Der Hinterhalt
(End Run)
Veröffentlichung:
1994 (1992), 312 Seiten
Autoren: William R. Forstchen, Christopher Stasheff
Verlag: Bastei Lübbe
Jason
"Bear" Bondarevsky wird nach dem
erfolgreichen Enigma-Feldzug auf die Tarawa versetzt, um dort als
Geschwaderkommandant eine Reihe neuer, frisch von der Akademie kommender Piloten
auf ihre ersten Einsätze vorzubereiten. So sehr er sich auch über die
Beförderung freut, von der Tarawa an sich ist er nicht gerade begeistert -
handelt es sich dabei doch um einen leichten Träger, der eigentlich als
Transporter gedacht war, jedoch aufgrund der Knappheit an Trägern umgebaut
wurde. Aufgrund der ursprünglichen Konzeption als Frachtschiff können die
Kampfjäger den Träger nur mit geringer Frequenz verlassen, und sowohl die
Panzerung als auch die Bewaffnung des Schiffes scheinen eher dürftig. Sowohl
der Tarawa an sich als auch den jungen Piloten steht dann schon bald die erste
große Herausforderung bevor, als es einer kleinen Einsatzgruppe gelingt, in
einer geheimen Mission weit in das Gebiet der Kilrathi vorzudringen und
wertvolle Informationen über den Planeten Vukar Tag zu sammeln. Auf diesem
befindet sich eine Residenz des kilrathischen Imperators - weshalb man
beschließt, den Planeten mittels einer kleinen Einsatzgruppe, der auch die
Tarawa angehört, zu erobern. Doch dabei handelt es sich nur um eine geschickt
ausgelegte Falle - ist doch der Konföderation bewusst, dass der königlichen
Familie gar nichts anderes übrig bleibt, als den Planeten, trotz eines
fehlenden strategischen Werts, zurückzuerobern. Und so wartet nahe Vukar Tag
eine große Einsatzflotte der Menschen auf die herannahenden Kilrathi. Da jedoch
die heranrückende Flotte jener der Menschen weit überlegen ist, soll die
Tarawa als "Wegwerfkreuzer" den Lockvogel spielen, und tief in den
kilrathischen Raum eindringen und den Heimatplaneten selbst angreifen - um die
Kilrathi zu zwingen, ihre Angriffsflotte aufzuspalten. Allen ist bewusst, dass
es sich dabei um ein Himmelfahrtskommando handelt, aus dem die Tarawa vermutlich
nicht zurückkehren wird...
Bereits im ersten Wing Commander-Roman, "Die Befreier", hat man das Geschehen aus dem Blickwinkel einer Randfigur erzählt, statt die Figur des Spielers in den Mittelpunkt zu stellen. Bei "Der Hinterhalt" geht man nun noch einen Schritt weiter, und Forstchen und Stasheff stellen Jason "Bear" Bondarevsky in den Mittelpunkt ihrer Erzählung - eine Figur, die gerade mal in den Special Operations-Erweiterungen von Wing Commander 2 einen kleineren Gastauftritt hatte. Doch nicht nur bei der Figur, auch bei der eigentlichen Handlung bzw. den geschilderten Ereignissen betreten die Autoren Neuland - erzählen sie doch eine völlig neue Geschichte, die nach den Ereignissen der Erweiterungskampagne spielen und die der Wing Commander-Fan demnach aus den Spielen noch nicht kennt. Eben dadurch werden den beiden Autoren große Freiheiten eingeräumt, sowohl was die handelnden Charaktere als auch die eigentliche Handlung betrifft. Sie sind nicht an einen bestimmten, vorgegebenen Ablauf der Ereignisse und/oder einem gewissen Eindruck über eine Figur gebunden, und können stattdessen munter drauf los schreiben und ihre eigene Geschichte erzählen. Leider waren die beiden von dieser Möglichkeit offenbar so begeistert, dass sie diese Freiheit selbst bei bereits besser bekannten Charakteren nicht mehr aufgeben wollten. Während sie Doomsday, den herrlich-pessimistischen Piloten, noch recht gut getroffen haben, ist ihnen Admiral Tolwyn leider völlig misslungen. Offenbar hatten die beiden (bzw. wohl insbesondere Forstchen) eine ganz andere Vorstellung davon, was für eine Figur er ist bzw. sein sollte, als Chris Roberts. Das Ergebnis ist eine Portraitierung, die sich mit dem aus den Spielen bekannten Tolwyn einfach nicht in Einklang bringen lassen will (weshalb in Wing Commander-Fankreisen vom "Forstchen Tolwyn" und dem "Robertschen Tolwyn" gesprochen wird).
Die
völlig falsche Charakterisierung von Tolwyn ist dann allerdings schon der
einzige Kritikpunkt, den ich gegenüber diesem Roman vorzubringen habe. Im
Vergleich zum literarischen Vorgänger wurde zwar der Humoranteil deutlich
zurückgeschraubt, angesichts der aussichtslosen Lage der Tarawa ist dies jedoch
nicht nur verständlich, sondern absolut notwendig, um eine entsprechend
düster-pessimistische Atmosphäre zu verbreiten - alles andere
wäre völlig unpassend und der Spannung nicht gerade zuträglich. Und eben
diese Spannung ist die größte Stärke des Romans: Von der ersten Seite an, als
man die Mission nach Vukar Tag mitverfolgt, bis hin zum verzweifelten Versuch
der Tarawa, heil aus dem kilrathischen Gebiet zu entkommen, lässt der Roman den
geneigten Leser nicht mehr los. Hauptgrund dafür dürfte wohl insbesondere
sein, dass sich die Protagonisten diesmal, im Gegensatz zum letzten mal, auf ein
Himmelfahrtskommando begeben und einer großen Übermacht gegenüberstehen - wie
man dies ja auch schon aus den Spielen kennt. Die Handlung entwickelt sich dabei
durchaus rasant, und selbst wenn es mal ein wenig ruhiger vonstatten geht
schwebt angesichts der ausweglosen Situation über dem Geschehen ein drohender
Schatten, so dass selbst in etwas ruhigeren Momenten zwischendurch nie
Langeweile aufkommt. Auch die Action bzw. die Kämpfe sind diesmal noch etwas
besser beschrieben als im Vorgänger, und verstehen es, den Leser zu packen.
Trotz aller Spannung vergessen die Autoren jedoch auch nicht darauf, uns die
Figuren ausreichend vorzustellen, damit uns diese sympathisch werden - damit wir
dann am Ende auch wirklich so richtig mit der Tarawa und ihrer Crew mitfiebern
können. Etwas oberflächlich bleibt der Roman zwar trotzdem noch, aber
wer
sich von einem Wing Commander-Roman ernsthaft einen zweiten Faust erwartet, der ist
ohnehin selber Schuld
.
Fazit: "Der Hinterhalt" ist ein sehr spannender und packender Roman, bei dem lediglich die unpassende Portraitierung von Admiral Tolwyn negativ auffällt - und selbst dieser Kritikpunkt wird lediglich Kennern der Wing Commander-Spiele stören. Trotzdem sollte man sich insbesondere als Fan des Universums diesen gelungenen Roman nicht entgehen lassen...
Wertung:
(8/10)
Verfasser: cornholio ![]()
Cover © 1994 Bastei Lübbe