American Psycho

  

Veröffentlichung: 1991, 549 Seiten

Autor: Brett Easton Ellis

Verlag: Kiepenheuer und Witsch (KiWi)

Nach außen hin ist Patrick Bateman geradezu das Klischeebild eines erfolgsbesessenen Yuppies doch unter dieser glatten Fassade verbirgt sich eine Seele von unglaublicher Gefühlskälte. Angewidert von Beruf und Mitmenschen findet er nur noch Befriedigung beim morden…und diesem *Hobby* geht er immer häufiger und vor allem immer brutaler nach. 

American Psycho ist ein hervorragendes Beispiel wie die Erwartungshaltung und die bevorzugte Lektüre des Lesers die Interpretation beeinflussen kann. Derjenige, der das Buch bloß aufgrund des Skandalfaktors (extreme, detaillierte Gewaltdarstellungen, die zum zeitweiligen Verbot des Buches führten) liest, wird es wahrscheinlich frustriert nach spätestens 150 Seiten zur Seite legen. Derjenige, der einen genialen Killer der Marke Hannibal Lecter erwartet, wird ebenfalls gelangweilt sein. Auch der Leser, der eine aufschlussreiche Analyse des Charakters und seiner Beweggründe erwartet, wird das Buch nach Vollendung beiseite legen und gelangweilt stöhnen: Ja und?? Ich bin genauso schlau wie zuvor, was will Ellis uns damit bitteschön sagen?!?! 

Die ersten ca. 300 Seiten zeichnen sich vor allem durch Ellis außergewöhnliches Gespür für absurde Situationen (z.B. als für Bateman eine Welt zusammen bricht, weil ein Kollege eine aufwendigere Visitenkarte besitzt) und tiefschwarzen Humor aus. Da die Geschichte aus der Perspektive Batemans geschildert wird, ist der Stil geprägt durch völlige Emotionslosigkeit (wenn man die negativen Eigenschaften wie Hass, Wut und animalische Lust sowohl nach Sex als auch später Mord mal außer acht lässt). Nachdem man sich an den stellenweise fast schon enervierenden Beschuss durch penible Ausbreitung banaler Tätigkeiten (Morgenhygiene, Sport) und die noch detaillierteren Ausführungen zu Markenartikeln (vor allem Kleidung) und Essen gewöhnt hat, baut man langsam aber sicher eine echte Hassliebe zum Protagonisten auf und wird dann plötzlich aus der sehr amüsanten aber doch eigentlich gemütlich vor sich hinplätschernden Atmosphäre gerissen. Mit seinen blut-und eingeweidetriefenden Gewaltexzessen versetzt der Autor uns einen echten Tiefschlag, der wahrlich nichts für zarte Gemüter ist. Das Schlimme (geniale) daran: Selbst nach diesen Abscheulichkeiten will der Leser nicht das Bateman gefasst wird, er will das Monster noch nicht sterben sehen. Nach einer gewissen Zeit wird der Leser bei sich eine ähnliche Abstumpfung wie Bateman feststellen. Genauso wie er, kann auch der Leser keinen Reiz (selbst bei extremsten Situationen) mehr empfinden. Es stellt sich hier heraus, das die Gewaltszenen nicht nur Selbstzweck waren, sondern dem Leser auch mal auf bösartige Weise, die eigene Sensationsgier bzw. der Hang zum Voyeurismus vor Augen geführt wird. Zum Ende wird der Roman immer surrealer und man fragt sich eigentlich ständig auf was für ein Ende Mr. Ellis sein Werk zusteuern lässt. Teilweise hegt man den Verdacht das Bateman durch seinen hohen Drogenkonsum vollkommen verrückt geworden sei (er fühlt sich von Parkbänken verfolgt), dann hat er verdächtig schizophrene Anflüge (er spricht von sich selbst in der dritten Form). Letztlich endet das Buch auf die wohl schrecklichste Weise: Es gibt kein Ende! (Spoilerwarnung - Zum Lesen bitte Markieren!) Trotz Geständnissen bei Bekannten und sträflich nachlässigem Verhalten (er lässt die Leichen einfach in seiner Wohnung verrotten) wird Patrick Bateman nicht von seiner Bürde erlöst, er muss in seinem zombiehaften nach etwas namenlosem suchenden Zustand dahinvegetieren (...und weitermorden). 

Für mich persönlich ein faszinierendes und vollkommen anderes Leseerlebnis, das mich oft zum Lachen und noch öfter zum Nachdenken gebracht hat. Glatte 9/10 Punkten!

Wertung:    (9/10)

 

Verfasser: evildead

 

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Cover © 1991 KiWi