Todesmarsch

(The Long Walk)

 

Veröffentlichung: 2003 (1979), 345 Seiten

Autor: Stephen King (als "Richard Bachman")

Verlag: Heyne

Jedes Jahr treten am 1. Mai 100 17-jährige Amerikaner zum sogenannten „Todesmarsch“ an - den nur einer der Kandidaten überleben wird. Das System ist einfach: Während des kompletten Marsches ist eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit einzuhalten. Fällt der Kandidat darunter, gibt es bis zu 3 Verwarnungen - danach wird er erbarmungslos erschossen. Dem Sieger werden dafür alle seine Wünsche erfüllt...

Eigentlich müsste mir dieser Roman von King/Bachmann ja liegen, beschreibt er hier doch eine düstere Utopie - was unbestreitbar eine meiner Lieblingsthematiken in Büchern darstellt. Leider hat „Todesmarsch“ jedoch ein großes Problem: Ich konnte der Motivation der Läufer nicht nachvollziehen und daher auch nicht mit ihnen mitfiebern/fühlen. Immerhin ist jeder der Teilnehmer freiwillig dabei - und da muss ich mich einfach schon fragen, wie naiv oder gar dumm man sein muss, um bei solch einem Wettbewerb mitzumachen. Wenn es Sträflinge gewesen wären, und der Sieger wird freigelassen - ok, das ist eine Motivation, die ich verstehen könnte. Aber einfach nur so? Haben die etwa Todessehnsucht? Fühlen sie sich verloren und wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen? War ihnen einfach nur fad? 

Vor allem zu Beginn des Marsches, als alle noch recht fröhlich sind und sich von der Menge feiern und bejubeln lassen, habe ich mich schon mehrmals gefragt (wenn ich mal kurz Waldi Waldemar zitieren dürfte): Sind die denn total bled? Sicher soll ihre relative Unbeschwertheit zu Beginn des Marsches einen harten und deutlichen Kontrast zur späteren Verzweiflung darstellen, trotzdem hat mich King dadurch leider schon auf den ersten Seiten verloren - da mir die Darstellung zu übertrieben bzw. wenig nachvollziehbar erschien und ich ja ohnehin generell die Beweggründe für die Teilnahme an solch einem Wettbewerb schon nicht nachvollziehen konnte. Daher dachte ich in gewisser Weise, wenn es wieder mal einen Kandidaten erwischt hat: "Selber Schuld". Ich war ein unbeteiligter Beobachter, das Schicksal der 100 jungen Männer war mir vollkommen egal - und das ist schon ein Punkt, den man nicht so einfach unter den Tisch kehren kann, denn mit den Protagonisten mitzufühlen ist eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen, dass Atmosphäre aufkommt und der Roman spannend wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist dann noch Vorhersehbarkeit, da der Hauptcharakter, mit dem wir der Handlung folgen, natürlich bis zum Ende durchhalten musste - weshalb es halt einfach nicht spannend war, wenn er wieder mal eine Verwarnung kassiert hat, da man ohnehin wusste, dass ihm (noch) nichts passieren kann. Ach ja, und was das Ende betrifft, muss ich noch einen wesentlichen Punkt kritisieren: Da lässt uns King fast 350 Seiten mit den Kandidaten mitlaufen, und dann serviert er uns ein offenes Ende ohne wirklichen Abschluss? Ich weiß schon... einige werden jetzt sagen, dass es in diesem Roman nicht vordergründig darum ging, wer schließlich gewinnt, sondern um den Weg dorthin (der Weg, nicht das Ziel, ist das Thema dieses Romans), nur... die Frage WAS mit dem Sieger passiert wird durchaus aufgeworfen und offen in den Raum gestellt, und hier hätte ich mir von King schon eine Antwort erwartet. Andere wiederum werden sagen, dass es ja eh ein Ende gab, da es doch eindeutig war, dass der Kerl wenn er ständig weiterrennt letztendlich erschossen wird - ich sage: Nein, es war nicht eindeutig. Ja, er läuft und läuft und läuft, wie die Hasen in der Duracell-Werbung, aber ob sie ihn nun tatsächlich erschießen oder doch einfangen, ob er sich jemals wieder erholen wird, wie der Preis nun tatsächlich aussieht etc. - all dies bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen. Und so sehr ich offene Ende grundsätzlich auch schätze, aber... DAS war mir etwas zu viel des Guten. Für mich war das so, als würde man einen Krimi lesen, und 300 Seiten wird herumüberlegt, wer denn nun der Täter sein könnte, und dann steht im Buch: "Es war...  (Bitte beliebigen Verdächtigen einsetzen, von dem sie glauben, dass er die Tat begannen hat. Danke schön!)".

Apropos zu viel des Guten... mir ist gerade aufgefallen dass ich jetzt 3 Absätze lang recht ausführlich Kritik geübt habe, ohne auch nur etwas positives zu erwähnen - weshalb die immerhin durchschnittliche Wertung von 5/10 etwas seltsam und nicht nachvollziehbar erscheinen könnte, also will ich nun auch noch kurz auf die positiven Aspekte des Romans eingehen: Auch wenn mit der Tod der 99 Kandidaten (viel zu) kalt gelassen hat, war die erbarmungslose Brutalität, mit der King das Geschehen schildert, schon beachtlich. Interessant auch, dass sich mit der Zeit sowohl bei den Kandidaten als auch bei den Lesern das Gefühl der Übersättigung einstellt. Anfangs ist jedes neue Opfer noch ein Schock, mit der Zeit registriert man es schon kaum mehr - ein Effekt, den man auch im täglichen Leben bei allen möglichen Tagesnachrichten (z.B. aktuell heute am 14. Juni 2005: Mindestens 29 Tote bei Anschlägen im Irak) beobachten kann - LEIDER! Dass King diese Mechanik in "Todesmarsch" so schonungslos offenbart, hat mir schon sehr gut gefallen. Auch einzelne Momente (wie z.B. als der eine Teilnehmer durchdreht und die Soldaten angreift) und/oder Gedanken der Teilnehmer waren gelungen. Alles in allem waren diese Stärken (gerade noch so) genug, um die Schwächen halbwegs auszugleichen - zu mehr hat es aber leider im Endeffekt nicht gereicht.

Fazit: Trotz der guten Beschreibung der Figuren und einiger berührender Momente war "Todesmarsch" leider nicht das Highlight, auf das ich gehofft hatte - was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass ich einfach zu keiner Sekunde so richtig in das Geschehen involviert war und mit den Protagonisten mitgefühlt habe.

Wertung:  (5/10)

 

Verfasser: cornholio

 

Zurück zur Übersicht

Zur Hauptseite

 

Cover © 2003 Heyne