V wie Vendetta

(V for Vendetta)

USA 2005, 132 Min.

Regie: James McTeigue

Während sich die Kritik in den USA recht gnädig zeigte und auf einigen Fan-Seiten der Film in höchsten Tönen gelobt wurde, hagelte es hierzulande heftige Kritik, sowohl von der Presse, als auch in diversen Filmforen. Dort wurde „V wie Vendetta“ zuerst von einigen verrissen, und daraufhin von vielen verschmäht - und beides zu unrecht. 

Im Großbritannien der nahen Zukunft regiert ein totalitäres Regime mit unerbittlicher Hand über die in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung. Auch Eve (Natalie Portman) gehört zu dieser unterdrückten Masse - was sich jedoch schlagartig ändert, als sie durch Zufall den charismatischen Rebellen V (Hugo Weaving) kennen lernt. Der nach einem schrecklichen Brand, der ihn für sein Leben gezeichnet hat, immer eine Maske tragende V ist eines der vielen Opfer des Regimes und hat es sich zum Ziel gesetzt, dieses zu stürzen - mit allen dafür erforderlichen Mitteln. Durch terroristische Aktivitäten macht er auf sich aufmerksam, wendet sich an die Bevölkerung und nimmt an jenen, die ihm zu einem Monster gemacht haben, blutige und unnachgiebige Rache...

Als großer Fan von SF-Utopien war ich auf "V wie Vendetta" wirklich schon gespannt - und um so erstaunter als hierzulande die ersten Kritiken eintrudelten. Die einen beklagten, der Film hätte zu wenig Action und wäre langweilig, die anderen störten sich wie schon bei den Matrix-Fortsetzungen mal wieder an einem "pseudophilosophischen Geschwafel", das ich (auch diesmal wieder) partout nicht ausfindig machen konnte. Jedenfalls ging ich nach diesen negativen Meinungen mit deutlich niedrigeren Erwartungen in den Film - und wurde überwältigt. Ich gebe zu, meine überaus positive Meinung mag durchaus damit zu tun haben, dass der Film genau meinen Geschmack trifft. Ich bin generell ein Liebhaber solcher SF-Utopien und würde dieses Subgenre sogar als eins meiner absoluten Favoriten bezeichnen. 12 Monkeys, Fahrenheit 451, Uhrwerk Orange, 1984 (wobei ich hier den Roman deutlich besser fand als den Film)... es sind diese düsteren Zukunftsvisionen, die auf mich schon immer eine große Faszination ausgeübt haben - und V wie Vendetta schlägt in die gleiche Kerbe. Interessant sind daran vor allem die offensichtlichen Parallelen zu einigen Taktiken, wie sie auch von der Bush-Administration angewendet werden: Konsequente Fehlinformation, möglichst Kontrolle über die Medien, Kritiker als Staatsfeinde und Verräter denunzieren, gegen Randgruppen hetzen und durch immer wieder eingestreute Terrorwarnungen Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu schüren, um sie gefügig zu machen. Dass das Regime dieses fiktiven Englands dabei deutlich weiter geht ist natürlich klar - doch gerade das macht die Ähnlichkeiten so faszinierend: Denn es zeigt auf, wohin der Weg führen könnte, den die USA durch die Bush-Administration eingeschlagen hat. 

Einer der Hauptgründe warum mir der Film so gut gefallen konnte ist aber ohne jeden Zweifel die Hauptfigur: V ist ein unheimlich vielschichtiger Charakter, und vermutlich die interessanteste Filmfigur seit langer Zeit. Viele werfen dem Film bzw. den Wachowski's vor, sie würden einen Terroristen zum Helden stilisieren. Nun, ich gebe zu, vieles an V wie Vendetta ist Interpretationssache (eine weitere große Stärke, auf die ich gegen Ende meines Reviews noch etwas genauer eingehen werde), aber das kann ich ja nun wirklich nicht nachvollziehen. V ist kein Held, er ist ein Monster, der von der Regierung erschaffen wurde, und nun zurückgekehrt ist um sich an ihr zu rächen. Dabei ist er ihnen aber vor allem was die Methoden betrifft ähnlicher, als er sich wohl selbst eingestehen will: V manipuliert die Menschen, er benutzt Propagandamethoden, er besticht und erpresst, er benutzt und schürt Angst, und schreckt auch vor Mord und gar Folter nicht zurück. Passend zu seinem Ursprung, der durchaus auch symbolisch zu verstehen ist, bekämpft er Feuer mit Feuer - und kann somit im Gegensatz zu vielen Helden nicht für sich in Anspruch nehmen, besser zu sein als jene, die er bekämpft. Und genau das macht viel von der Faszination sowohl der Figur als auch des Films aus. 

Mit V als dominanteste und interessanteste Figur, die den Film bestimmt und alles andere überstrahlt, können die anderen Charaktere naturgemäß nicht mithalten - dennoch gibt es auch unter den Nebenfiguren einige Glanzlichter: Der Kommissar, der an und für sich ein anständiger, aufrechter Kerl ist, der nur leider das Pech hat, für ein korruptes Regime zu arbeiten. Die frühere Leiterin der Forschungseinrichtung, deren Leben praktisch dort geendet hat, wo V's Leben begann, und die eine der intensivsten und berührendsten Szenen mit ihm teilt. Die lesbische Frau, deren Bekanntschaft Eve während ihrer Gefangenschaft macht (wenn auch auf sehr eigentümliche, aber umso genialere Art und Weise), oder auch Eve's homosexueller Kunstliebhaber, der schließlich von der Regierung geschnappt wird - vor allem bei den Nebenfiguren finden sich eine Vielzahl an interessanten Figuren, die das Ensemble perfekt ergänzen und dem Kunstwerk ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen hinzufügen. Zu diesen Steinchen gehört auch Eve, die sich von allen Figuren am deutlichsten weiterentwickelt. In gewisser Weise ist der Film viel mehr Eve's Geschichte als jene von V. Wir lernen V durch ihre und mit ihren Augen kennen und begleiten sie auf ihrem Pfad vom namenlosen Opfer zu einer (Mit-)Täterin. Einzig der Diktator wurde mir etwas zu wenig beleuchtet und verkommt teilweise zur Karikatur - wenn mir auch einzelne Aspekte der Darstellung (wie die deutlichen Anleihen an Hitler) gut gefallen konnten und ich vor allem die Castingentscheidung, John Hurt für die Rolle zu besetzen (der in 1984 selbst Opfer eines totalitären Regimes wurde) als weiteren Geniestreich der Macher ansehe...

Generell ist das Casting in meinen Augen über jeden Zweifel erhaben. Natalie Portman liefert in "V wie Vendetta" ihre beste Leistung seit "Leon - Der Profi" ab. Zu Hugo Weaving lässt sich angesichts dadurch, dass er den ganzen Film über eine Maske trägt und somit der einzige schauspielerische Aspekt - die Stimme - durch die Synchro wegfiel (ich habe den Film noch nicht im Original gesehen da ich die DVD immer noch nicht mein eigen nenne - die Doppel-DVD ist ja seit längerem ausverkauft und als Bonusmaterial-Fetischist kommt für mich die Single-DVD einfach nicht in Frage) nicht viel sagen - allerdings bietet mir das gleich die Gelegenheit, die Synchronisation des Films zu loben. Dass V weder mit (wie noch im Trailer) "Herr der Ringe"-Stimme Wolfgang Condrus noch mit "Matrix"-Stimme Hans-Jürgen Wolf spricht hat mich dadurch dass man den Schauspieler nie zu Gesicht bekommt nicht im geringsten irritiert, und ein besserer Sprecher als Oliver Stritzel hätte sich wohl ohnehin schwer finden lassen. Auch bei den anderen Figuren hat man darauf geachtet, entweder die Standardsprecher der Schauspieler zu besetzen oder eine passende Stimme zu finden. Die größte Herausforderung war aber wohl die Übersetzung - vor allem V's Monologe sind mit zahlreichen Anspielungen und Wortspielen geschmückt, und soweit ich das ohne Sichtung der Originalfassung beurteilen kann (den Comic kenne ich allerdings mittlerweile) wurde hier wirklich großartige Arbeit geleistet. 

Egal ob nun doch die Wachowski's mehr hinter der Kamera standen, oder sich in der Tat mehrheitlich Regieneuling James McTeigue verantwortlich zeichnet, die Inszenierung mit ihren vielen wundervollen Bildern gehört neben V zu den größten Stärken des Films. Dabei konnte mir vor allem die Aussagekraft und die Symbolik einiger Bilder sehr gut gefallen, die zwar zugegebenermaßen teilweise auf Alan Moore's Comicvorlage zurückzuführen (V - Feuer, Eve - Wasser; oder auch die geniale Montage mit den Dominosteinen), teilweise aber auch dem Regisseur bzw. den Wachowski's anzurechnen sind (wie das V-Feuerwerk). Ebenfalls gelungen war die Musikuntermalung (zumindest bis zum Abspann) - sowohl der von Dario Marianelli komponierte Soundtrack als auch die eingestreuten Lieder (wie "Cry me a river" - und nein, damit ist natürlich nicht das grässliche Lied vom Möchtegern-Musiker Justin Timberlake gemeint) oder auch die klassische "1812 Overtüre" von Tchaikovsky - das sowohl zu Beginn als auch am Ende des Films prominent vertreten ist und die Bilder kongenial unterstützt. Womit wir schon bei einem weiteren Aspekt wären, der jedoch insbesondere die Handlung betrifft: Die Duplizität einiger Ereignisse, wie z.B. das Feuerwerk oder auch, dass sich Eve, wie schon als kleines Kind, wieder unter dem Bett versteckt und erneut mit ansehen muss wie ein von ihr geliebter Mensch von den Truppen der Regierung fortgeschafft wird. Natürlich, vieles davon entstammt dem zugrundeliegenden Comic, doch die Handlung wurde um einige interessante Aspekte erweitert und andererseits so fokussiert, dass mir das Endergebnis sogar noch einen Tick besser gefällt als Alan Moore's großartige Vorlage. Was "V wie Vendetta" dann schließlich von vielen anderen ähnlich gelungenen Filmen abhebt und ihn zu einem Meisterwerk werden lässt: Der Film wirft unheimlich viele Fragen auf - überlässt es jedoch größtenteils dem Zuschauer, Antworten dazu zu finden. Es gibt viele Filme, die über interessante Figuren, eine großartige Inszenierung und berührende Szenen verfügen - aber die Zahl jener, die dazu einladen, über sie nachzudenken, und die noch dazu über einiges an Interpretationsspielraum verfügen - so etwas ist heutzutage leider sehr selten geworden. "V wie Vendetta" wirkt wie ein Spiegel - je nachdem, mit welchen Augen man den Film sieht, wird man auch etwas anderes IN IHM sehen und ihn anders verstehen als andere. So hat z.B. alles was ich weiter oben über V geschrieben habe sicher keine allgemeine Gültigkeit. Die diversen Kritiken in Foren zeigen ja schon dass es viele gibt, welche V's Figur ganz anders verstanden haben, die das Gefühl hatten, die Wachowski's wollten hier einen waschechten Terroristen zu einem Helden machen. 

Neben diesen eher grundsätzlichen Fragen gibt es noch viele weitere Szenen, die wohl jeder irgendwie anders auffassen wird. So bin ich z.B. der Ansicht, dass Eve's Entscheidung, den Zug auf seine letzte Fahrt zu schicken eigentlich gar keine freie Entscheidung mehr war. V hat sie konsequent manipuliert, sein ganzes Handeln hat darauf abgezielt, sie so abzurichten, dass er ihr in diesem Moment zwar die Illusion einer Wahl ließ, sich aber zugleich sicher sein konnte wie sie sich entscheiden würde. Nicht zuletzt auch (Achtung, Spoiler!) durch seinen Tod (Spoiler Ende) hat er sie soweit manipuliert dass sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr anders konnte - und ich denke, V war das nicht nur bewusst, sondern er hat dies mit Absicht getan. Dies ist insofern interessant, als das besagter Moment eine absolute Schlüsselszene war und von V wie als jener Augenblick bezeichnet wurde, in dem die Macht der Entscheidung wieder zum einfachen Volk zurückwandert - nur dass ich eben dies als waschechte Lüge auffasse. Auch hier spielt wieder meine Interpretation mit, das V eigentlich mit genau jenen Mitteln arbeitet, die er bei dem Regime dass er bekämpft so verurteilt. Gleichzeitig bin ich mir darüber im klaren, dass mir viele in meiner Interpretation dieser Szene nicht zustimmen werden - und eben das ist das großartige an "V wie Vendetta": Er BIETET einen eben solchen Spielraum zur Interpretation und lässt es so jedem Zuschauer offen, seine ganz eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Ich behaupte, dass jeder "V wie Vendetta" anders sehen wird - und das ist auch gut so...

Fazit: "V wie vielschichtig" - dies gilt sowohl für den Film an sich als auch insbesondere für dessen Hauptfigur. V ist kein Held, sondern ein Monster, und eigentlich nicht besser oder schlechter als der Tyrann, gegen den er antritt - und eben daraus bezieht er viel von seiner Faszination. Zudem wirft der Film viele interessante Fragen und Thematiken auf, überlässt es jedoch dem Zuseher, seine eigenen ganz individuellen Antworten darauf zu finden und das Geschehen auf seine bzw. ihre Art und Weise zu interpretieren. Auch die zahlreichen Anspielungen auf die aktuelle US-Regierung und die Grausamkeit des beschriebenen Regimes machen aus "V wie Vendetta" zu einem anspruchsvolleren Werk als dies wohl viele Kinogeher erwartet hatten. "V wie Vendetta" ist eben kein hohles Actionfeuerwerk sondern eine jener düsteren SF-Utopien, wie ich sie nun mal liebe, und nicht nur die bisher beste Comicverfilmung, sondern zudem einer der besten Filme des Jahres 2006 und ein absolutes Meisterwerk der Filmgeschichte...

Wertung:   (10/10)             

 

Verfasser: cornholio

Veröffentlicht am 08.01.2007

 

Zurück zur Übersicht

Zur offiziellen Homepage

Weitere Infos zum Film

Trailer

Einspielergebnis und Budget

Zur Hauptseite

 

Titelbild und Filmausschnitte © 2006 Warner