Freundschaft
Österreich
2006, 92 Min.
Regie: Rupert Henning
Einen Tag
vor dem Begräbnis des verstorbenen Onkel
Peppi finden sich die ehemaligen Parteigenossen zu einer Trauerfeier in der
Gemeindezentrale der SPÖ ein. Zu Trinken gibt es selbstverständlich Rotwein,
und statt eines klerikalen Trauerliedes erklingt die Internationale. Nur der
junge Neffe des Verstorbenen kann mit diesem Trubel
nicht viel anfangen - weshalb zum wiederholten Male ein Streit zwischen
sozialistischem Vater und dem ideologielosen Sohn entbrennt, der einige gut
gehütete Geheimnisse zu Tage
fördert.
"Freundschaft" ist die Adaption des gleichnamigen
Bühnenstückes von Regisseur Rupert Henning und Kabarettist und Autor Florian
Scheuba, in dem sie sich ihren politischen Frust von der Seele schrieben: Sowohl
das Bühnenprogramm als auch der Film stellen eine schonungslose Abrechnung
mit der Sozialdemokratie in Österreich dar, in dessen Zentrum ein
Generationenkonflikt steht: Der Vater alteingesessener Sozialdemokrat, der die alten Werte höher hält, je mehr sie in der tatsächlichen Politik abhanden kommen, und der scheinbar ideologielose Sohn, der sowohl die Politik generell als auch die Einstellungen seines Vaters recht lächerlich findet und dies mit
ordentlichem Zynismus kund tut.
Das Ergebnis ist ein gelungener, ruhiger und entlarvender Film, bei dem auch wirklich jeder sein Fett weg bekommt, egal ob
die alten Granden der SPÖ die ihr Scheitern partout nicht einsehen wollen, die
momentane Führung der Partei ("Die Seele der Partei isst keinen Spargel!" - Anspielung auf
das Spargelessen zwischen SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer und Jörg Haider), der
etwas eigenwilligen Ansichten der Kärntner SPÖ (die bereitwillig eine
Koalition mit Haider eingegangen ist, weil er ja eigentlich eh recht hat) oder
auch - natürlich - die politischen Gegner. Doch auch wenn die Politik im
Mittelpunkt der Diskussion zwischen Vater und Sohn steht, so offenbaren sich
auch immer wieder mal tiefergehende Differenzen, die sich aus der Vergangenheit
der beiden Figuren und ihrer Lebenseinstellung ergibt. Diese eingestreuten
privaten Einblicke sorgen dafür, dass die Hintergründe der beiden Hauptfiguren
ausreichend beleuchtet werden, so dass beide nicht zu einfachen Schablonen
verkommen. Zudem werden die beiden von Erwin Steinhauer und Rupert Henning
wirklich kongenial verkörpert - allein den beiden zuzusehen ist die Kinokarte
schon wert. Herzstück des Films sind aber eindeutig die Dialoge: Manchmal
kritisch, manchmal zynisch,
aber immer pointiert, witzig und treffsicher. Kostprobe gefällig?: "Gesagt haben sie uns, wenn er befreit ist, der einfache Arbeiter, von
Ausbeutung und Unterdrückung und vom 48-Stunden-Tag, dann wird er Bücher
lesen, ins Theater gehen, die Museen stürmen! Und was macht der undankbare
Trottel!? Schaut Musikantenstadl, liest Kronenzeitung und wählt die FPÖ!"
Es sind Dialoge wie dieser, die "Freundschaft" trotz der Schwächen
und der starken thematischen Spezialisierung für alle an Politik interessierten
Österreicher zu einem Pflichtprogramm machen - wobei man als "Roter" (=Sozialdemokrat)
wohl besser eine große Portion Selbstironie und Kritikbewusstsein mitbringen
sollte .
Einziger Kritikpunkt: Man merkt "Freundschaft" leider die
Bühnenherkunft stark an und fragt sich manchmal, was genau eigentlich die
Verlagerung des Stückes auf die Leinwand rechtfertigt (vom geringeren Preis und
dem daraus resultierenden breiteren Publikum mal abgesehen). Inszenatorisch
nützt der Film jedenfalls kaum die vorhandenen Möglichkeiten aus und zeigt
sich erstaunlich bieder und uninspiriert - fast wie ein Fernsehfilm der späten
80er Jahre. Angesichts der starken Konzentration auf die Dialoge und das
Zusammenspiel der Protagonisten ist dies jedoch zu verschmerzen...
Fazit: "Freundschaft" punktet vor allem mit den grandiosen Leistungen der Hauptdarsteller und den pointiert-zynischen Dialogen; aufgrund der starken thematischen Einschränkung, die zum vollendeten Filmgenuss einiges an Vorwissen in den Bereichen Politik und Geschichte erfordert, ist er allerdings wohl eher nur für (politisch interessierte) Österreicher geeignet.
Wertung:
(7/10)
Verfasser: cornholio
Titelbild © 2006 Filmladen