Seabiscuit

 

USA 2003, 140 Minuten

Regie: Gary Ross 

Als Seabiscuit diesen Sommer höchst erfolgreich in den US Kinos lief und auch auf größtenteils begeistertes Kritikerecho stieß, war der erste große Favorit für die diesjährige Oscarverleihung ausgemacht. Einige Monate und weitere hervorragende Filme später waren nicht wenige überrascht als Seabiscuit sich tatsächlich unter den 5 Kandidaten für den besten Film befand und insgesamt auf 7 Nominierungen (u.A. auch noch beste Kamera und Drehbuch) kommt.  Einzig und allein, weil es sich hier um eine Geschichte handelt, wie die Amis sie lieben..oder handelt es sich tatsächlich um ein herausragendes Drama? 

Seabiscuit erzählt eine Geschichte, die unglaublicher und unrealistischer kaum anmuten könnte: Ein zu Schande gerittenes und im Grunde auch viel zu kleines Pferd avanciert in den 30-er Jahren mit seinem halbblinden und für diesen Sport zu großen Jockey Red Pollard nicht nur zum Champion sondern zur Hoffnung einer ganzen durch die Wirtschaftsdepression geplagten Nation. Doch das Unglaublichste: diese märchenhafte Geschichte basiert auf realen Geschehnissen… 

Würde diese spektakuläre und wie für Hollywood gemalte Geschichte nicht auf Tatsachen beruhen, müsste man Seabiscuit wohl gleich als übelsten und hanebüchenen Megakitsch abschreiben. Es passt aber auch wirklich alles fast schon zu gut. Zu dem halbblinden Jockey (Tobey Maguire), der von seinen durch den Börsencrash verarmten Eltern einem Pferdestallbesitzer anvertraut wird und dem scheinbar rennuntauglichen Pferd gesellen sich auch noch  Jeff Bridges als Besitzer von Seabiscuit, der vom Fließbandarbeiter zum Millionär aufgestiegen ist, (SPOILER) seinen Sohn durch einen Unfall verlor (SPOILER Ende) und in Tobey Maguire einen Ersatzsohn findet, sowie Chris Cooper als unkonventioneller Trainer ..ein alter Cowboy... ein Relikt aus vergangenen Zeiten, der eher in den Wilden Westen passen würde…der Prototyp des Marlboro Mann und des Pferdeflüsterers in einer Person. Ist man bereit diese Tatsachen auch als Tatsachen zu akzeptieren und dem Berufszyniker in sich mal für etwas über 2 Stunden das Schandmaul zu stopfen, wird man mit einem in allen Punkten exzellenten Drama belohnt. Angefangen mit der ruhigen Inszenierung, die das Geschehen in wunderschönen bzw. in den Rennen hochspannenden Bildern einfängt. Eine bis in die Nebenrollen hochklassige Besetzung in der vor allem Chris Cooper begeistern kann, aber auch Bridges und Maguire durchaus oscarreif agieren. Für die gelegentlichen Lacher ist meist William H. Macy als rasender Radioreporter zuständig. Der mitreißende und stets passend gewählte Soundtrack sorgt da nur noch fürs I-Tüpfelchen. 

Das Seabiscuit so gut funktioniert liegt aber nicht zuletzt daran das es anders als man vermuten könnte, kein reines Sportlerdrama ist. Natürlich beugt man sich (allein schon wegen der Fakten) einer etwas vorhersehbaren Dramaturgie, aber die Ereignisse auf dem Rennplatz sind nur Sinnbild für Aufblühen, Abstieg und Wiederaufbau der ganzen Nation. So dauert es geschlagene 45 Minuten bis der Titelheld das erste Mal durchs Bild traben darf. Immer wieder wird auch auf dokumentarische Bilder zurückgegriffen und eine Erzählerstimme hält den Zuschauer über die Wirtschaft und das Geschehen im Land auf dem neuesten Stand. Auch wenn Seabiscuit von Anfang an haarscharf auf dem Rande zum Kitsch balanciert…überschritten wird er fast nie. Bei allen tragischen, euphorischen und bewegenden Momenten…die Kamera verharrt nie länger als nötig. All zu pathetische Tränendrückermomente werden so gekonnt umschifft.

Das einzige was ich dem Film negativ ankreiden muss:  20 Minuten kürzer und damit das letzte Kapitel weggelassen oder nur als Texttafel erzählt …dann hätte man den Film noch positiver im Gedächtnis behalten…so wird es für manch einen etwas zu lang geworden sein. 

Fazit: Ja, Seabiscuit ist ein altmodischer, ein sehr langsamer, ein uramerikanischer Film…aber vor allem ist es einer dieser Filme, die man schlicht als *schön* bezeichnen muss. Gary Ross schafft es auch in seiner zweiten Regiearbeit nach Pleasantville zu beweisen, das man auch heute noch spektakuläre Filme schaffen kann ohne auf bombastische Effekte zurückgreifen zu müssen. Mit der richtigen Story reicht dafür schon eine gefühlvolle Inszenierung und eine kleine Riege außergewöhnlicher Darsteller. Auch wenn ich von Herzen hoffe, das Herr der Ringe dieses Jahr den Oscar als bester Film in Empfang nehmen darf… wäre es nicht eine wunderbare Ironie des Schicksals wenn sich Seabiscuit, der große Außenseiter erneut als Gewinnertyp erweisen sollte? 

Wertung:    (9/10)

 

Verfasser: evildead

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2003 Universal Pictures