Im nächsten Jugoslawien-Urlaub im Jahr 1971 nahe bei Dubrovnik setzte ich meine Tauchexperimente von 1969 fort. Am Ende des Urlaubs kam ich schon fast 10 Meter tief, ohne vom Druckausgleich wirklich eine Ahnung zu haben. Wie durch ein Wunder hatte ich keinen Trommelfellriss, sondern nur „normales“ Ohrenstechen.
Im darauffolgenden Herbst kam ein neuer Schulkollege in unsere Klasse, der mir vorschwärmte, wie er beim harpunieren regelmässig Tiefen von 10 -12 m erreichte und dabei Druckausgleich machte. Er gab mir auch das Buch „ABC des Tauchsports“ von Walter Mattes, welches Frei- und Gerätetauchen gemeinsam behandelt. Nach Ansicht dieses Authors sollte ein jeder Gerätetaucher auch bis zu 20 m tief freitauchen können. Damals habe ich auch alle Bücher von Hans Hass mit Begeisterung gelesen. Während des Schuljahres übte ich schon fleissig den Druckausgleich und das Luftanhalten. Beim Luftanhalten während des Unterrichtes bin ich sicher auch schon mal ohnmächtig geworden, denn ich kann mich erinnern, wie ich nach über 4 Minuten auf die Uhr geschaut und dabei wieder normal geatmet habe, ohne mich an das Ende des Luftanhalteversuches erinnern zu können. Meine beste Trocken-Statik war damals so bei 3:30. Unter Wasser hielt ich es so ca. 2:30 aus, wobei ich den Bademeistern immer argen Stress verursachte.
1972 machte ich mit meiner Familie Urlaub auf der kroatischen Insel Mali Losinj wo ich all mein Wissen, welches ich mir im vergangenen Jahr angeeignet hatte, umsetzen konnte. Am Ende des Urlaubs tauchte ich schon 18 Meter tief.
Das bin ich 1974 mit einer aus 18 Meter Tiefe aufgetauchten riesigen Tonnenschnecke | Mein Schulkollege Felix Wandl 1975 mit der Trophäe des Tages: eine riesige Steckmuschel |
Noch heute finden wir es lustig, wenn wir uns an die damaligen Abenteuer unter Wasser aber auch an die Abenteuer mit unseren damaligen Urlaubsbekanntschaften erinnern.
1975 haben wir auf der Insel Hvar den ersten Gerätetauchunterricht bekommen. Zum Kälteschutz haben wir einfach nur Pullover verwendet. (siehe Bilder).
Die ersten Tauchgänge gingen ca 13 Meter tief und dort war es schon sehr kalt. Damals habe ich zum ersten Mal einen Tiefenmesser verwendet, und ich kann mich noch gut erinnern, wie wir 1976 aus purem Leichtsinn und Übermut mit unseren Tauchflaschen bis auf 65m Tiefe gegangen sind. Wir hatten uns nichts dabei gedacht und unsere Eltern wären wahrscheinlich gestorben, wenn sie darüber bescheid gewusst hätten.
1976 haben wir beim Freitauchen beide die 30 m Marke erreicht, bzw. überschritten und ahnten, dass wir wahrscheinlich die einzigen Verrückten waren, die als Österreicher jemals so tief ohne Atemgerät getaucht sind. Damals hörte ich zum ersten mal über die Weltrekorde von Jaquel Mayol und Enzo Maiorca.
1977 entdeckte ich auf einem Steilhang in 30 m Tiefe so ca. 20 Amphoren nebeneinander. Ich befestigte ein Stück Holz am Ende eines Seiles, tauchte noch einmal ab und fädelte das Stück Holz durch den Griff einer Amphore, welche ich dann von der Oberfläche in mühevoller Kleinarbeit bergen konnte. (siehe Bild).
Das bin ich 1977 mit einer aus 30 Meter Tiefe frisch aufgetauchten Amphore |
Das bin ich 1981 in San Torini. Ich schöpfe den ersten Atemzug nach einem über 30 m tiefen Tauchgang mit konstantem Gewicht |
1987 konnte ich einen neuen Kumpel so sehr für das Freitauchen begeistern, dass ich ihn bis auf eine Tiefe von 30 m mitriss. Er ist Mediziner und hat lieber das Wort Apnoe statt Freitauchen verwendet.
Aber erst 1994, als ich einen weiteren Kumpel auf unserem gemeinsamen Urlaub in Kreta bis auf 31 Meter Tiefe gelotst hatte, fühlte ich mich in dessen Gegenwart so sicher, dass ich mich dann selber auf die 40 m Marke wagte. Damals sind wir mit einem Ruderschlauchboot mit all unseren Habseligkeiten 7 Tage lang die Südküste Kretas entlanggefahren, haben beliebig am Strand übernachtet und dabei die schönsten Plätze zum Tauchen und auch zum Klippenspringen gefunden.
Ich habe mir immer schon gedacht, wenn ich einmal die Traummarke von 40 m erreiche, hänge ich meine Flossen „an den Nagel“. Jetzt war es so weit, aber ich konnte das nun doch nicht übers Herz bringen, obwohl ich damals noch nicht ahnen konnte, dass es in Österreich einmal eine Freitauchszene geben wird, in der ich nur einer unter vielen „Verrückten“ sein kann. Ich sehnte mich natürlich auch danach, mich selber mal im Windschatten eines besseren Tauchers steigern zu können und nicht immer nur „Vortaucher“ sein zu müssen, ein Wunsch, der sich bald erfüllen sollte.
Ende Mai 1997 konnten wir uns bei einem ersten gemeinsamen Training näher kennenlernen und im nächsten Jahr qualifizierte ich mich für die 2. Apnoe WM in Sardinien. Als ich mit zwei anderen Wettkampfathlethen mitte Juni 1998 mit der Fähre in Sardinien ankam, war das Wetter so stürmisch, dass wir von einem Training nicht einmal zu träumen wagten. Umberto Pelizzari empfing uns höchstpersönlich und äusserte den Wunsch, mit uns und mit dem australischen Team trainieren zu gehen. Ich machte den Vorschlag, dass wir uns einen Platz auf der Leeseite der Insel suchen sollten und war ganz überrascht, dass Umberto darauf einging und uns zu einer völlig verträumten Bucht bei Capo Figari nahe Olbia hinführte. Die Australier hatten bis jetzt nur Erfahrung als Unterwasser-Jäger und waren dementsprechend überbleit. Sie liessen sich einfach auf den 43 m tiefen Grund fallen und hätten beinahe den Rückweg nicht mehr geschafft. Das Gekeuche und Gefluche nach dem Auftauchen der Aussies war einzigartig und sehr lustig. Umberto legte sich auf den Meeresboden und machte eine Tiefenstatik, bei der ich ihn aus dem Schlaf riss. Für mich war es der erste Tauchgang über 40 m und seiner Aussage nach bin ich wie eine Bombe auf dem Sandgrund aufgeschlagen. Umberto begleitete mich auf den Weg nach oben, da er fürchtete, ich würde ein Blackout bekommen. Oben angekommen, ich war noch bei vollem Bewusstsein und ausser mir vor Freude, sagte mir Pelizzari mit seinem lustigen italienischen Akzent: „You musta be more relaxed, for sure I think you will have Blackout.“ Später, als wir abends zusammensassen, erzählte er, wie ich wie ein Blitz („Flash in the Night“) auf dem Meeresgrund eingeschlagen bin. Wir haben noch sehr lange über diesen Vorfall gelacht.
Eine Woche später, bei der 2. Apnoe WM, durfte ich einen neuen Österreich-Rekord im Tauchen mit konstantem Gewicht mit 42 m Tiefe aufstellen. Ich hatte Glück, dass mir bei diesem Tauchgang der letzte Druckausgleich noch gelang, denn im Training erreichte ich deswegen manchmal nicht mal die 40 m. Das war noch ein ungelöstes Problem, auf welches ich erst drei Jahre später eine Lösung gefunden hatte. Im Rückblick war die WM in Sardinien einer meiner schönsten Apnoe-Erfahrungen. Während die 1.WM 1996 in Nizza eine Zusammenkunft von Pionieren war, vermittelte die 2.WM 1998 ein grosses Gefühl der Zugehörigkeit zu einer riesigen Familie, in der man ganz „normal“ war. Das 5-köpfige österreichische WM-Team erreichte einen stolzen 11.Platz von insgesamt 26 Rängen. Nicht schlecht für Binnenländer, die noch so wenig Erfahrung mit dem Apnoe-tauchen hatten. Zum Glück hatten wir alle nur gültige Wertungen und keine einzige Disqualifikation. (siehe Bilder).
1998 erreichten wir bei der 2. Apnoe-WM in Sardinien als Binnenländer ohne Erfahrung einen stolzen 11.Platz von insgesamt 26 Rängen |
Die österreichische Mannschaft auf der 2. Apnoe-Weltmeisterschaft 1998 in Sardinien. v.l.n.r.: Wilhelm Djordjevic, Werner Bombera, Gerald Schmidt, Ernst Wunder, Dieter Baumann, Christian Redl |
1999 war ich Mitglied des dreiköpfigen österreichischen Apnoe-Teams im Red Sea Dive Off, ein internationaler Wettkampf in der Nähe von Hurghada, Ägypten. Jeder von uns kehrte mit einem neuen nationalen Freitauchrekord nach Österreich zurück: Ich stellte einen neuen Streckentauchrekord mit 103 m auf, Wolfgang einem neuen Static-Rekord mit 5:18 und Dieter einen neuen Tiefenrekord im Konstanten Gewicht mit 50 m.
Die österreichische Mannschaft beim "Red Sea Dive Off" 1999 in El Gouna, Ägypten. v.l.n.r.: Wolfgang Dafert, Dieter Baumann, Gerald Schmidt |
In einer Trainingspause während des "Red Sea Dive Off 1999" gönne ich mir einen Tieftauchgang ohne Flossen |
2003 und 2004, jeweils im Jänner, konnte ich mit Wolle Neugebauer und ein paar anderen Deutschen auf Trainingscamps am Blue Hole in Dahab teilnehmen und habe dabei mehrmals die 50 m Marke in der Kategorie konstantes Gewicht erreicht, bzw leicht überschritten.
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Ich war von der neuen Druckausgleichsmethode so begeistert, dass ich mich darüber auch im DeeperBlue-Forum äusserte.
Bei meinem nächsten Aufenthalt in Dahab im Mai 2006, das war kurz nach dem dortigen Terror-anschlag, schraubte die Hitze meine Leistungen stark herunter. Zum Trost konnte ich aber mit Hilfe von Wolfgang Daferts selbst gebastelten salzwassergefüllten optischen Schwimmbrillen in der Kategorie Free Immersion eine Tiefe von 46 m erreichen. Das war so ein irres Gefühl .
Als meine Kinder gross genug waren, fing eine weitere Serie von Familien-Urlauben in Kroatien an, die 2004 begann. Dabei konnten sich meine Kinder spielerisch mit der Unterwasserwelt vertraut machen und erreichten dabei auch Tiefen, von denen sie nicht einmal geträumt hatten.
Oft habe ich den Ausdruck gehört, dass sich jemand über das Apnoetauchen „definiert“. Dieses Thema verdient unsere Aufmerksamkeit und ich würde mich gerne in unserem Forum an so einer Diskussion beteiligen. Wann „definiert“ sich jemand über das Apnoetauchen? Ich glaube, das passiert dann, wenn man nicht mehr „ansteckend“ ist und die Freude an diesem Sport nicht mehr weitervermittelt. Es passiert vielleicht dann, wenn man vereinzelt noch bewundert wird, aber niemanden mehr „inspiriert“. Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn als ich meinen Kindern das Apnoe-Tauchen vermittelte, gaben sie mir den nötigen feedback, wenn ich mehr von Ehrgeiz dominiert, anstatt durch Freude motiviert wurde. Andererseits habe ich Apnoe-Sportler beobachtet, die trotz ihrer Erfolgssträhne andere mitreissen und für diesen Sport begeistern konnten. Ehrgeiz und Freude müssen sich beim Freitauchen nicht gegenseitig ausschliessen..
Ich danke Gott für jeden einzelnen Tauchkameraden, mit dem ich im Laufe meiner bisherigen „Apnoe-Karriere“ die Freuden unter Wasser teilen konnte. Der menschliche Aspekt im Apnoe-tauchen scheint sich am längsten in unserer Erinnerung zu bewahren. Im Idealfall wird leistungsorientiertes Denken von beziehungsorientiertem Denken nicht verdrängt, sondern ist diesem nur untergeordnet.