Die Orks

(Bodyguard of Lightning, Legion of Thunder, Warriors of the Tempest)

Veröffentlichung: 2002 (1999-2000), 793 Seiten

Autor: Stan Nicholls

Verlag: Heyne

Normalerweise bin ich ja klug genug, Klappentexten nicht zu vertrauen, doch dieses eine Mal bin ich leider hereingefallen. Vom Herr der Ringe-Fieber gepackt, haben die Bemerkungen "mit den Bösen aus J.R.R. Tolkiens "Herr der Ringe" in den Hauptrollen" und "Der größte Spaß, den Sie je mit einem Haufen Orks haben werden" leider ihre Wirkung nicht verfehlt. Doch wer aufgrund des Klappentextes ein witziges Buch mit zahlreichen Anspielungen auf den Herrn der Fantasy-Literatur erwartet, wird so wie ich schwer enttäuscht werden... 

Stryke und sein Trupp stehen im Auftrag von Königin Jennesta, und sollen für sie ein Artefakt beschaffen. Der Überfall glückt, doch dann werden die Orks von Kobolden angegriffen, welche das Artefakt an sich nehmen. Die Orks nehmen die Verfolgung auf, und können es zurückerobern. Dabei befreien sie auch einen Troll aus der Gefangenschaft, der ihnen gar unglaubliches über ihr Artefakt erzählt: Es handelt sich dabei um eines von 5 Instrumentalen, die dem Besitzer, sobald sie vereint wurden, große Macht bescheren soll. Da sie aufgrund der Verzögerung ohnehin schon Jennesta's Unmut auf sich gezogen haben, beschließen sie, sich von ihr loszusagen, und auf eigene Faust nach diesen Instrumentalen zu suchen, um eventuell die Orks aus der Knechtschaft befreien zu können. Und schon hat der Haufen Orks, was man heutzutage bei jedem Fantasywerk zu brauchen scheint: eine AUFGABE! 

Die Orks als Helden, wer hätte sich das gedacht? Gnadenlos dreht Stan Nicholls die bisher gültige Schwarz-Weiß-Sicht in eine Weiß-Schwarz-Sicht um, und macht aus den Orks die Guten und aus den Menschen (vor allem den monotheistischen "Unis") die Bösen. Denn seit die Menschen in das Land gezogen ist, geht alles den Bach runter. Der Erde wird rücksichtslos ausgebeutet, in der man ihr die Magie entzieht, was einige unangenehme Nebenwirkungen wie ein völlig verdrehtes Klima zur Folge hat, etc... Wirklich, Leute, ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, wenn die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen angeprangert wird, doch muss das wirklich SO plump und klischeehaft gemacht werden? Eine subtilere Herangehensweise an dieses Thema hätte dem Roman jedenfalls sehr gut getan, denn auf diese Weise wirkt die Kritik an der Menschheit nur dumm und billig...

Doch auch sonst ist "Die Orks" wahrlich kein Highlight. Sowohl der Schreibstil als auch die Handlung an sich befinden sich auf Kindergarten-Niveau, während es von der heutzutage in Fantasy-Literatur leider zur Mode gewordenen übertriebenen Brutalität, gepaart mit einer ordentlichen Portion Sadismus und Perversität, nur so wimmelt. Wie üblich gelingt es auch hier natürlich nicht, die eher dürftige und unoriginelle Handlung durch Action zu kaschieren, im Gegenteil, mit der Zeit wirken die Kämpfe nur mehr langweilig, da sie immer auf die gleiche Weise beschrieben werden, und sich erstaunlicherweise trotz der Übermacht der Gegner und der relativ hohen Anzahl der Kämpfe auch die Opfer des Trupps in Grenzen halten. Und als wäre das nicht schon genug, wimmelt es nur so an Einfallslosigkeit. Ein Beispiel: Mehrmals nehmen die Verfolger der abtrünnigen Orks ihre Spur dadurch auf, dass sie durch Zufall auf jemanden treffen, der 10-20 Seiten davor nicht minder zufällig auf den Ork-Trupp gestoßen ist. Es ist schon sehr traurig und ein absolutes Armutszeugnis, wenn man als Autor immer wieder auf solche erbärmliche "Zufälle" zurückgreifen muss, um die Handlung voranzubringen... 

Zuletzt sei noch einmal auf den Klappentext eingegangen: Wie schon erwähnt, hat die Welt in "Die Orks" nicht das geringste mit dem HDR zu tun, ganz im Gegenteil. Wer gehofft hat, zumindest für sich hier einen Zusammenhang herstellen zu können, auch wenn es nicht dezidiert im Roman ausgewiesen ist, kann das schon mal vergessen. Zu groß sind die Unterschiede zwischen dieser doch recht 08/15-wirkenden Fantasy-Welt und dem HDR. Auch der Versuch, mit dieser neu kreierte Welt an die Komplexität eines HDR heranzukommen, scheitert kläglich. Dafür ist halt mehr nötig, als ein 800 Seiten langes Buch zu schreiben, und auf dessen erster Seite eine Karte reinzuklatschen. Ach ja, und wer zumindest auf ein WITZIGES Buch gehofft hat, sollte auch diese Hoffnung in die Feuer des Schicksalsberges zurückwerfen. Denn allzu viel humoriges ist in diesem Roman nicht zu finden, und wenn Herr Nicholls einen entsprechenden Versuch unternimmt, scheitert er leider zumeist kläglich.

Fazit: Da ich nicht unbedingt ein Stammleser der modernen Fantasy-Literatur bin, fällt es mir natürlich schwer, ein Urteil darüber zu fällen, wie Fans des Genres dieses Buch gefallen könnte. Ich denke aber, dass selbst diese von "Die Orks" relativ enttäuscht sein dürften. Zu unoriginell (ja teilweise sogar geklaut) und viel zu lang ist dieses Machwerk, und auch der Schreibstil ist mehr als nur dürftig. Und allen, die mit dem Kauf dieses Buches nur wegen den vollmundigen Versprechungen des Klappentextes liebäugeln (vor allem was den angedeuteten Bezug zu HDR betrifft), kann ich nur sagen: Finger weg! Denn der Klappentext ist nicht weniger trügerisch als Saruman's Stimme...


Wertung:    (3/10)

Verfasser: cornholio

 

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Cover © 2002 Heyne