Sakrileg

(The Da Vinci Code)

 

USA 2006, 149 Min.

Regie: Ron Howard

Dass ich mich auf die Veröffentlichung dieses Films schon sehr gefreut habe, zeigt allein die Tatsache, dass sich "Sakrileg" im prominenten Reigen meiner "Most Wanted"-Liste für 2006 auf dem 1. Platz befunden hat. Grund hierfür war vor allem der phänomenale Trailer, der einen großartigen Thriller erwarten ließ. Auch die wenigen Einblicke, die man im Trailer in die Handlung erhalten hat, fand ich sehr vielversprechend, und die beeindruckende Besetzung, die für den Film gewonnen werden konnte, spricht ohnehin für sich. Doch als ich wenige Wochen vor dem Kinostart begann, Dan Browns andere Werke zu lesen, schlug mein Enthusiasmus schnell in Besorgnis um - finde ich doch sowohl seinen Schreibstil als auch seine Geschichten alles andere als herausragend. Zum Glück ist Ron Howard etwas gelungen, dass nur wenigen Regisseuren vergönnt ist: Einen Film zu schaffen, der deutlich besser ist als die literarische Vorlage, auf die er basiert...

Im Pariser Louvre wird der Leiter des Museums, Jacques Saunière, ermordet aufgefunden. Da es am Tatort vor abstrusen Zeichen nur so wimmelt, zieht Kommissar Fache (Jean Reno) den Symbologen Robert Langdon (Tom Hanks) zu rate, der am selben Abend in Paris einen Vortrag gehalten hat. Am Tatort angekommen gelingt es Langdon schon bald, einige der Symbole und Hinweise zu entschlüsseln, doch als kurz darauf Sophie Neveu (Audrey Tautou) zu ihnen stößt muss Robert erfahren, dass er keineswegs als Unterstützung zum Tatort gebracht wurde - er ist der Hauptverdächtige. Mit Sophie's Hilfe gelingt es ihm, zu entfliehen, und man beschließt, die Hintergründe des Mordes aufzudecken und dadurch Langdons Unschuld zu beweisen. Schon bald erkennen beide, dass Saunière der Hüter eines uralten Geheimnisses war: des heiligen Grals. Auf ihrer Suche nach den Hintergründen des Mordes werden sie immer tiefer in ein Jahrhunderte zurückreichendes Komplott hineingezogen, dass sie schließlich zum englischen Gralsforscher Sir Leigh Teabing (Ian McKellen) führt, der Sophie in die unglaubliche Wahrheit bezüglich des Grals einweiht - ist dieser doch kein Gefäß, sondern ein Mensch. Schließlich macht man sich gemeinsam auf, um den sagenumwobenen Gral zu finden, immer verfolgt von der Polizei, aber auch von jenen dunklen Mächten innerhalb der katholischen Kirche, die dieses Geheimnis unbedingt für alle Zeit bewahrt wissen wollen...

Bevor ich mich dem eigentlichen Review zuwende, muss ich unbedingt auf die Aufregung zu sprechen kommen, die dieser Film insbesondere in den Kreisen der katholischen Kirche ausgelöst hat. Zwar muss ich gestehen, viel von dem Wirbel verpasst zu haben, da ich zu dieser Zeit gerade in Amerika war, trotzdem war es natürlich unumgänglich, etwas von den teils heftigen Protesten der katholischen Kirche mitzubekommen. Verstehen kann ich diese "übertriebene" Reaktion aber ehrlich gesagt nicht (sofern wir jetzt mal nicht davon ausgehen wollen, dass die Kirche sich von "Sakrileg" deshalb so bedroht fühlt, weil alle dort vorgestellte Theorien der Wahrheit entsprechen), handelt es sich doch bei diesem Film nicht um eine Dokumentation, sondern um FIKTION. Warum sich die katholische Kirche von einem fiktiven Werk so bedroht fühlt, will sich mir einfach nicht erschließen. Dass natürlich ein Film mit derart kontroversen Theorien, die noch dazu einigermaßen gut belegt werden, dem christlichen Glauben nicht gerade hilft, ist verständlich, doch... das tun auch einige Priester nicht, die ihre Finger (und noch ganz andere Körperteile) nicht von jungen Knaben lassen können, seltsamerweise habe ich bei einem ähnlichen Thema nie auch nur einen ähnlich lauten Aufschrei der katholischen Kirche vernommen. Religion ist nun mal eine Frage des Glaubens, und jemand, der in seinem Glauben gefestigt ist, wird sich doch nie und nimmer durch in einem Film oder Roman vorgestellte Theorien davon abbringen lassen. Jedenfalls empfinde ich es als Armutszeugnis der katholischen Kirche, dass um "Sakrileg" so ein Aufstand gemacht wurde.  

Nun aber zurück zum Film: Dass ich an "Sakrileg" große Erwartungen hatte, geht aus meiner Einleitung wohl ausreichend hervor. Und auch wenn der Film leider nicht ganz das von mir erhoffte Thrillerhighlight war, dass es sogar mit "Das Schweigen der Lämmer" aufnehmen kann, ist er nichtsdestotrotz ein wirklich, wirklich guter Thriller. Dass es viele Filmfans gibt, die das nicht so sehen, kann ich durchaus nachvollziehen, denn der Trailer weckt leider wieder einmal völlig falsche Erwartungen, vermittelt er doch den Eindruck, bei "Sakrileg" würde es sich um einen Thriller mit atemloser und nervenzerreißender Spannung handeln - und das ist nun mal absolut nicht der Fall. Im Mittelpunkt des Films steht nicht eine Bedrohung, sondern das Rätsel rund um den heiligen Gral - doch das macht ihn zumindest in meinen Augen noch lange nicht langweilig. Im Gegenteil, die zugrundeliegende Handlung ist sehr interessant, wenn auch zugegebenermaßen einige der hier vorgestellten Theorien etwas überzogen und abgehoben wirken. Trotzdem sind sie allesamt durchaus gut durchdacht und werden recht überzeugend und verständlich erklärt. Vor allem der Aufbau des Handlung ist auch sehr gut gelungen. Der Mord zu Beginn bietet einen perfekten Einstieg, durch den gleich einmal das Interesse des Zusehers geweckt wird. Danach wandelt sich die Thematik jedoch laufend weg vom Mord hin zum Geheimnis des Grals, wobei im Minutentakt neue Informationen und/oder Wendungen über den heiligen Gral, dem Komplott hinter dem Mord oder auch den handelnden Figuren serviert werden - dadurch bleibt der Film trotz des gemächlicheren Erzähltempos und des Fehlens einer Bedrohung spannend und interessant.  

Neben der sich gekonnt entfaltenden Handlung gehört auch die gelungene Besetzung zu den Stärken des Films. Zwar konnte für "Sakrileg" einiges an Starpower verpflichtet werden, trotzdem wird deutlich, dass beim Casting nicht die Überlegung "welchen Star kann ich für welche Rolle gewinnen" im Vordergrund stand, sondern dass man einfach nach den richtigen (gerne auch bekannten) Schauspielern für die jeweilige Figur gesucht hat. Das Ergebnis ist wirklich großartig. Ian McKellen bringt die Abgedrehtheit von Teabing perfekt zur Geltung, Alfred Molina verleiht Bischof Aringarosa gerade die richtige Mischung aus Würde und Bedrohlichkeit, Paul Bettany schwankt gekonnt zwischen geplagtem Opfer und kaltblütigem Mörder, Jean Reno überzeugt als Hauptkommissar Fache vor allem durch seine Bissigkeit, und Tom Hanks spielt die Hauptfigur Robert Langdon mit ausreichend Charisma und verleiht ihr vor allem Glaubwürdigkeit. Die wohl beeindruckendste Performance vollbringt jedoch Audrey Tautou. Als energische Sophie Neveu bietet sie nicht nur einen perfekten Kontrast zum deutlich ruhigeren Langdon, sondern hat zudem in ihrem Gespräch mit dem Killer eine der besten Szenen des gesamten Films. Ebenfalls sehr gelungen ist auch Hans Zimmers gewohnt stilvoller Soundtrack, der die teils klerikale Stimmung des Films bzw. der Bilder optimal verstärkt.

Das wesentliche Problem, das der Thriller hat, geht vordergründig auf Dan Browns Vorlage zurück: die Vorhersehbarkeit der überraschenden Wendungen. Zwar kann ich nicht behaupten, jede Wendung vorhergesehen zu haben, aber zu viele waren für mich zu früh offensichtlich, weshalb mich die entsprechende Auflösung nicht mehr packen konnte. Das ist generell ein Problem von Brown bzw. seinen Büchern: Die Wendungen sind unheimlich klischeehaft nach dem ganz üblichen Thrillerstrickmuster (Achtung, angedeuteter Spoiler!) (sprich: Der Unverdächtigste bzw. Unwahrscheinlichste ist der Bösewicht) (Spoiler Ende) und können daher von einem Thrillerexperten schon meilenweit gerochen werden. Auch bei "Sakrileg" bedient er sich leider wieder (wie übrigens auch bei seinen anderen 3 bisherigen Romanen - man sollte meinen, irgendwann wird's selbst IHM zu fad und einfallslos) dieser thrillerüblichen Formel, in dem er (Achtung, Spoiler!) Sir Leigh Teabing (Spoiler Ende) als Drahtzieher des Komplotts offenbart - was mir gleich doppelt weh getan hat. Einerseits, weil es ab einem gewissen Zeitpunkt so offensichtlich war, und andererseits, da ich die Figur einfach ungemein sympathisch fand. Auch die zweite große Wendung rund um Sophie Neveu war leider sehr vorhersehbar und nicht im geringsten eine Überraschung. Gott sei Dank versucht Howard (im Gegensatz zu Brown im Roman) gar nicht erst, den Zuseher dahingehend in die Irre zu führen, stattdessen deutet er es sogar in einigen Szenen an (Achtung, Spoiler!) (z.B. das heilende Handauflegen während der Fahrt im Lieferwagen) (Spoiler Ende). Wie ich jedoch auch schon zuvor erwähnt habe: So vorhersehbar einige der Wendungen auch sind, der Film ist mit so vielen Offenbarungen und Twists gespickt, dass selbst der beste Thrillerexperte und größte Hellseher nicht alles voraussehen kann, weshalb insbesondere bei den kleineren Wendungen die eine oder andere dabei ist, der es wirklich zu überraschen und zu überzeugen gelingt.

Die größte Stärke des Films ist eindeutig Ron Howards ruhige und äußerst stilvolle Inszenierung. Vor allem nach dem in dieser Hinsicht enttäuschenden 3. Teil der X-Men-Reihe ist mir positiv aufgefallen, wie viel Zeit sich Howard nimmt, um diese Geschichte zu erzählen. Figuren und ihre Vergangenheit werden ausreichend beleuchtet, mit zahlreichen, wirklich großartig inszenierten Rückblenden, und auch sonst gibt es zwischendurch immer wieder ruhige Szenen. Zuletzt sei noch der angenehm gemächliche und ausreichend lange Ausklang positiv hervorgehoben - auch dies ist in Zeiten der MTV-Clipgeneration ja leider eine Seltenheit geworden. Wo sich andere Filme (wenn sie nicht grad" Die Rückkehr des Königs" heißen) schon längst in die "The End"-Einblendung verabschiedet hätten, gibt Howard in Sakrileg mit einem längeren Epilog dem Zuschauer die Möglichkeit, das gesehene zu verarbeiten und sich ausreichend von den Figuren zu verabschieden. Angesichts der Tatsache, dass sämtliche Schurken schon nach 2 Stunden gefasst sind ist der recht lange Ausklang des Films definitiv ein Aspekt der von einigen Mut zeugt, und zu dem Howard unbedingt gratuliert werden muss - insbesondere für die Inszenierung des eigentlichen Endes, dass man einfach nicht besser hätte hinbekommen können...

Fazit: Alles in allem ein guter Thriller, der seine Qualität vor allem Ron Howards Inszenierung und den tollen schauspielerischen Leistungen verdankt - während die aus der Vorlage entnommenen, recht klischeehaften und vorhersehbaren Wendungen sowie die über weite Strecken des Films herrschende Spannungsarmut leider den Aufstieg in "Schweigen der Lämmer"-Regionen verhindern...

Wertung:    (9/10)             

 

Verfasser: cornholio

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2006 Columbia Pictures