Leserbrief

Dieser Brief in Form eines emails an die Redaktion der Wochzeitung „falter“ ist eine Reaktion auf den Artikel Lukas Matzingers, der zwar im Falter-Archiv einsehbar ist, aber nur gegen Bezahlung und für Abonnentinnen und Abonnenten.

sehr geehrte damen und herren,
erlauben sie mir einige kritische bemerkungen zu ihrem artikel „jennys welt“ von lukas matzinger.
während sie sich völlig korrekt und mit richtigen argumenten nicht bereitgefunden haben, bilder der so genannten oligarchennichte zu veröffentlichen (wenngleich die preisgabe der phantomfotos eine unnötige redaktionelle eitelkeit war), so haben sie meiner bescheidenen meinung nach diese sorgfalt im genannten artikel vermissen lassen. so etwa steht da zu lesen, die „erweckung“ jennifer klauningers habe mit jfk begonnen. abgesehen davon, dass mit den anführungszeichen und der wortwahl quasireligiöses verhalten (und damit vielleicht irrationales sektenleben) beschworen wird, so geht der autor nicht weiter darauf ein, ob ihre beschäftigung mit dem mordfall sich etwa auf den warrenbericht stützt und den versuch des bezirksanwalts garrison, dessen einzeltäterthese zu erschüttern. nein, er zeichnet ein psychogramm, das mit seinen simplen versatzstücken der verschwörungstheorie nahekommt, die er der jungen frau unterstellt. worauf stützt sich lukas matzinger dabei? wie gut kennt er frau klauninger, dass er das folgende schreiben kann?
„Die Jugendjahre leben von Gegenwahrheiten und Verschwörungsmythen von kindlichem Trotz. Es geht um Macht, schon die Autorität ,Eltern‘ hat sie mit ihren willkürlichen Regeln herausgefordert.“
eine textanalyse dieser zwei sätze matzingers wäre nicht uninteressant. voreingenommenheit spricht aus jedem buchstaben, aber es geht noch schlimmer – oder dümmer. nachem frau klauninger einmal in eine gewisse nähe gerückt wurde, kann man dann diese nähe beschreiben und das klingt so:
„Menschheit ohne Mythen gibt es nicht: Bauernregeln erklären das Wetter, Gestirne das Schicksal und die Schöpfung den Rest. Der Antisemitismus speist sich aus dem Mythos des Weltjudentums, Populisten aller Epochen befeuerten solche Erzählungen in ihrer Konstruktion von Gut und Böse.“
ich will herrn matzinger nicht darauf festlegen, was ein mythos ist – er ist kein religionswissenschafter, er ist kein historiker, er ist journalist. ich will ihn auch nicht darauf festlegen, dass die aussage, der antisemitsimus speise sich aus dem mythos des weltjudentums, blanker unsinn ist. der antisemitismus verbreitet die lüge vom weltjudentum, er speist sich nicht aus ihr und mit etwas boshaftigkeit könnte ich dem journalisten unterstellen, er sei selbst ein antisemit; einer der aufgeklärten sorte, die so etwas wie weltjudentum – sei es als mythos, sei es als gegeben – hinnimmt und instrumentalisiert: die juden seien selbst durch ihr handeln am antisemitismus schuld. das tue ich nicht, und matzinger hat vielleicht einfach nur etwas zu schnell geschrieben, der artikel sollte ja rechtzeitig fertig sein. ich will ihn aber darauf festlegen, dass er zwei spalten später schreibt:
„Vermutlich ist Klauninger weder Menschenfeindin noch Antisemitin, aber vermutlich hat sie auf ihrer sogenannten Wahrheitssuche zu viel von solchen Menschen gelesen.“
was heißt da „vermutlich“? ist sie es vielleicht doch? das klingt jetzt schon ganz schön infam. aussagen und verdrehungen dieses stils und dieser sprache bin ich eher von österreich (dem tagesboulevard) gewohnt als vom falter. da wird grad so getan, als wäre frau klauninger eine antisemitin, oder eigentlich doch keine antisemitin, aber es bedürfe des aufgeklärten journalisten, um hier die dinge zurechtzurücken und frau klauninger auf ihren nicht aufgeklärten platz zu verweisen. in diesem zusammenhang ist es umso ärgerlicher, dass lukas matzinger nicht ein einziges argument oder eine einzige aussage frau kauningers zitiert, um sich damit auseinanderzusetzen, und sei es nur, um sie zu widerlegen. nein, er bleibt auf einer persönlichen ebene, zu der er wohl kein recht hat.
aber er stellt sich in eine phalanx von vorauseilend gehorsamem journalismus, der nicht daran denkt, die herrschenden diskurse auch nur im geringsten in frage zu stellen. ein zweites beispiel wäre hier zu finden https://www.derstandard.at/story/2000117639668/typologie-der-corona-zweifler-wer-sind-die-skeptiker. auch in diesem artikel von eric frey wird sofort, bevor noch irgendein argument der „skeptiker“ erläutert wird, der konnex zu rechtsradikalen und verschwörungstheoretikern hergestellt. wer immer also skeptisch den maßnahmen gegenübersteht, wird der entsprechenden diskreditierenden umgebung zugesellt.
im standard von eric frey so etwas zu lesen, muss nicht unbedingt überraschen. aber eine aufgabe journalistischer standards, wie dankenswerterweise armin thurnher sie hochzuhalten nicht müde wird, im falter vorzufinden, ist höchst ärgerlich und irritierend.
mit besten grüßen und den wünschen auf rasche besserung – gerold wallner

Es gab keine Reaktion darauf, weder an mich noch in der Leserbriefseite der Zeitung.