Sideways

USA 2004, 123 Min.

Regie: Alexander Payne

Jedes Jahr kristallisiert sich vor der Oscar-Verleihung eine Art Kritikerliebling heraus. Während im vorangegangenen Jahr „Lost in Translation“ diesen Titel für sich verbuchen konnte, steht 2005 eindeutig Alexander Payne’s hochprozentiges Road-Movie dieser Titel zu.... 

In einer Woche wird der Schauspieler Jack (Thomas Haden Church) heiraten – Grund genug für eine letzte „Junggesellen-Tour“ mit seinem alten Kumpel Miles (Paul Giamatti). Diesem ist jedoch eigentlich gar nicht zu feiern zumute. Über die Scheidung vor 2 Jahren ist er immer noch nicht hinweggekommen, und für sein neuestes Roman-Manuskript erwartet er täglich die endgültige Absage. Verständlich also, dass sich Miles nicht gerade als Stimmungskanone herausstellt. Dass ihm sein Freund schließlich auch noch offenbart, dass er bei dieser Wein-Tour durch Kalifornien noch einmal so richtig die Sau rauslassen und sich dabei durchaus auch mit der einen oder anderen Frau vergnügen will, bessert die Stimmung auch nicht gerade. Und so geht die erste Doppel-Verabredung mit den beiden Kellnerinnen Maya und Stephanie für Miles auch gehörig schief, während sich Jack mit seiner Eroberung fleißig amüsiert. Doch nach anfänglicher Zurückhaltung scheint sich auch zwischen Miles und Maya langsam aber sicher eine Liebesbeziehung anzubahnen... die jedoch auf eine harte Probe gestellt wird, als diese von Jacks bevorstehender Hochzeit erfährt...   

Der Einstieg in die Geschichte von "Sideways" hat bei mir äußerst gemischte Gefühle hinterlassen. Auf der positiven Seite sticht vor allem der Realismus hervor, den Alexander Payne in diesem Film zu erreichen versucht. Dies zeigt sich schon beim Casting, wo keine großen Hollywoodstars oder Hochglanzmodels engagiert wurden, sondern Schauspieler, die dieses gewisse "jemand wie du und ich" ausstrahlen. Auch die Interaktion zwischen den Figuren wirkt sehr realistisch. Man hat nicht das Gefühl, dass man hier einem festgelegten Drehbuch folgt, bei dem alles irgendwie gekünstelt wirkt, stattdessen verhalten sich alle sehr natürlich und nachvollziehbar. Dadurch macht man es dem Zuschauer deutlich leichter, sich mit den handelnden Figuren zu identifizieren. Ein weiterer Aspekt in punkto Realismus ist das Setting. Jeder, der schon mal in Amerika war, wird bestätigen können: Genau so wie bei Miles oder bei Jack sieht es in einer typischen amerikanischen Wohnung bzw. einem Haus aus. Soweit zum positiven Aspekt des Beginns, kommen wir nun zur negativen Seite: Die Musik. In den ersten 15-20 Minuten "verwöhnt" man die Zuschauer (und -hörer) mit einer penetranten musikalischen Dauerbeschallung auf Kaufhaus- oder Fahrstuhlniveau, die mit der Zeit wirklich zu nerven beginnt. Noch dazu drückt die ständige musikalische Untermalung unheimlich auf den Realismus - denn ich weiß ja nicht wie's euch geht, aber wenn ich zu 'nem Freund gehe um ihn abzuholen, werde ich dabei nicht von einem instrumentalen Soundtrack begleitet. 

Gott sei Dank setzt Alexander Payne nach der Ankunft des Duos im Motel die Musik schon deutlich spärlicher ein - und wenn die musikalische Dauerbeschallung dann endlich mal vorbei ist und sich die beiden zum ersten Mal in Miles' Stammlokal begeben, beginnt die beste Phase des Films. Nun gelang es mir endlich, so richtig in die Handlung einzutauschen und die Figuren kennen zu lernen. Dabei konnte vor allem Miles bei mir Punkten, der typische sympathische Loser, der jedoch vielleicht teilweise sogar schon ein bisschen zu übertreibt mit seiner Mitleidstour. Auch Jack ist längst nicht perfekt und eignete sich zumindest für mich nur eingeschränkt als Sympathieträger. Nichtsdestotrotz ist es just diese Charakterisierung, welche den Film so ansprechend, realistisch und mitreißend machen. Es gibt hier nun mal keine perfekten Menschen zu sehen, sondern Leute mit Fehlern, Problemen und Schwächen, die auch schon mal die eine oder andere fragwürdige Entscheidung treffen. Auch die sich entwickelnden Beziehungen zwischen Jack und Stephanie und Miles und Maya wissen zu gefallen - wohl auch deshalb, weil auch hier die Entwicklung sehr realistisch und nachvollziehbar erscheint. Außerdem gibt es einige nette Dialoge und witzige Momente.

Doch so amüsant und unterhaltsam der Film bis dahin auch ist, ab dem Picknick ging es leider stetig (und steil) bergab. War die Handlung bis dahin sehr realistisch angelegt und erstaunlich originell, präsentiert uns Alexander Payne auf einmal einige klischeehafte Wendungen, die ich in irgendwelchen Teenie-Klamotten à la "Eine wie Keine" erwarte, aber doch bitte nicht in einem angeblich realistisch-anspruchsvollen Komödienmeisterwerk, als das "Sideways" ja oftmals bezeichnet wird. Ich mein, nun mal ehrlich... schlimm genug, dass Stephanie das mit der Hochzeit überhaupt herausfinden musste, aber dann noch dazu dadurch, dass sich der gute Miles verplappert? Und dass durch eben diese Offenbarung die aufkeimende Liebe zwischen Miles und Maya gefährdet ist, wirkt auch viel zu standardmäßig und klischeehaft. Hatte das dieser sonst so ruhige romantisch-komödiantische Streifen wirklich nötig? Ich denke nein. Doch damit ist die Talfahrt natürlich noch lange nicht beendet. So konnte mich der plötzliche Wandel von Jack absolut nicht überzeugen - was gleichermaßen am Drehbuch als auch am Schauspieler liegen dürfte. Nicht falsch verstehen, Thomas Hayden Church liefert, so wie das gesamte Ensemble, eigentlich den ganzen Film über eine großartige Performance ab. Eigentlich. Denn just in dieser Schlüsselszene fand ich seine Leistung mangelhaft. Aber wie gesagt, auch das Drehbuch hatte hier ohne jeden Zweifel einen Anteil daran, dass mich diese Szene nicht überzeugen konnte, denn selbst mit einer Performance die nicht das geringste zu wünschen übrig lässt hätte ich seine plötzlichen Schuldgefühle nicht nachvollziehen können.

Für einen alles andere als versöhnlichen Abschluss sorgt dann schließlich das unbefriedigende Ende. Grundsätzlich gebe ich den Machern ja recht - es muss nicht immer ein Hollywood-typisches überdrüber-kitschiges Ende sein, aber ihn einfach vor der Tür stehen zu lassen und abzublenden fand ich schon sehr schwach. Es wirkte auf mich einfach so, als hätte Alexander Payne damit zeigen wollen "Seht, wir blenden ab! Wir zeigen nicht, ob es ein Happy End geben wird! Wir sind besser/anspruchsvoller als die anderen!" Zumindest ich fühlte mich damit allerdings betrogen. Ich meine, wenn ich 2 Stunden meines Lebens für eine Geschichte opfere, dann möchte ich auch das Ende sehen, sei es nun gut oder schlecht. Wenn Miles einfach nach der Message von Maya gesagt hätte "Ja, das Buch hat kein Ende" und fertig... das hätte ich akzeptieren können. Aber ihn vor der Tür zu zeigen und dann abzublenden, da fühle ich mich an das unbefriedigende Ende der Star Trek-Serie "Voyager" erinnert. Es war einfach zu abrupt, und vor allem: Es WAR einfach kein Ende. Es hatte nicht das Gefühl eines Abschlusses. Einigen mag eben das gefallen - aber meinen Geschmack hat man damit nun mal leider nicht getroffen...

Fazit: Die musikalische Dauerbeschallung zu Beginn des Films nervt, hat man diese dann aber endlich mal hinter sich, entfaltet sich vor dem Zuschauer eine schöne ruhig-realistische Komödie mit tragischen Untertönen. Schade, dass Payne danach einige unheimlich klischeehafte und abgenutzte Wendungen auffahren musste, und auch das Ende empfand ich als nicht zufriedenstellend. Aufgrund des wirklich herrlichen Mittelteils ist "Sideways" für Freunde anspruchsvollerer Unterhaltung und/oder ruhigerer Komödien aber sicher einen Blick wert...

Wertung:   (7/10)             

 

Verfasser: cornholio

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2004 Fox Searchlight