Troja

(Troy)

 

USA 2004, 163 Min.

Regie: Wolfgang Petersen

Bisher war das Filmjahr 2004 eher dürftig. Es gab zwar ein paar gute Filme, doch nichts, das wirklich herausragend oder sonderlich erinnerungswürdig wäre. Was Troja betraf, hatte ich die Hoffnung, dass er in diesem "Herr der Ringe"-losen Jahr ein entsprechender würdiger Ersatz und das erste große Highlight sein könnte. Eine Erwartungshaltung, welcher der Film leider nicht gerecht wird...

Der junge Paris (Orlando Bloom) hat sich in Helena (Diane Krüger) verliebt, und entführt sie nach Troja. Sein Bruder Hector (Eric Bana) ist darüber alles andere als begeistert, ahnt er doch schon, dass dies Agamemnon (Brian Cox) endlich den langersehnten Grund gibt, das gesamte griechische Heer zu versammeln und Troja anzugreifen. Auch Prios (Peter O'Toole), der König Trojas, ahnt, dass die Tage seiner Stadt durch diese Tat seines Sohnes gezählt sein könnten, vertraut jedoch auf die Stadtmauern und die Hilfe der Götter. Die griechische Streitmacht bereitet sich indes darauf vor, mittels einer riesigen Flotte von Schiffen gen Troja zu segeln. Doch da Agamemnon weiß, dass er für diesen Krieg nicht nur die größte Armee, sondern auch den größten Krieger aller Zeiten benötigen wird, bittet er Odysseus (Sean Bean), mit dem ihm nicht gerade wohl gesonnenen Achilles (Brad Pitt) zu reden und ihn trotz dessen Abneigung gegenüber Agamemnon dazu zu bewegen, am Krieg teilzunehmen. Nun muss sich Achilles entscheiden, denn wie ihm seine Mutter Thetis (Julie Christie) offenbart, wartet in Troja nicht nur unsterblicher Ruhm auf ihn, sondern auch der Tod...

"Troja" ist mal wieder einer dieser Filme, bei denen es mir irrsinnig schwer fällt, eine endgültige Wertung abzugeben. Er bleibt grundsätzlich durchaus positiv in Erinnerung, doch wirklich großartige Momente sind eher rar gesät. Hauptverantwortlich dafür sind ein paar praktisch allgegenwärtige Schwächen, die dafür sorgen, dass Troja nicht zu dem epischen Klassiker wird, der er so gerne gewesen wäre...

Wohl eindeutig eines der größten Probleme des Films ist der Soundtrack. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wie sie nur so einen Anfänger für die Filmmusik eines derart epischen Streifens verpflichten konnten... und staunte nicht schlecht, als ich im Abspann den Namen "James Horner" las. Ja, richtig, genau der James Horner, der in seiner bisherigen Karriere schon so einige Glanzstücke abgeliefert hat. Um zu verstehen, wie es einem Profi wie Horner passieren konnte, eine teilweise derart katastrophale Musikuntermalung zu komponieren, muss man sich die Geschichte des Films genauer anschauen: Nach einigen Test-Screenings bekam der Film zwar durchaus akzeptable Kritiken, lediglich der von Gabriel Yared komponierte Soundtrack ist den meisten eher negativ oder auch unscheinbar in Erinnerung geblieben, weshalb praktisch in letzter Minute James Horner eingesprungen ist, um innerhalb von nur 2 Wochen einen neuen Score zu komponieren. Ich denke, die negativen Reaktionen hat Yared wohl dem äußerst misslungenen Stück rund um (Achtung, Spoiler!) das Begräbnis von Hector (Spoiler Ende) zu verdanken, der in der Tat ziemlich grauenhaft klingt. Von diesem Ausrutscher einmal abgesehen fand ich Yared's Score (auf seiner offiziellen Seite findet ihr einige Hörproben) aber durchaus gelungen, zwar nichts herausragendes, aber zumindest deutlich besser als das in gerade mal 2 Wochen hektisch zusammenkomponierte Machwerk von Horner. Bezeichnend: Der Track zum Duell zwischen Hector und Achilles, welcher entweder direkt von Yared übernommen wurde, oder sich zumindest sehr an seine Komposition anlehnt, ist das einzige wirklich gute Stück, dass dem Zuschauer auffällt und positiv in Erinnerung bleibt.

Doch was ist es denn nun, was mich am Soundtrack von Horner so stört? Ganz einfach: seine Filmmusik für Troja ist in den besten Momenten unauffällig und so schnell vergessen wie gehört... in den Schlechtesten bleibt sie als absolut nervtötend in Erinnerung. Vor allem das schreckliche Gejaule dieser Sängerin, welches wohl arabischen Flair hineinbringen sollte, schmerzt derart in den Ohren, dass jede Atmosphäre, jede aufkommende Emotion bei einer Szene nach ihren ersten Tönen im Keim erstickt wird. Außerdem erinnerte der Soundtrack stellenweise derart an Hans Zimmer's Komposition für Gladiator, besonders aber David Arnold's Stargate-Theme, dass man richtiggehend aus dem Film gerissen und an Szenen aus den besagten Filmen denken musste.  

Eine weitere allgegenwärtige Schwäche von Troja ist die Synchronisation. Nicht, dass es an der Leistung der Sprecher (mit einer Ausnahme, doch dazu erst etwas später) grundsätzlich etwas auszusetzen gebe. Auch hat man diesmal (im Gegensatz zu "Fluch der Karibik") daran gedacht, Orlando Bloom wieder seine bereits aus den "Herr der Ringe"-Filmen bekannte Stimme zu geben, ebenso Sean Bean. Nur sind die dementsprechenden Besetzungen nur ein schwacher Trost, wenn dafür die Standardstimme der Hauptfigur ausgetauscht wird. Wolfgang Petersen war Tobias Meister's Stimme nicht kräftig genug, und so hat er sich kurzerhand dazu entschlossen, Brad Pitt von einem anderen Sprecher synchronisieren zu lassen. Eingesprungen ist Martin Kessler, die Standardstimme von Nicholas Cage. Nun muss ich gestehen, dass ich generell nicht gerade ein Fan seiner Stimme bin, und seine Performance in Troja eigentlich für seine Verhältnisse wirklich gut war. Doch wenn man mit einem Schauspieler eine bestimmte Stimme verbindet, ändert das alles nichts: Es will einfach irgendwie nicht passen. Und so ist keine Szene mit Achilles vergangen, wo ich mir Brad Pitt's Standardstimme wieder gewünscht hätte, und genau das lenkt natürlich vom Geschehen ab und verhindert, dass man zu den Figuren auf der Leinwand eine Beziehung aufbaut. Doch noch ein weiteres Problem mit der Stimmauswahl gibt es: so hat man Diane Krüger dazu verpflichtet, sich selbst zu synchronisieren. Das so etwas nur in den seltensten Fällen gut geht, ist dem Film-Kenner bekannt... doch nur selten war das Endergebnis so katastrophal wie hier. Ihr penetranter französischer Akzent und ihre teilweise absolut peinliche (sprachliche) Performance machen jede Szene mit Helena zu einer echten Qual...

Der schwache Soundtrack und die schlechte Stimmauswahl bei der Synchronisation sind wohl auch der Hauptgrund für das größte Problem von Troja: Irgendwie will es dem Zuschauer nicht so recht gelingen, zu den Figuren eine emotionale Bindung aufzubauen, wodurch einem das weitere Schicksal der Personen bzw. die weitere Entwicklung der Handlung eigentlich egal ist. Man fühlt sich als neutraler, unbeteiligter Beobachter, der das Geschehen zwar durchaus mit Interesse verfolgt, jedoch ohne emotional involviert zu sein. Hauptverantwortlich ist dafür wohl, dass man einfach nicht so recht weiß, zu wem man eigentlich halten soll: Zu den Trojanern mit ihrem verträumt-verliebten Paris, der sein Volk wissentlich in einen Krieg und möglicherweise sogar in den Untergang stürzt? Oder zum kriegslüsternen Achilles, der unbedingt in die Geschichte eingehen will? Gerade letzterer war von den Machern wohl aus tragischer (Anti-)Held angelegt, doch meines Erachtens sind sie damit gescheitert. Ich war am Ende richtiggehend froh, dass (Achtung, Spoiler!) Paris Achilles am Ende erwischt hat (Spoiler Ende), obwohl die Inszenierung und Komposition der Szene nahe legt, dass es eigentlich die Absicht von Petersen und Co. war, den Zuschauer ob dieser Wendung des Schicksals trauern zu lassen. Doch trotz ihrer Versuche, wollte es einfach nicht gelingen, Achilles als sympathischen Charakter darzustellen, was wohl vor allem auch daran liegt, dass seine Wandlung vom Kriegstreiber zum Liebenden ungefähr so nachvollziehbar war, als wenn George W. Bush auf einmal als Friedenstifter auftreten würde. Ich konnte seine Liebe zu Briseis einfach nicht nachvollziehen, und gerade deshalb konnte mich wohl auch sein weiteres Schicksal nicht berühren...

Die anderen Charaktere sind leider im Großen und Ganzen nur eindimensionale, klischeehafte Hüllen, allen voran der Kriegstreiber Agamemnon. Einzig und allein Hector hat es geschafft, mich als Figur anzusprechen. Schade, dass zwei Szenen, die den Zuschauer eigentlich berühren hätten sollen, aufgrund der Inszenierung ihre Wirkung zumindest bei mir verfehlt haben. Zuerst haben wir Hector's Abschied, als er sich Achilles stellt... an und für sich eine sehr bewegende Szene, nur das ständige "Heeeeeeectoooooooorr! Heeeectoooooor!"-Gebrülle von Achilles hat jegliche melancholische Atmosphäre im Keim erstickt. Gleiches gilt für die Szene (Achtung, Spoiler!) als Hector das Duell gegen Achilles verliert (Spoiler Ende!). Man will gerade in diese herrlich-traurige Stimmung versinken, da setzt das schreckliche Gejaule der Sängerin wieder ein, und man ist viel zu sehr damit beschäftigt, den Schmerz in den Ohren zu ignorieren, als das man sich auf die Emotionen aus dieser Szene noch einlassen könnte...

Weitere Probleme, die mir erwähnenswert scheinen: Die Dialoge sind manchmal wirklich unterirdisch schlecht, teilweise schleichen sich doch ein paar Längen ein, und einige der von Warner Deutschland in Hinblick auf eine FSK12-Freigabe verbrochenen Gewaltschnitte sind derart auffällig, dass sie die Wirkung einer Szene oftmals richtiggehend zerstören. Auch ein wenig störend fand ich, dass der ganze mystisch-mythologische Teil von Petersen ausgespart wurde, was es wiederum schwer macht, die verschiedensten Ansichten und Einstellungen der Charaktere zu den Göttern (insbesondere der entsprechende Hass und die Abneigung von Achilles) nachzuvollziehen. Last but not least: Auch wenn "Troja" nicht direkt etwas dafür kann, muss doch festgestellt werden, dass sich die Schlachtszenen in keinster Weise mit denen aus "Die Rückkehr des Königs" messen können. Insofern enttäuscht der Film also auch in dieser Hinsicht ein wenig...

Doch nun habe ich wahrlich lang und ausführlich genug Kritik an den Schwächen von "Troja" geübt, es ist an der Zeit, sich den Stärken zuzuwenden. Während die Schlachten größtenteils weniger beeindrucken konnten, gibt es dennoch ein paar wirklich geniale und absolut beeindruckende Einstellungen, wie die aus den Trailern bereits bekannte Szene mit den Hunderten von Schiffen. Generell ist die tolle Kameraarbeit, für die wohl auch Petersen ein wenig Anerkennung verdient, einer der größten Vorteile des Films... neben den vereinzelten geniale Kamerafahrten und Einstellungen schafft es Petersen auch sonst zumeist, seinen Bildern eine gewisse Qualität und "Größe" zu verleihen. 

Ebenfalls toll sind die Zweikämpfe geraten. Vor allem der Kampf zwischen Hector und Achilles war einfach nur einsame spitze. Zwar war er für meine Verhältnisse schon fast wieder ein wenig zu hektisch geschnitten, da man aber im Gegensatz zu vielen anderen Filmen trotz der rasanten Schnittfolge nie die Übersicht verloren hat, hat es mich nicht wirklich gestört. Auch von den Kämpfen abgesehen gab es ein paar wirklich berührende Szenen, allen voran der großartige Dialog  zwischen Prios und Achilles. Wenn nur der ganze Film eine derartige Klasse aufweisen könnte...

Zuletzt sind bei den positiven Aspekten eindeutig die Schauspieler zu erwähnen. Von Diane Kruger einmal abgesehen, deren Performance ich aufgrund der miserablen Selbst-Synchro nicht bewerten will (wäre ja möglich, dass sie im Original nicht ganz so grauenhaft rüberkommt), liefern alle, und zwar wirklich ALLE Schauspieler und -innen, absolut herausragende Leistungen ab. Ganz egal ob Brad Pitt, Eric Bana, Brian Cox, Saffron Burrows, Rose Byrne... ja selbst der von vielen gescholtene Orlando Bloom hat seine Sache IMHO sehr gut gemacht, die Kritik an seiner Performance dürfte wohl eher an der nicht gerade publikumswirksamen Rolle des Feiglings liegen, und weniger an seiner tatsächlichen Leistung. Gesondert hervorzuheben ist allerdings Peter O'Toole, der seine jungen Schausipelerkollegen in jeder Szene an die Wand spielt... was angesichts deren glänzender Leistung wirklich ein großes Kompliment darstellt. An den Schauspielern liegt es jedenfalls nicht, dass aus Troja trotz allen positiven Aspekten ein eher enttäuschender Film geworden ist...

Fazit: Alles in allem ist Troja leider für mich nicht das Highlight, auf das ich gehofft hatte. Ein Film mit einem teilweise etwas schwächelnden Script (va. die Dialoge... und jeder, der sich in griechischer Mythologie besser auskennt, wird bestimmt unzählige Unstimmigkeiten erkennen), der neben kleineren Schwächen vor allem aufgrund des grauenhaften Soundtracks und einigen fragwürdigen Entscheidungen bezüglich der Synchronisation einen eher zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Insbesondere die fehlende emotionalen Bindung zu den Figuren schadet dem Film ungemein, fühlt man sich doch einfach nicht so recht in das Geschehen auf der Leinwand einbezogen, sondern wie ein rein neutraler, unbeteiligter Beobachter. Demgegenüber stehen großartige Kamerafahrten und Einstellungen, tolle Zweikämpfe und glänzende Schauspieler. Unterm Strich macht das ein recht gutes "Historien"-Epos, welches jedoch weit davon entfernt ist, das epische Meisterwerk zu werden, dass Petersen und Co. so gerne erschaffen und die Zuschauer so gerne gesehen hätten...

Wertung:      (6/10)             

 

Verfasser: cornholio

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2004 Warner Bros.