Definition - Graduierung - Allgemeines - Kontinenzmechanismen - Kontinenzeinteilung - Diagnostik - Therapie - Prävention
Definition
Unter Kontinenz versteht man die Fähigkeit, Darminhalte reflektorisch und willkürlich zurückzuhalten und ihre Entleerung zum gewünschten Zeitpunkt reflektorisch und willkürlich einleiten zu können.
Inkontinenz wird als wiederholter, unkontrollierter Abgang von Stuhl während eines Monats bei einem Individuum mit einem Entwicklungsalter von mindest 4 Jahren definiert.
Graduierung
Die Inkontinenz wird grob in drei Grade eingeteilt :
- Inkont. I° : Unfähigkeit Winde zurückzuhalten
- Inkont. II° : Unvermögen flüssigen Stuhl zurückzuhalten
- Inkont. III° : Unfähigkeit geformten Stuhl zurückzuhalten
Andere Einteilungen werden mit verschiedenen Scores vorgenommen: Kelly-Score, CACP-Score, Cleveland Clinic- Score (Wexner-Score), Pescatori-Score, Rockwood-Score, u.a.
Allgemeines
Die Häufigkeit von Inkontinenz liegt bei 47% bei Bewohnern von Pflegeheimen und nimmt mit zunehmenden Alter zu. 15,4 % aller Individuen über 50 Jahre leiden an Inkontinenz.
Gesundheitsökonomische Folgen der Inkontinenz sind gravierend. In den USA betrugen die Kosten für Stuhl- und Harninkontinenz für Individuen älter als 65 Jahre 1995 26,3 Milliarden Dollar.
Die Lebensqualität unter Inkontinenz ist verheerend , diese führt nach Krankenstand, Berufsverlust zu familiärer und sozialer Isolation und schlussendlich zur Einweisung in Pflegeheime.
Kontinenzmechanismen
Verschiedene Kontinenzmechanismen sind für die Aufrechterhaltung der Kontinenz verantwortlich:
- Stuhlfrequenz
- Stuhlkonsistenz
- Sphinkterkraft
- anorektale Sensibilität
- Rektumkapazität
- Rektumkompliance
Kontinenzeinteilung
Die traditionelle Kontinenzeinteilung ist:
- Sensorisch
- muskulär
- neurogen
- gemischt
- psychoorganisch
- idiopathisch
Bewährt hat sich jedoch die therapieorientierte Einteilung:
- Veränderte Stuhlkonsistenz
- Gestörte Kapazität und Compliance
- Störungen im Beckenboden
- Störungen des Sphinkters
- Gestörte Sensibilität
- Kombinationen von Störungen
Diagnostik
- Exakte Anamnese
- Graduierung
- Inspektion
- Digitale Untersuchung mit Funktionsüberprüfung der einzelnen Sphinkterkomponenten
- Test der perianalen Sensibilität
- Überprüfung der Spitz-Stumpf-Diskriminationsfähigkeit
- Auslösung des ano-cutanen Reflexes
- Rektoskopie
- Proktoskopie
- Anorektale Manometrie mit Bestimmung des Ruhedruckes, der max. Willküraktivität, Druck beim Husten und Pressen, Auslösung des recto-analen Reflexes
- Bestimmung der rektalen Kapazität
- Bestimmung der rektalen Sensibilität
- Coloskopie
- Irrigoskopie
- Neurologische Untersuchung zum Ausschluß eines Conus-Cauda-Syndroms bzw. einer Neuropathie, gegebenenfalls weitere radiologische
- Diagnostik mit CT bzw. MR aus neurologischer Indikation
- EMG (Elektromyographie) des M. sphinkter ani externus zur Bestimmung von Denervierung und Reinnervation
- Anale Sonographie (Nachweis von Sphinkterdefekten)
- Defäkographie (Nachweis von Rektozele, Intussuszeption, Prolaps, Enterozelen und Entleerungsbehinderung)
- Kontinenztest : Einfüllen von 500 ml Wasser (Methylenblaulösung) ins Rektum, Applikation einer Vorlage, aufstehen und 10 Minuten gehen lassen
- Urologische Untersuchung
- Gynäkologische Untersuchung
- Selten : Kolontransitzeitbestimmung, dynamische MRT (Magnetresonanztomographie) des Beckens, PNTML (pudendal nerv terminal motor latency) zum Nachweis von Pudendusschäden
Therapie der Inkontinenz
Konservativ:
- Stuhlregulierung und Timing des Stuhlganges
- medikamentöse Therapie von Diarrhoe und Obstipation
- Einläufe
- Anale Irrigation (Peristeen-System)
- Beckenbodentraining
- Biofeedbacktraining
- Elektrostimulation
- Analtampons
- Kontinenzhilfen
- Psychologische Unterstützung
Operativ:
- Sphinkterrekonstruktion bei Sphinkterdefekten
- preanal-postanal repair
- Mucosektomie
- Hämorrhoidenoperation
- Verschluß von Rektozelen
- Rektopexie oder perineale Rektumresektion bei Rektumprolaps
- Sphinkterersatz durch neodynamische Gracilisplastik oder künstlichen Schließmuskel (ABS-Sphinkter)
- sakrale elektrische Nervenstimulation
- Appendixstoma mit antegrader Irrigation (Malone) bei Kindern mit Obstipation
- Colonconduit nach Williams bei schwerer Obstipation von Erwachsenen.
Als ultima Ratio bei kombinierten neuro-muskulären Defiziten ist die endständige Sigmoideostomie eine Option und kann die Lebensqualität wesentlich verbessern.
Neueste Therapie bei Schwäche des M.sph. ani internus ist die subanodermale Injektion von Kollagen, Silkon oder Kohlestoffpartikeln bzw. die Radiofrequenz - Energie -Applikation im Analkanal mit lokaler Kollagenveränderung. Nach guten Therapieerfolgen mit der Kohlenstoffpartikelinjektion (Durasphere) im Rahmen einer Studie an der Universitätsklinik Innsbruck stellt dieses Verfahren eine Option dar.
Prävention
Besondere Bedeutung hat die Prävention der Inkontinenz durch Vermeidung von Geburtstraumen,die qualifizierte Versorgung von Dammrissen und ein obligates, lebenslanges Beckenbodentrainig nach Geburten