Apollo 1 - Die Raumfahrt fordert Opfer |
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Die Amerikaner standen bereits am Beginn des Apollo-Programms, das in einer
bemannten Mondlandung gipfeln sollte. Zwölf Probeflüge waren vorgesehen, bevor
der erste Astronaut seinen Fuß auf den Mond setzt. Doch es trat zuerst das
Unvorstellbare ein. Bei einer Routine-Übung kam es zur Katastrophe ...
Am 27. Januar 1967 um 15 Uhr Ortszeit, an einem klaren Wintertag, hielt der
weiße Autobus vor der Startrampe 34 auf Cape Kennedy. Die Rampe liegt auf einem
Übungsgelände, das nicht der NASA sondern der US Air Force gehört.
Virgil Grissom , Ed White , Roger Chaffee (v.l.n.r.)
Die 3-köpfige Mannschaft sollte ein Routinetraining unter Realbedingungen
mit der Bezeichnung AS-204 absolvieren. Als erster kletterte der 40jährige
Oberstleutnant Virgil "Gus" Grissom, der schon mit Mercury flog, aus
dem Bus. Ihm folgte der 36jährige Oberstleutnant Edward White, als letztes der
36jährige Korvettenkapitän Roger Chaffee. In ihre Raumanzüge gekleidet, die
schweren Life-Support-Geräte in den Händen, fuhren sie mit dem Aufzug entlang
der Saturn IB Rakete hoch zum Apollo-Raumschiff empor. Die Rakete war nicht
aufgetankt, der eigentliche Start war erst für den 21.02.67 vorgesehen.
Die Besatzung von Apollo 1 beim Einstieg in die Kapsel
Das Training lief genauso wie ein echter Raumflug ab, ebenso der Countdown.
Alle Plätze der Startzentrale waren besetzt. Bodentests waren für die
Astronauten aber nicht aufregend, sondern eher ermüdend. Beim Training dauerte
die Wartezeit bis zum simulierten Start dreimal so lang wie vor einem tatsächlichen
Weltraumunternehmen.
Mehrmals wurde der Countdown unterbrochen, viele Übungen wurden wiederholt.
Sechs Stunden lang lagen Grissom, White und Chaffee auf ihren Sitzen, der
Countdown war bei unter 10min angelangt, als plötzlich ein Schrei aus den
Lautsprechen der Bodenstationen gellte: FEUER IM RAUMSCHIFF!
Auf den Bildschirmen der automatischen Fernsehüberwachung flammte auf einmal
ein Blitz auf. Man hörte noch zweimal den Ruf 'FEUER!', die
Lebenszeichen im Raumschiff erstarben; nach etwa 15 Sekunden brach jeder
Sprachkontakt ab. Über Cape Kennedy heulten die Alarmsirenen. Bodenmannschaft
und Feuerwehrleute sprangen in die Kabinen der Schnelllifte. Erst um 18.45 Uhr
(14 Minuten nach dem Alarm) trafen die ersten Helfer im weißen Raum vor der
Kapsel ein. Qualm stieg aus dem Raumschiff aus. Den Männern war sofort klar: Zu
spät! Es dauerte einige Zeit, bis sie die Luke aufreißen konnten, da die
Kapsel vom ausgebrochenen Feuer bereits glühte. Der beißende Rauch raubte den
Helfern den Atem. Einer nach dem anderen brach zusammen. Obwohl die Männer der
Rettungsmannschaft Masken trugen, mussten 27 von ihnen später in Krankenhäuser
gebracht werden.
Das
Apollo-Schiff war rauchgeschwärzt. Erst nach vier Stunden konnte die Kapsel von
außen geöffnet und erst nach acht Stunden die verbrannten Leichen der drei
Insassen geborgen werden. White und Grissom lagen übereinander bei dem
verzweifelten (und vergeblichen) Versuch, die Kabinenluke schnellstens zu öffnen.
Chaffee befand sich noch in seinem Sitz. Die Autopsie ergab als Todesursache
Ersticken, da die Raumanzüge einen gewissen Schutz vor dem Feuer boten. Die
Astronauten atmeten aber die giftigen Dämpfe ein, da ihre Sauerstoffleitungen
im Anzug schon verbrannt waren.
Was hatte diese furchtbare Katastrophe verursacht? Sieben Monate später
ergab ein 3000 Seiten dicker Abschlußbericht keinen exakten Befund. Eine
Verkettung verschiedenster Umstände hätte das Unglück ausgelöst. Die Analyse
ergab aber eine erdrückende Fülle an Fahrlässigkeit und Leichtsinn. Die
Experten vermuteten einen Kabelbrand in einem Schacht unterhalb der Sitze,
verursacht durch einen Kurzschluss. Infolge der reinen Sauerstoff-Atmosphäre
mit einem Überdruck von 0,1 bar lag die Brandgefahr weitaus höher als bei
normaler Luft. Der Überdruck hatte den Zweck, Staub und Schmutz aus dem Schiff
abzuhalten. Kabel-Isolierungen, die Auskleidung des Schiffs, die Sitze und
weiteres brennbares Material fingen schnell Feuer.
Die auf ihren Sitzen angeschnallten Astronauten konnten aber durch die
vorhandene Schwerkraft ihre Sitze kaum verlassen und die Kabinentür öffnen.
Diese konnte man erst nach Minuten und nur von außen öffnen.
Man untersuchte, Stück für Stück, die Wrackteile und fand zwischen einem Bündel
elektrischer Leitungen einen vergessenen Schraubenschlüssel, liegengelassenes
Isolierungsmaterial und ähnliches. Aber auch die Bodeneinrichtungen waren völlig
unzulänglich. Während der Übung war der Startturm verlassen, der Strom für
die Aufzüge abgeschaltet. Daher dauerte es auch eine knappe Viertelstunde bis
die Rettungsmannschaft eintrafen.
Als Konsequenz wurde der Innenraum der von North American gebauten Kapsel
umkonstruiert. Unbrennbare oder schwer entflammbare Kunststoffe ersetzten
brennbare Plastikteile - elektrische Relais und Schaltkontakte wurden
funkensicher gemacht. Man entwickelte sogar unbrennbares Schreibpapier. Die
Kabinentür wurde durch eine Neukonstruktion ersetzt: Nun konnten die
Astronauten innerhalb von Sekunden die Luke von innen öffnen. Mit einem
Hebeldruck kann das Raumschiff entlüftet, der Strom abgeschaltet und die
Einstiegsluke automatisch geöffnet werden. Statt reinem Sauerstoff enthielt die
Kabinenatmosphäre bei Tests von nun an ein Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch mit
einem Verhältnis von 60:40. Im geschlossenen Raumanzug atmen die Astronauten
aber wie bisher reinen Sauerstoff. Auch die Anzüge wurden feuersicher gemacht,
um den Astronauten lebensrettende Minuten zu garantieren. Bei allen folgenden
Bodentests standen außerdem immer Hilfsmannschaften in feuerfesten Asbest-Anzügen
bereit. Robuste Panzerwagen wurden entwickelt, die auch durch größte Feuerwände
bis zur Rakete kommen konnten. Auf dem Wartungsturm wurden Wassersprinkler und
Schnellfluchtwege installiert. Im Startturm schuf man hitzebeständige
Rettungskammern. Installiert wurden auch noch eine stählerne Rutsche und eine
Seilbahn, um Astronauten und Rettungsteams schnellstens aus dem Gefahrenbereich
zu bringen.
Die Katastrophe von Cape Kennedy verzögerte das Apollo-Programm um 10
Monate. Der tödliche Vorfall traf die NASA unerwartet und brachte nach der
Untersuchung einige personelle Änderungen mit sich.
Grissom und Chaffee wurden auf dem Heldenfriedhof von Arlington bei
Washington bestattet, White hat seine Grabstätte auf dem Friedhof der
Militärakademie von Westpoint. Vier Kinder verloren ihre Väter, drei Witwen
ihre Männer.
Zu Ehren der drei toten Astronauten erhielt der Bodentest AS-204 die
Bezeichnung Apollo 1.
Dieser Rückschlag schien die NASA um die Chance gebracht zu haben, den Mond vor
den Sowjets zu erreichen.