Die Zeitmaschine

(The Time Machine)

Veröffentlichung: 2002 (1895), 145 Seiten

Autor: H.G. Wells

Verlag: dtv

Ein namenloser britischer Wissenschaftler überrascht die von ihm eingeladenen Gäste mit einer unglaublichen Enthüllung: Er behauptet, eine Zeitmaschine entworfen zu haben! Doch die Mehrheit seiner Besucher sind trotz seiner Theorien zum Thema Zeitreise und einer kurzen Demonstration mit einer „Mini-Zeitmaschine“ nicht überzeugt. Der Zeitreisende bittet daraufhin alle, in einer Woche zu ihm zurückzukehren - dann will er von seiner Reise durch die Zeit berichten. Eine Woche später findet man sich erneut in der Wohnung des eigenwilligen Wissenschaftlers ein - doch er ist nirgends zu finden. Erst einige Minuten später hört man aus einem anderen Raum Krach und lautes Gepolter. Kurz darauf tritt der Zeitreisende, völlig erschöpft und mit zerrissenen Klamotten durch die Tür - und erzählt gar unglaubliches über die Zukunft der Erde...

H.G. Wells gehört ohne jeden Zweifel zu den einflussreichsten Autoren und den größten Visionären innerhalb des SF-Genres, war er doch der erste, der zahlreiche aus der modernen SF nicht wegzudenkende Thematiken erdacht oder zumindest das erste Mal zu Papier gebracht hat. So auch „Die Zeitmaschine“, welche - no na - die Idee der Zeitreise in die SF einführte. Auf sehr originelle, anschauliche und gelungene Weise setzt sich H.G. Wells mit diesem fantastischen Thema auseinander, wobei er die wissenschaftlichen Aspekte interessanterweise eher in den Hintergrund rückt. Zwar nutzt er das erste Kapitel um kurz sein Konzept sowohl der Zeit an sich als auch von Zeitreisen im Speziellen vorzustellen bzw. zu erklären, aber über die tatsächliche Funktionsweise der Zeitmaschine erfahren wir wenig bis gar nichts. Vor allem die Technik der Maschine bleibt uns verborgen. Um so mehr konzentriert sich H.G. Wells auf seine Figuren und vor allem seine Visionen für die Zukunft der Menschheit. Neben einem erschreckenden Ausblick in die düstere Zukunft eines Weltkrieges (dessen 1. erst mehr als ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung dieses Romans ausbrechen sollte) fasziniert dabei vor allem der Blick in unsere ferne Zukunft, in der sich die Menschheit in 2 Rassen aufgespalten hat: Die wunderschönen, aber auch naiven Eloi, und die brutalen, aber technisch versierten Morlocks. Das besondere an H.G. Wells Vision: Im Gegensatz zur grauenhaften Verfilmung aus dem Jahr 2000 sind hier beide Seiten aufeinander angewiesen. Die Eloi könnten ohne die Morlocks nicht überleben, da sie so naiv und ungebildet sind wie Kinder - und daher nie für sich selbst sorgen könnten. Die Morlocks stellen ihnen das Futter zur Verfügung - und ernähren sich im Gegenzug wieder von den Eloi. Trotz der Grausamkeit dieser Konstellation handelt es sich nichtsdestotrotz um eine Symbiose, da beide Seiten auf ihre Weise davon profitieren. Eine absolut faszinierende Idee, in der auch einiges an Sozialkritik mitklingt. H. G. Wells hat sich hier ganz eindeutig an den Trends zum Ende des vorletzten Jahrhunderts orientiert und diese bewusst überzeichnet, um an der zunehmenden Technologisierung der Gesellschaft sowie der Spaltung in eine hart schuftende Arbeiterschicht und eine reiche, verwöhnte Aristokratie Kritik zu üben. Die Gesellschaftsordnung in H.G. Wells geschilderter Zukunft ist dann letztendlich auch die logische Konsequenz dieses Trends: Während die Reichen sich um nichts mehr kümmern müssen und der Unterschicht alle Arbeiten überließen - und darob verdummen - verroht die ungebildete Arbeiterschicht zunehmend und wird in den Untergrund gedrängt. Doch nicht nur die Schilderung der zukünftigen Gesellschaftsordnung weiß zu gefallen, auch die Zeitreisen an sich sind fasziniert beschrieben. Fast glaubt man, die Welt mit den Augen des Zeitreisenden zu sehen... wie sich die Zeit zuerst langsam, fast unmerklich beschleunigt und dann zuerst der Wechsel zwischen Sonne und Mond und später zwischen den Jahreszeiten immer schneller vonstatten geht - sehr bildhaft, verständlich und absolut faszinierend. Am Ende beschreibt H.G. Wells dann schließlich, wie der Zeitreise die zwar naive, ihm aber nichtsdestotrotz ans Herz gewachsene Weena verliert und vor Angst und Schrecken wieder in seine Gegenwart flieht. Doch als er seinen Freunden und Bekannten von seinen Erlebnissen erzählt und sich gestärkt hat, überkommen ihn Trauer und Schuldgefühle, weshalb er erneut aufbricht, um in die Zukunft zurückzukehren und Weena zu retten - eine Geschichte, die jedoch erst 100 Jahre später von Stephen Baxter erzählt werden sollte...

Fazit: "Die Zeitmaschine" ist ein absolut faszinierender und wegweisender Roman, der die Idee der Zeitreisen in die SF eingeführt hat, und der vor allem mit der großartigen Schilderung der Zeitreise sowie der faszinierenden und sozialkritischen Schilderung der zukünftigen Gesellschaftsordnung begeistert. 

Wertung:  (8/10)

Verfasser: cornholio

Veröffentlicht am: 06.11.2006

 

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