Seine Eindrücke und Erlebnisse während der ersten großen Reise in die Neue Welt hielt Christoph Kolumbus in einem Bordbuch fest. Diese Berichte waren für seinen Auftraggeber, den spanischen König bestimmt. Am 27.Oktober 1492 erreichte er die Karibikinsel Kuba, wo er reiche Goldminen vermutete.


Die Entdeckung Kubas
Ich habe keinen schöneren Ort je gesehen. Die beiderseitigen Flußufer waren von blühenden, grünumrankten Bäumen eingesäumt, die ganz anders aussehen als die heimatlichen Bäume. Sie waren von Blumen und Früchten der verschiedensten Art behangen, zwischen denen zahllose, gar kleine Vöglein ihr süßes Gezwitscher vernehmen ließen. Es gab da eine Unmenge Palmen, die einer andern Gattung angehörten als jene von Guinea und Spanien, sie waren mittelgroß, hatten an den untern Enden keine Zellfasern und sehr breite Blätter, mit denen die Eingeborenen die Dächer ihrer Behausungen bedeckten. Der Boden war flach und ebenmäßig.

Ich bestieg die Schaluppe und betrat das Land. Hierauf ging ich auf zwei Hütten zu, von denen ich annahm, daß sie Fischern gehörten. Allein bei meinem Erscheinen ergriffen die Eingeborenen, von Furcht erfaßt, die Flucht. In einer dieser Hütten fand ich einen Hund, der nicht bellte. In beiden hingen aus Palmfasern hergestellte Netze, Stricke, eine Angel aus Horn, knöcherne Haken und anderes Fischergerät, im Innern gab es mehrere Herde. Meines Erachtens konnten diese Hütten vielen Menschen Obdach gewähren. Ich ordnete an, alles schön liegen und stehen zu lassen, was auch befolgt wurde. Das Gras war so hoch wie in Andalusien in den Monaten April und Mai; darunter fand ich auch viel Portulak (Burzelkraut) und Runkelrüben.

Dann bestieg ich wieder die Schaluppe und fuhr eine gute Strecke den Fluß hinauf. Ich gestehe, beim Anblick dieser blühenden Gärten und grünen Wälder und am Gesang der Vögel eine so innige Freude empfunden zu haben, daß ich es nicht fertigbrachte, mich loszureißen und meinen Weg fortzusetzen. Diese Insel ist wohl die schönste, die Menschenaugen je gesehen, reich an ausgezeichneten Ankerplätzen und tiefen Flüssen. Meiner Ansicht nach dürfte der Ozean das Land niemals über den Strand hinaus überflutet haben, da die Vegetation fast bis an das Meeresufer heranreicht - eine Tatsache, die in den Gegenden, wo das Meer sehr stürmisch sein kann, nicht feststellbar ist, allein schon deshalb nicht, da ich seit meinem Aufenthalt inmitten all dieser Inseln nicht ein einziges Mal einen Wirbelwind oder Sturm erlebt habe.

Die Insel hat schöne und hohe Berge, die sich allerdings nicht weithin erstrecken; der restliche Teil der Insel weist Erhebungen auf, die an Sizilien gemahnen. Soviel ich aus den durch Zeichen vermittelten Angaben der Indianer, die ich von der Insel Guanahaní mit mir genommen hatte, verstanden zu haben meinte, ist diese Insel sehr wasserreich und wird von zehn großen Flüssen durchzogen; man benötigt mehr als zwanzig Tage, um die Insel mit ihren Kanoes zu umfahren.

Gerade als ich mich mit meinen Schiffen dem Lande näherte, tauchten zwei Kanoes auf. Kaum bemerkten die Eingeborenen, die sich darin befanden, daß die Matrosen ihre Boote bestiegen und losruderten, um die Flußtiefe zu messen und den besten Ankerplatz ausfindig zu machen, machten sie sich auf und davon.

Die Indianer wußten zu erzählen, daß auf dieser Insel Goldminen und Perlen zu finden seien. Tatsächlich entdeckte ich eine Stelle, die zur Bildung von Perlen geeignet schien, und ebenso Muscheln, die ein deutliches Anzeichen dafür sind. Ich glaube mich in der Annahme nicht zu täuschen, daß die gewaltigen Schiffe des Großen Khan hier anlegen und daß man von hier aus bis zum Festland nur eine Seefahrt von zehn Tagen zurückzulegen hat.

Ich taufte diesen Fluß mit dem Namen „San Salvador".
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Der Traum vom unentdeckten Land. Aus dem Bordbuch des Christoph Kolumbus. Herausgegeben von Jost Perfahl. München 1992, S.72-75.