Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen

(Wallace & Gromit - The Curse of the Were-Rabbit)

 

UK 2005, 85 Min.

Regie: Nick Park & Steve Box

Nach 3 animierten Kurzfilmen, von denen 2 mit dem Oscar ausgezeichnet wurden, wagen Wallace und Gromit mit der "Jagd nach dem Riesenkaninchen" den Hoppler auf die große Leinwand. Und trotz der großartigen Kurzfilme, des vielversprechenden Trailers und der überwiegend positiven Kritiken war ich nach dem eher enttäuschenden "Chicken Run" doch auch ein wenig skeptisch - zu unrecht, wie sie herausgestellt hat...

In wenigen Tagen soll der alljährliche Gemüsewettbewerb von Lady Tottingham stattfinden, und alle Bewohner hüten ganz sorgfältig ihr geschätztes Gemüse. Doch eine Kaninchenplage bereitet den hoffnungsvollen Gärtnern sorge. Gott sei Dank gibt es Wallace und Gromit, die mit ihrer Firma Anti-Pesto jedwede Plagegeister sofort entfernen - auch mitten in der Nacht, wenn es sein muss. Im Gegensatz zur bevorzugten Vorgehensweise vom jagdbesessenen Victor Quatermain gehen die beiden dabei äußerst human vor, und fangen die Hasen mittels einer Art Staubsauger, um sie zu Hause dann in Gehegen zu halten. Letzteres erweist sich jedoch mit der Zeit als Problem, da die Gehege langsam aber sicher voll zu werden drohen. Schon bald jedoch hat Wallace die rettende Idee: Mit Hilfe seiner Gehirnmanipulationsmaschine hofft er, den Hasen ihren Appetit auf Gemüse nehmen zu können. Nur kurz nach dem - scheinbar geglückten - Experiment streift in der Nacht ein Riesenkaninchen durch die Gärten und verwüstet das sorgsam gehütete Gemüse. Die Bewohner laufen Sturm, und verlangen von Wallace und Gromit, sich der Sache anzunehmen. Doch haben die beiden etwa mit ihrem Experiment dieses Monster erst erschaffen? Und wie sollen sie es nun wieder einfangen?

Ich bin ein großer Wallace und Gromit-Fan, und das seit jener schicksalhaften Nacht, in der ich ihre Kurzfilme gesehen habe, die kurz nachdem sie den Oscar gewonnen hatten in den "Kunststücken" im ORF ausgestrahlt wurden. Und so beeindruckend die Qualität ihrer Stop-Motion-Animation auch sein mag, die Hauptgründe dafür waren für mich schon immer der schier unermessliche Einfallsreichtum sowie der herrliche Humor. Gut, ok, "Alles Käse" mag noch etwas, nun, "cheesy" gewesen sein (man verzeihe mir die Verwendung eines englischen Ausdrucks, aber mit dem deutschen Begriff wäre dieses Wortspiel verloren gegangen ), doch spätestens mit "Die Techno-Hose", der für mich immer noch ungeschlagen an der Spitze der besten animierten Filme aller Zeiten steht, haben sie einen unwiderstehlichen Mix geschaffen, dem ich mich einfach nicht entziehen konnte. Schon allein die geniale Verfolgungsjagd auf der Eisenbahn ist einfach absolut köstlich und strotzt nur so vor genialen Einfällen und gelungenen Gags (z.B. als Gromit während der Fahrt die Schienen verlegt) - mehr, als jeder Pixar oder selbst PDI-Streifen in der dreifachen Laufzeit erreicht hat. "Unter Schafen" konnte diese Qualität zwar meines Erachtens nicht mehr ganz erreichen, war aber immer noch ein herrlicher Spaß. Insofern habe ich mich auf ihren ersten Kinofilm wirklich schon sehr gefreut - und wurde, trotz meiner in der Einleitung angesprochenen leichten Skepsis, nicht enttäuscht. "Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" ist ein Riesenspaß in bester "Wallace und Gromit"-Tradition, mit ihrem ganz typischen Humor, unzähligen parodistischen Anspielungen, köstlichen Gags, und dem für Nick Park so typischen, imposanten Einfallsreichtum. 

Optisch ist "Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen", wie es nicht anders zu erwarten war, ein Genuss. Die Stop-Motion-Animation ist größtenteils sehr flüssig, die Ausstattung, Figuren und Sets sind ungemein detailliert und im typischen Wallace & Gromit-Stil gehalten, und sehr aufwendig gestaltet. Wenn man diesen Film gesehen hat, versteht man auch, warum Nick Park und sein Team ganze 5 Jahre daran gearbeitet haben... in jedem Einzelbild erkennt man den Aufwand und die unfassbare Arbeit, die das Animationsteam in diesen Film gesteckt hat. Man mag sich gar nicht vorstellen, was es für eine Arbeit gewesen sein muss, all diese Sets zu erschaffen, die Figuren, die Mimik, und dann damit die eigentliche Handlung zu erzählen. Doch so sensationell die Optik auch sein mag (zumindest im Vergleich zu anderen Stop-Motion Animationen), sie steht im Gegensatz zu einigen CGI-Spektakeln wie Robots nie im Mittelpunkt des Films. Wo man in anderen Animationsfilmen eine minutenlange Eye-Candy-Sequenz findet, die rein dazu dient, die Augen zu füttern, jedoch keinerlei Inhalt präsentiert, dient die beeindruckende Optik in "Wallace und Gromit" lediglich dazu, die Handlung zu erzählen bzw. zu unterstützen. Dementsprechend steckt auch in den Figuren deutlich mehr Herz als in den meisten ihrer CGI-Kollegen. Schon allein Gromit ist eine unheimlich sympathische und "echte" Figur - und er schafft dies, ohne ein einziges Wort zu sprechen, nur durch seine Mimik (die Nick Park und Co. oftmals schon ausreicht, um bei mir für einige Lacher zu sorgen). Sein Kollege Wallace steckt mit seiner konfus-verschrobenen Art seinem vierbeinigen Kollegen dabei in nichts nach - auch ihn schließt der geneigte Zuschauer sofort ins Herz. Gelungen auch die neuen Figuren, die sich prima ins Ensemble einfügen. Zwar konnte mich Snob Quartermain eher weniger überzeugen (ist er doch dieser typische auf Kinder zugeschnittene Bösewicht), doch insbesondere unter den zahlreichen neuen Nebencharakteren finden sich viele Highlights, wie der Police Constable Makintosh (jupp... P.C. Makintosh!) oder auch der Pfarrer, die in einigen absolut köstlichen Szenen für Lacher sorgen. 

Womit wir auch schon beim Humor wären, der ohne jeden Zweifel die größte Stärke von "Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" darstellt. Hier besticht neben der Originalität und dem beeindruckenden Einfallsreichtum vor allem die Vielschichtigkeit. So gibt es nicht nur eher plumpe Slapstick-Gags, sondern zahlreiche weniger offensichtliche Witze und Anspielungen, von denen sich viele im Hintergrund abspielen, weshalb man viele davon beim 1. Ansehen gar nicht mitbekommen wird. Ein Beispiel: Achtet man ganz genau auf die Photos zu Beginn des Films, wird man bemerken, dass Gromit offenbar einen Abschluss an der "Dogwarts University" gemacht hat. Neben solchen kleinen Details im Hintergrund gibt es noch unzählige weitere Anspielungen auf andere Filme, die wohl nur den Experten auffallen werden - z.B. als im Autoradio "Bright Eyes" gespielt wird, seines Zeichens Titellied des Zeichentrickfilms "Watership Down", in dem eine Gruppe von Kaninchen die Hauptrolle spielt (auf diesen Film wurde u.a. auch im Donnie Darko Director's Cut eingegangen). Daneben ergeben sich natürlich auch noch viele Anspielungen aus der Handlung an sich, wenn z.B. die üblichen Horrorklischees durch den Kakao gezogen werden - von den typischen erschwerenden Bedingungen, unter denen sich derartige Monster erledigen lassen über die Inszenierung, die insbesondere in der "Messer-Szene" sowie dem Gespräch zwischen dem Pfarrer und Mr. Quartermain, als Blitz und Donner jede wichtige Dialogzeile untermalen, auf die Schippe genommen wird, bis hin zu typischen Stilmitteln wie den überraschenden Wendungen, die mittlerweile in fast jedem Horrorfilm und/oder Thriller zum guten Ton gehören. Die betreffenden Gags sind zwar teilweise nur für Kenner des Genres zu erkennen, dafür jedoch überaus treffsicher. 

Doch natürlich finden sich auch abseits von Parodien und kleinen Anspielungen im Hintergrund noch genügend wirklich herrliche Lacher. Da ich keinesfalls den ganzen Film bzw. die ganzen Gags spoilern will, seien nur exemplarisch das  Anlocken des Riesenkaninchens sowie die Geldbörsen-Szene genannt. Einfach zum schreien komisch (wenn ihr mich fragt). Generell fällt bei allen Gags vor allem eines auf, was sie neben dem genialen Einfallsreichtum so gelungen macht: das großartige Timing. Nick Park und Steve Box nehmen sich genug Zeit, um den Gag aufzubauen, zünden ihn dann im genau richtigen Moment, und bleiben lange genug dabei, um den Lacher auch wirklich auskosten zu können, anstatt sich gleich in den nächsten Gag zu stürzen. Einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es jedoch in der deutschen Fassung zu bemängeln: So dürften doch einige Witze durch die Übersetzung ein klein wenig gelitten haben. Beispiel gefällig? Wallace passt, dank seiner großen Käse-Leidenschaft, nicht mehr ganz durch den Spalt im Boden. Während er in der deutschen Fassung recht eindeutig nach einem kleinen Schubser fragt, bittet er Gromit im Original lediglich um "assistance", also ein bisschen Unterstützung. Natürlich funktioniert der Gag grundsätzlich in der deutschen Fassung auch noch, allerdings funktioniert er aufgrund des größeren Überraschungsfaktors im Original wohl doch noch etwas besser. Jedenfalls werde ich mir, falls man (wie es bei Animationsfilmen ja öfter geschieht) für die deutsche DVD extra einen eigenen Bildtransfer anfertigen sollte, wohl zusätzlich noch die DVD aus England holen müssen...

Wenn auch beim Eindeutschen ein paar Gags ein wenig von ihrer Wirkung verloren haben mögen, die deutsche Synchronisation ist wirklich über jeden Zweifel erhaben. Meine Befürchtung, der deutsche Verleih könnte für den Film die gute alte Wallace-Stimme austauschen, hat sich Gott sei Dank als unberechtigt herausgestellt - da war ich nämlich wirklich schon ziemlich besorgt. Tatsächlich liefert der Sprecher meines Erachtens sogar nochmal eine deutlich bessere Leistung ab als in den Kurzfilmen - und bereits dort hat er Wallace wirklich gut getroffen. Doch auch die anderen Sprecher sind wirklich gut gewählt. Man merkt deutlich, dass hier die Qualität im Vordergrund stand, anstatt irgendwelche Star(?)-Power zu engagieren um den Film zu pushen, wie es heutzutage - zumeist auf Kosten der Qualität der Lokalisierung - ja leider im Bereich der Animationsfilme gang und gäbe geworden ist. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt für die Ohren jedoch: So wurde die geniale, aus den Kurzfilmen bekannte Wallace und Gromit-Titelmelodie leider nur während der Anfangssequenz verwendet. Die Kompositionen von Hans Zimmer sind zwar ebenfalls gelungen und sehr passend, was die Atmosphäre etc. betrifft, aber zumindest an Schlüsselstellen hätte ich mir das altbekannte Theme, wenn auch gerne leicht abgewandelt, gewünscht.  Dies ist jedoch wirklich nur ein kleiner, vernachlässigbarer Kritikpunkt, der den positiven Gesamteindruck kaum beeinflusst. Apropos positiver Gesamteindruck: Einen der wesentlichen Stärken des Films hätte ich jetzt sogar fast zu erwähnen vergessen: Die Handlung. So ist "Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" nicht nur einfach eine willkürliche Aneinanderreihung von Gags, sondern bettet diese in eine für sich genommen bereits gelungene Story ein, die auch abseits der Comedy funktionieren würde. Etwas, dass man nicht von jedem Animationsfilm behaupten kann... 

Fazit: In einem Jahr, in dem die ultramodernen computergenerierten Animationsfilme enttäuschten, ist es an einem Engländer mit seinen eher altmodischen Plastilin-Figuren, um dort zu überzeugen, wo Filme wie "Robots" und "Madagascar" versagt haben. Hier stehen Charaktere und Story im Mittelpunkt, die Gags bestechen mit ihrem großartigen Timing, ihrer Vielschichtigkeit und dem schier unerschöpflichen Einfallsreichtum von Nick Park und seinem Team. Der Humor ist dabei erstaunlich abwechslungsreich und bei weitem nicht rein auf Kinder zugeschnitten, sondern im Gegenteil mit vielen kleinen Gags gespickt, die solche noch gar nicht verstehen werden können - so bleibt der Film auch für ältere Semester ein Spaß. "Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" ist ein Film mit Herz, Hirn, Charme und vor allem Humor... und sicher der mit Abstand beste Animationsfilm des Jahres.  

Wertung:        (9/10)             

 

Verfasser: cornholio

 

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