Claudia **Rismondo

schreibt

DAS STARPRINZIP IM FILM

"Hat man einen Star, dann hat man einen Film", erläuterte der Filmregisseur Oliver Stone anläßlich der Sendung "100 Jahre Amerikanischer Film". Dieses Rezept gilt nicht für den österreichischen Film. Bei der Präsentation "Der österreichische Film im ORF" erklärten sowohl die Vertreter der österreichischen Filmförderung als auch die Programmverantwortlichen, daß bei der Filmbesetzung das Starprinzip nicht unbedingt ein Kriterium ist. Und das trifft auch tatsächlich zu, mit wenigen Ausnahmen.

Dennoch hat sich beim österreichischen Film in den vergangenen Jahren ein vielleicht wirklich österreichisches Starprinzip herauskristallisiert. Kabarettisten, die in der Kabarettszene bedeutend und beliebt sind, werden als Filmhelden eingesetzt. "Kabarett goes Film" ist der Trend. Die Filme "Müllers Büro" oder "Indien" wurden jeweils zur heimischen Kinosensation durch die Kabarettlieblinge Andreas Dorfer und Andreas Vitasek.

Auch beim "österreichischen Film" bleibt der ORF den Wiederholungen treu. Schließlich haben die meisten Fernsehzuschauer die beiden "Zuckerln" "Müllers Büro" und "Indien" schon im Kino gesehen, da es ja nicht so viele heimische Filmhighlights gibt. Die anderen österreichischen Produktionen schauen sich ohnehin nur Insider der österreichischen Filmszene an, beziehungsweise ein paar wenige Interessierte.

Die österreichische Filmproduktion "Müllers Büro" von Niki List war in den achtziger Jahren ein Kassenschlager, weniger weil die Kinobesucher sich von Filmstars angezogen fühlten, sondern vielmehr weil diese Krimi-Persiflage eine wirklich gelungene Musikkomödie ist. Die Lieder der Band "Wiener Wunder" gehen ins Ohr. Die Slapsticks, die an bekannte Filmklassiker angelehnt sind, bürgten ebenso für den damaligen Erfolg. Dennoch, "Müllers Büro" entpuppte sich zu einer "Eintagsfliege", wahrscheinlich weil diese Komödie zu sehr dem Zeitgeist der achtziger Jahre unterliegt.

Vielleicht erlebt "Müllers Büro" irgendwann ein echtes Comeback, wenn die "Achtziger Jahre" en vogue werden sollten. Dadurch daß diese Komödie heuer im ORF ausgestrahlt wurde, erlebte sie jeden Fall keines.

Der Film "Indien", der ebenfalls als österreichisches Produkt im ORF ausgestrahlt wurde, war 1993 der erfolgreichste österreichische Film seit "Müllers Büro" und wurde mit dem Prädikat "wertvoll" ausgezeichnet.

Die einzigen beiden Darsteller Alfred Dorfer und Josef Hader sind ein kongeniales Team. Hader verkörpert den kleinbürgerlichen, kauzigen unsympathischen Heinz Bösel, der sein Geld als Gast- und Hotelgewerbe-Inspektor verdient. Dorfe den aufstrebenden halbgebildeten Managertyp. der das Leben nicht so richtig kennt bis er erfährt, daß er Krebs hat.

Als Schauspieler erfassen Dorfer und Hader die Charaktere, die sie darstellen, doch als Drehbuchautoren fehlt es ihnen an einer gewissen menschlichen Tiefe, ebenso Paul Harather.

Die Milieu- und Umgebungsschilderung "auf den endlosen Bundesstrassen, zwischen Schnitzel und Erdäpfelsalat und den heruntergekommenen Dorfgasthäusern", die es ja im Marchfeld tatsaechlich gibt, sind sicher nicht Schuld daran, daß "Indien" nicht über den österreichischen beziehungsweise einen Teil des deutschen Sprachraumes hinauskommt.

Aber um zu einem echten Filmklassiker zu werden, ist ein zu großer Bruch im Drehbuch. Ebenso wird mit dem Thema Krebs und Tod zu sorglos umgegangen. Der Film schwelgt zu lange im Klamauk und oberflaechlichen Geblödle bis dann der große Bruch kommt, wo man erfaehrt, daß der smarte Yuppie todkrank ist.

Nun, todkranke Menschen machen durchaus Witze über das Leben, das Sterben ... doch nicht derartig klamaukartig! Der Zuschauer fühlt intuitiv, daß die echte philosophische Auseinandersetzung mit Leben und Tod fehlt. Die "Witze" und Dialoge ueber den Krebs und das Sterben sind einfach zu seicht.

Das Filmende ist überhaupt unglaubwürdig und ergaenzt sich hervorragend mit der anfaenglich ziemlich langen Witzelei. Das Drehbuch hat einfach zu viele Bruchstellen, die zwar vielleicht gewollt sind, die aber die ganze Story zu einem inkohaerenten Konglomerat machen. Einzelne Szenen sind aber durchaus lustig und kabarettartig aufgebaut.

Wie schon erwaehnt, setzt die österreichische Filmproduktion nicht auf Filmstars. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb der heutige österreichische Film international betrachtet unter "ferner liefen ..." laeuft.

Ob es nun die heimischen Filmemacher und Filmverantwortlichen wahrhaben wollen oder nicht, Filme werden leichter zu internationalen Kassenschlager, wenn Filmstars mitwirken. Eine weniger gute Drehbuchstory kann fast immer mit Filmpersönlichkeiten wettgemacht werden, abgesehen davon, daß wirkliche Stars sich nicht für jeden Film zur Verfügung stellen. Julia Roberts zum Beispiel sucht sich die Filme, in denen sie mitspielt, sehr wohl aus.

Der österreichische Film glaenzt auch deshalb nicht gerade am internationalen Filmhimmel, weil die meisten Sujets als auch die Drehbücher zu nichtssagend und inhaltslos sind. Den meisten Drehbüchern mangelt es an Phantasie, Witz, Geist und Esprit.

Woran liegt es, daß österreich keine Billy Wilders mehr hervorbringt? Liegt es daran, daß es in österreich keine Talente und Genies gibt, oder daran, daß es an Leuten mangelt, die Talente erkennen können und die ihnen eine wirkliche Chance ermöglichen?