40 Jahre "Eiserner Vorhang" im Osten des Burgenlandes (1949 - 1989)
40 years of the "Iron Curtain" in the east of Burgenland, Austria (1949 -1989)
Copyright 2002 by Josef Altenburger: text and photos
Translated by Dave Bancroft of Cambridge UK
Flüsse, Bergketten, Gewässer etc. haben als natürliche Grenzen die geschichtlichen Abläufe beherrscht. Wo sie fehlten und für den Schutz des Menschen notwendig waren, stellte er sie selber her: So entstand eine Chinesische Mauer, ein römischer Limes mit Wällen (Hadrians Wall, Antonine Wall), die magyarische Verhaulinie (Gyepü) östlich von Österreich, Stahlblechwände zwischen Mexiko und den USA, die militärischen Stacheldrahthindernisse in den beiden Weltkriegen und die verhassten Sperren zwischen Ost und West im Gefolge des Kalten Krieges.
Rivers, mountain ranges and lakes, as natural boundaries, have historically influenced military operations. Where natural barriers were missing, armies have manufactured them: The Great Wall of China, Roman defenses like Hadrian's wall & The Antonine Wall in the UK. In recent history, the Berlin Wall, steel sheet walls between Mexico and the USA, military fortifications in the two world wars and all the hated barbed wire between east and west Europe as a result of the Cold War). This is a pictorial history of the cruel fence that split Austria and Hungary for 40 years.
Die Dokumentation orientiert sich am Eigenerleben des Autors, der ironischerweise 1944 in einem Kriegsgefangenenlager (Camp Polk, Louisiana) als POW angesichts der Umzäunung des Lagers den damaligen Schlagerhit "Don't fence me in" monatelang anhören musste.
This document springs from the life experiences of the author who, as a prisoner-of-war in a US camp (Camp Polk, Louisiana) 1944 listened ironically to the hit song of the time 'Don't fence me in' on American radio.
Drei Jahre nach der Heimkehr stand er 1949 an der gesperrten historischen Bernsteinstraße der Römer bei St. Margarethen wieder vor dem verhassten Draht: Der Eiserne Vorhang senkte sich direkt an seiner Heimatgemeinde für 4 Jahrzehnte zwischen zwei ehemals staatsrechtlich vereinigte und befreundete Länder: Ungarn und Burgenland, dem östlichsten und jüngsten Bundesland Österreichs. Die gezeigten Fotos stammen aus dem Archivbestand des Autors und wurden teilweise von Privatpersonen zur Verfügung gestellt.
In 1949, three years after coming home, the Iron Curtain lowered itself directly onto the historical Roman amber route, near the home town of the author, (St. Margarethen, Burgenland, Austria). Again he found himself looking at the hated wire, but this time in his own homeland, and between two formerly united countries: Hungary and the Republic of Austria.
The photos shown are from the archives of the author and other local people.
An diesem schon im Winter 1988 altersschwachen, wackeligen Tor bei St. Margarethen im Burgenland entstand am 19. August 1989 der erste Riss im Eisernen Vorhang.
This is the gate where the first crack appeared in the Iron Curtain near St. Margarethen in Burgenland on August 19th 1989.
Das Tor und das hungernde Gras auf dem alten Römerweg, genannt Bernsteinstraße, waren vor jenem Tag im August 1989 in einen tiefen vierzigjährigen Schlaf versunken.
This gate, and the grass on the old Roman road, had been in deep slumber for forty years before that day in August 1989.
Minenleger bei der Arbeit auf der ungarischen Seite des Zaunes. Man beachte den Schutzanzug eines der Soldaten am Stacheldraht. Die gesamte Grenzlinie wurde vorerst mit mindestens zwei Drahtverhauen gesichert, zwischen denen verschiedene Minen wie Tretminen verlegt wurden.
Mine specialists (note the protective suit of the soldier on the right) working on the Hungarian side of the fence. The whole border was secured with at least two barbed wire fences with anti-personnel mines laid between them.
Es war nicht ratsam, Fotos von den arbeitenden ungarischen Soldaten zu schießen. So musste ein Teleobjektiv verwendet werden, um das fast sensationelle Bild einzufangen.
It was not advisable to shoot photos of the Hungarian soldiers operating. A telephoto was used to capture this almost surreal picture.
Da staunten die bärtigen Passionsspieler von St. Margarethen nicht wenig, als sie zu ihrem Entsetzen 1956 den Neuausbau des Stacheldrahtsystems neben dem Urbarial -Wald feststellen mussten. Dass sie mit dieser Grenze 40 Jahre leben lernen mussten, war nicht vorauszusehen.
Here, the actors in the original passion plays of St. Margarethen display expressions of disbelief, as they examine the latest project of the Hungarian Communist system - the fence. This picture was taken in 1956. Perhaps they would have looked even more shocked if they had known that they would have to learn to live with this boundary for 40 years.
Besucher am Zaun, der immer wieder geändert wurde, gab es sehr wenige. Man hielt sich vorsichtshalber an das österreichische Territorium, das im künstlichen Graben (mit Grenzsteinen) endete. Bald wich die Neugierde der Gleichgültigkeit. Zorn über die Minen und Verachtung für das System im Osten aber sind geblieben.
There were very few visitors to the increasingly fortified border fences, and those who did go were extremely careful to stick to Austrian territory marked by the artificial ditch and boundary stones. In the west, curiosity soon gave way to indifference, but in the east, anger over the mines and contempt for the system never went away.
Die Bilder zeigen deutlich, wie furchtbar nahe der Stacheldraht mit den Minen an einige Dörfer heranreichte. In Schattendorf war die Friedhofmauer identisch mit der Staatsgrenze. Die ungarischen Soldaten auf dem Wachtturm sahen bei jedem Begräbnis zu. Gebetet haben sie sicher nicht! Bei der Gemeinde Hammer errichteten die Magyaren den Zaun direkt neben einer Scheune, wo heute noch der Grenzstein steht. Eine Hauskatze sprang hinüber, fiel auf eine Mine und die Bäuerin wurde verwundet.
These picturesclearly show that the barbed wire and mines went terribly close to some villages. In Schattendorf 'shadow village' the cemetery wall was actually the state border. The Hungarian soldiers on the look out tower watched each funeral. At the Magyaren municipality, the fence was directly beside a barn, where the boundary stones till is today. Locals tell a story of a farm cat that jumped on a mine, wounding the farmer's wife. A road at the edge of the village was divided down the middle, but only the Austrians were allowed to drive on it without a passport.
Wenn die Bauern in ihren Weingärten arbeiteten, standen ihnen die kommunistischen Soldaten gegenüber. Zu einem Gespräch kam es nie, weil immer ein Offizier die Männer bewachte.
While the Austrian farmers worked in their vineyards, the communist soldiers faced them from behind the wire. There were never any conversations though, because there was always an officer guarding the men.
Die ersten Wachttürme dienten zur Bewachung der Soldaten, damit kein Minenleger nach dem Westen flüchtete. Sie waren nicht nur unbequem sondern für einen müden Soldaten auch gefährlich! Später baute man bequemere Türme. Geschossen wie in Berlin wurde von dort oben fast nie. Flüchtlinge, die durch Minen verletzt waren, brachte man nach Ungarn zurück.
The first look out towers were for guarding the soldiers, so that none fled to the west. They were not only uncomfortable, but for a tired soldier they were also dangerous! Later they built more comfortable towers, like the one above photographed in Berlin. Any refugees hurt by mines were always returned to Hungary.
Patrouillen zu Fuß (oft auch mit Hunden) sowie berittene Soldaten kontrollierten auf einem eigenen Pfad die Grenze hinter dem Stacheldraht. Sie sahen es nicht gerne, wenn man sie fotografierte. Marschierten mehrere Milizsoldaten, war der letzte immer ein verlässlicher, fanatischer Kommunist. Der Zaun sollte nicht das Land vor Feinden schützen sondern eine Flucht der eigenen Bürger aus dem "Paradies der Arbeiter" verhindern.
Patrols on foot (often with dogs) as well as mounted soldiers, checked the boundary behind the barbed wire on their own path. They did not appreciate it if you photographed them. If several soldiers patrolled, the last in line, for obvious reasons, was always a reliable, loyal communist. They knew, like we did too, that the fence wasn't to protect the country from enemies; it was just to prevent their own citizens escaping from the "workers paradise".
Der Anfang war beim Eisernen Vorhang für die Wachmannschaft kein leichter Beruf. Umgeben von Minen, keine anständigen Unterkünfte, wie das Bild einer Schilfhütte beweisen soll. Dazu kam die geforderte politische Linientreue und die Arbeit unter ständiger Bewachung oder Beobachtung. Der einzige Vorteil gegenüber der arbeitenden Bevölkerung im "Arbeiterparadies" war ein etwas höherer Lohn.
Zelte waren gewiss angenehmer als eine Schilfhütte, so lange das Wetter erträglich war. Es ist erstaunlich, dass solche Fotos ungefährdet (wenn auch versteckt) aufgenommen werden konnten.
Fotoduell: Schüsse wie diese waren nicht gefährlich. Die andere Seite wollte eben auch wissen, was in Österreich los ist.
Auf dem Weg durch das Burgenland: immer wieder Wachtürme hinter einem doppelten oder einfachen Stacheldraht. Sie gehörten langsam zur Landschaft wie die hässlichen Ölpumpen der Erdölfirmen in den Gegenden, wo Öl gefördert werden kann.
Ein Winterbild vom Tor bei St. Margarethen. Kalt, verlassen und dem Verfall nahe. Nur Besucher aus dem Westen waren auf den Eisernen Vorhang neugierig. Sie hatten sich den Anblick allerdings dramatischer vorgestellt. Die Einheimischen schauten einfach weg, hatten aber stets eine unterschwellige Angst, zu nahe an den Zaun zu kommen. Der Autor wurde 1985 an einer grenznahen Straße 3 Stunden festgehalten, weil er versucht hatte, einen mit 2 Pferden pflügenden ungarischen Bauer zu fotografieren. Unglücklicherweise befand sich hinter dem Acker der Stacheldrahtverhau. Der Film war weg und der Fotograf um eine Erfahrung reicher!
Am 2. Mai 1989 begannen die Ungarn, den Stacheldraht zu entfernen. Dieses Foto vom 1. Mai zeigt bereits den Verfall des Zaunes. Dahinter noch der nicht mehr gut gepflegte Spurenstreifen. Der Turm war meistens nicht mehr besetzt.
Das morsche Tor über die alte Straße blieb aber weiterhin mit seiner Zierde aus rostigem Stacheldraht verschlossen. Kein einziger ungarischer Zivilist hatte sich vor dem 19. August 1989 dem Zaun durch die etwa 500 m breite Sicherheitszone zwischen den beiden Drahtverhauen nähern und einen Blick hinüber wagen dürfen. Die ehemalige römische Bernsteinstraße und spätere Poststraße schlummerte ebenso wie einige andere Grenzübergänge unbenützt, verlassen und einsam dahin.
Auch die Räder der grenzüberschreitenden Eisenbahn konnten angehalten werden. Haltetafeln zwischen den Schienen sowie Tore über die Geleise entweder direkt an der Staatsgrenze, vor oder neben dem Stacheldrahtzaun regelten den Zugsverkehr. Wo der Verkehr eingestellt wurde, überwucherte hohes Gras den Schienenweg.
Die Trennung war wohl nirgends deutlicher zu sehen und zu spüren als in Orten wie Magyarfalva (Harka =Harkau bei Deutschkreutz), wo der Stacheldraht am Dorfrand verlief. Den Verwandten von beiden Seiten, den ehemaligen Freunden und Nachbarn war es verboten, über den Zaun Gespräche zu führen, Ab 1966 war es immer einfacher geworden, mit einem an der Grenze erworbenen Visum nach Ungarn einzureisen. Ein Ende des Regimes war auch Anfang 1989 noch nicht absehbar.
Selbst als am 2. Mai 1989 ungarische Soldaten begannen, im Süden des Burgenlandes den Draht abzubauen, traute niemand dem Frieden. Auch der 27. Juni brachte noch keine Gewissheit, obwohl die beiden Außenminister Mock und Horn symbolisch einige Drähte am Sicherheitssystem bei Klingenbach durchschnitten.
Der 19. August 1989 14 Uhr 58
Plötzlich war alles anders: Eine Gruppe ungarischer Parteien hatte zu einem ersten Treffen mit einem internationalen Picknick auf einem Gutshof neben der Grenze geladen. Knapp vor dem Öffnungstermin 15 Uhr drückten aufgeregte junge DDR Bürger das Tor in Richtung Österreich auf und strömten in die Freiheit. Nicht einmal mit Waffengewalt hätte das halbe Dutzend ungarischer Zöllner sie hindern können. Die Deutschen glaubten selber nicht an ihr Glück, ehe sie nicht vorbei an den wartenden Picknickbesuchern einige hundert Meter weit auf österreichischem Gebiet gelaufen waren. Bis zum Abend waren bereits 665 Flüchtende mit Autobussen auf dem Weg nach Wien und von dort per Bahn nach Deutschland.
Die Welt hatte ihre Sensation: Der Anfang vom Ende des Kommunismus war da! Wie viele andere österreichische und ungarische Besucher des internationalen Ereignisses holte sich auch der Autor ein Stück des rostigen Drahtes und legte es auf eine weggeworfene Grenztafel, nachdem er mit seinem PKW mehrere Deutsche als "Taxihelfer" von der Grenze ins 4 km entfernte St. Margarethen zum Bus gebracht hatte.
("ÁLLAMHATÁR" heißt Staatsgrenze)
Die folgenden Wochen waren geprägt von Vernutungen, Befürchtungen aber auch einschneidenden Veränderungen, denen sich bald das Interesse der Öffentlichkeit zuwandte: 65.000 in Ungarn fest sitzende DDR Bürger durften ausreisen, Regime im Osten begannen zu wanken, bis am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel.
An der Grenze war es still geworden. Der Stacheldraht war bald gänzlich verschwunden. Das berühmt gewordene Tor verschwand unauffällig und spurlos.8 Jahre lang wurde gemeinsam mehr oder weniger feierlich des Augusttages gedacht, deutsche Spitzenpolitiker absolvierten einen Pflichtbesuch. Wie jedes große oder kleine Ereignis ist auch dieser schicksalhafte Tag bald zu einer Erinnerung geworden, die man immer seltener ebenso wie ein Fotoalbum hervorholt.
Österreich kam seit November 1990 seiner EU-Verpflichtung nach und bewacht seither die nach der Entfernung des Drahtverhaues "grüne Grenze" mit Grenzgendarmen, die von Bundesheereinheiten assistiert werden.
Viele Magyaren kommen seit einigen Jahren an die Grenzstelle, wo sie den von japanischen Sponsoren gestalteten Festplatz mit Friedensglocke und Brunnen besuchen und um reuelos bis zum Grenzbalken heran zu gehen. Vorläufig ist geplant, auf beiden Seiten der Grenzbalken kleine neutrale Zonen zu schaffen, wo Besucher von beiden Seiten die Grenze kurzzeitig überschreiten dürfen.
Allgemein wartet man jedenfalls auf den Tag, an dem Ungarn als EU-Mitglied anerkannt wird, womit die Grenzen wie schon früher in der Monarchiezeit nur den Besitzstand zwischen Nachbarn markieren. Der quer verlaufende österreichische Radfahr- und Güterweg führt hier noch immer wie schon seit Jahrhunderten 1,2 km über ungarisches Territorium, wobei man heute noch einen Reisepass mitführen muss.