Wächter des Tages
(Dnevnoy dozor aka Nochnoi Dozor 2)
Russland 2006, 132 Min.
Regie: Sergei Lukyanenko
Wie
ich im Text weiter unten ausführe, ist "Day
Watch"
nachvollziehbarer als sein Vorgänger, aber das heißt nicht, das mir nicht
allein der Versuch eine brauchbare Inhaltsangabe zu verfassen Kopfschmerzen
bereiten würde. Deshalb nur extrem grob, aber selbst damit wisst ihr schon mehr
als ich vorm Sehen: Anton, der Held
des ersten Teils gerät nach einer Vertuschungsaktion (um seinen inzwischen zur
dunklen Seite zugehörigen Sohn zu decken) in Verdacht ein Mitglied der Day
Watch getötet zu haben. Wenn keine entlastenden Beweise gefunden werden, würde
das seinen Tod bedeuten. Auf dem Weg dahin werden wir Zeuge von Verschwörungen,
Körpertausch, Verrat und überflüssigen Spezialeffekten. Eine magische Kreide,
die Wünsche erfüllen kann, spielt auch noch eine Rolle. Blup.
Vorweg: Bei der folgenden Kurzkritik liegt die Betonung auf kurz, aber Zuschauer, die Wächter der Nacht als wirres Machwerk empfunden haben, können schon hier aufhören zu lesen, denn diejenigen werden auch an Wächter des Tages keinen Gefallen finden.
Night Watch kam klar erkennbar als (atmosphärischer)
Mix aus Matrix, Blade, einem Hauch Herr der Ringe und meines Erachtens auch Neal
Gaimans Niemalsland daher und konnte mit dem unverbrauchten Flair der russischen
Metropole und der ungewohnten Erzählweise punkten. Day Watch wildert zwar auch
wieder beherzt in Popkultur und Genreklassikern und ist nicht nur wegen der
gestiegenen Qualität (und leider auch Quantität) der Spezialeffekte noch ein
Stück näher an einen typischen US-Blockbuster herangerückt, aber trotzdem
wirkt der Mittelteil der Trilogie eigenständiger, da die Vorlagen diesmal
weniger klar erkennbar sind. Der größte Vorteil ist die durchdachtere und
nicht mehr heillos überfrachtete Geschichte.
Day Watch poltert weniger sprunghaft von einer Szene zur nächsten und
gewinnt damit deutlich an Spannung, Tempo und dichter Atmosphäre. Allein schon
da diesmal das Vorstellen der Ausgangssituation und Figuren entfällt, gelingt
der Einstieg in die Day Watch Welt wesentlich leichter. Das soll allerdings
nicht heißen, das es diesmal keine Handlungslöcher gibt. Nur nicht mehr so
viele. Es hätte wahrscheinlich auch nicht schaden können, wenn der Rezensent
Night Watch vorher zur Auffrischung eingeschoben hätte. Der
größte Nachteil geht mit der Annäherung an das internationale
Mainstreampublikum einher. Schon Nightwatch hat viele Effekte nur ihrer selbst
Willen verwandt, aber hier nimmt der Einsatz von handlungstechnisch vollkommen
irrelevanten Action und/oder CGI-Szenen ein Ausmaß an, das selbst die Matrix
Fortsetzungen oder Bruckheimer-Produktionen mit Leichtigkeit übertrifft.
Besonders die Szenen in denen Autos zum Einsatz kommen, sind teilweise
unfreiwillig komisch bis ermüdend. Zum Glück sind die Misslungenen dieser
Einlagen in der Minderheit. Die Meisten sind wenigstens recht originell und die
Tricks seltener als im Vorgänger überdeutlich als solche zu erkennen.
Weder besser noch schlechter sondern einfach nur anders ist der Erzählton. War
Night Watch noch durch und durch düster und schmutzig, arbeitet Day Watch stark
mit Ironie und ist auch optisch freundlicher gestaltet. Die Darstellerleistungen
liegen wie gehabt eher auf durchschnittlichem Niveau. Besonders das Overacting
des Bösewichts trug dazu bei, das ich mich teilweise an eine erwachsenere
Version der tschechischen Jugendserie *die Märchenbraut* erinnert fühlte. Was aber nicht so negativ gemeint ist, wie es sich anhört . Ein weiteres Deja Vu löste die Musik während der Actionszenen aus. Wenn ich
nichts an den Lauschern habe, lässt hier Matrix Reloaded freundlich grüßen.
Fazit: "Day Watch" ist gelungene Weiterführung und Abschluss der Saga zugleich. Wahrscheinlich um den 3-ten Teil, der mit englischsprachigen Darstellern und Hauptaugenmerk auf den internationalen Markt produziert wird, von Handlungsballast zu befreien, endet der Mittelteil der Trilogie überraschenderweise nicht mit einem Cliffhanger sondern einem Ende, das alle wesentlichen Handlungsstränge zu einer befriedigenden Auflösung führt. Dafür, für die ausgefeiltere Story und den höheren Unterhaltungswert gibt es einen dicken Pluspunkt gegenüber dem Vorgänger. Minuspunkte setzt es dagegen für den diesmal zu übertriebenen SFX-Einsatz, ein paar Albernheiten (z.B. der Papagei) und das nicht immer überzeugende Darstellerensemble. Unterm Strich bleibt der größte Vorteil dieser russischen Blockbusterreihe, das sie es schafft eine gar nicht mal so originelle Geschichten auf eine frischere, unberechenbare... schlicht nicht so belanglos glatte Weise zu erzählen wie es in den meisten US-Pendants der Fall ist. Man darf gespannt sein wie die Reihe mit stärkerem US-Einfluss weitergeführt wird.
Wertung:
(8/10)
Verfasser: evildead
Veröffentlicht am 06.12.2006
Titelbild © 2006 20th Century Fox