkt sind, die Kritiker bei Moore immer gerne bemängeln: Sein Hang zur Stimmungsmache oder gar Manipulation. Natürlich sind Ansätze davon auch schon in "Roger & Me" zu erkennen... vor allem, wenn er die verteidigenden Aussagen des GM-Chefanwalts immer zwischen deprimierende Bilder aus Flint setzt. Doch so gern die Wirtschaftstreibenden Moore deshalb auf die Strafbank schicken würden, an den Fakten, die Moore hier präsentiert, kann dies auch nichts ändern. General Motors hat sich nun mal WIRKLICH komplett aus Flint zurückgezogen... die Stadt, aus der vor mehr als hundert Jahren der Erfolg der Firma seinen Anfang nahm... nur um noch ein paar Millionen mehr an Profit zu machen. Flint ist daraufhin nun mal WIRKLICH den Bach runtergegangen und kämpft seither verzweifelt ums Überleben. Und auch die Aussagen einiger reicher Schnösel, auch wenn natürlich nicht alle so denken dürften und diese Moore in seinem Bestreben, die gierigen Reichen an den Pranger zu stellen, nur unterstützen, sind nun mal WIRKLICH so gefallen. Moore mag sich auf die Fakten konzentrieren, die seine Thesen stützen... doch dies macht die präsentierten Fakten nicht weniger unwahr und/oder zutreffend.
Zuletzt muss Michael Moore auch noch Lob für die Inszenierung ausgesprochen werden. Diese ist zwar bei "Roger & Me" im Vergleich zu seinen späteren Filmen noch erstaunlich einfach gestrickt, dennoch lässt Moore auch hier schon immer wieder sein Talent für herrliche Bildkompositionen oder beeindruckende Kombinationen von Musik und Bildern erkennen. Vor allem, wenn der Gesang des Kinderchors zur alljährlichen Weihnachtsfeier bei General Motors und Roger Smith's Weihnachtsrede in Kontrast zu den Räumungen in Flint am 24. Dezember gestellt werden, muss man Moore für seine Regiearbeit Anerkennung zollen...
Fazit: "Roger & Me" dokumentiert den tiefen Fall einer erfolgreichen amerikanischen Kleinstadt zum Wohle eines großen Konzerns, und stellt die dafür Verantwortlichen schonungslos an den Pranger. Dies mag nicht unbedingt politisch korrekt sein, doch sowohl erschütternd als auch unterhaltsam ist es allemal...
Wertung: (8/10)
Verfasser: cornholio
Titelbild © 2003 Warner Bros.