Notruf aus dem All

(Mission to Horatius)

 

Veröffentlichung: 2000 (1968), 200 Seiten

Autor: Mack Reynolds

Verlag: Heel

Eigentlich wäre für die Besatzung des Raumschiffs Enterprise schon längst ein weiterer Landurlaub fällig gewesen, doch ein Notruf aus einem bisher unerforschten Sonnensystem zwingt die Crew, diesen erneut zu verschieben. Dort angekommen gilt es zuerst, die Quelle des Notrufs ausfindig zu machen. Nacheinander werden die 3 bewohnbaren Planeten des Sonnensystems besucht - wobei die Crew der Enterprise nicht nur einige Abenteuer erlebt, sondern zudem ein paar faszinierende und erschreckende Entdeckungen macht ...

Bei „Notruf aus dem All“ handelt es sich um den allerersten Roman, der zur Fernsehserie „Star Trek“ geschrieben wurde. Er wurde erstmals 1968 in Amerika veröffentlicht und erschien 3 Jahre später auch im deutschsprachigen Raum - zu einer Zeit, wo die bewusst auf kindgerecht zurechtgestutzte Serie „Raumschiff Enterprise“ noch nicht einmal ihren Einstand im deutschsprachigen Fernsehen feiern durfte. Dementsprechend konfus war die deutsche Übersetzung des Romans, da weder Verlag noch Übersetzer eine Ahnung davon hatten, was genau das ihnen vorliegende Material eigentlich ist - trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) erlangte der Roman schon bald Kultstatus unter den deutschen Trek-Fans. Ende des letzten Jahrtausends entschied sich der Heel-Verlag schließlich, eine Neuübersetzung in Auftrag zu geben. Dafür konnte kein geringerer als Ralph Sanders, Deutschlands Vorzeige-trekkie, gewonnen werden, dessen Bekanntheitsgrad in ST-Fankreisen jenem der Idole aus der Serie kaum nachsteht. Pünktlich zum 40-jährigen Geburtstag der Serie bzw. des Universums habe ich mir eben diese Neuauflage zum ersten Mal vorgeknöpft. 

Im Gegensatz zu den ersten Comics, die noch entstanden sind ehe die Autoren auch nur eine Episode der Serie gesehen hatten - dementsprechend hoch war der Anteil an Kontinuitätsfehlern - konnte Mack Reynolds schon fast auf eine komplette Staffel zurückblicken. Sowohl die Figuren als auch der generelle Ton der Serie waren ihm demnach wohlvertraut. Und ich muss gestehen... auch wenn ich einige der erst in den 80ern oder 90ern geschriebenen TOS-Romane besser fand, ist es keinem dieser neueren Star Trek-Romane in meinen Augen gelungen, die Quintessenz der Fernsehserie so perfekt aufs Papier zu bringen. Ich weiß leider nicht genug über die Produktion des Romans bescheid um beurteilen zu können, ob es vielleicht zum einen oder anderen Zeitpunkt als Idee für eine Serienfolge gedacht war - überraschen würde es mich jedenfalls nicht. Mack Reynolds versteht es, die Atmosphäre und das Konzept der Serie absolut perfekt einzufangen - bis hin zum leicht trashigen Unterton. So präsentiert „Notruf aus dem All“ einige interessante SF-Ideen, lockert diese jedoch mit dem für die Serie so typischen humoristischen Einlagen immer wieder auf, für den vor allem die immer wieder eingestreuten Witzchen einiger Figuren sorgen. Auch die Story ist nicht so episch wie einige der späteren Romane und konzentriert sich auf einen recht kurzen und auch nicht sonderlich komplexen Einsatz der USS Enterprise. Dabei überzeugt vor allem die - wenn auch nur sehr kurz gehaltene - Schilderung der 3 sehr unterschiedlichen Zivilisationen des besuchten Sonnensystems. 

Die erste davon ist noch die Uninteressanteste und Unoriginellste: Einfach eine Art Indianerkultur, nur halt auf einem anderen Planeten. Bei der Bevölkerung des nächsten Planeten wird es schon deutlich interessanter: Dort unterdrückt eine religiöse Elite die Menschen mit Hilfe einer Droge, die Glückseligkeit und auch Unterwerfung bewirkt. Wütend muss das Außenteam mit ansehen, wie einer dieser „Eigenen“ aus keinem ersichtlichen Grund hingerichtet wird - ein Unrecht, dass Kirk sogar dazu veranlasst die erste Direktive erstaunlich freimütig zu interpretieren und in die Gesellschaftsordnung des Planeten korrigierend einzugreifen. Auf dem letzten Planeten sieht es zu Beginn noch verhältnismäßig idyllisch aus, doch auch dort bleiben dem Außenteam die Schattenseiten nicht lange verborgen: Ein Team von  (wie könnte es auch anders sein) deutschen Auswanderern lebt dort ihren Herrenrassendrang aus und hat sich mittels Klontechnologie ein Heer von willigen und willenlosen Soldaten und Sklaven geschaffen. Hier kommt es dann auch schließlich zum in TOS-Zeiten kaum wegzudenkenden Faustkampf, als sich Kirk, Spock und ein junger Indianer in einer Arena mit den geklonten Soldaten beweisen müssen. Doch auch diese Diktatur wird schließlich gestürzt, und Kirk, Spock und Co. können sich endlich zur nächstgelegenen Sternenbasis aufmachen. Auf den letzten Seiten sorgt dann eine entlaufende Ratte noch einmal für den nötigen Humor - insbesondere die Auflösung, dass diese nur ein recht originelles Mittel von Pille war, um die weitere Verbreitung der Raumkrankheit zu verhindern.  

Fazit: „Notruf aus dem All“ ist ein äußerst kurzweiliger Roman, dem es so wie keinem anderen der mir bekannten TOS-Romane gelungen ist, den Ton der Serie einzufangen und aufs Papier zu bringen. Mit einigen interessanten SF-Ideen, den immer wieder eingestreuten auflockernden Witzchen und dem trashigen Unterton wirkt „Notruf aus dem All“ wie eine - wenn auch nur durchschnittliche - Episode der Serie, und drückt damit beim geneigten Trekkie so zielsicher auf den Nostalgie-Nerv wie Spock beim vulkanischen Nervengriff...

Wertung:              (6/10)

 

Verfasser: cornholio

Veröffentlicht am: 06.11.2006

 

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Cover © 2000 Heel