Blutdruckmessung nach Riva-Rocci

Blutdruckmessung
Blutdruckmessung

Zusammenfassung

Der Blutdruck ist der vom Herz in den Arterien erzeugte Druck. Dieser Druck ist kein konstanter Wert, sondern besitzt einen kontinuierlichen zeitlichen veränderlichen Verlauf, der von der jeweiligen Aktion des Herzens abhängt. Für die klinische Routine werden aber nur zwei Werte gemessen, der systolische und der diastolische Blutdruck. Diese beiden Werte werden nach Riva-Rocci gemessen. Der systolische Blutdruck ist dabei der höchste.
Der Blutdruck nach Riva-Rocci (RR) wird in Millimeter Quecksilber (mm Hg) gemessen. Dabei entspricht ein Druck von 750 mm Hg einem bar bzw. 105 Pascal (Pa). Es sei erwähnt, dass der mittlere Luftdruck auf Meereshöhe 1,013 bar, also 760 mm Hg beträgt.

Allgemeines/ Historisches

Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein konnte man den Blutdruck nur direkt bestimmen, das heißt durch Einführen von Messsonden in große Körperarterien bzw. Venen. Diese "blutige" Methode war für die Betroffenen mit Ängsten, Beschwerden und bestimmten Risiken, wie Infektionen verbunden. Erst die Entwicklung der "unblutigen" Verfahren erlaubte die Bestimmung des Blutdrucks auf einfache und risikolose Weise.
Frühe Geräte dieser Art waren z.B. die modifizierten Pulsmesser des Physiologen Karl Vierodt (1818-1884) und des Pathologen Samuel Siegfried von Basch (1837-1905).

Riva-Rocci schuf dann mit seinem Sphygmomanometer (von griechisch sphygmos = Puls; griechisch metron = Maß; lateinisch manus = Hand) den Prototypen des modernen Blutdruckmessers. Ihm zu Ehren spricht man heutzutage von dem Blutdruck nach "RR" (Riva-Rocci), wenn im ärztlichen Alltag vom Blutdruck die Rede ist. Heute ist der auch vom Patienten jederzeit messbare Blutdruck zu einem wichtigen Maß für pathologische Zustände geworden.

Die unzulänglichen Methoden bei der Bestimmung von Herz-Kreislauf-Verhalten, vor allem bei Kindern, veranlasste Riva-Rocci als Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik in Turin ab dem Jahre 1890 zur Entwicklung eines für Patienten schmerzlos einsetzbaren Blutdruckmessverfahrens.
1896 beschrieb er in dem Artikel "Un nuovo sfigmomanometro" eine einfache Methode der "unblutigen" Bestimmung des Blutdruckes und führte seinen Prototypen des modernen Blutdruckgerätes zur indirekten Bestimmung des Blutdrucks vor.

Riva-Roccis Apparat bestand aus einer Art Fahrradschlauch, den er als Oberarmmanschette benutzte, aus einem Gummiballon zum Aufblasen der Manschette und aus einem Quecksilberbarometer, mit dem er den Druck in der Armarterie maß. Durch Betasten der Pulsader an der Handwurzel (Pulsus radialis) prüfte Riva-Rocci das Verschwinden bei steigendem (systolischem) Druck.
Trotz heftiger Proteste gegen die angebliche "Entsubjektivierung der Diagnostik" setzte sich Riva-Roccis Methode der Blutdruckmessung vor allem in Krankenhäusern rasch durch. Und schon um die Jahrhundertwende war die Illusion traditionsorientierter Ärzte, "dass kein Instrument den Finger zu ersetzen vermag" angesichts des unaufhaltsamen Einzugs technischer erzeugter medizinischer Daten in der ärztlichen Praxis zerstört.

Im Jahre 1905 verbesserte der russische Militärarzt Sergejewitsch Korotkow (1874-1920) die von Riva-Rocci angegebene Methode, wobei er das Stethoskop zur Bestimmung des Blutdrucks einsetzte. Dabei sind die typischen "Korotkowschen Geräusche", zu hören. Diese kommen dadurch zustande, dass das Blut verwirbelt wird, und dessen Bewegungsgeräusche daher hörbar sind.

Ab Ende der 1920er Jahre waren Blutdruckmessgeräte nach dem "System Riva-Rocci" nicht nur in Krankenhäusern sondern auch in ärztlichen Praxen anzutreffen. Die Hersteller priesen vor allem die nicht auslaufbaren Quecksilberbehälter und das "bruchfeste Etui" aus Pressstoff oder Holz an. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Instrumente kleiner und bestanden im wesentlichen aus einer Art Blasebalg mit Federmanometer und Staumanschette.
1968 kam erstmals ein vollautomatischer Blutdruckmesser als Vorläufer der modernen 24-Stunden-Blutdruckgeräte zum Einsatz.
Ab 1976 gibt es handliche, leicht zu bedienende elektronische Selbstmessgeräte, die auch in den Händen von Patienten die Blutdruckbestimmung ohne Arzt erlauben.
Seit 1989 sind Geräte zur Blutdruckmessung am Zeigefinger und seit 1992 elektronische Blutdruck-Messgeräte mit Handgelenkmanschette verfügbar.

Physikalische Grundlagen

Das Blut durchströmt beim gesunden Menschen die Arterien mit einer mittleren Geschwindigkeit vm die meist so gering ist, dass in den unverzweigten Strecken der Arterien keine Turbulenzen auftreten. Eine laminare Strömung erzeugt im Gegensatz zur turbulenten keine Geräusche. Ein Kriterium für das Entstehen von Turbulenzen ist die dimensionslose Reynoldsche Zahl Re:

vm= mittlere Flüssigkeitsgeschwindigkeit (Blut)
R= Gefäß (Rohr) radius
p= Dichte der Flüssigkeit (Blut)
n= Viskosität der Flüssigkeit (Blut)

Es sei erwähnt, dass die Viskosität ein Maß für die innere Reibung ist und in den Einheiten Pascalsekunden (Pa × s) gemessen wird.
Die Viskosität von Blut beträgt z.B. bei 37° C etwa 2,3 bis 2,7 × 10-3 Pa × s.

Sofern die Reynoldsche Zahl den Wert von ca. 1 200 nicht überschreitet, liegt eine laminare Strömung vor. Bei höheren Werten kann sie turbulent werden.

Verringert man den Gefäßradius R, so steigt die mittlere Geschwindigkeit quadratisch an. Wenn also z.B. R halbiert wird, steigt die mittlere Geschwindigkeit auf das Vierfache an. Damit wächst die Reynoldsche Zahl nach Gl.1 insgesamt um den Faktor zwei an.

Der Druck ist definiert als Kraft pro Fläche und wird in bar oder Pascal (Pa) gemessen. Dabei herrscht ein Druck von 1 Pa, wenn eine Kraft von 1 Newton senkrecht auf eine Fläche von 1 m2 wirkt.

Es gilt also:

100 000 Pascal sind ein bar

105 Pa = 1 bar

In der Medizin hat sich bis heute die Einheit Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) erhalten. Dabei gilt, dass ein Druck von 750 mm Hg einem bar entspricht.

750 mm Hg = 1 bar

Der mittlere Luftdruck beträgt auf Meereshöhe 1,013 bar und damit 760 mm Hg.

Die Durchführung der Blutdruckmessung

Zur Messung des Drucks in der Arteria radialis geht man wie folgt vor:

Zur Blutdruckmessung wird eine Manschette um den Oberarm gelegt, deren Unterrand etwa 2 cm oberhalb der Ellenbeuge enden sollte. Bei einem Oberarmumfang von weniger als 40 cm findet die "übliche" Manschette Anwendung, die 12 cm breit ist und deren aufblasbares Luftreservoir 26 cm lang ist. Bei Patienten mit einem Oberarmumfang größer als 40 cm muss eine 18 cm breite Blutdruckmanschette verwendet werden. Unter Palpation (Tasten) der Arteria radialis wird die Manschette rasch etwa 30 mm Hg über den systolischen Druck aufgepumpt, wobei das Verschwinden des Pulses in der Arteria radialis als Hinweis für den systolischen Druck gewertet wird.

Ist das Gefäß durch den Manschettendruck verschlossen, kann kein Blut mehr passieren. Anschließend wird der Druck der Manschette allmählich mit Hilfe einer Ablassschraube um ca. 2-3 mm/sec so weit abgesenkt, bis der systoli-sche Blutdruck, also das Blutdruckmaximum in der Lage ist, für einen kurzen Moment das Gefäß ein wenig gegen den Manschettendruck zu öffnen, so dass Blut hindurchströmt. Da das Gefäß durch die Systole nur teilweise geöffnet wird, besitzt es einen verminderten Radius und zusätzlich eine Profiländerung gegenüber den angrenzenden Gefäßen; damit steigt die Reynoldssche Zahl an dieser Engstelle, so dass die Bedingungen für eine turbulente Strömung gegeben sind. Mit Hilfe eines Stethoskops lassen sich die entsprechenden Geräusche über die Arteria radialis hören. Der Manschettendruck ist daher in diesem Moment etwa gleich dem systolischen Druck in dem betreffenden Gefäß.

Lässt man den Manschettendruck weiter absinken, so dehnt der systolische Druck das Gefäß auf seine ursprüngliche Weite. Nach Beendigung der Systole kollabiert das Gefäß jedoch wieder. Erniedrigt man den Man-schettendruck weiter, so ist irgendwann auch der diastolische Druck in der Lage, das Gefäß offen zuhalten. Dann sind normalerweise keine Geräusche mehr hörbar. Der Punkt, an dem die Geräusche verschwinden, entspricht in etwa dem diastolischen Blutdruck.

In der Diskussion über diese Messmethode ist immer noch keine Einigung erzielt, ob man als Kriterium für den diastolischen Druck das völlige Verschwinden der Geräusche oder aber schon die Geräuschänderung zählen soll. Auf diese Diskussion soll hier nicht weiter eingegangen werden. Zwei Punkte müssen jedoch erwähnt werden:

  1. Je sklerotischer (verkalkt) ein Gefäß u.a. mit zunehmendem Alter wird, desto höher muss der Manschettendruck sein, um das Gefäß zu komprimieren, denn der erhöhte Widerstand der Arterienwand muss zusätzlich überwunden werden. Die Blutdruckmes-sung wird damit ungenau, nämlich zu hoch.

  2. Wenn sich jemand extrem körperlich anstrengt und sein Herzminutenvolumen (HMV) z.B. auf das 6-fache des Normalwerts erhöht ist, muss bei glei-cher Gefäßweite das Blut mit 6-facher Geschwindigkeit durch das Gefäß fließen; es kann bei dieser Geschwindigkeit bereits ohne Manschettendruck zu Turbulenzen kommen.


Man würde in einem derartigen Fall einen diastolischen Druck bis auf Null herunter messen. Dies kommt allerdings sehr selten vor. Normalerweise ist die Messung auch des diastolischen Druckes nach Riva-Rocci für die Routine ausreichend.
Der systolische Druck wird in der Regel bis auf etwa ± 5 mm Hg genau gemessen, der diastolische etwa auf ± 10 mm Hg.
Als Normwerte gelten für Erwachsene ein diastolischer Druck der kleiner ca. 90 mm Hg ist, sowie ein systolischer Druck kleiner als ca. 140 mm Hg (140/90).

Blutdruckwerte bei Kindern

Neugeborene

75/50

2.-6. Monat

85/65

6.Monat bis 3. Lebensjahr

90/65

4. Lebensjahr - 9.Lebensjahr

95/60

10. und 11. Lebensjahr

100/60

12. und 13. Lebensjahr

105/65

ab 14. Lebensjahr

110/70

Blutige Blutdruckmessung

Der Blutdruck mit Hilfe von blutigen Messmethoden kann an verschiedenen Gefäßabschnitten aber auch im Herzen selbst gemessen werden. Dazu muss ein Katheter in die Arterie eingeführt werden, der entweder an seiner Spitze ein kleines Manometer enthält oder an seinem äußeren Ende einen Druckabnehmer.
Bei dieser Messung ist in der Regel die Katheteröffnung dem Blutstrom entgegengerichtet. Daher erhält man bei dieser Messmethode etwas höhere Werte als bei der Messung des statischen Druckes, da in diesem Fall die Summe aus dynamischem und statischem Druck gemessen wird.

Achtung

Um Verwechslungen und daher Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte die Abkürzung "RR" für den Blutdruck nur dann verwendet werden, wenn dieser auch tatsächlich nach Riva-Rocci gemessen wurde. "Blutig" gemessene Drücke werden mit "BD" (Blutdruck) oder "BP" (blood pressure) bezeichnet.

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