Eine Studie in Scharlachrot

(A Study in Scarlet)

 

Veröffentlichung: 1984 (1887), 150 Seiten

Autor: Sir Arthur Conan Doyle

Verlag: Haffmans

Verwundet kehrt der Armeearzt Dr. Watson aus dem 2. Afghanistan-Krieg nach London zurück, wo es seine finanzielle Situation schon bald erfordert, sich eine neue Wohnung (am besten mit einem Mitbewohner) zu suchen. Von einem Freund erfährt er, dass ein zwar kultivierter, jedoch auch recht sonderbarer Herr namens Sherlock Holmes gerade einen Mitbewohner für seine Wohnung in der Baker Street sucht. Man ist sich auf dem ersten Blick sympathisch, und so beschließen die beiden, fortan gemeinsam zu wohnen. Anfänglich ist Dr. Watson von seinem Mitbewohner sehr irritiert - manchmal strotzt er förmlich vor Energie, dann verfällt er wieder in eine tagelange Lethargie und verharrt nur regungslos in seinem Sessel. Nach ein paar Wochen weiht ihn Holmes dann schließlich in seine Tätigkeit ein: Er fungiert als Ermittler, und bedient sich als solcher der Wissenschaft der Deduktion, bei der durch genaue Beobachtung und entsprechende Kombination verblüffende Schlüsse gezogen werden können. Nur kurz darauf bekommt Sherlock Holmes Gelegenheit, Dr. Watson von seinen Fähigkeiten zu überzeugen...

Bevor ich mit dem Review beginne, möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf folgendes hinzuweisen: Die Romane und Kurzgeschichten von Arthur Conan Doyle zu seinem kriminalistischen Genie Sherlock Holmes wurden mittlerweile im deutschsprachigen Raum unzählige Male veröffentlicht. Leider wurde dabei jedoch teilweise bei der Übersetzung geschlampt und hin und wieder sogar zensiert, z.B. was den Kokainkonsum von Sherlock Holmes betrifft. Natürlich ist anzunehmen, dass hätte Doyle seine Romane heutzutage geschrieben, er derartige Details aufgrund der heutigen Drogenproblematik ausgelassen hätte - trotzdem bin ich wohl nicht der Einzige, der es falsch findet, literarische Werke zu zensieren, um sie kindgerechter zu gestalten. Mitte der 80er hat sich der Haffmans Verlag der umfangreichen Aufgabe angenommen, sämtliche Romane und Erzählungen rund um die Abenteuer von Sherlock Holmes und Dr. Watson neu (und werkgetreu) zu übersetzen, und in einer Komplettausgabe zu veröffentlichen. Dabei wurde insbesondere auch auf die Sprache geachtet - wo sich Holmes und Watson in einigen Übersetzungen schon auch durchaus mal geduzt haben, bleiben die beiden in dieser Neuübersetzung beim höflichen Sie, was in Anbetracht des Ortes und der Zeit der Handlung deutlich passender erscheint. Abgerundet wird das höchst positive Bild, dass diese Überarbeitung beim literarischen Genießer hinterlässt, durch einen umfangreichen Anhang mit Anmerkungen zur Übersetzung und Hintergrunddetails zu erwähnten Begriffen, Orten und/oder Geschehnissen. Kurz und gut: Ich kann jedem Fan der Abenteuer von Sherlock Holmes (und solchen, die es noch werden wollen) nur raten, sich umzusehen und zu versuchen, noch Exemplare dieser großartigen Neuauflage zu ergattern.

Doch kommen wir zum eigentlichen Review des allerersten Abenteuers des wohl berühmtesten Detektivs der Literaturgeschichte. Wie alle weiteren Romane und Kurzgeschichten so wird auch der erste Band, "Eine Studie in Scharlachrot", aus der Sicht von Dr. Watson erzählt, der diesen Fall in seine Aufzeichnungen aufgenommen hat. So wie er lernt auch der Leser in diesem Roman Sherlock Holmes und seine überaus faszinierende Gabe kennen - selbst den größten Couchdetektiv dürften viele von Holmes' Schlüssen verblüffen und zu einem bewundernden, andächtigen Staunen verleiten. Gleichzeitig wird uns hier aber kein eindimensionales Abziehbild eines detektivischen Helden serviert - Holmes hat durchaus auch seine Schattenseiten, wie seine Kokainsucht (die jedoch in diesem Roman noch nicht erwähnt wurde), seine zum Teil starken Stimmungsschwankungen oder auch seine oftmals recht deutlich zur Schau gestellte Arroganz. Eben diese Wesenszüge sind es, die Sherlock Holmes im Endeffekt zu einer solch faszinierenden Persönlichkeit machen. 

Interessant ist, dass der eigentliche Fall bei diesem Roman schon fast etwas in den Hintergrund rückt. Gerade mal 5 von 14 Kapiteln, also etwas mehr als 1/3 des Romans, widmen sich der Nachforschungsarbeit von Sherlock Holmes und Dr. Watson, der Rest entfällt auf die Einleitung, die Auflösung des Falls (inkl. genauer und nachvollziehbarer Erklärung der Schlüsse, die Sherlock Holmes gezogen hat), und einen weiteren wichtigen und zugleich außergewöhnlichen Aspekt, den Doyle bei seinen ersten Roman eingebaut hat: So widmet er sich 5 Kapiteln lang (also genau so lang wie der eigentlichen Detektivarbeit) der Geschichte des Täters, und legt höchst ausführlich, anschaulich und nachvollziehbar dessen Motive dar. Dieser Teil des Romans mag einigen, da es doch sehr ungewohnt ist, zu lang geraten sein und daher das Lesevergnügen trüben, mir hat dieser originelle Ansatz jedoch sehr gut gefallen, auch einmal die Motive des Täters ausführlich zu beleuchten. Außerdem ist auch dieser Teil des Romans sehr interessant und spannend geschrieben. Einzige Wermutstropfen bei diesem ersten Fall von Sherlock Holmes: Im Vergleich zu späteren Fällen und/oder Auflösungen ist dieser noch relativ unkompliziert und eher simpel gestrickt - später gibt es noch deutlich originellere, interessantere und komplexere Fälle zu begutachten. Trotzdem stellt auch "Eine Studie in Scharlachrot" für jeden Fan von Sherlock Holmes einen absoluten Pflichttermin dar...

Fazit: Auch wenn der Fall an sich nichts besonderes ist und unser allseits beliebter pfeifenrauchender Privatdetektiv aus 221b Baker Street noch deutlich kniffligere Fälle lösen wird, bietet "Eine Studie in Scharlachrot" einen gelungenen Einstieg in die (literarische) Welt von Sherlock Holmes und Dr. Watson, den man sich als Fan nicht entgehen lassen darf...

Wertung:    (8/10)

Verfasser: cornholio

 

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Cover © 1984 Haffmans Verlag