Geschichte der Siebenbürger Sachsen
Erster Band von G.D.Teutsch (Text von 1852)

 

Inhaltsverzeichnis

1. Von dem Lande Siebenbürgen und seinen ältersten Zeiten
2. Wie von König Geisa II. gerufen deutsche Ansiedler nach Siebenbürgen kamen
3. Von dem Tode Geisa's II. bis zum goldenen Freibrief der Sachsen. Die deutschen Ritter im Burzenland.
4. Von dem goldenen Freibrief, den König Andreas II. den deutschen Ansiedlern im Süden des Landes erteilt.
5. Der Mongoleneinfall.
6. Die Regierung König Belas IV. nach dem Mongoleneinfall und die Zeiten unter seinem Sohn Stephan V. und seinem Enkel Ladislaus IV.

 

1.

Von dem Lande Siebenbürgen und seinen ältersten Zeiten

Im Osten der österreichisch/ungarischen Monarchie erhebt sich aus den unabsehbaren Tiefebenen der Theiß und der untern Donau ein Hochland, gering an Größe, doch reich an Schönheiten und Schätzen der Natur. Sein Flächenraum beträgt nicht voll 955 Geviertmeilen. Im Anschluß an Ungarns nördlichen Bergwall umgeben es von allen Seiten mächtige Gebirgsketten, die Karpathen. Weithin ins Land hinein siehst Du die vielgestaltigen Felsenkuppen und Zinnen bis 8000 Fuß hoch und darüber, den größten Teil der Jahres mit leuchtendem Schnee bedeckt, in die blauen Lüfte ragen. Mit seinem größten Teil dacht es sich gegen Westen und Südwesten ab; dahin weisen seine bedeutendsten Flußgebiete und führen seine breitesten Thäler, während der Gebirgswall nur wenige und meist schwer gangbare Pässe gegen Mittag in das Tiefland der untern Donau, gegen Morgen zu den weiten Slavenebenen Rußlands öffnet, also daß der Herr selber das Land aus die Grenze abendländisch/europäischer Bildung hingestellt hat wie ein natürliches Bollwerk zu einer starken Wehr gegen nordische Barbarei und der Türken früher so gewaltigen Christenhaß.
Von den hohen Grenzgebirgen ausgehend durchziehen meist waldgekrönte Bergreihen das Land nach allen Richtungen. In überraschender Fülle birgt dieses Salz und kostbare Erze jeder Art, von dem Eisen, womit man das Leben schirmt, bis zu dem Gold, das es so oft verdirbt. Zahllose Heilquellen entströmen dem Schoße der Erde ; Bäche und Flüsse verschönern und bewässern, vom riesigen Ringgebirg in schäumendem Sturz den tiefern Thälern zueilend, das Land. An sonnigen Berghalden glüht die Rebe und blüht der edle Obstbaum; in den Thälern wogt das Weizenfeld; hoch oben zwischen den Felsenklippen des Gebirges, über welchen der Adler seine stillen Kreise zieht, weidet die Gemse; der tiefere Wald, in dessen Dunkel noch der Bär haust, birgt das scheue Reh; an zahmen Haustieren ist nirgends Mangel. Das ist das Land Siebenbürgen, und wo zum Glück seiner Bewohner etwas fehlt, da tragen diese meist selber die Schuld.

Im Süden und Nordosten des Landes auf weiter Strecke mitten zwischen Völkern fremder Zunge und Art wohnen bereits seit mehr als 750 Jahren Deutsche oder Sachsen. Und wenn das Land reich ist an Wundern der Natur, so ist es gewiß kein kleineres Wunder, daß fern vom Mutterlande hier deutsche Stämme sich angesiedelt, Sprache und Volkstum bewahrt und in Freiheit und Gleichheit ein Gemeinwesen sich gegründet, das seines Gleichen wenig hatte, so weit die Sonne scheint.

Wie unsere Väter das vermocht und von ihrem Heldensinn im Thun und Leiden, in guten und bösen Tagen will ich Euch erzählen, teure Volksgenossen, was unsere Weisen hinterlassen haben und in den Briefen und Handvesten der Altvordern geschrieben steht vielleicht daß dadurch das Wachsen i h r e s Geistes unter uns gefördert wird! Möchte sie darum nicht ungehört an Eurem Ohr vorüber rauschen diese Rede! Wer für die Gegenwart und Zukunft wirken will, muß die Vergangenheit kennen und einem Volk, dem diese groß gewesen, ist zwiefache Schande klein zu sein.

Wie aber Jeder gern hört, wie es geliebten Menschen ergangen, ehe er sie gekannt, so ist es anziehend, kurz des Vaterlandes Geschicke zu erfahren, ehe unsere Väter es betraten. Es ist nicht nur anziehend, es ist auch lehrreich.

In den nächsten Jahrhunderten vor unseres Herrn Geburt wohnte in Siebenbürgen ein zahlreiches Volk, die D a k e n, deren Herkunft noch nicht zweifellos erforscht ist, die aber wahrscheinlich zum keltischen Volksstamm gehören. Ihr Reich erstreckte sich bis an die untere Donau und das Land war von ihnen Dakia geheißen. Sie drangen sogar häufig raubend und plündernd über den Strom; daher sowie durch friedlichen Verkehr derselben kommt es, daß so viele griechische und altrömische Münzen in Siebenbürgen gefunden werden bis auf den heutigen Tag. Am mächtigsten war das dakische Reich am Ende des ersten Jahrhunderte nach Christo. Dekebalus, der König desselben schreckte eine Zeitlang selbst die Römer, das gewaltige Weltvolk. Da geschah es, daß Trajanus ein mutiger, streitbarer Mann, den römischen Kaiserthron bestieg; der zog mit großer Heeresmacht, darunter auch deutsche Scharen, gegen den Dakenkönig und überwand ihn in zwei Feldzügen also, daß Dekebalus verzweifelnd sich selbst das Leben nahm. Dakien wurde eine Provinz des großen Römerreichs (im Jahr 106 nach Christo) und der Name der Daken verschwindet aus der Geschichte. Noch stehen aber im Muntscheler Gebirg in der Nähe des Hazeger Thales, in rauher fast undurchdringlicher Wildnis, auf hohen Bergspitzen an jähen Abhängen gewaltige Burgtrümmer, dakischer Hände Werk, und fast alljährlich geben geheimnisvolle Hügelgräber, ja selbst die Furchen des Ackers unter der Arbeit des Pflugs oder wie es sonst der Zufall fügt, bronzene Streitäxste, Speerspitzen, Messer, Sicheln und mannigfaches anderes Geräte für Krieg und Frieden ans Tageslicht, dessen Verfertigung oder Gebrauch die Forscher jenem Volk zuschreiben.

Die Römer bemächtigten sich nun des eroberten Landes und riefen zahlreiche Ansiedler aus ihrem ganzen Reich in dasselbe, als daß römische Bildung die Barbaren zähme. Auch germanische Stämme wurden später auf dem eroberten Boden angesiedelt. Römische Beamte verwalteten das Land, römisches Kriegsvolk beschütte es, römisches Gesetz galt in demselben. Die neuen Herren, die eifrig die Schätze des Bodens, Salz und Metalle gewannen -- 280 Pfund reines Gold floß wöchentlich in die kaiserliche Schatzkammer -- legten viele neue Pflanzstädte an und verbanden sie durch starke Kunststraßen, deren Spuren man noch findet. Die Hauptstadt war Ulpia Trajana, an der Stelle der dakischen Königsstadt Zarmizegethusa, im Hazeger Thal, wo jetzt das arme walachische Dorf Gredischtje liegt. Weit verbreitete Trümmer von bemoosten Mauern und Gewölben, Überreste von Tempeln und Schauplätzen, Spuren von Wasserleitungen, zahlreiche Inschriftsteine und Bildsäulen Sprechen noch jetzt von dem alten Glanz der Hauptstadt.

Länger als anderthalbhundert Jahre blieb Dakien in harter römischer Knechtschaft. Kaiser Aurelian endlich räumte das von allen Seiten durch Barbaren bedrohte Land (im Jahre 274), führte die Römer, die Truppen sowohl als die Provinzialen hinweg und siedelte sie am rechten Donauufer im obern Mösien an, das von da an den Namen Dacia führte. Die römische Bevölkerung und römische Bildung im alten Dakien hörte vollständig auf; nur Trümmer blieben zurück, nicht einmal ein römischer Städtename hat sich im Volksmund erhalten.

Zu derselben Zeit geschah es, daß der alte Weltherrnthron zu Rom in Italien zu wanken anfing. Aus den Völkern, die er beherrschte, war alle sittliche Kraft verschwunden und darum mußte er sollen. Schon hatte das Christentum angefangen, seine belebenden Strahlen zu verbreiten; das Alte verging, alles sollte neu werden. Also erschienen von Mitternacht her und von Sonnenaufgang gewaltige zum Teil nicht gekannte Völker und nahmen alles Land ein, das vor ihnen lag. Man nennt diese Zeit die Zeit der Völkerwanderung. In 500 Jahren wechselte Siebenbürgen unaufhörlich seine Herren und Bewohner. In dem Getümmel der rohen Horden konnte kein Staats- und Rechtsleben sich entwickeln, keine Kultur Wurzeln schlagen. Viele Menschenalter hindurch ist das Land fortan Tummelplatz und wechselndes Besitztum deutscher, insbesondere gotischer Stämme; was von der alten Bevölkerung zurückgeblieben, ist wohl fast durchweg spurlos in ihnen untergegangen. Als im fünften Jahrhundert die wilden Hunnen in der weiten Theiß- und Donauebene den Hauptsitz ihrer Macht hatten, saßen in Siebenbürgen die Gepiden und das Land führt geradezu von ihnen den Namen Gepidia. Doch klingt in der Volkssage bis aus den heutigen Tag der Name des wildesten hunnischen Führers, Attilas, der „Gottesgeißel", seltsam in Thal- und Bergbezeichnungen wider. Als das Gepidenreich um 566 dem Anstürm der vereinigten Langobarden und Avaren erlegen, herrschten diese fast zweihundert Jahre von der Enns bis an die untere Donau; was für Völkerwellen aber über die Bergwälle Siebenbürgens geschlagen, in welcher Mischung oder Eigenart sie sich hier erhalten, darüber findet sich in zuverlässigen Geschichtsquellen nichts. Gegen das Ende des neunten Jahrhunderts fällt der größte Teil Siebenbürgens dem Reich der Petschenegen zu, in den östlichen Gebirgen siedeln sich gleichzeitig die Szekler an, bis im elften Jahrhundert endlich die Magharen an der Westgrenze des Landes Fuß zu fassen anfangen.

Das geschah also.

Dem turanischen Völkergeschlecht angehörig, selbst finnisch/tartarischen Stammes, auch sprachlich mit Finnen und Türken nahe verwandt, war das Volk der Magharen aus seiner ursprünglichen Heimat am Altaigebirg in Asien in sieben Stämme geteilt ausgewandert und im Gedränge der Völkerwanderung allmälig nach „ Atelkusu", d. i. in das Land zwischen dem Dniepr oder Bug und dem Sereth bis an die südöstlichen Karpathenhänge gekommen. Da standen ihre Zeltlager um die Mitte des neunten Jahrhunderts; auf Raubzügen in die Nachbarländer lernten sie diese, darunter auch Pannonien, das heutige Ungarn, kennen. Und als im Jahr 895 die Petschenegen, von den Bulgaren gerufen die magharischen Wohnsitze in Atelkusu überfielen, eben als der größere Teil des Volkes wieder auf einem auswärtigen Zug abwesend war, da floh ein Teil der Daheimgebliebenen in das nahe Gebirge — es sind, wie Einige meinen, die Stammväter der Szekler — die Andern gaben das Land verloren, zogen nach kurzem Aufenthalt im Gebiet westlich vom untern Alt an der Donau aufwärts und fanden eine neue Heimat im Tiefland zwischen dem Bihargebirge und der Theiß, bald auch auf der weiten Ebene zwischen der Theiß und der Donau. Kein festgegliedertes Staatswesen, keine streitbare Bevölkerung stellte sich ihnen da feindlich entgegen; die friedlichen Bewohner, slavische Hirten, wichen scheu zu beiden Seiten vor ihnen. Denn die Magharen waren ein ungestümes Reitervolk, wilder Sitte und ungeschlachten Aussehens; sie aßen rohes Fleisch und tranken Blut, wußten übrigens das flinke Roß rüstig zu tummeln und schossen fernhin den sicher treffenden Pfeil. Dabei waren sie beutegierig, wandelbaren Sinnes und treulos, auch kämpften sie lieber in schnellem Überfall und aus dem Hinterhalt, als in offener Feldschlacht.

Das siebenbürgische Hochland erscheint von da an unter der Botmäßigkeit der Petschenegen. Eine walachische Bevölkerung des Landes zu dieser Zeit finden wir in keiner einzigen beglaubigten Geschichtsquelle erwähnt. Dafür „treffen wir auf die Thatsache, daß alle Geschichte des walachischen Volkes im Norden der Donau vom dritten bis zum zwölften Jahrhundert fehlt"; neun Jahrhunderte hindurch weiß sie von einem Dasein und Wirken desselben in diesen Landen nichts.

In der neuen Heimat lebten die Magharen von Jagd und Fischfang unter Herzogen, von deren erstem, Arpad, das erste ungarische Königsgeschlecht den Namen des arpadischen führt. Bald begannen sie Einfälle in die Nachbarländer, namentlich nach Deutschland. Dieses war wegen innern Unfriedens fast schutzlos ihren Verwüstungen preisgegeben; Schrecken ging vor ihnen her. Als aber König Heinrich I. das Reich innerlich gekräftigt, setzte er ihren Räubereien ein blutiges Ziel und erschlug ihrer 36.000 bei Riade auf der goldnen Aue (bei Merseburg 933). Als sie dessen ungeachtet nach 20 Jahren den Einfall erneuerten, wiederholte Otto I. des Vaters That. Bei Augsburg auf dem Lechfeld (955) warf er in siegreicher Schlacht den Einbruch der Magharen zurück. Von 60.000 derselben blieben nach der Sage nur sieben übrig, die der Kaiser mit abgeschnittenen Ohren heimschickte, den Ihrigen die Begebenheit zu erzählen. Da entsetzten sich diese und schirmten schnell die Grenze durch Verhaue und Petschenegenansiedlungen, auf daß nicht die wütigen Deutschen kämen und sie alle erschlügen.

Durch so schwere Niederlagen neigte sich der Sinn des Volkes zum Frieden. Herzog Geisa insbesondere (seit 972) war dem Krieg abhold. Seine Gemahlin Sarolta war eine Christin und bekehrte auch ihn. Da erhielten die zahlreichen christlichen Kriegsgefangenen die Erlaubnis, sich Bethäuser zu bauen und kamen aus Deutschland gerufene Geistliche, den Heiden das Himmelreich zu predigen und den Gekreuzigten zu verkünden. Von Bischof Adalbert von Prag ließ Geisa seinen eigenen Sohn Stephan taufen und vermählte ihn mit Gisela, der Tochter des Baiernherzogs Heinrich. Zugleich wanderten, eingeladen oder begünstigt von Geisa, viele deutsche Herren nach Ungarn ein und wurden da die Stammväter berühmter Geschlechter. Einwanderer, die im Gefolge Giselas gekommen, gründeten die erste größere deutsche Ansiedlung in Ungarn, Szathmar/Nemethi am Samosch.

Als aber Stephan seinem Vater auf dem Herzogstuhl (995) folgte, erhoben die Anhänger des Heidentums Aufstand gegen ihn. Er schlug sie mit Hülfe seiner deutschen Ritter, zwang darauf das ganze Volk zur Taufe, gründete Bistümer und baute Kirchen. Papst Silvester II. gab ihm die Königskrone, im Jahre 1000 nach Christo.

Die neuen Einrichtungen in Staat und Kirche fanden in zwei Stammhäuptlingen und Großwürdenträgern, die sie mit den Amtsnamen den Gylas und den Karchan hießen und die im östlichen Ungarn walteten, gefährliche Feinde, König Stephan besiegte sie (um das Jahr 1003), später (1021) auch die durch Siebenbürgen hereinbrechenden Petschenegen. Das war der erste Anlaß, daß das neue Reich seine Aufmerksamkeit diesem Land zuwandte. Doch gehören die Erzählungen, schon König Stephan habe Siebenbürgen erobert und dauernd mit Ungarn vereinigt, sowie, bereits unter Arpad sei ein magharischer Führer Tuhutum ins Land gebrochen und habe sich desselben bemächtigt, nicht der beglaubigten Geschichte, sondern bloß der spätem, oft geradezu gefälschten Sage an. Nach jener erscheint Siebenbürgen noch lange nach Stephan als ein Weide- und Tummelplatz petschenegischer und später gleich wilder kurnanischer Horden. Zu einem gesicherten Besitztum der ungarischen Krone ist Siebenbürgen nur am Schluß des elften Jahrhunderts und in seinem jetzigen Umfang später erst durch deutsche Ansiedler geworden.

König Stephan starb 1038. Er wurde 1083 heilig gesprochen.

2.

Wie von König Geisa II. gerufen deutsche Ansiedler nach Siebenbürgen kamen

( 1141 - 1161 )

Als an des Rheines Felsenstrand
Der Ritter Burgen baute,
Und vor des Eisenmannes Hand
Dem frommen Bürger graute,
Da beugte vor gewalt'gem Streich
Geknechtet sich die Menge;
Da ward's im heil'gen deutschen Reich
Dem freien Mann zu enge.
  Da zogen viele Männer aus
Ein neues Land zu finden:
Wir wollen uns ein neues Haus,
Ein Haus der Freiheit gründen !
Uns winkt der Urwald freier Schoß
Im fernen Ungarlande;
D'rum reißen wir uns weinend los
Vom heimischen Verbande !
     
    Fr. Marienburg.

Länger denn ein Jahrhundert nach Stephans Tod wurde das ungarische Reich fast fortwährend von Zwietracht und Bürgerkrieg heimgesucht. Weil kein Gesetz da war, das die Thronfolge ordnete, begehrte nach dem Tode eines Königs immer mehr als Einer die Krone. Daraus Hader und Streit ohne Ende. Die Unzufriedenen fanden am griechischen Kaiserhof, im deutschen Reich, in Polen stets Hülfe. Den Frieden zu erhalten gaben die Könige gern den Thronwerbern und Brüdern Teile des Reiches als Herzogtümer, vergrößerten aber durch diese Teilung der Gewalt nur das Übel. Solcher Wirren freute sich der ungarische Adel und die hohe Geistlichkeit. In den innern Kriegen erkauften die Streitenden Fürsten ihre Hülfe teuer mit Gütern und Rechten. So wurden die beiden Stände immer gewaltiger und trotzten bald dem König und schalteten eigenmächtig. Das Christentum aber hatte so wenig wahren Boden gewonnen, daß das fast nur im Äußern verdrängte Heidentum sich zweimal erhob und nur mit Mühe besiegt wurde. Es gänzlich zu erdrücken verordnete das Gesetz Schläge für den, der Sonntags nicht die Kirche besuchte, und wer den Feiertag nicht hielt oder den Toten nicht christlich zur Erde bestattete, mußte zwölf Tage bei Wasser und Brot fasten.

Unter den Königen aus dieser Zeit ragt vor allen Ladislaus I. (1078—1095) hervor, den die Kirche später wie Stephan I. heilig gesprochen. Zwei Einfälle der Kumanen, die an der untern Donau hausten und über Siebenbürgen nach Ungarn brachen, wies er in glücklichen Feldzügen zurück (1084, 1089) und begründete dadurch die dauernde Ausdehnung des ungarischen Reichs auch über Siebenbürgen, das bis dahin nur in seinen nördlichen und westlichen Teilen in seinem Besitz war. Geht doch fast das älteste urkundliche Zeugnis, daß der ungarische König hier Gewalt hatte, nur drei Jahre vor König Ladislaus hinaus, da König Geisa I. 1075 der Benedictinerabtei im Granthal im „Land jenseits des Waldes" „bei der Burg die Turda genannt wird" an einer Stelle „die ungarisch Aranjosch heißt", die Hälfte des königlichen Salzzolles verleiht. Hand in Hand mit der Befestigung der ungarischen Reichsmacht in Siebenbürgen ging die Gründung eines römisch/katholischen Bistums für dasselbe; König Ladislaus errichtete es in Weißenburg am Mieresch; der Bau der ersten Domkirche, wie die von ihr noch erhaltenen Teile und die Nachrichten über sie in Urkunden des 13. Jahrhunderts bezeugen, fällt in das Ende des 11., ja vielleicht erst in die Mitte des 12. Jahrhunderts. Der erste siebenbürgische Bischof kommt vor dem Jahr 1103 (vielleicht gar nur 1113) nicht vor; erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts finden wir Obergespäne von Komitaten genannt. Mit dieser Ausdehnung des ungarischen Reiches nach Osten war naturgemäß eine magharische Einwanderung ins Land verbunden; ein Blick auf die Karte und selbst die heutige Völkerschichtung noch lehrt, daß diese wesentlich im Thal des vereinigten Samosch gegangen. Über die Komitate, die infolge dieser Besitznahme hier entstanden, waltete im Namen des Königs der von ihm ernannte Woiwode, dessen Würde anfangs, gleichfalls bezeichnend, wiederholt mit der des Obergespans von Solnok verbunden ist; die Ostgrenze der Komitate ist lange Zeit wesentlich und im Ganzen gewiß nur bis an den Mieresch gegangen. Wie das, damals schon im Land ansässige Szeklervolk sich zu dieser magharischen Besitznahme verhalten, darüber haben wir keine geschichtlichen Zeugnisse; nur in den Stammsagen ist erwähnt, wie die Szekler die heranziehenden Magharen freudig begrüßt und in treuer Waffengenossenschaft sich ihnen angeschlossen hätten.

Sechsundvierzig Jahre nach Ladislaus I., im Jahre 1141, bestieg Geisa II. den Thron. Er war erst zwölfjährig; aber seine Mutter, die serbische Fürstentochter Helena, führte mit dem Rat ihrer Verwandten und des weisen Erlauer Bischofs Lukas Banfi die Regierung klug und umsichtig. Doch litt das Reich unter mancherlei Unglück schon unter den zwei Vorgängern Geisa's, von welchen der letzte Bela (1131 — 1141) blind war, von Krieg nach außen und innern Wirren schwer heimgesucht. Nun erregten Geisa's eigene Brüder und der angebliche Sohn eines frühem Königs vielfältig Krieg und Unruhe. Eine schwere Hungersnot suchte das Land heim. Auch die Kreuzfahrer, die durch Ungarn zogen, übten mancherlei Ungebühr. Zu jener Zeit nämlich ward das gesamte Abendland von heiligem Eifer ergriffen, das Grab unseres Heilandes und die Stätte, wo er gewandelt, den Händen der Ungläubigen zu entreißen. Viele Tausende mit dem Kreuz bezeichnet strömten in das Morgenland und der zweite große Heerzug ging unter König Geisa's II. Regierung eben dahin durch Ungarn.

Dieses bot damals einen traurigen Anblick dar. Der Segnungen seiner reichen Natur waren die Menschen fast unwert. Städte hatte das Reich nicht; gemauerte Wohnungen gab es beinahe keine, auch hölzerne Häuser waren selten, die meisten nur aus Rohr. Im Sommer und Herbst wohnte man unter Zelten. Noch trauriger sah es im „Land jenseits des Waldes" aus. Ein sprechendes Zeugnis seiner Kultur ist eine Schenkung König Bela's des Blinden, der 1138 der neugegründeten Propstei von Demesch auch Besitz in Siebenbürgen verlieh. Ein Teil der Höfe lieferte Salzsteine an das seine Kloster; andere Hörige waren jährlich zu zwanzig Marderfellen, hundert Lederriemen, einer Bärenhaut und einem Auerochsenhorn verpflichtet. Im Süden hatte das Land geradezu keine bleibende seßhafte Bevölkerung; es war eine Öde (desertum), reich nur an Wald und Wild, von Pflug und Spaten unberührt, ein unsicheres Besitztum der ungarischen Krone. Bedenkt man zu alle diesem den Übermut der Herren vom Adel wider den König und wie derselbe dagegen im eigenen Reiche nirgends Hilfe fand, weil es neben dem Adel keinen freien Stand gab, so leuchtet ein, warum Geisa Seinen Sinn auf Einberufung fremder Volksgenossen richtete.

Sollten diese aber dem Lande höhere Bildung bringen, mit Kraft und Treue die ferne Grenze Schützen, des Thrones Rechte wahren und mehren helfen, so konnte sie der König nur aus Deutschland rufen. Denn schon damals und Seit den ältesten Zeiten war das Volk der Deutschen ausgezeichnet von der Vorsehung vor vielen und zu großen Dingen berufen. Stark an Körper, gewandten Geistes und zahlreich wie der Sand am Meere hatte es die alte Römerherrschaft in Trümmer geschlagen und durch frühe Annahme der Christuslehre die ursprüngliche Kraft veredelnd sich ein Reich gegründet, welches das mächtigste war ans der Erde. Der deutsche König war zugleich römischer Kaiser und von den zwei Schwertern, die der Herr nach dem Glauben der Völker aus der Erde gelassen, führte er das eine. Die Deutschen selber trieben Land» und Bergbau, Gewerbe und Handel und hatten zahlreiche Städte, die schon oft die Kaiser geschirmt. Deutsche Krieger waren in ganz Europa gesucht und deutsche Tapferkeit geehrt. War doch sogar in Ungarn Christentum und Königtum nur durch ihre Hilfe gegründet worden! Geisa selbst vertraute den Schirm seines Lebens im Kriege deutschen Männern an.

Also geschah es zur Zeit da die großen Hohenstaufen Konrad III. und Friedrich I. die deutsche Krone trugen, daß König Geisa den Ruf ergehen ließ in die deutschen Lande, der seinem Reich gebildete Bewohner, her Grenze tapfere Verteidiger, dem Königtum treue Anhänger bringen sollte. Sein Wort verhallte nicht wirkungslos. Seit Menschenaltern hatten in Ungarn deutsche Einwanderer willige Aufnahme gefunden. Die Kreuzzüge hatten die Bekanntschaft mit dem Lande vermehrt, sein König durch Gründung eines Krankenhauses für Pilger in Jerusalem sich auch in weitern Kreisen guten Namen erworben. So fanden sich zahlreiche deutsche Ansiedler zur Niederlassung im fernen Ungarlande bereit. In diese Zeit geht wahrscheinlich die Gründung der deutschen Bergstädte, der Anfang der deutschen Bevölkerung in der Zips zurück. Auch Siebenbürgen hat damals den Hauptstamm seiner deutschen Bewohner erhalten. In jenem weiten Landstrich zwischen dem Mieresch, dem Alt und den beiden Kokeln, der die ehemaligen sächsischen Stühle, dem Hauptstamm der sächsischen Bevölkerung umfaßt und wie ein Garten anzuschauen ist, damals aber eine Öde war, schlugen unter König Geisa's Regierung, von ihm gerufen deutsche Ansiedler ihre Wohnung auf. So steht es geschrieben in den Freibriefen unseres Volkes. „Die deutschen Ansiedler jenseits des Waldes", sagt König Andreas II. 1224 von den Obenerwähnten, „sind gerufen worden vorn frommen König Geisa unserm Großvater" und wenige Jahre nach ihrer Einwanderung nennt der päpstliche Gesandte Gregorius das Land, das ihnen Geisa verliehen, ausdrücklich eine Öde oder eine Wüste (desertum).

Doch die Regierung König Geisa's II. umfaßt beinahe ein Menschenalter und gern möchte man wissen, in welchem Jahr derselbe die Väter ins Land gerufen. Darüber aber schweigt die Vergangenheit. Was über einzelner Orte Erbauung in Zeitbüchern und sonstwo gelesen wird, ist später entstanden und ermangelt, zum Teil offenbar falsch, aller Glaubwürdigkeit. Nur so viel ist gewiß, daß die Ansiedlungen in jenem Gebiete nicht gleichzeitig, sondern nur allmählig erfolgt sind. Kurze Zeit nach der Einwanderung in jenem großen Prozeß, den der siebenbürgische Bischof über den Umfang der Hermannstädter Propstei führte, unterscheidet (um 1195) der päpstliche Kardinallegat Gregorius in Übereinstimmung mit König Bela III. ausdrücklich zwischen frühern und spätern deutschen Ansiedlungen aus der Zeit von Geisa's II. Regierung. Und zwar kamen die ersten wohl am Samosch heraus und setzten sich zuerst an der südlichen Grenze fest, ihr zum Schirm, da wo die Gewässer des Alt den schützenden Bergzug durchbrechend den Zugang in das Land öffnen und weiter hinaus, wo der Fluß vor dem Gebirge strömt, wie der Graben vor dem Wall, Das sind die Kapitel — denn die kirchliche Einteilung hat die ursprüngliche Lagerung am treuesten erhalten - Hermannstadt, Leschkirch, Schenk und das Gebiet derselben heißt im Munde des Volks „das alte Land" bis aus den heutigen Tag. Daran schlossen sich weiter hinaus nach Osten den Grenzfluß entlang -- denn vom Mieresch an den Alt verlegte die deutsche Einwanderung die gesicherten Marken des ungarischen Reichs -- die spätern Zuzüge unter König Geisa bis dahin, wo die Szekler-Niederlassung weiteres Vordringen unmöglich machte. Das ist der alte Kern des Kosder Kapitels, der in stattlichen Gemeinden sich um den, gewiß frühe schon befestigten schwarzen Basaltfelsen von Reps im Kosdthale und in den Hamorodthälern lagerte. Rückstufung des Einwandererstroms nach Westen war es, die die Gemeinden des Keisder Kapitels, wesentlich des spätem Schäßburger Stuhls, und jene Gemeinden des Kosder Kapitels gründete, die, in dem langen schmalen Berg- und Thalgewirr von Osten nach Westen zwischen dem Keisder und Schenker Kapitel eingeengt, die Schenker und Magaraier Abteilung des Kosder Kapitels bildeten und bilden. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß, als die Altlinie besetzt und gesichert war, andere Einwandererzüge, wohl aus dem Samoschthal den Mieresch herabziehend, von Mühlbach aus den Unterwald besiedelten und aus dem Thal des Zeckesch ins Kokelland hinübersteigend hier die Gemeinden des Schelker und Mediascher Kapitels gründeten. Wann das Nösnerland seine deutsche Bevölkerung erhalten habe, darüber giebt kein geschichtliches Zeugnis uns unmittelbare Kunde. Doch später als unter Geisa II. geschah es wohl kaum, nicht nur weil wir bereits 1222 einen Königsgrafen von Bistritz (Emerich von Salzburg) genannt finden, sondern auch weil zwei Menschenalter schon nach Geisa's Tode Rodna so reich und menschenstark war, daß es Widerstand gegen die Mongolen wagen konnte. Ja es ist sehr wahrscheinlich, daß die deutsche Ansiedlung im Nösnerland, in der wir gleichfalls zwei Gruppen, die des Nösner und des später mit diesem vereinigten Kiralner Kapitels unterscheiden, in die Zeit vor Geisa hinaufreicht- Denn die deutsche Masseneinwanderung, die unter diesem in den Süden Siebenbürgens erfolgte, setzt notwendig frühere voraus, die die Möglichkeit und Nützlichkeit solcher Ansiedlungen für Krone und Ansiedler bereits gezeigt hatten. Diese aber konnten anfangs nur auf jener natürlichen Heerstraße im Samoschthal erfolgen, die auch den Weg für die alte magharische Besitznahme jener Teile bot. Die in dem Samoschgebiet befindlichen Gemeinden, welche magharisch geradezu „die Deutschen" (nemethi) heißen, weisen in der That auf eine Zeit zurück, wo deutsche Gemeinden noch vereinzelt im Lande standen und als solche natürlich nach ihrem Volkstum benannt wurden, was nur vor Geisa der Fall sein konnte. Und daß die deutschen Ansiedler in Deesch (deutsch Burgles) noch im 13. Jahrhundert nach dem Freibrief König Bela's IV. von 1236 im Rechtsverfahren sich an das Freitum der Deutschen von Sathmar in Ungarn halten, deutet wieder darauf hin, daß die Gründung der Ansiedlung in eine Zeit fällt, wo das Freitum von Hermannstadt noch nicht bestand.

Die Gründung der Burzenländer Ansiedlung dagegen gehört dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts an.

Zu welchem Zweck König Geisa II. deutsche Ansiedler an die wüste ferne Grenze jenseits des Waldes berufen, geht aus dem hervor, was oben über die Innerzustände des ungarischen Reichs in jener Zeit gesagt ist. Sie kamen den Boden urbar zu machen, die Schätze desselben zu gewinnen und der Kultur eine Stätte zu bereiten; sie kamen zur Verteidigung des Landes, zur Erhaltung der Krone, d. i. zum Schirm ihrer Rechte gegen innere und äußere Feinde. Auch in der Volkssitte hat sich davon ein bedeutungsvolles Zeugnis erhalten. Wenn die „Knechte" in Nadesch alljährlich ihren „Reigen" halten und in ernstem Umzug, gegürtet, die Tasche an der Seite, den Streitkolben in der Hand, um die Fahne geschart, an der Spitze ein Alter, der die Trommel schlägt, durch die Gassen gehen, da antworten sie, nach der Bedeutung des Umzugs gefragt: „Also sind einst unsere Vorfahren, freie Leute, hinter der Fahne und der Trommel, die Waffen in der Hand in dieses Land gekommen und haben Kriegsdienste gethan." So steht auch aus ihrem uralten Siegel geschrieben: ad retinendam coronam und so zeugt ihre ganze Geschichte. Daher kamen sie als freie Männer mit vollem Eigentumsrecht auf Grund und Boden, den sie einer wilden Natur und noch wilderen Menschen erst abringen sollten.

Die Rechte aber, die die Väter haben wollten in der neuen Heimat, ließen sie sich vertragsmäßig zusichern vom König, damit sie darin den festen Grund hätten, aus dem sie ihr und ihrer Kinder Wohl bauen könnten in selbständiger volkstümlicher Fortdauer. Zwar sind diese Briefe Geisa's verloren gegangen im Sturm der Zeiten, aber König Andreas erwähnt ausdrücklich das „Freitum, aus welches die deutschen Ansiedler gerufen worden vom frommen König Geisa."

Aus welchen Teilen des deutschen Mutterlandes aber kamen denn die kühnen Männer, und was bewog sie, aus angebauten Gegenden in Wüsten und aus dem Kreis gebildeter Volksgenossen an die ferne Grenze der Christenheit zum Kampf gegen wilde Horden zu ziehen ? Über die f r ü h e r e Heimat unserer Väter ist uns keine gleichzeitige Kunde erhalten. Nur die einsame Sage erzählt in der stillen Dorfgemeinde des neuen Vaterlandes, daß unsere Vorfahren einst am Meere gewohnt, in das vier Flüsse einmünden, die aber alle nur aus einem kommen; ob wohl der Rhein da in dunkler Erinnerung nachklingt? Auch in den deutschen Zeitbüchern findet sich nichts darüber. Denn die Heerfahrten ins heilige Land nahmen damals alle Aufmerksamkeit in Anspruch und in der allgemeinen Völkerbewegung wurden jene Auswanderungen nicht beachtet. Der päpstliche Abgeordnete Gregorius nennt um 1195 die Eingewanderten Flanderer. Also kam ein Teil der Ansiedler vielleicht aus Flandern; so hieß der Küstenstrich südwestlich von den Rheinmündungen und tief ins Land hinein. Auch das schon im 14. Jahrhundert nachweisbare Siegel des Hermannstädter Gaues mit den drei Seeblumenblättern weist auf ein deutsches Küstenland hin. Daß Andere vom Mittel- und Niederrhein gekommen, aus den Gegenden zwischen dem Rhein, der Mosel und der Maaß, der Lahn und der Lippe und nördlich derselben, wo seit alter Zeit auf zahlreichen Punkten sich der sächsische und fränkische Stamm berührte, doch wesentlich diesem angehörig, darauf deuten zahlreiche Ortsnamen und Rechtsgewohnheiten, Sitten und Gebräuche, Sagen und Märchen und jene merkwürdigen Mythenreste, die in diesen und in Anderm erhalten fast ohne Ausnahme dahin weisen, davon zeugt vor Allem die Sprache. Die Mundarten jener Teile Deutschlands stimmen mit den des siebenbürgischen Sachsenlandes so wesentlich und vielfach überein, daß wer aus diesem jene hört, fast meint, sich im lieben Vaterland zu finden. Neuere Untersuchungen lehren, daß die Bistritzer Ansiedler, in deren Ortsnamen und Mundart manche Ähnlichkeit mit den der Zipser Deutschen anklingt, sowie die Burzenländer aus denselben Gegenden Deutschlands hieher eingewandert sind wie die beiden am Alt.

So sind unsere Väter hieher gekommen, aus fernem Land über Ströme und Gebirge. Kühne Wanderlust ist von uralten Zeiten dem deutschen Volke eigen gewesen. Damals aber trug viel dazu bei, sie rege zu machen. In ältester Zeit war jeder Deutsche ein freier Mann und fast unumschränkter Herr auf seinem Gute. In der Volksgemeinde entschied er über Krieg und Frieden, wählte Heerführer und Richter und wies das Recht. Das aber hatte sich im Lauf der Zeiten traurig geändert. Durch Krieg und Eroberung hatte sich ein Adel gebildet, der mehr gelten wollte als der freie Mann und alles Recht für sich nahm. Bald wurde das Volk für nichts mehr geachtet. Steuern mußte es nur und der Herren Schlachten schlagen, die ihm seine Freiheit stets verringerten. Man rief es nicht mehr zur Landgemeinde. Den Richter setzte der König oder der Bischof, oder der Graf. Feld und Wald und Fluß und Fisch war nicht mehr des Volkes. Darum wanderte aus, wer das Recht liebte. Edle Menschen haben von jeher die Freiheit dem Vaterland vorgezogen.

Zu diesem kam in Flandern und am Rhein noch mancherlei anderes Unglück. Flandern ist niedrig gelegen und kann nur mühsam durch Dämme gegen den Einbruch des Meeres geschützt werden. Oft aber spottet dieses der Menschenkraft, zerstört ihre Werke und überschwemmt weithin das Land. So versank im Jahr 1135 ein großer Teil von Flandern, Holland und Seeland in den Abgrund; viele Tausende ertranken; Andere verloren Haus und Hof und Alles. Das und viele innere Kriege schwächten ebenfalls die Anhänglichkeit an das Vaterland. Aus den Gegenden am Rhein melden die Jahrbücher grade aus derselben Zeit vielfache Überschwemmungen, dann wieder Dürre, Mißwachs, Hungersnot. So folgte um das Jahr 1140 zahlreiches Volk aus Holland und Flandern, auch aus Westfalen und Friesland dem Ruf des Grafen Adolf von Holstein in die wüsten Flächen Magriens. Und wenn man in der Urkunde des ungarischen Königs Stephan V. von 1171 liest, wie die adeligen Männer Gottfried und Albert, deutsche Ansiedler, ihr Vaterland verlassend unter der Regierung des glorreichen Königs Geisa seinem Rufe folgend in das Reich Ungarn ehrenvoll hereingekommen und König Geisa, weil sie tapfere Krieger gewesen, sie ehrenvoll empfangen und ihnen Landbesitz verliehen: so meint man ein Bild aus Ungarn und Siebenbürgen vor Augen zu haben, wenn der gleichzeitige Chronist Helmold in seiner Wendenchronik erzählt, „weil aber das Land Magrien öde (desertum) war, sandte Graf Adolf von Holstein Boten in alle Gegenden, nach Flandern und Holland, nach Utrecht, nach Westfalen, nach Friesland, damit wer immer dort Mangel an- Weide oder Ackerland habe, käme mit seinem Hausgesinde, um das beste Land zu empfangen, geräumiges Land, reich an Früchten, mit Überfluß an Fisch und Fleisch und geeignet zur Zucht der Herden. Aus diese Rede erhob sich eine zahllose Menge von verschiedenen Stämmen und Sie nahmen ihr Hausgesinde mit ihrem Vermögen mit sich und kamen in das Land Magrien zum Grafen Adolf und nahmen das Land in Besitz, das er ihnen versprochen hatte." Auf dem Boden dieser Ansiedlung erwuchs, gegründet 1143, das bürgerstarke meergewaltige Lübeck. Auch Heinrich der Löwe, Herzog in Sachsen, berief aus denselben Gegenden um 1160 Ansiedler in das eroberte Wendenland. Heute noch klingt das uralte Auswandererlied aus dem 12. Jahrhundert in den flamischen Bauernschaften Brabants wider:

Naer Oostland willen wy rejden
Naer Oostland willen wy mêe
Al over die groene heiden
Frisch over die heiden
Daer ist een betere
stêe

Als wy binnen Oostland kommen
Al onder dat hooge huis
Daer worden wy binnen geladen
Frisch over die heiden:
Zy heeten ons willekom zyn.
  Ins Ostland wollen wir reiten,
Hingehen ins östliche Land,
All' über die grüne Haide,
Frisch über die Haide,
Da ist ein besserer Stand.

Als wir ins Ostkand kamen
All' unter das hohe Haus,
Da wurden wir eingelassen
Frisch über die Haide,
Sie hießen und willkommen sein

Dieser deutsche Auswandererstrom, der sich, die größte, folgenreichste nationale That des spätern deutschen Mittelalters, vom 12. bis zum 14. Jahrhundert unerschöpflich über die östlichen Länder ergoß, hat in die Küstenlande der Ostsee bis hinauf an den finnischen Meerbusen deutsche Gesittung getragen und die weiten Slavengebiete, die vom Ostrand Deutschlands fast in sein Herz hineinragten, deutscher Sprache und deutschem Leben gewonnen. Selbst tief hinein nach Polen hat er in Hunderten von deutschen Städten und Dörfern die Anfänge freien Bürgertums und höherer Bildung geführt. Wellen jenes gewaltigen Stromes waren es -- und in diesem Zusammenhang erst erscheint jenes Ereignis in seinem rechten und vollen geschichtlichen Licht — die auch über die Grenzen des ungarischen Reichs befruchtend hereinschlugen, die die Staatsweisheit eines seiner Könige in die öden Thäler des siebenbürgischen Hochlands leitete. Wurden doch sogar nach England jene kühnen Auswanderer im 12. Jahrhundert berufen als Grenzwächter und Wüstenbebauer ; dort schirmten sie das Land gegen Wälsche und Schotten, wie ihre Brüder an den Karpaten das ungarische Reich gegen Petschenegen und Kumanen.

Daß die deutschen Ansiedlungen in Siebenbürgen zahlreich gewesen, lehrt der Erfolg. Aus urkundlichen Andeutungen dürfen wir schließen, daß im Jahr 1224 von Broos bis Draas wohl 50.000 ihrer Höfe standen. Wie hätten sie auch sonst sich behauptet in der feindumschwärmten „Wüste?" Aus ihnen ist die dritte ständische Nation des Vaterlandes erwachsen. Von ihnen hat das Land seinen deutschen Namen Siebenbürgen. Die sieben ersten Burgen, die sie erbauten, mochten mit Recht Staunen erregen weit über die Grenze des Reichs, das nicht einmal gemauerte Wohnungen kannte, und von diesen, die zugleich mit den sieben ältesten Verwaltungsbezirken zusammenfielen, erhielt das Land den Namen Siebenbürgen (septem castra). Und wer da meinte, der deutsche Name komme von den sieben Burgen, die einst ungarische Heerführer hier erbaut hätten -- was nie der Fall gewesen ist, — oder von den ältesten sieben ungarischen Komitaten, dem mußte man mit Recht erwidern, daß der Name unmöglich hievon kommen könne, weil er ursprünglich die ungarischen Komitate gar nicht in sich begreift, da die Geschichtsquellen mit dem deutschen Namen „Siebenbürgen" bis ins 15. Jahrhundert herunter fast ausschließlich das Sachsenland, ja vorzugsweise nur den Hermannstädter Gau bezeichnen. Reste dieses Sprachgebrauchs finden sich heute noch im Burzenland.

In dem neuen Vaterland waren übrigens die deutschen Ansiedler anfangs noch nicht zu einer bürgerlichen Gesamtheit, zu einer Nation im spätern siebenbürgisch/staatsrechtlichen Sinn des Wortes vereinigt. Sie lebten, sowie sie allmälig hereingewandert, in einzelne Gaue oder Grafschaften getrennt, deren jede eine eigene, selbständige, von der andern unabhängige Volksgemeinde ausmachte. Auch hatten sie nicht alle die gleiche vertragsmäßige Freiheit. Die Ansiedler im „Zibinsland", die Hermannstädter erfreuten sich viel schönerer Rechte als die im Nösnerland, die Bistritzer. Alle aber waren sie erfüllt von echtem deutschem Sinn und darum hat der Herr ihr Gemeinwesen erhalten und „gemehrt" in der „Wüste", wohin er sie geführt, auf daß die wilden umwohnenden Völker von ihnen lernten was wahre Freiheit sei und mildere Sitten und edle Bildung annähmen.

3.

Von dem Tode Geisa's II. bis zum goldenen Freibrief der Sachsen. Die deutschen Ritter im Burzenland.

( 1161 - 1224 )

Von den ersten Jahren, die unsere Väter in der neuen Heimat lebten, schweigt die Geschichte. Zeitbücher, die so weit hinaufreichten, hat unser Volk nicht. So können wir denn nirgends lesen -- und es wäre doch lehrreich und kräftigend zu erfahren, wie die Altvordern es angefangen, die Wildnis zu einem Sitz für Menschen umzuwandeln und welche Gefühle ihr Gemüt durchschauert haben in der Totenstille -- der Einöde. Die war damals gewiß. Soweit das Auge reichte, bedeckt von dunklem Urwald und fast nirgends eine Spur von Menschenarbeit, als hie und da auf einsamem Feld der hohe Grabeshügel, den die Vorzeit über ihre Recken gehäuft oder auf steiler Bergeshöhe unscheinbar gewordene Wallkreise und zerfallenes Mauerwerk, das die Ankömmlinge staunend ob der Kraft, die der Ausbau gekostet, Hünenburgen nannten und wir nennen die Höhen so bis auf den heutigen Tag. Und manche seltsame Mähr geht davon unter Jung und Alt an dem langen Winterabend, wenn es draußen stürmt und in der Stube das Feuer lodert und wer sie hört, dem geht sie durch Mark und Bein. Aber die Väter hatten Herzen, denen vor nichts bangte und halfen sich frisch aus jeder Fahr und Not. Wie klangen da die Abschläge an den vielhundertjährigen Stämmen, bis sie den Wald mit den weitverschlungenen Wurzeln rodeten! Wo seit unvordenklichen Zeiten der Sumpf die bösen Dünste in die Luft gehaucht, da leiteten sie das Wasser ab, und gewannen fruchtbares Land und erbauten an gelegenen Plätzen das Wohnhaus und das Gotteshaus und die schützende Burg. Und der Väter Arm, der ihnen die harte Erde unterwarf, bezwang ebenso auch den Feind. Die Hand, die den Pflug und den Hammer führte, verstand sich auch auf des Schwertes Wucht, und der Bogen, der den Wolf vor der Herde tötete und den Bären, traf nicht weniger sicher die feindliche Brust.

Über die Fülle dieses frischen Lebens in der neuen Ansiedlerwelt der fernen, nun deutsch gewordenen Karpathenthäler hat es gewiß wenn auch nur an dürftigen gleichzeitigen Aufzeichnungen nicht gefehlt, wiewohl die harte Arbeit in Krieg und Frieden nur wenig Muße zum Schreiben lassen mochte. Aber die Schwere jener ersten Jahrhunderte hat nichts davon auf bessere Zeiten kommen lassen; kaum daß in der Chronik eines verwandten Klosters im deutschen Mutterland sich einmal eine Nachricht erhielt, die Schrift oder Wort des fernen Ordensbruders dahin gebracht. So tritt aus dem Dunkel der Geschichte die Sage in ihr Recht und behauptet mit ihrem zauber- und stimmungsvollen Licht die klaffende Lücke, die jene gelassen. Wie die deutschen Scharen, also erzählt sie, zuerst in die Zibinsebene gekommen und das Land einladend fanden zu dauernder Niederlassung, da stießen aus der Stelle, wo jetzt Hermannstadt steht, die zwei Führer, deren einen sie Hermann nennt, ihre Schwerter kreuzweise in den Boden, nahmen damit Besitz von diesem und schworen, ihn sowie die Treue gegen den König nur mit dem Leben zu lassen. Darum sind die zwei gekreuzten Schwerter eingerahmt in das Dreieck mit den Seeblumenblättern das Wappen von Hermannstadt bis auf diesen Tag. Von jenen beiden Schwertern aber trugen sie eins nach Broos, das andere nach Draas, an die West- und Ostmarken des eingenommenen Gebietes, „wo das sächsische Vaterunser ein Ende hat", damit sie daselbst treue Grenzwache hielten. Und heute noch zeigen sie mit gerechtem Stolz das Riesenschwert in Draas und bewahren es sorgsam in der altehrwürdigen Kirche, deren gekuppelte Rundbogenfenster nun schon die Sonne in sieben Jahrhunderten gesehen.

In ähnlicher Weise berichtet die Sage noch über die Gründung manches andern Ortes, oder erzählt aus seinen Anfängen, wie im Streit mit dem Nachbar um die Feldmark die jungen Männer die schlanke Eiche zum Riesenbogen gespannt und weithin über den begrenzenden Fluß den entscheidenden Pfeil abgeschossen. Nur über Eines giebt auch sie keine Kunde, darüber, welcher geheimnisvolle Zusammenhang mit einer rätselhaften Vorzeit in der neuen deutschen Ansiedlung einzelne Orts-, Berg-, Feld- und Flußnamen in slavischen Lauten wohl vorgefunden und erhalten habe.

Denn sonst brachte diese die ganze Fülle deutschen Gemüts- und Geisteslebens in die neugewonnene Heimat mit und zahlreiche Örtlichkeitsbezeichnungen tragen den oft überraschenden Ausdruck desselben. Im „Wonsbäsch" bei Martinsberg, in der „Wonslenk", dem stattlichen Eichenwald bei Mühlbach, im „Wodesch" bei Häzeldorf lebt vielleicht der Name des höchsten deutschen Gottes aus der Heidenzeit (Wodan). Im „Huldegrowen" bei Kleinscheuern, im „Huljebrånen" bei Trapold, im „Fra-Holte-Bråuen" bei Nådesch waltet unzweifelhast Frau Holda. Auch viele andere Lebensäußerungen zeugen, mit welcher Treue die Seele der Einwanderer die altdeutsche Götterwelt, vom Christentum nicht verdrängt oder wenig umgebildet, auch im neuen Vaterland festgehalten. Lebt doch jene Götterwelt, wenn auch von den Wenigsten noch erkannt und verstanden in Sitten, Sagen, Märchen, Liedern, Heilsformeln, Sprüchen und Bräuchen des sächsischen Volkes bis zur Gegenwart! Bis in unsere Tage herab haben sie bei der Einführung des Sachsengrafen in sein Amt den Schwerttanz getanzt, der ursprünglich den Gott des Schwertes Zio oder Fro ehren sollte. Im Rößchentanz der sächsischen Bauernhochzeit führen sie heute noch eine Fahrt Thors des Donnergottes, wenn auch mit geänderten Namen, auf und kein einziger Zug, wie ihn die Edda enthält, fehlt in der Überlieferung. Auch gegenwärtig verkürzt die altdeutsche Tiersage die langen Abende der Rockenstube und lebt dort in einzelnen Teilen fast in reicherer Vollständigkeit als im Mutterland. Wie vor vielen Jahrhunderten an der westlichen Seite des Niederrheins und an der Niedermosel wird im Hermannstädter Gau heute noch der erwählte Ortsvorstand der Landgemeinde mit „Herr der Hånn" geehrt, während im Nösnerland wie in Friesland der „ehrbare Mann Gräf" desselben stattlichen Amtes waltet. Also erhielten sich die Väter und gediehen in der neuen Heimat. Und die Kunde davon flog hinüber ins deutsche Mutterland, in dessen Sänger- und Heldensagen von da an plötzlich der Name Siebenbürgen auftaucht, wie Trümmer jener im sächsischen Volkslied sich finden. Und die ungarischen Könige sahen es freudig, wie die deutschen Ansiedlungen der Reichsgrenze zu fester Wehr wurden und mehrten darum ihrerseits gern deren Wohl. So auch Bela III., Geisas II. Sohn, am griechischen Kaiserhof erzogen, ein Mann von tiefer Einsicht, den wegen seiner ruhmvollen Thaten im Innern und nach Außen die ungarische Geschichte den Glorreichsten nennt. Die deutschen Ansiedler hatten Sich bei ihrer Einwanderung kirchliche Selbständigkeit ausbedungen, daß sie sich die Pfarrer selber wählen könnten und ihnen den Zehnten gäben. Schon waren nämlich die Bischöfe in der christlichen Kirche so mächtig geworden, daß sie die meisten Kirchenämter besetzten und ihre Einkünfte bezogen, während der Arbeiter darbte. Auch der siebenbürgische Bischof erhob Ansprüche aus Zehnten und Gerichtsbarkeit der neuen Pflanzung in seiner Nahe. Bela, ihre geistliche Unabhängigkeit zu retten und zu sichern, stiftete im Jahre 1191 die freie Hermannstädter Propstei, die in weltlichen Dingen unmittelbar ihm, in geistlichen unmittelbar dem Papst untergeordnet sein sollte. Sie war dem heiligen König Ladislaus geweiht. Die deutschen Ansiedler wurden dadurch in kirchlicher Beziehung fremdem, ihrem Innerleben gefährlichen Einfluß entzogen. Der siebenbürgische Bischof war jedoch unzufrieden damit. Er erhob Streit gegen den Propst über die Ausdehnung seines Sprengels. Dieser behauptete, alle unter Geisa einberufenen Ansiedler seien darin begriffen; der Bischof wollte nur die ersten Einwanderer ihm untergeordnet wissen; König und Papst entschieden zu seinen Gunsten. So wurde der Sprengel der Propstei auf die Kapitel Hermannstadt, Leschkirch, Schenk beschränkt, die wie das später entstandene Burzenländer unter dem Erzbischof von Gran standen, während die übrigen Kapitel dem siebenbürgischen Bischof untergeordnet wurden, ein Unterschied, der in den Rechten und Leistungen der Kapitel kenntlich gewesen ist bis in unsere Zeit herab.

Auch die Stiftung der Zisterzienser-Abtei Kerz geht in Belas III. Zeiten zurück. Von allen Mönchsorden begünstigte Bela III. keinen so sehr, als den der Zisterzienser, den strenge Zucht, Arbeitsamkeit und Verwerfung aller Pracht auszeichnete. Darum gründete der König r Brüder des Ordens die Abtei zu Egresch in Ungarn, woher zur Ehre der heiligen Jungfrau Maria an dem linken Altufer an der Grenze des Hermannstädter Gaues nahe dem bald wlachendurchstreiften Karpathengebirge die Abtei Kerz gegründet wurde. So stand vor Arm und Schwert der deutschen Ansiedler die Kirche mit Kreuz und Gebet. Das neue Kloster aber scheint den Zwecken seiner Gründung: durch des Herrn Lehre die wilden Gemüter sonstigen zu helfen, glücklich nachgestrebt zu haben. Denn König Andreas II. schenkte ihm ein Stück Wlachenland vom Alt bis zum Gebirge und bestätigte es 1223 in dem Besitz von Michelsberg, das der Priester Magister Gocelinus ihm zum Heil seiner Seele vergabt hatte.

König Bela III. starb im Jahre 1196. Die deutschen Ansiedlungen in Siebenbürgen waren unter seiner dreiundzwanzigjährigen Regierung fröhlich ausgeblüht. An dem französischen Hofe, woher Bela 1186 seine zweite Gemahlin holte, rühmte - doch wohl übertrieben - des Königs Brief, wie er jährlich 15,000 Mark Silbers Abgaben von ihnen beziehe.

Nach Belas Tod kämpfte der jüngere Sohn Andreas mit dem ältern, Emerich, um die Krone. Die Sachsen standen auf des rechtmäßigen Königs Seite und Andreas wurde besiegt. Erst nach des Bruders und des Neffen, Ladislaus, Tod (11. Mai 1205) konnte er sich die Krone aufsetzen. Doch zählt er seine Regierungsjahre gewöhnlich von Emerichs Tod, d. i. vorn 30. November 1204.

Andreas II. regierte dreißig Jahre. Er war ein Mann meist schwachen, wankelmütigen Sinnes und oft blindes Werkzeug seiner Günstlinge. Durch sinnlose Verschenkung der Krongüter an Kirche und Adel sank die Königsmacht, die in den frühern Thronkriegen bereits so sehr gelitten, noch mehr. Da unternahm der König 1217 einen Kreuzzug ins heilige Land. Eine bedeutende Zahl von Sachsen bildete den Vortrab, durch Ordnungsliebe und Bildung vor den übrigen Scharen ausgezeichnet. Doch war der Zug vergeblich. Nachdem der König barfuß das Kreuz des Herrn geßt, im Jordan gebadet und in den Fußtapfen des Heilandes am galiläischen Meer gewandelt, kehrte er in sein Reich zurück. Aus diesem war alle Ordnung gewichen. Der mächtige Adel hatte alles an sich gerissen. In fünfzehn Jahren werde er das Reich nicht aufrichten können, so klagte Andreas. Selbst zwischen Vater und Sohn entspann sich Streit; kaum daß die Schwerter in der Scheide blieben. Nach langem Hader erzwang der Adel vom König einen Freiheitsbrief (1222), den man von dem goldenen Siegel die goldene Bulle nennt. Auf dieser hat die Verfassung des ungarischen Reiches beruht bis auf unsere Tage. Der Adel wurde darin fast von allen Pflichten befreit und erhielt große Rechte, selbst das Recht des Aufstandes gegen den König, wenn dieser den Freibrief verletzen sollte. Doch war darin auch festgesetzt, daß Ansiedler bei der ihnen von Anfang an erteilten Freiheit geschützt werden sollten.

In so großer Gefahr, als der Adel ein Recht der Krone nach dem andern an sich riß, mußte sich das Königtum um andere Stützen umsehen. Die Weisheit früherer Könige hatte dafür gesorgt, daß dieselben nicht fehlten. Die freien deutschen Ansiedler des Landes waren die naturgemäßen Verbündeten der Krone. Darum schirmte sie Andreas, hier das Richtige erkennend und treu übend, mit seiner ganzen Kraft und wandte ihnen stets schützende Gunst zu. So auch in Siebenbürgen.

Was König Geisa II. begonnen, die Sicherung der Grenze des fernen Waldlandes durch Verleihung wüster Gebietsstrecken an Deutsche, setzte er hier mutig und einsichtsvoll fort. Die früheren Ansiedlungen reichten nicht bis in den Südosten des Landes. Die Verhaue, die auf dein Höhenzug jenseits des Altflusses die Grenzen schirmen sollten, waren unwirksam gegen die wilden Kumanerhorden. Die brachen häufig über die Gebirge und machten der Krone den Besitz des Landes streitig. Dasselbe zu sichern, das Reich vor den Einfällen des rohen Feindes zu wahren, vergabte Andreas dem Orden der deutschen Ritter das Burzenland.

Der war so entstanden. Zur Zeit da Bela III. König in Ungarn war, zog der deutsche Kaiser Friedrich l., der größte Fürst seines Jahrhunderts, mit vielem Volk gen Palästina, das heilige Land den ungläubigen Feinden zu entreißen. Tiefbetrauert von Allen starb aber der greise Held plötzlich auf dem Zuge in Klein-Asien. Die Trümmer des Heeres führte sein Sohn Herzog Friedrich von Schwaben vor die Feste Akkon, welche der Christen Kriegsmacht belagerte. Bald brach unter den Belagerern Mangel aus und wüteten Seuchen in entsetzlicher Art, am schrecklichsten unter den Deutschen. Da spannten einige mildthätige Bürger von Bremen und Lübeck ihre Schiffssegel zu Zelten aus, auf daß man in ihnen die Kranken pflege und erquicke. Tief ergriffen von dem Gefühl des Mitleids beschloß Herzog Friedrich einen deutschen Ritterorden zu gründen, der neben dem Kampf gegen die Ungläubigen sich auch die Pflege der Armen und Kranken zur Pflicht mache. Die Oberhäupter der Christenheit, Papst Clemens III. und Kaiser Heinrich VI. gewährten die erbetene Bestätigung. Also empfingen im Jahre 1191 vierzig deutsche Männer den weihenden Ritterschlag und legten das Ordensgelübde ab, das Mönchs- und Rittertum vereinigte. Nur Deutsche von adeliger oder wenigstens freier Geburt sollten aufgenommen werden. Ein weißer Mantel mit schwarzem Kreuz über dem Harnisch war ihre Tracht, ein Strohsack ihr Lager, schlechte Kost ihre Nahrung; wenn der Feind ihre Schwerter unbeschäftigt ließ, stillten Übungen der Andacht zu festgesetzten Stunden des Tages und der Nacht ihre Zeit aus.

Bald wurde der Name der Ritter viel gerühmt und in weiten Kreisen genannt. Auch an Vergabungen und Schenkungen fehlte es nicht. Dem Orden stand eine große Zukunft bevor, als der zum Werk geeignete Mann erschien. Das war Hermann von Salza, der im Jahr 1210 Hochmeister wurde, klug im Rat, tapfer im Felde, des Kaisers und des Papstes Liebling. Ein Jahr später (1211) verlieh König Andreas II. den Rittern das Burzenland, auf daß durch ihr Gebet seine Barmherzigkeit zu seinem und seiner Vorfahren Seelenheil vor Gott komme und das Reich durch ihre Tapferkeit gegen die Kumanen geschützt werde. Darum erhielten sie die Erlaubnis, hölzerne Burgen und Städte zu erbauen und von aufzufindendem Gold und Silber die Hälfte für sich zu behalten. Auch waren sie nicht verpflichtet, den Woiwoden zu bewirten, zahlten keine Abgaben, durften zollfreie Märkte einrichten und standen bloß unter des Königs Gerichtsbarkeit. Das Land aber, das ihnen der König schenkte, war nach den ausdrücklichen Worten des Königs und Papstes wüst und öde und von Bewohnern entblößt. Seine Grenzen gingen von Halmagn in die Gegend des Dorfes Galt, von da über die Berge nach Mikloschwar, den Altfluß entlang bis zur Mündung des Tartlauer Baches, darauf ins Gebirge zu den Quellen des Tömösch und der Burzen und über den felsigen Höhenzug an des Landes Grenzen bis wieder gen Halmagn.

Der Orden nahm die Schenkung an und wurde in den Besitz des wilden aber schönen Ländchens eingeführt. Das Gelübde steten Kampfes gegen die Ungläubigen konnte er am Altfluß eben so gut erfüllen als im Thal des Jordan. Denn die Kumanen waren ein rohes Heidenvolk, ohne Kenntnis Gottes und von entsetzlichen Sitten. Also pflanzte der Orden feine Banner auf in der schönen bergumkränzten Fläche des Burzenlandes, um die wenigen zugänglichen Pässe des Karpathengebirges mit starkem Arm gegen der Kumanen Mordeinfälle zu schirmen. Und er berief Deutsche in das Land, auf daß sie ihm hülfen in dem schweren Werk.

Bald erhoben sich schützende Burgen an der Grenze der neuen Ansiedlung: gegen Mitternacht auf mäßigem Hügel die Marienburg, vielleicht der Hauptsitz der Ritter, jenseits des Tartlauerbaches die Kreuzburg, weiter das Castell auf dem Gesprengberg bei Kronstadt, gegen Mittag das Rosenauer Bergschloß und die Schwarzburg bei Zeiden. Von hier aus führten die Ritter zugleich die bürgerliche Verwaltung, daher die hervorragende Stellung jener Orte in dem Rechtsleben des  Gaues bis in unsere Tage herab. Neben diesen entstanden auch andere Burgen zu dem bloßen Zweck der Verteidigung, so die Heldenburg, die Törzburg. Die meisten sind noch in ihren Trümmern vorhanden und schmücken die grünen Höhen des schönen Burzenlandes als sprechende Zeugen einer gewaltigen Vorzeit.

Dem König gefiel die Weise des Ordens im Lande; denn an dem festen Burgenkranz und dem Schwert der Ritter brachen sich die Wogen kumanischer Raubsucht. Darum vergrößerte er seine Schenkung 1212 durch Verleihung der Kreuzburg an den Orden, die dieser außerhalb des Burzenlandes errichtet und mehrte seine Rechte, indem er seinen Münzwechslern verbot, das Ordensland zu betreten und seine Bevölkerung zu belästigen, weil der Orden, wie der König rühmt, eine neue Pflanzung, auf der fernen Grenze den beständigen Angriffen der Kumanen ausgesetzt und dem Reiche ein festes Bollwerk täglich dem drohenden Tod entgegen zu stehen sich nicht scheue. Also erwarben die Ritter, wie Bischof Wilhelm von Siebenbürgen 1213 sagt, durch eigenes Blut das Land, das sie öde und menschenleer durch königliche Schenkung erhalten, und verteidigten es mutvoll gegen die täglichen Angriffe der Heiden. Darum überließ er den Rittern zugleich die Einsetzung der Pfarrer und gestattete ihnen den Zehnten von allen Bewohnern des Burzenlandes zu nehmen, ausgenommen von Ungarn und Szeklern, falls solche sich dort niederlassen würden. Diese sollten dem Bischof zehntplichtig sein.

Aber der Orden vom glücklichen Erfolg kühner gemacht, vergaß die Bedingungen, unter welchen ihm der König das Land geschenkt. Er dehnte die Grenzen aus weit über das ursprüngliche Gebiet, prägte Münzen, baute steinerne Burgen und that bald Vieles, was dem König Übel gefiel. Darum entbrannte sein Zorn und er gebot, den Rittern das Land zu nehmen. Noch war aber der Befehl nicht vollzogen, als er im Jahre 1222 dem Orden das Land aufs neue verlieh, dasselbe mit den kumanischen Eroberungen bis gegen die Donau hin vergrößerte und die Rechte der Ritter vermehrte. Sie durften fortan Steinburgen bauen, jährlich je sechs Schiffsladungen Salz aus dem Mieresch und Alt ausführen und auf der Rückfahrt Waren mitbringen; die Ritter und die Bevölkerung des Burzenlandes waren zollfrei, wenn sie durch das Szekler- oder Wlachenland zogen. So in dem Besitz befestigt, gedachte Hermann von Salza des königlichen Wankelmuts und wie der Orden mächtige Feinde am Hofe habe und daß auf diese Art seine Macht nie sicher stehen werde. Darum beweg er den Papst Honorius III., das Burzenland ins Eigentum des apostolischen Stuhles aufzunehmen. Der Papst that es 1224 und stellte das Land unter seine ausschließliche Hoheit, damit die Bevölkerung der weiten, aber noch immer menschenarmen Landstrecke sich mehre zum Schrecken der Heiden, zur Sicherheit der Gläubigen und zum großen Gewinn für das heilige Land. Als Zeichen der Anerkennung der päpstlichen Oberherrlichkeit solle der Orden jährlich zwei Mark Gold entrichten. Damit zerrissen die Ritter das Band, das sie an die ungarische Krone knüpfte. Ein selbständiger Ordensstaat stand plötzlich drohend an der Grenze. Andreas erkannte die Gefahr. Mit ungewohnter Beharrlichkeit widerrief er alles, was er mit dem Orden verhandelt und nahm die Schenkung zurück. Vergebens versuchte der Papst zu unterhandeln und des Königs Sinn zu ändern. Andreas rückte ins Burzenland ein, verjagte die Ritter im Frühling 1225 aus einer Ordensburg mit gewaffneter Hand und vertrieb sie in demselben Jahr aus dem ganzen Gebiete. Als Hermann von Salza den unbeugsamen Sinn des Königs sah, verließ er das Reich mit seinen Rittern und folgte dem Ruf des Herzogs Konrad von Masovien. Der bat den Orden im Jahre 1226 an die Weichsel zu kommen und dort die Kirche Christi vor dem wilden Grimm des heidnischen Preußenvolkes zu schützen. Dasür solle er das Kulmerland und noch ein anderes Gebiet erhalten zu ewigem freiem Eigentum. Also zogen die Ritter hin, nahmen das Land ein, das der Anfang und Grund des heutigen Königreichs Preußen geworden ist und vergaßen bald den kurzen Besitz von Burzenland. Die deutschen Ansiedler aber, die sie in dieses gesetzt hatten, erstarkten zu einem glücklichen und freien Gemeinwesen Jahrhunderte hindurch eine feste Wehr der Grenze und eine Zierde des ungarischen Reiches.

Zur Zeit da die deutschen Ritter sich im Burzenland niederließen, erscheint (1213) zum erstenmal in gleichzeitigen Nachrichten das Volk der Szekler in Siebenbürgen. Über die Herkunft desselben hört man verschiedene Ansichten. Sie halten sich gern für Nachkommen der Hunnen, die um die Mitte des vierten Jahrhunderts in Ungarn hausten. Als diese nach dem Tode ihres Führers Attila aus Europa vertrieben worden, hätten ihre Väter sich in diese Gebirge geflüchtet und seien da zurückgeblieben. Sicherere Forschung sieht in ihnen, wie bereits oben dargelegt worden ist, die Nachkommen jener Magyaren, welche die Petschenegen im Jahr 895 aus Atelkusu in die transsilvanischen Ostgebirge geworfen. Den Namen erhielten sie von der Verpflichtung, die Grenze zu bewachen; denn Szekeln bedeutet ursprünglich einen Grenzwächter, ist also ein Berufs- nicht Volksname. Sie waren Anfangs alle freie Männer, gaben der Kirche den Zehnten, zahlten dem Staat außer der Ochsensteuer bei der Geburt von Prinzen, Vermählung und Krönung des Königs keine Abgaben, wofür sie aber im Krieg auf eigene Kosten dienten.

Auch ein anderes neues Volk taucht zu dieser Zeit in Siebenbürgen auf. In der Urkunde, durch die Andreas II. im Jahr 1222 die Verleihung des Burzenlandes an die deutschen Ritter erneuert, geschieht zum erstenmal der Walachen im Lande urkundliche Erwähnung. Die nationale Ansicht in diesem Volk behauptet heißblütig die römische Abkunft desselben; mit Trajan seien ihre Väter ins Land gekommen und diese römische Bevölkerung sei hier geblieben rein und ununterbrochen bis zur Gegenwart; alle andern Nationen seien nur Eindringlinge; nach dem Rechte gehöre das Land der walachischen Nation. Doch oben schon ist nachgewiesen, wie Kaiser Aurelian die römischen Legionen und Provinzialen aus dem Lande gezogen und im Sturm der spätern Völkerwanderung die alte Bevölkerung vollständig verschwindet. Neun Jahrhunderte hindurch hatten nur die Hufe reitender Nomadenhorden abwechselnd seinen Boden zerstampft. So kam es, daß als die ungarische Krone ihre Herrschaft allmählich über den Süden des Landes ausdehnte, sie um die Mitte des 12. Jahrhunderts von den Niederlanden und vom Rhein her Ansiedler rufen, daß sie noch im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts das Burzenland an die deutschen Ritter verleihen mußte, weil es eine einheimische alt-ansässige Bevölkerung nicht gab. Dafür dauert jenes im dritten Jahrhundert aus Dacien auf das rechte Donauufer gerettete Volkselement nachweisbar von Jahrhundert zu Jahrhundert dort fort und erscheint in Mösien, in den Thälern und auf den Höhen des Hämus bei den byzantinischen Geschichtschreibern unter dem Namen der Walachen.

Die immer wiederkehrenden Überflutungen der Balkanhalbinsel durch slavische und bulgarische Stämme, die von der Mitte des sechsten Jahrhunderts dort alles Völkerleben erschüttern und zersetzen, haben diese Wirkungen auch am walachischen Volkstum geäußert und in seiner Sprache unvertilgbare Spuren hinterlassen. Gegen das Ende des 12. Jahrhunderts erhoben sich die mösischen Walachen wider die Bedrückung des griechischen Kaisers Isaak Angelus; geschlagen flohen Scharen derselben hinüber aus das linke Donauufer. Das ist der Anfang der walachischen Ansiedlung in der großen Ebene im Süden von Siebenbürgen; von hier zogen sie sich, insbesondere als die Macht der Kumanen in der Walachei gebrochen wurde und endlich aufhörte, in unmerklicher Einwanderung hinauf in das Hochland und über die trennenden Gebirgesjoche hinüber nach Siebenbürgen. So erscheinen sie dort vom dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts an als nomadische oder seßhafte Bevölkerung zuerst in den Nordhängen des Fogarascher Gebirgs, bald darauf auch sonst in dem damals dünn bevölkerten Lande, die jüngste Schichte der im Mittelalter eingewanderten Ansiedler. Von ihrem langen Aufenthalt im griechischen Kaisertum brachten sie das griechische Christentum mit; Rumänen nannten (und nennen) sie sich, weil sie Unterthanen des (ost=)römischen Reiches waren, wie sich Neugriechen und Bulgaren in demselben Sinn und aus demselben Grund Romäer nennen.

4.

Von dem goldenen Freibrief, den König Andreas II. den deutschen Ansiedlern im Süden des Landes erteilt.

( 1224 )

Ad retinendam coronam !

Die wirrvollen Zeiten unter König Andreas II. lasteten schwer, wie aus dem übrigen Reich, so auch auf jenen deutschen Einwanderern, die König Geisa II. an der Südgrenze des Landes angesiedelt. Den wilden Boden hatten sie bezwungen und die kumanischen Horden streiften nicht mehr durch das Land. Die Wiederherstellung der Innerruhe im Reich hing nicht von ihnen ab. Um so mehr litten sie in dem großen Sturm. Denn es erhoben sich die Gewaltigen um sie und die Mächtigen in ihrer eigenen Mitte und drückten sie und zerrten an ihren Rechten und beraubten sie jener Freiheit, auf welche sie König Geisa in die Öde gerufen hatte. Und manche, deren Väter mit Mühe den Boden urbar gemacht, ließen die neue Heimat und zogen hinüber in das Burzenland und hofften unter dem Schutz der deutschen Ritter ein günstigeres Los zu finden. Denn es kann der deutsche Mann nicht bleiben, wo das Recht trauert und die Unordnung herrscht und die Willkür. Die andern aber traten vor den König und klagten, wie sie die alte Freiheit, die die Väter vom frommen König Geisa erhalten hätten, verloren, und zeigten, wie sie aua großer Armut der Krone ihre Rechtsschuldigkeit nicht leisten könnten. Und der König hörte die gerechten Klagen seiner Getreuen und stellte ihnen im Jahre 1224 jenen wichtigen Freibrief aus, den unsere Väter den goldenen geheißen haben, weil die Rechte und der Bestand unseres Volkes wie auf einem festen Grunde auf ihm ruhten Jahrhunderte lang. Auf ihm und des Volkes eigenem Sinn und Geist! Denn vergesset es nicht: der Pergamentbrief ist nur so lange stark, als es die sind, denen er gilt. Und wo ein Volk sich selbst nicht mehr hält, da brechen auch die äußern Stützen schnell zusammen und seine Totenglocke hat geläutet.

Der goldene Freibrief lautet:

Im Namen der heiligen Dreieinigkeit und der unteilbaren Einheit. Andreas von Gottes Gnaden König von Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Rama, Servien, Gallizien und Lodomerien für alle Zukunft. Sowie es der königlichen Hoheit zusteht, der Übermütigen Trotz mit Gewalt zu unterdrücken, so ziemt es auch der königlichen Milde, der Demütigen Bedrückungen barmherzig zu erleichtern, der Getreuen Leistungen zu erwägen und jedem nach eigenem Verdienst der Vergeltung Lohn zuzumessen. Da nun unsere gesamten deutschen Ansiedler jenseits des Waldes her fußfällig und demütig klagend vor unserer Majestät erschienen sind und in ihrer Klage uns flehentlich vorgestellt haben, daß sie ihres Freitums, auf welches sie von dem frommen König Geisa, unserm Großvater gerufen worden, gänzlich verlustig gingen, wenn nicht unsere königliche Majestät sich ihrer in gewohntem Pflichtgefühl annähme, weswegen sie aus übergroßer Armut der königlichen Hoheit keine Rechts-Schuldigkeiten zu leisten vermocht; so wollen wir, die gerechten Klagen derselben in gewohntem Pflichtgefühl gütig anhörend, daß es zu der Jetztlebenden und Zukünftigen Kenntnis komme, daß wir unserer Vorfahren frommem Beispiel folgend, von väterlichem Mitleid im Innersten bewegt (I) ihnen das frühere Freitum zurückgegeben haben, (II) so jedoch, daß (1) das gesamte Volk anfangend von Varos bis Boralt mit Inbegriff des Szeklerlandstrichs im Gebiet Sebus und des Gebietes Daraus Ein Volk sei und (2) unter einem - obersten - Richter stehe mit gänzlicher Aushebung aller Gaue außer dem Hermannstädter. (3) Wer aber immerhin Hermannstädter Graf sein mag, der soll es Sich nicht herausnehmen, jemanden in den vorhergenannten Gauen zum Richter einzuzusetzen, außer er sei unter ihnen ansäßig, (4) und das Volk soll den dazu wählen, der der Tüchtigste scheint. (III) Auch soll sich niemand unterstehen, in dem Hermannstädter Gau zu des neuen Geldes Wechsel zu erscheinen; (IV. 1) zum Nutzen unserer Kammer jedoch sollen sie 500 Mark Silber jährlich zu geben verpflichtet sein. (2) Wir wollen, daß kein Großgutsbesitzer (kein Prädiale), oder ein anderer wer immer, der innerhalb ihrer Grenzen wohnt, sich von dieser Abgabe ausschließe, außer wer sich darüber eines besondern Freibriefs erfreut. (3) Auch das bewilligen wir ihnen, daß sie das Geld, welches sie uns zu zahlen verpflichtet sind, nach keinem andern Gewicht zu erlegen gehalten sein sollen, als nach jener Silbermark, welche unser Vater Bela, frommen Gedächtnisses, für sie festgesetzt hat, nämlich vier und ein halbes Viertel Hermannstädter Gewichts in Kölner Pfennigen, damit keine Verschiedenheit zwischen ihnen statt finde. (4) Den Boten aber, welche des Königs Majestät zur Sammlung des genannten Geldes abgeordnet haben wird, sollen sie auf die einzelnen Tage, die sie daselbst weilen, drei Lothe für ihre Ausgaben zu zahlen sich nicht weigern. (V. 1) Krieger aber sollen fünfhundert innerhalb des Reichs zum Dienst in des Königs Feldzug von ihnen geschickt werden, (2) außerhalb des Reichs hundert, wenn der König in eigener Person zu Felde zieht; (3) Wenn er aber außerhalb des Reichs einen Großen schickt, sei es zur Unterstützung seines Freundes, sei es in eigenen Angelegenheiten, sollen sie bloß fünfzig Krieger zu schicken gehalten, (4) und weder dem König über die genannte Zahl zu fordern erlaubt, noch sie zu schicken verpflichtet sein. (VI. 1) Ihre Pfarrer aber sollen sie frei wählen; (2) die Erwählten vorstellen, (3) ihnen den Zehnten geben (4) und in aller kirchlichen Gerichtsbarkeit nach alter Gewohnheit ihnen Rede stehen. (VII. 1) Wir wollen auch und befehlen ernstlich, daß niemand ihr oberster Richter sei außer wir oder der Hermannstädter Graf, (2) den wir ihnen an seinem Ort und zu seiner Zeit setzen werden. (3) Vor was für einem Richter sie aber immerhin stehen mögen, so sollen diese nur nach dem Gewohnheitsrecht richten dürfen; (4) auch soll sich niemand unterstehen, sie in unsere Gegenwart vorzuladen, außer wenn der Rechtsstreit vor ihrem Richter nicht geendigt werden kann. (VIII) Außer dem Obengenannten haben wir ihnen noch den Wald der Wlachen und Bissener mit den Gewässern zu gemeinschaftlichem Gebrauch mit den vorhergenannten Wlachen und Bissenern nämlich verliehen, damit sie der obigen Freiheit sich erfreuend niemandem hievon zu Dienstleistungen verpachtet seien. (IX) Außerdem haben wir ihnen bewilligt ein einziges Siegel zu führen, das bei uns und unsern Großen unzweifelhaft erkannt werde. (X) Wenn aber jemand einen derselben in einer Geldangelegenheit belangen wollte, So soll er vor dem Richter keine Zeugen gebrauchen können, außer solche, die innerhalb ihrer Grenzen leben, indem wir Sie vor jeder fremden Gerichtsbarkeit gänzlich befreien. (XI) Auch Kleinsalz nach alter Freiheit, um das Fest des h. Georg acht Tage hindurch, um das Fest des h. Königs Stephan acht Tage hindurch und um das Fest des h. Martin ebenfalls acht Tage hindurch frei holen zu dürfen bewilligen wir allen. (XII) Dazu bewilligen
wir ihnen außer dem Gesagten, daß kein Zöllner weder in der Hin- noch in der Rückfahrt sie zu belästigen sich unterfange. (XIII) Die Waldung aber mit allem dahin Gehörigen und die Benützung der Gewässer mit ihren Beeten, was bloß von des Königs Schenkung abhängig ist, überlassen wir zu freiem Gebrauch allen sowohl Reichen als Armen. (XIV)
Auch wollen wir und befehlen Kraft unserer königlichen Vollmacht, daß keiner von unsern Großen irgend ein Dorf oder ein Stück Landes (ein Prädium) von des Königs Majestät zu forden wage; wenn es aber jemand fordert, so sollen sie nach der, ihnen von uns erteilten Freiheit Widerspruch einlegen. (XV. 1) Dazu beschließen wir für die genannten Getreuen, daß Sie, wenn es sich träfe, daß wir behufs eines Feldzuges zu ihnen kämen, uns nur zu drei Bewirtungen verpflichtet sein sollen. (2) Wenn aber der Woiwode im Dienst des Königs zu ihnen oder durch ihr Gebiet geschickt wird, sollen sie zwei Bewirtungen, die eine beim Eintritt, die andere bei dem Austritt zu leisten sich nicht weigern. (XVI. 1) Auch fügen wir den obenerwähnten Freiheiten der Vorgenannten hinzu, daß ihre Kaufleute, wohin sie immer wollen in unserm Reich frei und ohne Zölle reisen und zurückreisen und dieses ihr Recht in Bezug auf die königlichen Gefälle immer wirksam ausüben mögen. (2) Auch die Märkte unter ihnen befehlen wir ohne alle Zölle zu halten.
Damit aber alles Dieses, was früher gesagt worden, fest und unwandelbar bleibe für die Zukunft, haben wir den gegenwärtigen Freibrief mit unsers doppelten Siegels Schutz bekräftigen lassen. Gegeben in dem Jahr von der Menschwerdung des Herrn 1224, unserer Regierung aber im 21. Jahr.

Also der Freibrief. Die Urschrift desselben ist leider nicht mehr vorhanden. Sie fehlte schon 1546 im Nationalarchiv; doch ist mit ihrem Verlust wenig, ja nichts verloren. Denn eine große Reihe inländischer Könige und Fürsten hat die Handveste bestätigt und sie jedesmal ganz der Bestätigungsurkunde einverleibt, so Karl Robert 1317, Ludwig I. 1366, Maria 1383, Sigmund 1387 und 1406, Matthias I486, WLadislaus II. 1493, Ferdinand I. 1552, Steph. Bathori 1583, Gabriel Bethlen 1627.
Die deutschen Ansiedler, welchen der Freibrief erteilt wird, heißen in der lateinischen Urschrift hospites, das heißt Einwanderer, Ansiedler, Gäste. Darüber haben des Volkes Feinde gespottet und es geschieht wohl auch heute noch: wir seien nur Gäste im Lande und es wolle sich schlecht ziemen, daß wir eigenen Willen hätten und uns als vollberechtigte Bürger benähmen. Doch wer also redet, weiß nicht was er spricht. Der Ausdruck hat in der Sprache des ungarischen Mittelalters eine Bedeutung, die den damit Bezeichneten ehrt. Ursprünglich hießen alle Ausländer so, später bloß oder vorzugsweise die Deutschen, die sich im Lande ansiedelten und der Name war stets ein Ehren- und Liebeswort, gleichbedeutend mit frei, sogar mit adelig. Sind doch auch die ständischen Mitnationen ursprünglich bloß „Gäste" im Lande gewesen, nur mit dem Unterschied, daß sie in Gewaltthat hereinbrachen, die deutschen aber kamen geladen. Der Name „Ansiedler", »hospites«. kommt übrigens allmählich aus dem Gebrauch und sie heißen bleibend von dem vierten Jahrzehent (1238) des 13. Jahrhunderts an in der Könige Briefen und Handvesten Sachsen. Der Ursprung des Namens ist noch immer nicht ganz ausgeklärt. Nannten die Magyaren sie - und andere deutsche Ansiedlungen in Ungarn - so, weil sie vielleicht diesen Stammnamen als Volksnamen gebrauchten, seit sie bei Merseburg und Augsburg das Schwert der großen Kaiser aus dem sächsischen Haus gehlt? Bedeutsam ist, daß auch bei den Finnen, den Stammverwandten der Magyaren, die Deutschen Sachsen heißen. Doch wäre auch das nicht unglaublich, daß sie den Namen sich selber gegeben. In Flandern nicht nur, sondern auch unter den Franken des Mittelrheins hatte sich seit alter Zeit viel sächsisches Wesen, zum Teil gewaltsam dahin verpflanzt, erhalten; vielleicht gab die Erinnerung hieran den Ansiedlern in der neuen Heimat den Namen. Noch jetzt aber ist im Volk Sachse und Deutscher gleichbedeutend, ja der letzte Name fast häufiger als der erste, namentlich in den Kreisen des Landmanns, wenn du nach der Herkunft fragst. „Wir sind Deutsche", ist die ruhige selbstbewußte Antwort und liegt eine ernste Mahnung auch darin, festzuhalten an dem Volkstum, das als der Väter heiliges Erbe auf uns gekommen.
In der Einleitung des Freibriefs sagt König Andreas ausdrücklich, daß die Ansiedler ihrer Klage nach jenes Freitums verlustig gingen, aus welches sie von König Geisa gerufen worden. Darum stellt ihnen der König das frühere Freitum wieder her. Weil aber in den Wirren der Zeit das Königswort oft wirkungslos verhallte und das Gesetz in der allgemeinen Zerrüttung häufig die Kraft verlor, suchte Andreas seine Ansiedler innerlich zu stärken, auf daß sie im Notfall sich selbst schützen könnten. Bis dahin waren die einzelnen Ansiedlungen vereinzelte, bloß für sich bestehende Gemeinwesen, in keinem Verband miteinander; Vereinigung mußte Kraft geben. Darum änderte der König das frühere Freitum, das er den deutschen Ansiedlern zurückstellte, dahin ab, daß er alle einzelnen Ansiedlergruppen von Broos im Westen des Landes bis Draas im Osten zu einem staatsbürgerlichen Ganzen vereinigte. „Und das gesamte Volk (d.h. der deutschen Ansiedler, denen der Freibrief erteilt wird) angefangen von Broos bis Boralt mit Inbegriff des Szeklerlandstrichs im Gebiet Sebus und des Gebietes Draas soll Ein Volk sein und alle Gaue, außer dem Hermannstädter sollen gänzlich aufhören". Boralt bezeichnet einen Landstrich bei Reps, unter Sebus ist Mühlbach zu verstehen, das in früheren Jahrhunderten urkundlich unter dem Namen Sebus vorkömmt und wo merkwürdige Zeugnisse sich erhalten haben, daß dort einst eine Szeklerniederlassung bestanden, die jedoch im Lauf der Zeit im Sachsentum aufgegangen ist.
„Das gesamte Volk soll Ein Volk Sein." Hört da die ernste Mahnung für alle Zeiten! Da ist aber nicht ein Volk, wo jeder das Ansehen seines Ortes höher stellt, als den gemeinsamen Willen der Übrigen, oder über seines Hauses und Standes scheinbarem und vergänglichem Vorteil das Gesamtwohl vergißt! Oder was die Brüder im Nachbarkreis beschließen, erfährt niemand, und wer zwei Wegstunden weitet wohnt, ist ein Fremder und Neid herrscht und Zwietracht, wohin du fiehSt. Darum: das gesamte Volk soll Ein Volk sein! „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr!"
Außer dem alten Gebiet verleiht Andreas den deutschen Ansiedlern den Wald der Wlachen und Petschenegen mit seinen Gewässern. Daß dieser Wald außerhalb des von Geisa ursprünglich den deutschen Ansiedlern verliehenen Gebietes lag, geht nicht nur aus des Königs die neue Schenkung einleitenden Worten, sondern ebenso aus der Schlußbestimmung hervor, daß die Pflichten der Ansiedler aus dieser Landvergrößerung eine Mehrung nicht erhalten sollten. Auch wo dieser zum Gebiet der deutschen Ansiedler neu hinzugefügte Landstrich gelegen, darüber lassen die Urkunden jener Zeit keinen Zweifel zu. Nach ihnen finden wir Walachen im Lande, damals nur an den Ausläufern des Südgebirges dem Altthal zu, wohin sie aus jener stillen unmerklichen Wanderung aus dem Süden der Donau, deren oben Erwähnung geschehen, gekommen waren. Unzweifelhafte Teile des heutigen Fogarascher Distrikts erscheinen geradezu unter dem Namen Wlachenland. So kann „das Waldgebiet der Wlachen und Bissener", das die neue Schenkung Andreas II. dem alten Ansiedlerland der Deutschen hinzufügt, zunächst nur hier gesucht werden. Auch der Zweck der Schenkung liegt am Tage. Wie die deutsche Einwanderung die gesicherte Reichsgrenze vom Mieresch an den Alt verlegt hatte, so sollte sie nun über den Fluß hinaus, wohin schon Bela III. die Abtei Kerz gesetzt hatte, ihre starken streitbaren Gemeinden bis zum natürlichen Grenzwall des Gebirges vorschieben und so das wlachisch-bissenische Wald- und Jagdgebiet mit seiner damals gewiß dünnen und unstäten Bevölkerung dem Reich und der Kultur erobern. Daß daher aus dieser Stelle des Andreanischen Freibriefs nicht gefolgert werden kann, die Walachen seien auf dem Sachsenboden -wo es damals keine gab - mit den Sachsen von jeher gleichberechtigt gewesen, ist schon daraus klar, daß jenes wlachische Waldgebiet zum eigentlichen alten Sachsenland, zum Land „von Broos bis Draas" nicht gehörte. Und wenn das Wort des Königs „wir haben ihnen (unsern deutschen Ansiedlern) noch das Waldgebiet der Wlachen und Bissener mit den Gewässern darin zu gemeinschaftlichem Gebrauch mit den vorhergenannten Wlachen und Bissenern nämlich verliehen", allerdings für dieses Waldgebiet die Zusicherung gemeinschaftlicher Nutzung für Deutsche und Walachen enthalten kann, so wird andrerseits der Stelle nicht Gewalt angethan, wenn sie dahin erklärt wird, der König schirme in ihr, wie im XIII. Artikel bloß das freie Nutzungsrecht der armen Deutschen und verleihe den Ansiedlern den Wald zusamt seinen Bewohnern. Gewiß ist, daß in jenen Jahrhunderten in Siebenbürgen Sachsen und Walachen nie und nirgends als gleichberechtigte Nationen erscheinen, sondern die Könige haben die letztern häufig verschenkt, wie wenn sie nicht Menschen wären, sondern Sachen. Also vergabte Ludwig I. der sächsischen Stadt Klausenburg 1377 das walachische Dorf Felek, Matthias den Bistritzern 1472 das Rodnaer Thal und in demselben Jahr dem Hermannstädter Gau den Fogarascher Kreis samt allen darin wohnenden Walachen. Damit will die Geschichte nicht sagen, daß man dem walachischen Volk nicht Menschen- und Bürgerrechte zugestehen solle, sondern nur daß von einem geschichtlichen Recht der Walachen als Sondervolk auf Sachsenboden nicht die Rede sein könne.

Das Land von Broos bis Draas, aus dem Andreas alle deutschen Ansiedler zu Einem Volk vereinigt, heißt der Hermannstädter Gau oder die Hermannstädter Provinz. Das sind die ehemaligen sächsischen Stühle Hermannstadt, Leschkirch, Schenk, Reps, Schäßburg, Reußmarkt, Mühlbach, Broos. Der Andreanische Freibrief umsaßte also weder das Nösner- noch das Burzenland, wahrscheinlich anfangs auch Mediasch nicht. Doch wurde später sein Freitum auch auf diese ausgedehnt, wodurch es, wie wir sehen werden, allmählich kam, daß diese Anfangs getrennt für sich bestehenden Gaue sich zu Einem Staatsbürgerlichen Ganzen vereinigten. Das geschah aber erst am Ende des 15. Jahrhunderts.
Den deutschen Ansiedlern des Hermannstädter Gaues verleiht, wie schon Geisa gethan, König Andreas das Land zu vollem, echtem, unbeschränktem Eigentum. So hatten die Väter es sich ausbedungen. Wer wäre auch hunderte von Meilen weit gezogen und hätte das Vaterland verlassen, um aus bloß zeitweilig verliehenem Grund eines auswärtigen Volkes Knecht zu sein und seine Grenze gegen die Kumanen zu schirmen ? Und der Boden, den sie selbst sich erschaffen, wessen Eigentum sollte er sein, wenn nicht das ihre? Darum nennt König Andreas denselben „ihr Land" und befiehlt Kraft seiner königlichen Vollmacht, daß keiner von seinen Großen es je wage, Teile ihres Gebietes zu fordern; wenn es aber geschehe, so sollten die Ansiedler kraft ihrer Freiheit Widerspruch einlegen. Wo soll wahres Eigentum sein, wenn es da nicht ist? Auch hat kein ungarischer König je anders gewußt. Nicht einmal die königliche Majestät, sagt WLadislaus I. 1441, viel weniger irgend ein anderer Mann kann Dorf oder Land, oder Gerichtsbarkeit, oder was sonst noch von Rechtswegen den Sachsen gehört, von ihnen trennen und einem Andern zueignen. Darum besitzen die Sachsen den „Sachsenboden", wie ihn oft die Könige heißen, mit vollem Eigentumsrecht bis auf den heutigen Tag und nur Unverstand oder Böswilligkeit leugnen es. Stets besaßen und heute noch besitzen wir, was immer nur Ausfluß des echten Eigentums ist, das freie Kauf- und Verkaufsrecht unseres Bodens, das Recht der Mühle, der Schenke, der Fleischbank, des Fischfangs und der Jagd und immer, bis zur Einführung des österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches (1853), sind im Sachsenland die Güter erbenloser Verstorbener nicht an den König, wie bei den Adeligen, sondern an die Gemeinde gefallen.
„Das gesamte Volk soll Ein Volk sein" und „niemand darf es wagen, ein Dorf oder einen Teil ihres Gebietes zu fordern": hiernach und ebensosehr nach der Natur der Sache, dem ungarischen Ansiedlerrecht und dem Zweck ihrer Berufung haben die Sachsen das ausschließliche Bürgerrecht auf ihrem Boden in Anspruch genommen und behauptet Jahrhunderte lang. Alle Könige haben sie darin geschützt zum Heil des Landes. Denn als die Väter vor 750 Jahren in dieses kamen, standen sie in Bildung und Sitte weit höher als die Bewohner Siebenbürgens. Eben durch ihre Bildung vermochten sie die Wüste umzuschaffen zu einem Sitz für Menschen und zu Schirmen gegen Feindes Drang und, wie König Matthias rühmt, mit Städten und Dörfern zu schmücken. Ihre Bildung aber lag in ihrem Volkstum und sie wahrten dasselbe durch ihr ausschließliches Bürgerrecht. Hätten sie den fremden Völkern, die in Sprache und Recht und Sitte so weit abstanden von ihnen, die Ansiedlung unter sich gestattet, da hätte sie die Menge erdrückt. Ihre Sprache wäre verstummt und damit des Landes heilvolle, geistige Verbindung mit Deutschland gelöst worden. Und es wäre, wie unter jenen, ein Adel auch unter ihnen entstanden und hätte Freiheit und Volkstum vernichtet; deutscher Fleiß und deutsche Tüchtigkeit wäre verschwunden und der Städte Mauern wären gesunken und Trägheit und Roheit und Mangel hätten Sich verbreitet über die Fluren, die jetzt deutsche Rührigkeit und Bildung schmückt und des Herrn Segen. Und darfst nicht weit sehen, du erblickst bald jenes Bild. Darum schlossen die Väter ihr Gemeinwesen und nahmen niemanden zum Bürger auf unter sich, als den deutschen Mann. Denn sie wollten, die Söhne sollten nicht schlechter sein als sie und in der lieben Muttersprache zum Herrn beten und das Recht weisen nach deutscher Art. Sie hatten nur den Boden, nicht das Volkstum verlassen, als sie fortgezogen aus Deutschland. Und die Könige schützten sie dabei, wie geschrieben steht in dem goldenen Freibrief und in vielen andern Handvesten.
Dieselbe Ausschließung fremden Wesens aus deutschen Gemeinden zeigt uns das ungarische Ansiedlerrecht oft und oft. Den Sachsen von Schmegen in der Zips verbot König Bela Grund und Boden an andere zu verkaufen, als an Deutsche. Ein Haus auf dem Ring (dem Marktplatz) durfte nach den Worten desselben Königs in Reusohl nur ein Sachse besitzen. Selbst den Einwohnern von Spalatro, und das waren nicht Einwanderer, hatte König Geisa II. gelobt: ich will nicht gestatten, daß irgend ein Ungar oder ein anderer Fremder in euerer Stadt wohne, außer ihr williget selbst ein.
Aus ihrem freien Boden gewährleistet der goldne Freibrief den Ansiedlern vollkommene Rechtsgleichheit. Und damit stimmt er überein mit dem Recht in des Menschen Brust und dem Willen des Herrn. Denn wie er die Gaben seiner Milde ausgießt über alle Menschenkinder, so will er nicht, daß einer der Herr sei und der andere der Leibeigene. Und wie die deutschen Ansiedler alle derselben Mühe bei der Urbarmachung des Bodens ausgesetzt waren und derselben Gefahr gegen den heidnischen Feind: so sollten Sie auch den Lohn jener Anstrengung gleichmäßig genießen und gleich sein in ihrem Recht. In den Wirren aber unter König Andreas II. Regierung, wo die Macht galt und nicht das Gesetz, hatte es nicht gefehlt an schwerem Druck in der eigenen Mitte. Das will der Freibrief für die Zukunft verhindern, wenn er an zwei Stellen Reichen und Armen das Nutzungsrecht von Wald und Wasser zuspricht und ausdrücklich festsetzt, daß von dem Beitrag zur Reichssteuer keiner ausgenommen sei, außer er habe darüber einen besondern Freibrief. Und dann zahlte nicht die Volksgemeinde seinen Anteil, sondern der König verlor ihn. Gestützt auf diese Grundlagen und das einige Recht, das in jedes Menschen Brust lebt, haben unsere Väter am Ende der Christenheit und rings umgeben von Völkern, die nur Knechte kannten und Herren, ein freies Gemeinwesen gegründet und trotz vieler Anfechtung erhalten in einer Reinheit, wie sie die Sonne nur selten sieht in ihrem ewigen Laufe. Da war kein Adel, keine Leibeigenschaft, kein Deutscher auf Sachsenboden weder mehr noch weniger als ein Bürger. Gott zum Gruß du freier Sachse!
Das Oberhaupt des Hermannstädter Gaues ist nach dem Andreanischen Freibrief der König und der von ihm ernannte Stellvertreter oder Graf. „Wir wollen und befehlen ernstlich, daß niemand ihr oberster Richter sei außer wir oder der Hermannstädter Graf, den wir ihnen an seinem Ort und zu seiner Zeit setzen werden." Und es bezeichnete damals das Wort Graf nicht wie heute einen leeren Titel, sondern eine obrig-keitliche Würde, die Richtertum und Heerführertum vereinte. Also war der Hermannstädter Graf des Volkes Oberrichter im Frieden und Führer im Krieg. Daraus deuten auch die Zeichen und Sinnbilder seiner Würde: die Fahne, der Streitkolben, das Schwert. Das letztere ist Sinnbild der  Gerichtsbarkeit, namentlich der peinlichen über Leben und Tod. Streitsachen, die vor ihm und der Volksgemeinde nicht entschieden werden konnten, gingen unmittelbar vor den König. Nicht der Woiwode, nicht sein Stellvertreter, nicht einmal der Palatin, der zweite Mann im Reiche, hatten einige Gewalt über sie. „Niemand soll ihr oberster Richter sein außer wir oder der Hermannstädter Graf", so hatte Andreas verordnet. Darum nannten die Könige die Väter gern „unsere Sachsen" und hieß ihr Land, doch erst später bisweilen Königsboden, weil nur der König im Namen des Gesetzes da gebot und nicht seine Leute wie sonstwo. Und wer daraus schlechte Folgerungen herleiten möchte fürs Sachsenrecht, weiß nicht was er redet.
Setzte der König den obersten Richter und Grafen, so wählte das Volk sich die übrigen Richter selber. Der mußte ansässig sein unter ihnen und wer der Tüchtigste schien, den machte es dazu. Nur der Volksgenosse konnte den Volksgenossen richten. Keine fremde Gerichtsbarkeit hatte Gewalt über die Ansiedler; selbst vor den König durften sie nicht gefordert werden, außer wenn der Rechtsstreit vor ihrem Richter nicht entschieden werden konnte; wo es sich um Erb und Eigen handelte, konnte nur der Volksgenosse Zeugnis ablegen; in jedem Fall aber und vor jedem Richterstuhl galt bloß das alte Gewohnheitsrecht. Das war natürlicherweise das deutsche, das Sie aus dem Mutterland mitgebracht und in gar vieler Beziehung anders, als was man Recht nennt heutzutag. Denn im Sinne jener Zeit lag die richterliche Gewalt wesentlich in der Volksgemeinde und war kein einzelner Stand da, der um Bezahlung wachte über Recht und Gerechtigkeit. Sondern die freien Männer versammelten sich an bestimmten Tagen auf der Malstätte, d. i. auf dem Gerichtsplatz, der war gewöhnlich ein Hügel, unter dem Dach der Eiche oder der Linde, oder auf dem breiten Stein vor der Burg und darüber wölbte sich Gottes freier Himmel. Da wurde das Gericht eröffnet mit den Worten, die schon die Väter an dieser Stelle gesprochen, da wurde die Klage gehört und die Antwort darauf und das Recht gewiesen, das man nicht im geschriebenen Gesetzbuch suchte, sondern es lebte in den Herzen aller. Und alle gaben ihre Stimme dazu und der Richter hatte bloß den Vorsitz und die Vollziehung des Urteils. In der Folge aber als das Volk sich mehrte, kamen nicht mehr alle Freien zum Gerichtstag, sondern die einzelnen Gemeinden sandten ihre Abgeordneten und ihre Versammlung wies das Recht bis in späte Zeiten herab.
Wie die Richter und die andern weltlichen Beamten, so wählten nach dem Andreanischen Freibrief sich die Ansiedler auch die Pfarrer selbst, gaben ihnen, nicht dem Bischof, den Zehnten und die übrigen kirchlichen Abgaben und waren in allen kirchlichen Angelegenheiten unmittelbar ihrem Gericht unterstellt. Von allem Anfang her ist für die Erhaltung und Entwicklung des gesamten Volkslebens dieses Recht von tiefgehender Bedeutung gewesen. Auf dem Gebiet des kirchlichen Lebens bildeten die einzelnen Gemeinden, gewiß nach den ursprünglichen Einwanderergruppen je ein Kapitel, in dem die freie Wahl der Pfarrer den Dechanten an die Spitze stellte, der in vielen Fällen wie sonst der Bischof und unabhängig von ihm, die kirchliche Verwaltung führte. So bildeten diese „Gemeinden der freien Dechanate" auch in kirchlicher Beziehung ein abgeschlossenes Gemeinwesen und waren fremdem Einfluß unzugänglich. Der wichtige Besitz des Zehnten aber, den der Andreanische Freibrief den Geistlichen gewährleistet, hat dem Volk reiche Früchte getragen. Durch ihn wurde ein gebildeter geistlicher und Lehrerstand geschaffen und erhalten, der stets aus der Höhe der Zeit stehend im stande war, dem Volk die Bildung namentlich des deutschen Mutterlandes mitzuteilen. Und so ist der Zehnten ein bedeutendes Mittel gewesen, daß das Volk der Sachsen unbestreitbar das Gebildetste ist unter den Völkern des Vaterlandes bis aus den heutigen Tag.
Auch für die äußere Wohlfahrt der Ansiedler sorgt der Freibrief dadurch, daß er ihnen gänzliche Zollfreiheit im ungarischen Reiche und freie Märkte auf dem eigenen Gebiete, sowie das Recht erteilt, jährlich dreimal aus den k. Gruben unentgeltlich Kleinsalz zu holen. Ebenso wichtig war die Befreiung von der Plage des Münzwechsels. Das ist eine Einrichtung, die glücklicherweise die Gegenwart nicht kennt. Zur Zeit König Andreas II. nämlich wurde so dünne silberne Scheidemünze geprägt, daß ein Hauch Sie verwehte und man die Stücke zwischen den Fingern zerreiben konnte. Darum nützte sich das Geld schnell ab und mußte umgeschmolzen werden. Die Kosten der Umschmelzung ersetzte ein Aufgeld, das man bei dem Wechsel der neuen Münze zahlte. Gereizt durch diesen Nutzen fing die königliche Kammer an bald ohne Not und zu oft umzumünzen und setzte das Aufgeld zu hoch; die Wechsler selbst prellten, so daß der Geldwechsel eine drückende Plage ward. Davon befreit Andreas II. die Ansiedler, sowie er kurze Zeit früher das Burzenland der Last enthoben hatte: „keiner der Münzwechsler jenseits des Waldes soll das Gebiet derselben (der deutschen Ritter) betreten, oder sich erkühnen, Sie irgendwie zu belästigen."
Zum äußern Zeichen der Einheit der Ansiedler erteilt endlich der goldene Freibrief dem Volk das Recht ein einziges Siegel zu führen. Zwei stehende in lange Gewänder gekleidete Männer halten eine Krone; zwei halbknieende halbnackte Männer greifen nach derselben. Die Umschrift lautet lateinisch: „Siegel der Hermannstädter Provinz. Zur Erhaltung der Krone." Die letzten Worte stehen auch auf dem Banner unseres Volks den Gegnern zur Lehre, den Vätern zum Ruhme, den Nachkommen zum Antrieb für alle Zeiten.
Das sind die Rechte, die der Andreanische Freibrief den Sachsen erteilt. Wer Rechte hat, der muß aber vernünftiger Weise auch Pflichte a haben. Darum verpflichtet der Freibries die Ansiedler.

1. zur Entrichtung einer jährlichen Abgabe von 500 Mark Silbers. „Zum Nutzen unserer Kammer," sagt die Handveste, „sollen sie 500 Mark Silbers jährlich zu geben gehalten sein." Diese Pflicht steht unzweifelhaft in innerm und innigstem Zusammenhang mit dem Recht, das in der unmittelbar vorhergehenden Stelle den Ansiedlern verliehen worden. Dort hat der König sie freigesprochen von der Plage der Münzwechsler: „auch soll sich Niemand unterstehen in dem Hermannstädter Gau zu des neuen Geldes Wechsel zu erscheinen" und darauf fährt er fort: „zum Nutzen unserer Kammer jedoch sollen sie fünfhundert Mark Silber jährlich zu geben verpflichtet sein." Mit dem Ausdruck „Kammergewinn" oder „Nutzen der Kammer" (»lucrum camerae«) bezeichnete man damals, vorzugsweise jene Ablösung des der Krone bei dem Münzwechsel gebührenden Aufgeldes, und wer von jenen Worten auf Unfreiheit der Ansiedler und daß sie Kammerknechte gewesen, schließen wollte, vergißt, daß auch der Adel „Kammergewinn" gezahlt und der siebenbürgische erst spät (im 14. Jahrhundert) davon befreit worden. Daß diese Abgabe des Hermannstädter Gaues ebenso eine Reichssteuer freier Bürger und nicht Grundzins gewesen, lehren die königlichen Briefe der Folgezeit. Denn sie sprechen von „königlicher Steuer" und nicht von Bodenzins, sie nennen den König den „natürlichen Herrn" der Sachsen, wie ihn der Adel nannte und nicht ihren Grundherrn; sie zeugen, daß ihre Abgabe stets zu des Reiches Nöten gebraucht worden sei. Später erscheint sie unter dem Namen des Martinszinses, weil sie zu dieser Zeit abgeliefert wurde und hat, wenn das Reich in Not und der König in Bedrängnis war, die Summe von 500 Mark Silber oft und oft überstiegen.
In Ansehung des Gewichtes, denn eine Mark ist nicht ein Geldstück, bestimmt derselbe, daß die von König Bela III. festgesetzte Ordnung beobachtet werden solle. Nach dieser gingen vier und ½ Viertel Hermannstädter Gewichts aus eine Mark und diese war um ein Loch leichter als die Ofner. Übrigens konnten die Sachsen die 500 Mark entweder in feinem ungeprägtem Silber oder in laufender Münze entrichten, der letztern soviel, als nach dem Ofner Markt um den Martinstag zur Anschaffung von 500 Mark Silbers erforderlich war. Das betrug zu Andreas Zeit 1894 Silbergulden, um die Mitte des folgenden Jahrhunderts 2116, noch ein Jahrhundert später 3644 Gulden. Doch war damals der Geldwert viel höher als jetzt.
Die Aufteilung der Steuer vollzogen die Sachsen unter sich. Den zu ihrer Erhebung gesandten königlichen Boten zahlten sie während derselben täglich drei Loth Silber.

Neben der Reichssteuer verpflichtet der Freibrief die Sachsen ferner Zur H e e r e s f o l g e. Diese damals Freien und Adeligen gemeinsame Pflicht wird nach drei verschiedenen Fällen verschieden bestimmt. Zieht der König innerhalb des Reichs in eigener Person zu Felde, so stellen sie fünfhundert Mann, außerhalb desselben bloß hundert und falls nicht der König das Heer führt, bloß fünfzig; mehr darf der König nicht fordern, mehr sind sie nicht verpflichtet zu geben. Wie aber in Zeiten der Not die Steuer der Sachsen das gesetzliche Maß häufig überschritt, so sind auch ihre Streiter, wenn der Feind die Grenzen drängte oft und oft mehr denn fünfhundert im Feld gewesen, ja mehr als einmal hat der Könige Wort Mann für Mann zum Schutz des Reiches in die Waffen gerufen.
In jedem Falle aber, ob die Sachsen die gesetzliche oder eine größere Anzahl von Kriegern ins Feld stellten, waren diese nicht etwa rohe nackte Rekruten, sondern wohlgerüstet mit Wehr und Waffen und mit allem Kriegsbedarf aus des Volkes Mitteln versehen. Unter ihrem eigenen Grafen oder Führer zogen sie aus und stritten unter der eigenen Fahne und daß sie der ehrenvollen Inschrift derselben: zur Erhaltung der Krone immer ehrenvoll entsprochen, bezeugen zahllose Belobungsschreiben der ungarischen Könige. Beruhte doch, wie König Ludwig I. rühmt, die Sicherheit der Grenzen wie auf erhabenen Säulen auf ihrer Kraft und Treue!
Die letzte Verpflichtung, die der Freibrief den Ansiedlern auflegt, ist die Bewirtung des Königs und in gewissen Fällen des Woiwoden. Das ist ebenfalls eine Eigentümlichkeit jener Zeit, die man jetzt fast nicht versteht. Damals nämlich hatten die ungarischen Könige keine feste Hofstatt, sondern sie zogen im Lande umher, wohin sie das Bedürfnis rief und wo ihre Anwesenheit Not that. Da mußten für den Unterhalt des Königs diejenigen sorgen, in deren Mitte er sich befand. Und es wird wohl der König leicht zu befriedigen gewesen sein und sie werden es ihm gern gethan haben; doch sein großes Gefolge und der unbescheidenen Diener Forderungen waren eine Plage für jedermann. So mußte die Stadt Breech dem König, wenn er in ihre Mitte kam, zum Mittagmahl zwölf Ochsen, tausend Brote und vier Faß Wein geben, dem Herzog von Slavonien, wenn er von königlichem Stamm war, die Hälfte hievon, dem Ban, doch nur einmal in feiner Amtswaltung einen Ochsen, hundert Brote und ein Faß Wein. Darum hatte der Adel in der goldenen Bulle sich von dieser Pflicht befreien lassen; sie ist aber in Siebenbürgen doch aus ihm geblieben bis zum Jahre 1324. Den Sachsen regelt der Freibrief diese Pflicht. Wenn der König aus Heerzügen zu ihnen kommt, sollen sie ihm nur dreimalige Bewirtung schuldig sein. Doch haben die Väter sich nicht immer genau an den Buchstaben gehalten, sondern bei der Könige Besuchen diese stets so empfangen, wie es ihrer und der Fürsten Ehre ziemte. Dem Woiwoden waren Sie nur zu zwei Bewirtungen verpflichtet und auch zu diesen nur, wenn er in königlichem Auftrag durch ihr Land zog.
Das ist der „goldene Freibrief" der Sachsen in Siebenbürgen. Auf seinem Grunde haben die Väter am Ende der Christenheit durch ihre Tugenden ein Gemeinwesen errichtet, das fern von Deutschland deutsch, umgeben von geknechteten Völkern frei geblieben ist und Wohlstand und Bildung errungen hat, wie sie diese Gegenden sonst nicht kennen. Darum wachet und sorget, daß es nicht schlechter werde!

 

5.

Der Mongoleneinfall.

( 1241 )

Doch sagt, wer schützt die junge Saat
Vor Feindes Ungewitter ?

F.  M a r i e n b u r g

Aus der Beschaffenheit und den Verhältnissen des Landes, in dem unsere Väter sich ansiedelten, kann man schließen, daß im Anfang allenthalben Ackerbau ihre Hauptbeschäftigung gewesen sei. Und der frisch gerodete Boden, den Jahrhunderte kein Pflug berührt hatte, vergalt gewiß die Mühe des Anbaues durch reichen Ertrag. So wohnten die Väter in den Dörfern, die sie angelegt, wo ihnen das Feld oder der Wald, der Bach oder der Fluß, das Thal oder der Berg gefallen. Daß außerdem bei der Wahl der Niederlassung in vielen Fällen das Bedürfnis oder die Notwendigkeit der Verteidigung, die Rücksicht auf den Schutz des Landes oder der engern Heimat den Ausschlag gab, ist heute noch oft überraschend kenntlich. Die einzelnen Gemeinden aber waren alle gleichberechtigt und keine hatte überwiegenden Einfluß oder übergeordnete Stellung über die andern. Städte also in dem heutigen Sinne des Wortes gab es anfangs keine. Selbst Hermannstadt erscheint in jenen Zeiten als bloße Dorfgemeinde und sein Siegel führt die Umschrift: „Siegel der Ratsmänner von Hermannsdorf" bis in späte Zeiten herab.

Mit der Kenntnis des Ackerbaues brachten unsere Väter aber auch Kenntnis und Fertigkeit im Gewerbefach aus dem deutschen Mutterlande mit. Die Hand, die im Feld den Pflug führte und die Sichel, verstand Sie auch zu verfertigen und daneben zu erschaffen, was des Lebens Notdurft und Verschönerung forderte. Nicht umsonst sicherte ihnen der Andreanische Freibrief freie Märkte und zollfreien Handel zu. Durch solche Begünstigungen, durch ihre Lage und ihre Tüchtigkeit wurden sie in der Folge die stattlichsten Gewerbetreibenden und Handelsleute des ungarischen Reiches.
Daß übrigens außer den drei großen deutschen Gauen im Nordosten und Süden des Landes auch sonst kleinere Ansiedlungen zerstreut in demselben sich befanden, lehren selbst die wenigen aus jener Zeit erhaltenen Zeugnisse. Schon 1228 wird Regen am obern Mieresch genannt, mit den deutschen Gemeinden rings umher, die kirchlich das Sächsisch= Regener Kapitel bilden, auf dem Boden der königlichen Burg Görgeny, angesiedelt und wohl mit zu ihrer freien Burgmannschaft, nach der Mundart aber zum Stamm des Nordgaues, des Nösnerlandes gehörig. Zu derselben Zeit bestand auch am Zusammenfluß des großen und kleinen Samosch die deutsche Gemeinde Deesch. Das Freitum, das schon König Andreas II. ihr gewährt, bestätigte 1236 Beta IV. Es solle ihr unverletzliches Recht sein, der Gerichtsbarkeit des Obergespans von Solnok und der königlichen Befehlshaber der Burg von Deesch nicht unterstehen und sie nicht beherbergen noch bewirten zu müssen. Alle Streitfälle vielmehr in der Gemeinde und aus ihrem Weichbild, selbst Raub, Diebstahl, Totschlag soll der Graf der Gemeinde mit ihren Richtern entscheiden, wofür ihnen die Rechtsordnung der deutschen Ansiedler von Zoloch (der großen Salzniederlage in der Biharer Gespanschaft) und Sathmar als Norm gesetzt wird. Die Deescher Ansiedler verführten des Königs Salz aus dem Samosch und waren, wenn sie eigenes verluden, nur zur Hälfte der Salzmauth an den Woiwoden und Kammergrafen verpflichtet. Das Salz selbst wurde in der nahen Salzgrube von Deeschakna gewonnen, wo Belas Freibrief gleichfalls eine deutsche Ansiedlung nennt. Auch weiter unten am Mieresch, an den östlichen Aufläufer des Erzgebirges, wo der weiße Gemsenstein weithin über fruchtbares Gelände hinschaut, lebte schon der deutsche Laut. Am 12. Februar 1238 gewährte Bela IV., selbst in „der Gemeinde der Sachsen von Erkud" anwesend, „unsern Ansiedlern, den Sachsen der Gemeinden Karako und Crapundorf", in der festen Hoffnung, daß auch dem König einst mit demselben Maß gemessen würde, mit dem er messe, die Freiheit nach gemeinem Rat und Willen den zu ihrem Grafen zu erwählen und an ihre Spitze zu stellen, welchen sie wollten. Alle Streitfälle, die sie untereinander hätten, solle dieser richten nach ihrem Gewohnheitsrecht; nur Streit mit Fremden habe der Woiwode zu entscheiden. Diesen zu bewirten sind sie nicht verpflichtet, den König aber sollen sie in aller schuldigen Ehre, wenn er dahin kommt, „mit ihren Leckerbissen ehren". Abgabe zahlen sie keine und keinen Zoll von dem Weine, den sie in ihren eigenen Weingärten auf ihrem Gebiet gelesen haben. Dafür leisten sie unter dem königlichen Banner Kriegsdienste mit vier geharnischten und wohlgerüsteten Streitern, der gleichen Zahl stattlicher Rosse und mit zwei Zelten.
Ebenso finden wir unten am Alt im Süden des Hermannstädter Gaues weitere Anfänge deutschen Lebens. Im Jahr 1233 verlieh der jüngere König Bela dem Grafen Corlardus von Talmesch um seiner vielen treuen Dienste in und außer dem Reiche willen das Gebiet an der Lauter im Rotenturmer Paß, die äußerste deutsche Wacht am Alt gegen die Kumanen; weiter oben zwischen dem Kerzer Bach, dem Alt, dem Burzen- und Szeklerland saß „der Sachse Fulkun", wahrscheinlich einer der Bahnbrecher, der nach Andreas Schenkung des Wlachenwaldes an den Hermannstädter Gau die rodende Art und das deutsche Schwert zu neuer Besiedlung des unbewohnten Bodens dahin getragen. Der Mongoleneinfall zerstörte die junge Pflanzung und ließ sie wieder wüst und ohne Bewohner zurück; 1252 vergabte der König das Gebiet an den Grafen Bincentins, den Sohn des Szeklers Akadas.
Überhaupt drohte der Fortdauer des deutschen Namens in Siebenbürgen, sowie dem gesamten ungarischen Reich kurze Zeit nach Erteilung des Andreanischen Freibriefes die größte Gefahr durch den Einfall der Mongolen.

Tief in Asien drinnen zwischen China und Sibirien erhebt sich ein gewaltiges Hochland mehrere tausend Fuß über die Meeresfläche. Der Boden des Landes ist rauh und unfruchtbar, teils Wüste, teils Steppe; nirgends ein Baum, nirgends ein Strauch. In dem rauhen Lande wohnen seit uralter Zeit die Horden der Mongolen oder Tartaren, an Wildheit nur mit ihrem Boden vergleichbar, der keinen Ackerbau duldet und damit die Möglichkeit wahrhaft menschlicher Bildung vernichtet. Schon ihre äußere Gestalt ist furchtbar und abschreckend. Der überlange starke Oberleib ruht auf kurzen krummen Beinen. Das Gesicht wird durch dicke Lippen, eckige Backenknochen, breite platte Nase und kleine schiefe Augen verunstaltet. Der Bart fehlt von Natur fast ganz; der Kopf wird geschoren, so daß nur hinter jedem Ohre ein langer zusammengedrehter Zopf hängt. Die Wohnung besteht und bestand in Zelten oder fahrbaren Hütten; Viehzucht und Jagd, die ans Blutvergießen gewöhnte, gab die Nahrung. Natürliche Wildheit, gut geführte Bogen, List im Kampfe und rasche ausdauernde Rosse, von denen sie selten herabkamen, machten sie bei ihrer schrecklichen äußern Gestalt im Kriege zu furchtbaren Feinden.
Die zerstreuten Horden der Mongolen unterjochte und vereinigte am Anfang des 13. Jahrhunderts ein Chan, d. h. Häuptling derselben, Temudschin, der sich deswegen den großen Häuptling, Dschingis-Chan nennen ließ. Er eroberte weithin die Länder in Asien, wobei gewöhnlich alle älteren Einwohner hingerichtet, alle Jüngern als Sklaven verkauft wurden. Sein Sohn und Nachfolger Oktai setzte die Kriegszüge fort. Fast widerstandslos fiel Rußland und Polen in die Gewalt des wilden Feindes. Deutsche Tapferkeit schreckte ihn durch die Schlacht bei Liegnitz vom Mutterlande fort; um so drohender stand ein gewaltiger Heerhaufe unter dem Führer Batu an des ungarischen Reiches Grenze.
Zu derselben Zeit war König in Ungarn Bela IV., Sohn Andreas II., der im Jahr 1235 gestorben. Bela war ein strenger Herr und wollte die königliche Macht, die der Adel unter seinem Vater so sehr erniedrigt, gern wieder heben. Darum zog er die Krongüter, die mit Unrecht im Besitz von Adeligen waren, wieder ein. Das gefiel ihnen wenig und sie fingen an den König zu hassen. Zu derselben Zeit kam der König der Kumanen, des rohen Heidenvolkes, das die Mongolen aus seinen Wohnsitzen an den Grenzen von Siebenbürgen und Ungarn vertrieben hatten, und bat den König um Aufnahme in sein Reich. Der gewährte sie und siedelte wider des Adels Willen 40.000 kumanische Familien im Lande an. Darüber gesteigerter Zorn der Großen und neues Mißtrauen.
In solcher Lage war das Reich, als die mongolischen Schlachthaufen durch die Verhaue über das Karpathengebirge ins Land brachen, vierzigtausend Zimmerleute zogen dem Heere voran und bahnten den Weg. Nur unwillig und zögernd stellte sich der ungarische Adel auf den Ruf Belas zur Heeresfolge. Als die Mongolen schlau zurückwichen, mahnten sie sich des Sieges gewiß. Um so furchtbarer wurden sie 1241 in der Schlacht am Schaio geschlagen. Viele Große und Bischöfe fanden an diesem Tage den Tod, unter den letzten auch Rainald von Siebenbürgen. Denn als die Kirche reich geworden war an Land und Leuten, an Geld und Gut, mußten sie von ihrem Besitztum, wie die weltlichen Großen, zur Kriegszeit gleichfalls Krieger rüsten, wobei die Bischöfe oft gern Harnisch und Panzer anlegten und mitzogen in die Schlacht. Auch Nikolaus der Propst von Hermannstadt, des Königs Vizekanzler fiel an jenem Tage, nachdem er einen mongolischen Führer mit blutigem Schwerte erschlagen.
Ein anderer Heerhaufe der wilden Feinde brach nach Siebenbürgen ins Nösnerland ein. Drei Tage lang dauerte der Zug über das Gebirge, bis sie in die Gegend von Rodna kamen. Das war damals eine reiche deutsche Gemeinde, die Bergbau trieb und viel Volks zählte. Und ihre Männer waren tapfer und voll Kriegsmut und wohl versehen mit Wehr und Waffen. Als sie daher das Gerücht vernahmen von der Nähe des Feindes, zogen sie hinaus ihm entgegen, um ihn in Wald und Bergschlucht zur Rückkehr zu nötigen. Wie die Mongolen die Menge der bewaffneten Krieger sahen, wandten sie den Rücken und stellten sich, als ob sie flöhen. Da kehrten die Männer von Rodna mit Jubel zurück und legten die Waffen nieder und überließen sich bei Festgelagen der Freude über den eingebildeten Sieg. Das hatten die Mongolen erwartet. Schnell umkehrend drangen sie plötzlich von allen Seiten in Rodna ein und die Bewohner erkennend, daß jeder Widerstand zwecklos sein würde, ergaben sich. Der Feldherr Kadan nahm die Gemeinde unter seinen Schutz, wogegen Graf Aristald mit 600 auserwählten bewaffneten Bürgern seinen Zug nach Ungarn begleiten mußte.
Das war nun von dem Karpathengebirge bis an die Donau größtenteils in den Händen des wilden Feindes. Ja als die Winterkälte den schützenden Strom überbrückte, trug er unaufgehalten Mord und Zerstörung bis hinunter an das Meer. Die Bewohner flohen in die Berge und Wälder, wo viele verhungerten, während andere, die sich herauswagten, von den Mongolen zu Sklaven gemacht oder zu Tode gemartert wurden. Im Jahre 1242 erlöste endlich der Tod des mongolischen Großchans Oktai das Land von den Drängern. Die raubbedeckten Heere mußten schnell nach Asien zurückkehren. Ein Teil derselben nahm den Weg durch Siebenbürgen, das, die nordöstlichen Strecken ausgenommen, bis jetzt vom Gewitter verschont geblieben war. Nun erfuhr es gleichfalls die Furchtbarkeit desselben. Die Bollwerke, welche die Bewohner, geschreckt von dem Schicksal des Nachbarreiches, angelegt hatten, halfen nicht viel. Durch das Miereschthal, über das Nösnerlanb, durch Kokel- und Altthal, über das Burzen- und Szeklerland wälzten sich die wilden Haufen. Hinter ihnen blieb eine Wüste zurück.
Mitten auf dem Wege, den die zurückströmende Flut des Feindes verheerte, lagen die jungen deutschen Ansiedlungen. Daß auch sie das gemeinsame Schicksal des Landes geteilt, ist unzweifelhaft. Noch im Jahr 1245 gestattet Papst Innozenz IV. dem Hermannstädter Kanonikus und Pfarrer von Mühlbach, Theodorus, zu seinen Pfründen auch eine weitere, selbst wenn sie mit einer Seelsorge verbunden sei, anzunehmen, da jene durch die Wut der Tartaren verwüstet seien und er kein oder nur wenig Einkommen daraus beziehe. Der nahe Bischofsitz Weißenburg habe selbst ein Jahr später, wie Bischof Gallus vor dem König klagte, keine oder doch so wenige Bewohner, daß er um vermehrte Rechte für Einwanderer freien Standes bat und diese zugesichert erhielt. Über Hermannstadts Geschick hat sich die Kunde in der Chronik des St. Petersklosters von Erfurt erhalten - ein Dominikanermönch schrieb oder brachte sie wohl dahin: im Jahre 1242 im Monat April haben die Tartaren in Ungarn im Land der sieben Burgen die Stadt, die man Hermannsdorf nennt, erstürmt, bis auf Hundert erschlagen und das Kloster der Predigermönche daselbst angezündet.
Wenn das hier geschah, was mögen sonst die deutschen Ansiedlungen, die noch nicht ein Jahrhundert im Lande Standen, in dem blutigen Sturm gelitten haben! Gewiß man versteht es, wenn aus der Zeit vor dem -Mongoleneinfall nur eine einzige Urkunde im Sachsenland sich erhalten hat, die Michelsberger von 1223, die damals vielleicht die schwer ersteigbare Burg auf der waldumgebenen steilen Höhe rettete, deren graue Mauern und Kirche auf so frühe Erbauung hindeuten. Wohl mag es, wie einzelne Andeutungen auch in Urkunden schließen lassen, an tapferm Widerstand in Feld und Burg nicht gefehlt haben und doch litten noch ein Menschenalter später einzelne Gegenden an den Folgen jener schrecklichen Verheerung. Ja heute nach sechshundertfünfzig Jahren lebt in den Gemeinden des Nösnerlandes die Sage von der Grausamkeit und Verwüstung des Mongolenzuges in jener Frische, mit der sie einst ein Augenzeuge geschildert. Daß die junge Pflanzung ein solches Gewitter überdauerte, ist gewiß das bedeutsamste Zeugnis ihrer innern Kraft.

Jener Augenzeuge, Rogerius, der bisher für einen Wardeiner Domherrn galt (sicher seit 1249 Erzbischos von Spalato), irrte eine Zeit lang flüchtig in Ungarn umher. „Bettelnd," erzählt er, „zog ich durch die Wälder, aller Hülfe beraubt; kaum daß mir der, den ich einst reich beschenkt hatte, ein Almosen reichte. So von Hunger und Durst gefoltert war ich genötigt, nachts die Leichname umzuwenden, um verscharrtes Mehl und Fleisch oder sonst etwas Genießbares zu finden. In der Nacht trug ich den Fund tief in die Waldung. Ich mußte Höhlen auffinden oder Gruben machen, oder hohle Bäume suchen, um mich darin zu verbergen, denn wie Hunde, welche Hasen und Eber aufspüren, durchstöberten sie das dichte Dorngesträuch, die finstern Wälder, die Tiefe der Wasser und das Innerste der Einöden." Später trat er, um sein Leben zu fristen, in den Dienst eines Ungarn, der zu den Mongolen übergegangen war und wurde so auf dem Rückzug dieser mitgeschleppt. In den Moldauischen Gebirgen rettete er sich durch die Flucht und hat durch Siebenbürgen heimkehrend den schrecklichen Zustand des Landes beschrieben. Das sind seine Worte:

„Als die Mongolen aus Siebenbürgen zogen, kamen sie nach Kumanien (d. i. in die Moldau). Da ließen sie es nicht mehr zu, daß, wie früher, zur Nahrung der Gefangenen Tiere getötet würden, sondern gaben ihnen bloß Eingeweide, Füße und Schädel derselben. So begannen wir zu glauben, wie auch die Dolmetscher sagten, sie würden uns, wenn wir einmal Ungarn verlassen, alle der Schärfe des Schwertes überliefern. Und da ich nun weiter keine Hoffnung des Lebens hatte, sondern der schwere grausame Tod auf der Schwelle stand, gedachte ich, es sei besser da zu sterben als auf weiterm Zug von steter Todesangst gefoltert zu werden. Und darum verließ ich die Heerstraße, indem ich ein natürliches Bedürfnis verwandte und floh mit einem einzigen Diener schnellen Laufes in das Dunkel des nahen Waldes. Da verbarg ich mich in eine Vertiefung, die ein Bächlein gewaschen und ließ mich mit Zweigen und Blättern bedecken. Mein Diener versteckte sich etwas entfernter, damit nicht etwa des einen unvermutete Entdeckung auch des andern traurige Gefangennahme bewirke. Und so lagen wir da zwei ganze Tage ohne das Haupt zu erheben wie im Grabe; oft hörten wir die schrecklichen Stimmen jener, die nahe im Walde die Spuren verirrten Viehes suchten und häufig Gefangene, die sich versteckt hatten, anriefen. Als wir aber nicht länger im Stande waren, des Hungers unwiderstehlichen Drang und die ängstliche Begierde nach Nahrung in dem Innersten des Herzens durch die Bande des Stillschweigens zu fesseln, erhoben wir die Häupter und krochen wie die Schlangen auf Händen und Füßen über die Erde.
So kamen wir endlich zusammen und fingen an mit schwacher und leiser Stimme uns gegenseitig traurige Klagen über den nagenden Hunger mitzuteilen und mit Seufzen und Weinen zu gestehen, daß der Tod durchs Schwert ein geringeres Übel gewesen wäre, als wenn durch Mangel an Nahrung die Bande der Glieder und die Einheit zwischen Seele und Leib gelöst würden. Und als wir in derartigen frommen Gesprächen uns ergingen, erschien plötzlich ein Mensch, vor welchem wir, als unser Auge ihn erblickte, furchtsam die Flucht ergriffen. Bald aber sahen wir ihn nicht weniger eilig sich zur Flucht wenden, weil er glaubte, daß unsere Übermacht in Hinterlist sein Verderben beabsichtige. Und als wir uns so gegenseitig fliehen sahen und Waffen bei keinem erblickten, standen wir still und riefen uns an mit Zeichen und Winken.
Da nun einer dem andern in frommem, weitläufigem Gespräche sich zu erkennen gegeben hatte, berieten wir, was wir weiter thun könnten. Aber in der doppelten Bedrängnis, des ungestillten Hungers nämlich und der Todesfurcht, litten wir entsetzliche Angst und Not, so daß wir fast das Augenlicht zu verlieren meinten. Denn weder waren wir im Stande, den Saft wilder Kräuter hinabzuschlingen, noch die Kräuter selbst, wie es die wilden Tiere machen, zu verzehren. Und obwohl uns so großer Hunger quälte und des entsetzlichsten Todes furchtbares Bild stets vor Augen schwebte, so erhielt unsere Kräfte doch ein Vertrauen auf Lebensrettung und die Hoffnung dem Jammer zu entrinnen ließ den Mut nicht ganz sinken. Und so kamen wir endlich mit erneuerter Zuversicht im Herrn gekräftigt an den Saum des Waldes; eilig stiegen wir auf einen hohen Baum und übersahen das von den Tartaren verödete Land, das sie bei ihrem Einfall nicht verwüstet hatten. O des Jammers! Wir durchwanderten eine entvölkerte, menschenleere Gegend, die die Tartaren auf ihrem Zuge verheert hatten. Die Glockentürme der Kirchen waren die einzigen Zeichen, welche uns von Ort zu Ort leiteten und wahrlich sie zeigten uns hinreichend schrecklichen Weg. Denn Straßen und Fußsteige waren im schlechtesten Zustand und ganz von Unkraut und Dorngestrüpp überwuchert. Lauch, Zwiebel und was sonst in den Gärten der Bauern übrig geblieben gefunden werden konnte, wurde mir als größter Leckerbissen gebracht, die übrigen genossen andere Kräuter und Wurzeln. Damit wurde der hungrige Magen gefüllt und der belebende Geist in dem fast leblosen Körper wieder angefacht. Die Ermüdeten erquickte keine Ruhe, da wir ohne Dach und Fach und schützende Decken die Nächte zubrachten.
Am achten Tag endlich, nachdem wir den Wald verlassen, kamen wir nach Weißenburg, wo wir nichts fanden außer Knochen und Häupter der Erschlagenen und der Kirchen und Paläste zerstörte Mauern, die häufig Christenblut bedeckte. Denn wenn auch die Erde das unschuldige Blut, das sie getrunken, nicht zeigte, so waren doch die Steine überall von dunkler Röte gefärbt, so daß wir nur mit beständigem schwerem Seufzen schnell daran vorübergingen. Es war aber zehn Meilen davon neben einem Wald ein Dorf, Frata genannt, und im Wald drinnen vier Meilen vom Dorf ein sehr hoher Berg, auf dessen Spitze ein steiler Felsgipfel sich befand. Auf diesen hatte sich eine große Menge Männer und Weiber geflüchtet, die uns mit Freudenthränen aufnahmen und sich nach unsern Drangsalen erkundigten, die wir ihnen aber mit wenigen Worten nicht erzählen konnten. Sie reichten uns endlich schwarzes Brot, aus Mehl und geriebener Eichenrinde gebacken; nie haben uns Semmel so wohl geschmeckt. Daselbst blieben wir einen Monat lang und wagten es nicht herabzusteigen, sondern schickten nur von den leichtern und jüngern Männern Späher, zu erkunden, ob nicht noch ein Teil der Tartaren zurückgeblieben sei, oder mit trügerischer List, um die durch glückliche Flucht Entronnenen wieder zu fangen, zurückkehren werde."

So erzählt Rogerius.

Der jammervolle Zustand, in welchen die Mongolen das Land gestürzt hatten, endete mit ihrem Abzug nicht. Pest, Heuschrecken, Hungersnot brachen herein, so daß, wie die Zeitbücher erzählen, in jenen Tagen Menschenfleisch öffentlich zu Markte gebracht wurde.

6.

Die Regierung König Belas IV. nach dem Mongoleneinfall und die Zeiten unter seinem Sohn Stephan V. und seinem Enkel Ladislaus IV.

1242 - 1290

Ja Feinde rings; doch unverzagt
Sieht man die deutschen Gäste;
Die Freiheit hält bei ihnen Wacht
und Mut heißt ihre Beste.

F.  M a r i e n b u r g

König Bela floh nach der unglückseligen Schlacht am Schaio zum Herzog Friedrich von Österreich und von diesem schwer bedrängt nach Dalmatien. Als er hier zu weiterm Kriege rüstete, traf ihn die Kunde von dem Abzug der Feinde. Nach Ungarn zurückgekehrt suchte er durch kräftige Maßregeln die große Not des Reiches zu mildern. Den deutschen Städten, die durch die Mongolen ihre Freiheitsbriefe verloren hatten, stellte er neue aus, damit sie mit ihrer Hülfe wieder erstarkten. Und da viele Orte durch Krieg oder Seuchen alle Einwohner verloren hatten, schickte er, wie schon manche seiner Vorgänger in schwerer Zeit, Boten und Briefe aus in alle umliegenden Länder und rief Bewohner in die verödeten Gegenden, Männer jeden Standes, Gemeine und Adelige. Und denen die da kamen, Deutsche waren es wieder vor allem, verlieh der König Land und begabte sie mit mannigfachen Rechten und Freiheiten.

Eine starke Schutzwehr für die Sachsen in Siebenbürgen würde es geworden sein, wenn der König einen Plan hätte ausführen können, den er in dieser Zeit zur Verhütung ähnlichen Unglücks, wie der Mongoleneinfall gewesen, faßte. Er schenkte nämlich im Jahr 1247 dem Orden der Johanniterritter den Severiner Banat und Kumanien, d. i. die heutige Walachei und Moldau. Die Ritter sollten das Land gegen Feinde verteidigen und mit Einwanderern bevölkern, jedoch Sachsen oder Deutsche aus dem ungarischen Reich dahin nicht ansiedeln ohne des Königs ausdrückliche Bewilligung. Aber der Orden hat diese Pflicht nicht erfüllen können und so blieb den Siebenbürger Deutschen allein die Ehre und die Last, hier des Reiches Grenzen zu schirmen.
In demselben Jahr, in dem die Mongolen abgezogen, sandte König Bela den Woiwoden Laurentius nach Siebenbürgen, daß er die zerstreuten Bewohner sammle und alles vorkehre, was die schwere Zeit erfordere. Das erste Zeugnis seiner Thätigkeit im Lande ist, daß er deutschen Männern, dem Grafen Lentink (Lenteneck) und seinem Bruder Hermann Schloßgüter von Doboka, dem Schwager derselben Christian zwanzig Joche königlichen Besitzes in der Gemeinde Nagyfalu um ihrer Treue und ihrer Kriegsdienste willen vergabte; der König bestätigte die Vergabung im Jahr 1243.
Ob auch in Siebenbürgen zu dieser Zeit neue Einwanderungen deutscher Ansiedler stattgefunden, kann nicht mit Entschiedenheit bestimmt werden. Unwahrscheinlich wäre es nicht, da erweislich in das benachbarte Ungarn aus den Ruf des Königs neue Kolonisten kamen, die ferne Grenze aber im Lande jenseits des Waldes Vermehrung ihrer Verteidiger ebenso bringend bedurfte. Gewiß ist es, daß sächsischen Orten, deren Bevölkerung gelichtet worden war, größere Rechte und Freiheiten erteilt wurden, damit hiedurch neue Einwanderer herbeigezogen würden. So geschah es bei Winz und Burgberg am Mieresch, deutschen Volksgemeinden, deren Gründung in unbekannte Zeit zurückgeht, und die damals noch nicht zu der Hermannstädter Provinz gehörten. Der Woiwode Laurentius erteilte ihnen, „den treuen deutschen Ansiedlern", im Jahre 1248 in Bezug auf Benützung von Wald, Wasser und Weide alle jene Rechte, die die Hermannstädter Gaugenossen aus ihrem Grund und Boden hatten, und regelte ihre Steuerverhältnisse. Der Wirt, der einen ganzen Hof besaß, zahlte jährlich ein Drittel Lot zehnlötigen Silbers, aber mit der großen Wage, wie sie gewöhnlich die Domherren von Weißenburg gebrauchten. Die Einwohner trieben Schiffsbau und Flußschiffahrt auf dem Mieresch; wenn der Woiwode zu ihnen kam, mußten sie ihn jährlich zweimal bewirten.
König Belas Sohn, Herzog Stephan, bestätigte 1265 diese Ordnung, damit die Zahl der Bewohner sich mehre und die Ansiedlung besser gedeihe.
Auch die Güter der Abtei Kerz waren von den Mongolen gänzlich verwüstet worden, so daß sie noch ein Menschenalter später infolge dieser Verheerung Mangel litten an Bewohnern. Diesem zu wehren nahm Herzog Stephan im Jahr 1264 die Abtei in seinen besondern Schutz, sprach ihre Güter von der lästigen Pflicht Woiwoden und Große zu bewirten, sowie von allen Abgaben frei; dafür sollten sie an der jährlichen Steuer des Hermannstädter Gaues verhältnismäßigen Anteil tragen. Das ist der Anfang der später enger gewordenen Vereinigung der Abteigüter mit den Sachsen.
König Belas IV. wohlthätige Wirksamkeit zur Wiederherstellung des Landes unterbrachen Streitigkeiten mit dem eigenen Sohn. Er ließ unklugerweise denselben noch bei seinem eigenen Leben zum König krönen und übergab ihm Siebenbürgen als Herzogtum. Bald aber genügte dem Sohn das nicht, er wollte an Gewalt, Einkünften und Glanz dem altern König gleich sein. Vergebens mahnte der Papst, mahnten die Bischöfe zum Frieden. Im Jahr 1267 brach der Krieg aus zwischen Vater und Sohn. Das Volk der Sachsen stritt für Bela, während einzelne Mächtige aus seiner Mitte, so Chiel, der Sohn Erwins von Kelling und sein Sippe Teel, der Sohn Ebls von Broos, unter Stephans Fahne kämpften. Der Herzog wurde mit geringem Gefolge von den Anhängern seines Vaters in der Schwarzburg bei Zeiden im Burzenlande enge eingeschlossen. Er aber in glücklichem Ausfall warf die Feinde zurück. Ebenso wurde der Woiwode Ladislaus, der mit den Kumanen gegen ihn ins Land rückte bei Deva geschlagen. Durch diese Siege vermutlich gedrängt, gingen die Sachsen zu Stephan über. Doch wandte sich das Glück später auf des ältern Königs Seite. Des Herzogs eigner Kanzler Propst Niklas von Hermannstadt verließ sein Banner. Stephan unterwarf sich dem Vater und erhielt Verzeihung, nachdem der Könige Streit unheilvoll den Frieden des Landes gestört.
Nach Belas IV. Tod (1270) war Stephan, dieses Namens V., allein König. Er trug die Krone, die er so lange erstrebt, nur zwei Jahre. Trotz der kurzen Zeit ist seine Regierung für das Sachsentum in Siebenbürgen bedeutungsvoll. Als mehrjähriger Herzog des Landes mochte er die Bedeutung der deutschen Bevölkerung hier eingesehen haben. Darum gründete er als König in dem freundlichen Thal des kleinen Samosch, das wohl noch an den Folgen der Mongolenverwüstung litt, Klausenburg und setzte deutsche Ansiedler dahin, denen er wertvolle Rechte und Freiheiten erteilte.

Auf Stephan V. folgte 1272 sein zehnjähriger Sohn Ladislaus IV. Unter ihm hat achtzehn Jahre hindurch große Verwirrung das Reich erfüllt. Anfangs Knabe ohne Erziehung, später Jüngling ohne Einsicht, als Mann nur Vergnügungen und Ausschweifungen nachgehend, war er nie im Stande König zu sein. Als er aus Vorliebe zu den Kumanen, um derentwillen man ihn den Kumanen nennt, diesen alles ungestraft hingehen ließ, wuchs die Verwirrung. Der Adel riß immer mehr Macht an sich, trieb immer größern Mißbrauch damit. Damals geschah es, daß ungarische Große ihren König festsetzten und mit Schlägen mißhandelten. So sehr hatte er alles Ansehen verloren.
Wo aber der Herr in seinem Hause seine rechtmäßige Gewalt sich stehlen läßt von seinen Dienern und zu ihrem Spotte herabsinkt, kann die Wohlfahrt nicht gedeihen. Also wurde auch in Siebenbürgen Friede und Einigkeit niedergetreten, und wer da bestehen und das Unrecht nicht ertragen wollte, fand keine andere Hilfe als durch eignen Mut und Thatkraft. So geschah es Johann dem Sohn Alards von Salzburg.
Das war dazumal noch eine stattliche sächsische Volksgemeinde und Alardus Graf oder Richter derselben. Ihn ließ der Siebenbürger Bischosf Petrus im Bunde mit einigen Domherren ermorden. Da sammelte von Rache getrieben sein Sohn die reichen Sippen und Freunde, stürmte an ihrer und des zahlreichen bewaffneten Gefolges Spitze am Sonntag Reminiscere 1277 nach Weißenburg und übte blutige Vergeltung an den Urhebern der That. Der Bischofssitz und das umliegende Land wurden verwüstet, die Domkirche zerstört und nahe an zweitausend Menschen, die sich in dieselbe geflüchtet, darunter vier Archidiakone, Domherren, Priester und Laien mit ihr verbrannt. Die Reliquien, Kreuze, geistlichen Gewänder, Bücher, Kirchenschätze wurden entweiht, zertrümmert, geraubt. Bis in späte Zeiten herab konnte das Kapitel keine stärkere Verwünschung treffen, als daß doch die Zeit Johanns des Sohnes Alardi wiederkehren möchte. Die alten Freibriefe samt dem Siegel des Bistums gingen verloren und König Ladislaus sah sich schon im folgenden Jahr genötigt, dem Domkapitel, da es durch der Sachsen Mord und Wut fast ganz zu Grunde gerichtet worden sei und außer mit königlicher Hülfe nicht mehr erstehen könne, eine Salzgrube in Thorenburg, die es schon früher besessen, jetzt aufs neue für ewige Zeiten zu verleihen und ihm zugleich alle königlichen Steuern zu schenken und nachzusehen, die auf die Bewohner seiner Besitzungen je aufgeschlagen würden, damit diese durch jenes Unglück verödet, hiedurch aufs neue um so leichter bevölkert werden könnten.

Die Urheber dieser That Johann Alards Sohn und seine Genossen wurden zur Strafe ihres teuflischen Wütens auf allgemeiner Reichsversammlung im Jahre 1291 mit dem Kirchenfluche belegt und für die Zukunft allen bei sonst zu gewärtigendem Interdikt geboten, in ähnlichen Fällen „gegen solche Verbrecher und giftige Glieder des Landes" in Waffen aufzustehen. Die diesmaligen Thäter sollten so lange im Bann bleiben, bis sie der Weißenburger Kirche alles vergütet. Das aber scheint nie geschehen zu sein; denn 1287 ließ der Bischof Petrus auf eigne Kosten die Mauern, 1291 das Dach der zerstörten Domkirche herstellen und das Domkapitel erklärte noch im Jahr 1309, daß der Salzburger mit seinen Genossen des Bannes nicht ledig sei.

Dasselbe Domkapitel lebte mit den Pfarrern des Mediascher Kapitel im Unfrieden. Es erhob Anspruch auf drei Zehntquarten von Feldfrüchten, Wein, Bienen und Lämmern, deren Bezug jene als eigenes Recht behaupteten. Durch Vermittlung guter Männer kam es endlich zu freundschaftlichem Ausgleich. Am 23. Juni 1283 trat der Mediascher Dechant Walter, Pfarrer von Häzeldorf, mit Adam, Pfarrer der „Dorfgemeinde" Mediasch, Johannes von Birthälm, Heinrich von Reichesdorf und andern Pfarrern seines Kapitels in Weißenburg vor den Bischof Petrus und vertrug sich mit dem Domkapitel dahin, daß das Mediascher Kapitel dem Domkapitel für jene drei Quarten jährlich vierzig Mark guten Silbers, wie es in Weißenburg, in Winz und in Broos lief, zu zahlen habe, und zwar am Vorabend des Michaelstags zehn Mark, fünfzehn Tage nach Martini fünfzehn Mark und fünfzehn Tage nach Maria Reinigung die übrigen fünfzehn Mark. Falls die Pfarrer den Zahltag versäumten, sollten Sie schon am folgenden Tag das Doppelte zahlen, ob die Gemeinden größer oder kleiner geworden. Papst Clemens V. bestätigte 1307 den Vertrag und trug im folgenden Jahr dem Hermannstädter Propst auf zu sorgen, daß er aufrecht bleibe.
In das von innern Wirren heimgesuchte Land fielen im Jahr 1285 die Tartaren ein. Eine Strecke von zwölf Meilen bedeckten ihre Züge, so hieß es. Die Horden schädigten und plünderten Bistritz so, daß der König der Armut des Volkes durch Nachlaß von zwei Dritteilen der Zölle zu Hülfe kommen mußte. Einige Haufen derselben wurden von den Szeklern bei Thorozko geschlagen. Dafür und für das Geschenk von achtzig Rossen bestätigte Ladislaus ihnen das Eigentumsrecht auf ein Stück Landes am Aranyosch, das ihnen Stephan geschenkt hatte. Das ist der Ursprung des Szeklerstuhls Arauyosch.

Den König Ladislaus erschlugen 1290 seine Günstlinge, die Kumanen, in einem ihrer eigenen Zelte.

 

7.

Die Regierung König Belas IV. nach dem Mongoleneinfall und die Zeiten unter seinem Sohn Stephan V. und seinem Enkel Ladislaus IV.

1290 - 1301

Gesegnet sei dein Fleiß, dein Glücksstand blühe,
Voll sind die Scheunen . . . . . . .
da steht dein Haus, reich wie ein Edelsitz.

S c h i l l e r

Zu derselben Zeit war aus dem Geschlechte Arpads nur ein Mann am Leben, Andreas, Enkel Andreas II., den seinem nachgebornen Sohne Stephan eine edle Venetianerin geboren, weshalb man ihn auch den Venetianer nennt. Ihn erhob ein bedeutender Teil der Mächtigen aus den Thron, den ein gewaltiger Gegner ihm rauben wollte. Andreas' II., Enkel Stephan V., hatte nämlich seine Tochter an den König Karl von Neapel vermählt. Dessen Sohn Karl Martell vermeinte nähere Ansprüche auf die Krone zu haben und der Papst in Rom begünstigte sie, da doch offenbar der dem Mannesstamm entsprossene Sohn des Königshauses das Vorrecht vor dem aus weiblicher Linie hatte. Darüber entspann sich langer Streit. Nach Karl Martells Tod kam sein unmündiger Sohn Karl Robert nach Ungarn und der Erzbischof von Gran krönte ihn zum König. Wenige Monden darauf starb Andrens III. (14. Januar 1301); mit ihm erlosch in Ungarn der Arpadische Mannesstamm.
Das Reich stehe am Rande des Verderbens, so klagen unter ihm die Stände. Von den Wirren der Zeit blieb auch Siebenbürgen nicht unberührt. Der Woiwode Rorand erhob selbst die Waffen gegen den König. So groß war die Zerrüttung, daß Andreas schon im ersten Jahr seiner Regierung ins Land kam und zur Wiederherstellung der Ordnung 1291 in Weißenburg den ersten bekannten siebenbürgischen Landtag hielt. Anwesend auf demselben waren außer den Prälaten und Baronen im Gefolge des Königs der Adel der Komitate, die Sachsen, Szekler und Walachen. Die letztern werden auf diesem einzigen Landtag und sonst nie mehr unter den Gliedern desselben erwähnt ; wahrscheinlich waren es damals jene walachischen Knesen, von denen manche Familien später in den ungarischen Adel übergegangen sind, die an der Spitze jener walachischen Gemeinden standen, welche die Könige allmählich auf königlichen Schloßgütern, so auf Besitzungen von Deva, ansiedelten. Sonst finden sich im ganzen dreizehnten Jahrhundert äußerst selten Spuren walachischen Lebens in Siebenbürgen. Noch im Jahr 1293 konnte Andreas III. auf den Rat seiner Barone alle Walachen von den Gütern des Adels oder wo sie sonst sich aufhielten, auf eine königliche Besitzung zusammenrufen und wenn sie nicht willig kämen da zu wohnen, solle man Gewalt brauchen. So dünn muß damals noch die Bevölkerung derselben im Land gewesen sein, wie denn in der That aus der gesamten Arpadenzeit kein einziges Baudenkmal vorhanden ist, das ihres Geistes oder ihrer Hände Werk wäre.
Dafür war zu dieser Zeit Thorenburg von Sachsen bewohnt. Wann sie dahin eingewandert, ist unbekannt. Im Jahre 1291 klagten sie dem König, daß sie ihre Freibriefe im Tartareneinfall durch Feuer verloren hätten, was viele Adelige bestätigten. Da stellte ihnen Andreas einen neuen Freibrief aus. Er vergrößerte ihr Gebiet mit mehreren angrenzenden königlichen Ländereien und befreite die Ansiedler von der Gerichtsbarkeit der Komitatsbeamten und des Woiwoden und der Pflicht ihrer Bewirtung. Sie waren unmittelbar dem König und seinem Schatzmeister untergeordnet und wurden von dem eigenen Richter gerichtet. Dazu erhielten sie freie Wochenmärkte, Zollfreiheit im Reiche und die Befugnis am St. Martinstag aus den königlichen Gruben Freisalz zu holen. Dieselben Freiheiten, sagt die Handveste, hätten auch die deutscheu Ansiedler von Deesch, Szek und Kolosch -- Orte, in denen wie in Thorenburg das Deutschtum längst bis auf wenige Spuren erloschen ist.
Dasselbe Schicksal hat es in Thorozfo gehabt. Dahin hatten die Könige zur Betreibung des Bergbaues unter Zusicherung wertvoller Rechte Deutsche aus Oberösterreich gerufen und angesiedelt. Diese Urkunden über ihre Berufung und über die ihnen bei ihrer Ansiedlung gewährten Freiheiten seien im Tartareneinfall verbrannt, trugen sie dem König 1291, wahrscheinlich als er eben im Lande war, vor und wiesen die Wahrheit ihrer Aussage durch das Zeugnis vieler Adeligen nach. Andreas, die Gerechtigkeit ihres Ansuchens und die Bedeutung des Bergbaues für die Wohlfahrt des Landes betonend, stellte ihren Bitten zufolge die Freiheiten wieder her, auf die sie waren gerufen worden. Sie wählten sich Richter und Ratmannen aus ihrer Mitte und standen unmittelbar unter dem König und seinem Schatzmeister. Sie hatten freie Wochenmärkte und durften ungehindert Wald, Wasser und Weide nach Westen hin in der Entfernung einer Meile benutzen.
So sorgte König Andreas III. für die deutschen Bewohner Siebenbürgens! Zwar sind auch in Thorozko im schönen Thale des selbigen Szeklersteins die deutschen Laute längst verklungen und die alte Freiheit ist nicht mehr. Nur die Sage noch erzählt im freundlichen Orte vom Deutschtum der Väter. Doch zeichnen sich seine Bewohner noch immer durch eigentümliche Körpergestalt und Kleidung vor ihrer Umgebung vorteilhaft aus und beurkunden hiedurch so wie durch größere Bildung und Tüchtigkeit der Gesinnung den deutschen Ursprung bis auf den heutigen Tag.
Der Thron König Andreas' III. ruhte zum Teil auf der Sachsen Kraft. In den Streitigkeiten wider Karl Martell erhielt er ausdrücklich den Rat, sich des Beistandes der Sachsen zu versichern, wenn ihm an glücklichem Erfolge liege. Ihre Wichtigkeit und Bedeutung im ungarischen Reiche erkennend berief sie Andreas auf den Reichstag. Zweimal 1292 und 1298 erscheinen sie während seiner Regierung auf demselben und beraten mit dem König, dem Adel und den Bischöfen über des Landes Wohlfahrt. Sie beschicken den Reichstag nicht als Bürger von sogenannten Freistädten - - Solche gab es damals im Sachsenlande nicht und die ungarischen erhielten die Reichsstandschaft erst zwei Jahrhunderte später -sondern als ein freies, will damals nicht weniger sagen als adeliges Volk.
Auch hatten seine einzelnen Bürger jener Zeit nicht weniger Rechte als jeder einzelne ungarische Adelige. Dieser - - ursprünglich - - wie jener zahlte Steuern, leistete Kriegsdienste und war nur dem König und dem Gesetz unterthan, das er selber machen half. Doch konnte sich der ungarische Adelige auf Sachsenboden nicht ansiedeln, denn der nahm nur den deutschen Mann auf und gab ihm Bürgerrecht; dem Sachsen aber war der Ankauf von adeligen Gütern nicht verwehrt, eben weil das sächsische Bürgertum nicht weniger war als adeliges Recht. Und unter den Sachsen waren einzelne Geschlechter, die begüterter als die andern schon bei der Besiedlung größere Strecken wüsten Bodens übernommen hatten, im Laufe der Zeit durch Fleiß und Betriebsamkeit zu immer größerem Reichtum gekommen. Die machten von diesem damals nie bestrittenen Rechte gebrauch und kauften sich adeliges Besitztum außerhalb des Sachsenbodens,
und Wald, Wasser und Weide, ja ganze Dörfer mit ihren Bewohnern.
Hier genossen sie alle jene Rechte, die der ungarische Adel auf Adelsboden hatte, während sie auf Sachsenboden nicht über dem sächsischen Rechte standen, sondern nur Bürger waren wie jeder andere. Ihre Zahl wuchs allmählich so sehr, daß König Andreas III. in dem großen Freibrief, den er dem Adel am 22. Februar 1291 infolge der Verhandlungen und Beschlüsse auf dem Krönungslandtag in Stuhlweißenburg ausstellte, ihrer ausdrücklich erwähnt. Er nennt sie „die güterbesitzenden und nach der Weise der Adeligen lebenden Siebenbürger Sachsen" (Saxones Transsilvani praedia tenentes et more nobilium se gerentes) und stellt sie in Rechten und Pflichten dem ungarischen Adel gleich.

Doch es ist nicht gut, wenn in einem Gemeinwesen Einzelne überreich und mächtig werden, da von ihnen der Freiheit der andern Gefahr droht. So lehrt auch unseres Volkes Geschichte. Aus der Mitte jener mächtigen Geschlechter ist der Gemeinfreiheit ein Feind erstanden, gegen den der gesunde Geist unseres Volkes zu kämpfen gehabt hat viele Jahrhunderte lang.

Es geschah nämlich, daß Männer aus solchen mächtigen Geschlechtern von dem Vertrauen des Volks zu Richtern gewählt wurden. Die nannte man damals noch Grafen nach altdeutschem Brauch, wiewohl das Wort nicht immer ein Amt bezeichnet, sondern bisweilen als bloßer Ehrenname gebraucht wird. Und es mochte nicht selten geschehen, daß, weil sie Recht und Gerechtigkeit handhabten, die Richterwürde bei ihnen gelassen wurde ihr Leben lang, ja nach ihrem Tode durch des Volkes Wahl aus die Söhne überging. Wo das aber mehrmals geschehen, fingen diese Grafen an, diese Würde als ihr Eigentum zu betrachten und nicht selten gelang es ihnen, königliche Bestätigungsbriefe darüber zu erschleichen, ungeachtet im Andreanum geschrieben steht: zum Richter soll das Volk den wählen, der ihm der tüchtigste scheint. Statt wie früher die Gemeinde oder ihre Geschwornen, sprach nun der Erbgraf auf seinem Hofe das Recht und behielt das Strafgeld für sich. Und es mochte wohl manchem auch bequemer scheinen, ruhig daheim am Herde zu bleiben und den Grafen allein dag Gericht hegen zu lassen, statt, wie früher des freien Mannes Pflicht forderte, regelmäßig zum Gemeinding, d. h. Gericht, zu kommen und das Urteil finden zu helfen. Bald suchten aber die Erbgrafen noch mehr Rechte an sich zu reißen und hie und da gelang es Einzelnen, sogar Steuer= und Zehntfreiheit sich zu erwerben. Das alles geschah in geradem Widerspruch gegen sächsisches Volksrecht, auf daß die Nachwelt lerne, wie die Freiheit nur dann feststehe, wenn sie jeder schirmt und was alle angeht, nicht einem überlassen wird. Anfangs zwar macht er's vielleicht so, daß das Gemeinwesen dadurch nicht leidet; wer bürgt dir aber, daß er später darin nicht nur ein Mittel zu eignem Vorteile sieht und über sich das Ganze vergißt?
So erscheinen auf dem Sachsenboden schon seit dem 13. Jahrhundert Grafenhöfe und Erbgrafen. Und wie sie so reich und mächtig wurden und adelige Güter auf ungarischem Boden kauften, versuchten sie bald auch auf dem Sachsenboden Adelsrechte zu üben. Die Eigentümlichkeit der ursprünglichen Besiedlung des Sachsenlandes und der wirtschaftlichen Benützung eines Teiles des Bodens kam ihnen dabei zu statten. Bei der Einwanderung hatte es sich nämlich getroffen, daß zwischen den einzelnen Ansiedlungen hie und da Grenzstriche, damals, wohl überall von dunkelm Urwald bedeckt, ohne Bevölkerung blieben. Sie bildeten einen gemeinschaftlichen Besitz der gesamten Ansiedlung und sind fast unzweifelhaft die Prädien des Andreanischen Freibriefs, im deutschen „Freitum" genannt, in dem sächsischen Ausdruck fråtum, der heute noch einen derartigen Besitz bezeichnet. Spuren dieser Prädien und ihrer gemeinsamen Benützung durch die ursprüngliche Ansiedlergruppe finden sich durch alle Jahrhunderte hindurch. Den Reichern und Mächtigen nun mochte es aus vielfachen Wegen gelingen, sich in den ausschließlichen besitz von Teilen derselben zu setzen; Ansiedler dahin zu bringen konnte nicht schwer sein. Die Versuchung aber, solchen Besitz als adeligen zu betrachten und zu behandeln, lag verlockend nahe. Durch ihren Reichtum und die adeligen Güter auf ungarischem Boden näherten solche Gewaltige sich nämlich den ungarischen Geschlechtern und deren Söhne und Töchter heirateten gern in solche sächsische Häuser. Dadurch aber wuchs das adelige Gelüste in diesen immer mehr und mehr, und das Streben, Unfreiheit den Volksgenossen, sich selbst Adelsmacht zu verschaffen, nahm mit den Mitteln zu. Widerrechtlich, wohl auch mit Hülfe königlicher Schenkungsbriefe, verwandelten sie ihr Gut in adeliges, ja sie starben sogar dem sächsischen Volkstum ganz ab, ließen der Väter Sprache und Sitte und wurden Ungarn. In mehr als einer der mächtigsten ungarischen Adelsfamilien findest du, wenn du ihrem Ursprung nachgehst, sächsisches Blut. Und viel gutes altsächsisches Besitztum ist auf solche Weise in
ungarische Hände gekommen.
Solche mächtige Geschlechter, die die Erbgrafschaft in einzelnen Orten hatten und auf adeligem Boden reichbegütert waren oder die auch ohne jene Würde adeligen Grundbesitz hatten, kennt die Sachsengeschichte viele. Zu den bedeutendsten aus der Arpadenzeit gehören die Nachkommen Erwins von Kelling, ErbGrafen dieses Ortes, mit Besitzungen in Kuth, Ringelskirch, Weingartskirchen, Spring, Drascho, Benzenz und vielen andern Orten; die Alard von Salzburg, zugleich Erbgrafen hier Seit 1222, mit Gütern in Ringelskirch, Weingartskirchen und anderswo; Graf Arnold von Pold, der durch Verleihung Königs Stephans V. das Dorf Klein-Enyed im Albenser Komitat besaß, das nach sächsischem Erbrecht 1292, da Graf Arnold ohne Söhne gestorben, auf seine Tochter und deren Gatten Christian, Ludwigs Sohn, überging; Graf Petrus, Hennings Sohn von Denndorf, der 1289 vom Grafen Ladislaus Daras Sohn Mukendorf und Schorpendorf um zwanzig Mark Silber kaufte; das Haus Hennings von Petersdorf im Unterwald u. a.
So erstand in der Mitte der freien Sachsen der eigenen Freiheit ein gewaltiger Feind. Vom Kampfe gegen ihn wird die Geschichte noch manches erzählen. Doch hat gerade diesen mächtigen Geschlechtern das Sachsentum größere Ausbreitung zu danken. Manche sächsische Dörfer aus ursprünglichem Komitatsboden sind von ihnen gegründet worden, andere dagegen von ungarischen Adeligen, die, wie jene, arme Sachsen gegen Zusicherung bedeutender Rechte auf ihre Güter riefen. Aber später wurden ihnen die Freiheiten zum Teil wieder geraubt. So scheinen die sächsischen Dörfer in der Zekescher Surrogatie, im Bulkescher und Bogeschdorfer Kapitel entstanden zu sein, deren schon im 13. Jahrhundert Erwähnung geschieht. Auch in der Nähe der königlichen Burgen siedelten die Könige gern jene thätigen und tapfern Männer an. So sind ebenfalls einzelne sächsische Orte des Kokelburger Komitats, so wahrscheinlich Regen mit seiner sächsischen Umgebung entstanden. Selbst der siebenbürgische Bischof sah seine Höfe und Dörfer gern von Sachsen bewohnt. Sogar nach der „feindlichen Verfolgung" durch Baan von Salzburg, Alards Sohn, die zur Entvölkerung einzelner beigetragen hatte, erwirkte Bischof Petrus 1282 vom König Ladislaus wertvolle Rechtszusicherungen für Ansiedler freien Standes. Und als in der That eine sächsische Bevölkerung in das bischöfliche Dorf Schard nahe bei Weißenburg gezogen, erhielten sie 1295 das Recht freien Abzugs, wie sie frei gekommen, und das Recht im Fall erbenlosen Todes über ihren Besitz zu verfügen — nur ein Ochse solle dem Bischof bleiben —. Die Gebäude, die sie gebaut, die Weingärten, die sie angelegt, alles was sie selber gemacht, sollen sie ungehindert verkaufen, verschenken, von Todes wegen vergaben können. Ihre Abgabe an den Bischof betrug jährlich dreizehn Mark; einmal im Jahr gaben sie zu seiner Bewirtung einen Ochsen von der Weide, ein Schwein ein Faß Wein, dann jeder Hof eine Henne, einen Kübel Hafer und zwei Brote. In kleineren Streitfällen richtete der Hann, den sie sich wählten wo Blut geflossen oder in Fällen des Diebstahls und ähnlichen, dieser zugleich mit dem Richter, den der Bischof gesetzt, wobei der bischöfliche Mann zwei Dritteile, der der Gemeinde ein Dritteil der Bußgelder erhielt. Für die Beurteilung der Fälle aber sollte das Gewohnheitsrecht Hermannstädter Gaues gelten.
Etwa anderthalb Jahrhunderte waren die Sachsen in Siebenbürgen als der Arpadische Mannesstamm, der sie zum Schutze der Grenze ins Land gerufen und mit Rechten und Freiheiten reich begabt hatte, ausstarb Und in der kurzen Zeit hatten sie das Land gerodet und die Tiere vertrieben, die Sümpfe ausgetrocknet und zu Fruchtfeldern umgeschaffen, und Dörfer und Burgen gebaut. Wo früher nur des Bären Spur sich fand und der Jagdruf ertönte oder das Schlachthorn erscholl, da wohnten freie Männer auf ihrem Erb und Eigen; Berg und Thal war umgewandelt und nicht mehr ein unsicheres Besitztum der ungarischen Krone. Die Enkel der Männer, die in die öde Wildnis eingewandert waren, saßen auf dem Reichstag neben Prälaten und Baronen. Wo nahe der westlichen Grenze die starken Schlösser Hunyad und Deva das Land nicht mehr schirmen konnten, da begannen am Mieresch ihre Ansiedlungen und zogen sich, ein großes Feldlager, fernhin, wohl vier Tagesreisen weit und unvermischt bis zum Alt, zwischen diesem Fluß und der Kokel. Das war der Hermannstädter Gau von Broos bis Draas, dessen früher gesonderte Teile König Andreas II. im Jahr 1224 zu einem Gemeinwesen vereinigt hatte. Und weiter im Südosten hüteten die Burzenländer des Landes Pässe. Wie scholl um die starken Burgen da oft der wilde Schlachtruf, aber die Mauern blieben fest und die Männer wichen nicht. Gegen Mitternacht war der Nösnergau, dessen Abgaben ursprünglich für den Unterhalt der Königin flossen, der Schirm der Grenze, nicht schlechter als irgend einer im Ungarreich. Droben in Rodna dauerte der deutsche Bergbau fort; 1268 verkaufte Graf Rotho dem Grafen Heinrich Brendlinus Sohn dort die Hälfte Seiner Silbergruben und all' seinen andern Besitz, darunter die Mühle über dem Samosch
drüben, den Steinturm und das Holzhaus daneben, den rings befestigten Hof und alle Äcker unter der Burg des Grafen Henchmann um hundertfünfundfünfzig Mark Silbers; derselbe Graf Heinrich ist 1279 Vogt der Burg von Ofen. Mitten im Lande erhob sich Klausenburg, friedlicher Künste und der Freiheit Schirm, rings umgeben von Knechten. Zwischen ihm und dem Hauptstamme der deutschen Ansiedlungen, dem Hermannstädter Gau, lagerten als Vorposten des Kampfes gegen Roheit und Unfreiheit die vielen sächsischen Gemeinden des Bogeschdorfer, des Bullescher, des Zekescher Kapitels, die mit Thorenburg und den Sachsen im Erzgebirge das Verbindungsglied bildeten. Von Klausenburg führten die
sächsischen Gemeinden von Kolosch, Deesch, Szek zum Nösnergau, dessen Zweige im Schogener, im Tekendorfer, im Regener Kapitel bis an den Mieresch reichten. Die Hauptstämme aber waren der Hermannstadter, Burzenländer, Nösnergau und Klausenburg, zu der Zeit alle für sich bestehende gesonderte Gemeinwesen, noch durch kein anderes Band als das der Sprache, des Volkstums, des gleichen Zweckes ihrer Berufung mit einander vereinigt.

Wenn die Bedeutung dieser deutschen Ansiedlungen für Krone und Reich nicht zum geringsten Teil in der starken Wehrkraft lag, die sie der fernen früher so schutzlosen Grenze gaben, so wurde diese nicht wenig vermehrt durch die Befestigungen, die in der sturmvollen Zeit des dreizehnten Jahrhunderts die jungen Gemeinden auch da anzulegen sich genötigt sahen, wo nicht schon gleich die erste Niederlassung sei es auch nur das schützende Pfahl- oder Erdwerk hervorgerufen. An solche Befestigungen haben wir zunächst überall zu denken, wo in sächsischen Ortsnamen das Wort Burg vorkommt. In der That erzählt der graue Mauerring der Schäßburg und ebenso der von Mühlbach, der dem kundigen Blick heute noch ein ganz anderes Gefüge der ältesten Mauer und darin die ursprünglichen niedrigen Zinnen zeigt, die bei der ersten Anlage nur für Bogen und Armbrust dienen sollten, von einer Zeit, die noch keine Ahnung von der Feuerwaffe hatte. In der Schwarzburg bei Zeiden konnte der aufständische junge König im Kampf mit dem Vater seine letzte Rettung suchen und finden. Und die Burg von RepS, um die am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts der heiße Kampf zwischen den Sachsen und dem König wogte, stand unzweifelhaft schon unter den Arpaden. Überhaupt finden wir kaum irgendwo so planvolle Befestigungsarbeiten ausgeführt, wie dort im Osten des Sachsenlandes. Vor der Repser Basaltburg, die den Zugang zum oben. Kosdthale schließt, lagern im Thal des großen und kleinen Hamrod, wie an doppeltem Graben dort die Kirchenburgen von Hamruden, Katzendorf und Draas, hier das Bergschloß von Sommerburg und die Kirchenburg von Streitsort, fast alle mit untrüglichen Zeichen, am beredtesten der mächtige Draaser Turm mit dem Rundbogensims kündend, daß ihre Anfänge mindestens ins dreizehnte Jahrhundert zurückreichen. Und nicht jünger kann die Anlage der Befestigung sein, die die Rundbogenkirche von Galt und damit den Ausfluß bei vereinigten Hamrod in den Alt schirmt. Oder waren, als die Deutschen mit Schwert und Pflug hierher kamen, die Szekler vielleicht noch Heiden und Feinde, oder doch nur unsichere Freunde der ungarischen Krone ?l Gewiß, als König Andreas III. 1291 in seinem Inauguraldiplom von den Türmen oder Burgen sprach, die um die Kirchen gebaut seien, hat er auch das Sachsenland im Sinne gehabt. Mehr als einer von jenen Türmen, durchweg massiger Anlage, auf mehr als klafterdicken Rundbogen ruhend, mitten in der Mauer die geschützte Steintreppe bergend, erhebt heute noch die gekuppelten Rundbogenfenster über ein Geschlecht, von dem wenige nur die Sprache verstehen, die er zum Kundigen spricht. Einer der Stattlichsten, die deutsche Gemeinde, die ihn erbaute, Jahrhunderte überdauernd, der romanische Turm von Bärendorf bei Broos ist vor kurzer Zeit, vom nahen Bach unterwaschen, zusammengestürzt unter seinen Trümmern haben sie den rostzerfressenen, aus Kupfer gegossenen, einst vergoldeten Kelch gefunden, dessen Form die Vermutung nahe legt, daß er mit den Ansiedlern selbst aus Deutschland gekommen.
Außer diesen Türmen und zum Teil ein Bauwerk mit ihnen ist uns eine beträchtliche Anzahl sächsischer Kirchen im Rundbogenstil erhalten, der hier noch um ein volles Jahrhundert später als in Deutschland auftritt. Auch diese Bauten sind ein sprechendes Zeugnis für den Kulturstand jener deutschen Einwanderungen zu einer Zeit, wo siebenbürgische Urkunden es für wichtig genug halten, den Bestand einer Steinkirche in dieser oder jener Gemeinde ausdrücklich hervorzuheben. Am zahlreichsten stehen diese romanischen Kirchen im Hermannstädter Gau. Vom Westende an durch den ganzen Unterwald, das „alte Land" am Alt hinaus, das Kosder Kapitel entlang bis nach Draas begegnen uns solche Kirchen noch wohlerhalten oder doch mit edeln Resten in Rundbogenportalen, rundem Chorschluß oder Halbkreisnischen am Schluß der niedrigern Seitenschiffes fast Schritt auf Schritt. Hierher gehören unter anderen Turm, Westthor und Schiff der Mühlbächer Kirche, die Bergkirche in Urwegen, die Burgkirche von Michelsberg, die Kreuzkirche von Neppendorf, die Kirchen von Salzburg, Neudorf, Rothberg, Sakadat, Freck, Holzmengen, an den drei letzten die Westportale durch Figuren belebt; neben diesen
zahlreichen Spuren ursprünglicher romanischer Anlage und Ausführung durch alle spätem Umbauten noch immer kenntlich in Deutsch-Pien, in Rätsch, in Kelling, in Großscheuern, in Heltau, Hammersdorf, Martinsberg, Großschenk, Rohrbach; dazu das merkwürdige von innen und außen vermauerte romanische Chor mit den bedeutungsvollen Resten uralten
Bilderschmucks in Hamruden, die im Portal und im gekuppelten Rundbogenfenster des Langschiffes erhaltenen Reste des ursprünglichen romanischen Baues in Katzendorf, die leider nur noch in Chor und Mittelschiff stehende Kirche in Draas, in ihrer Gesamtheit einst eins der besten Werke des Rundbogenstils, das heute noch mit seinem reichgegliederten
kunstvollen Westportal, den gekuppelten Rundbogenfenstern des Langschiffs und den edeln Gewölbe und Säulentrümmern der ehemaligen Seitenschiffe voll gewaltigen Eindrucks an der Grenze des Sachsenlandes als ein Zeugnis deutschen Geistes dasteht, unten am Alt endlich auf der weithin leuchtenden Höhe von Galt wieder die romanische Kirche, deren
Westportal mit den eingemauerten Basaltlöwenköpfen aus der Römerzeit im Jahr 1845 zum Staunen der Gemeinde, die sein dasein nicht mehr kannte, von der Erd- und Schutthülle befreit wurde, welche es seit der Tartarenzeit des 17. Jahrhunderts verborgen hatte, wie in ähnlicher Weise 1794 das Portal in Holzmengen seine Auferstehung gefeiert.

Auch oben im Norden im Nösnergelände führen bedeutungsvolle Kirchenbauten in die Arpadenzeit zurück. Allen voran, ein in seiner Art einziges Beispiel des Rundbogenbaues im ganzen Lande, steht die Kirche in Mönchsdorf, die hochgiebelig mit den zwei Türmen der Westfassade und den doppelt gekuppelten Fenstern ernst auf die kleine Gemeinde hernieder sieht, welche im 13. Jahrhundert zu den bischöflichen Besitzungen gehörte, und vielleicht bischöflicher Unterstützung den edeln Bau mit verdankt. Die Kirchen in Ungersdorf und Kircheleis gehören gleichsah jener Zeit an, die letztere durch spätere Zubauten mannigfach verunstaltet; Sprechende Reste jenes Stils sind weiter im Westportal in Lechnitz, in den Halbsäulen an der Chorwand in Tatsch, in den Trägern des Gurtgewölbes in den Ostecken des Schiffs in Treppen, im runden Chorschluß in Waltersdorf, in dem gegenwärtig vermauerten Südportal, dann im Westportal der Kirche von Petersdorf erhalten. Der zerfallende Turm von Rodna spricht nur noch in seinen Trümmern von jener Zeit, während im Burzenland unter andern im Westportal der Petersberger Kirche sich ein bedeutsames Zeugnis derselben erhalten hat.
Daß alle diese Bauten durch die Arbeit und den Geist der deutschen Ansiedler geschaffen wurden, ist unzweifelhaft. Stellten doch sogar sie das Dach und den Turm des Weißenburger Doms her, des edelsten romanischen Baues im Lande, den Alard von Salzburg 1277 zerstört hatte. Mit Sächsischen Zimmerleuten nämlich, mit Siegsried von Krako, Jakob von Weißenburg, Herbord von Urwegen und Henz von Kelling schloß Bischof Petrus am Tag vor Christi Himmelfahrt 1291 den Vertrag über jene Herstellung ab, wofür er ihnen neunzig Mark Silber und vierundzwanzig Ellen Dornisches Tuch versprach und wobei für Siegfried und Jakob der Domherr Arnold, für den Urweger Graf Daniel von Urwegen, für den Kellinger Graf Daniel von Kelling, Chiels Sohn, die Bürgschaft übernahm.
Neben der kirchlichen Baukunst lebte gewiß schon damals auch die Kunst des Glockengusses im Sachsenland. Aus der Glocke von Jegeny bei Klausenburg, die die Jahrzahl MCCLII. tragen soll, zeigt das Wappen von Hermannstadt die Gußstätte; die alte Glocke von Klosdorf trug neben ihrer kabbalistischen Inschrist (Campana s. Georgii tetragrammaton) eine Jahreszahl, die kaum anders als MCXC gelesen werden kann.
So freudig gedieh und erblühte das Sachsentum in anderthalbhundert Jahren in Siebenbürgen, trotz des Mongoleneinfalls und so vieler innerer Stürme. Käme nur ein geringer Teil davon über das jetzige Geschlecht, es zerstöbe wie die Spreu vor dem Winde. Die Väter aber wahrten nicht nur in den schweren Tagen ihr gutes Recht, das wir fast eingebüßt haben im Frieden, sondern es fehlt auch nicht an schönen Zeichen mildern Sinnes, wie er dem Starken ziemt. So vergabten Richter, Geschworne und die ganze Gemeinde von Hermannsdorf, aus dem später Hermannstadt werde, im Jahr 1292 den Kreuzbrüdern des Ordens vom heiligen Geist zu einem Armen und Krankenhaus ein schon lange zu diesem Zweck von ihnen benutztes Gebäude, damit daselbst Fremde gastfreundliche Unterstützung, Arme und Kranke aber Hülfe fänden. Auch Bistritz besaß zu jener Zeit bereits ein Spital, ein Zeugnis von des Gemeinwesens Wohlstand, Menschenliebe und Gemeingeist. Bischof Petrus von Siebenbürgen schenkte demselben im Jahr 1295 das Pfarrrecht von Waldorf (Unter Wallendorf), als die Bewohner desselben zwei Priester hintereinander, vermutlich weil der Bischof sie ihnen widerrechtlich zu Seelsorgern aufdringen wollte, erschlagen hatten. Gewaltthat trieb man damals mit Gewaltthat ab und dem Unrecht fügte sich nur der Schwache.