DER JÄNNER 1959

4. Jahrgang, Heft 2

 

Ein Monat im Zeichen der Dirigentenkrise

Es war kein sehr erhebender Jahresbeginn, wurden wir doch allzu sehr an vergangene Zeiten erinnert. Der Niedergang des Hauses im Jahre 1955/56 brachte die Erkenntnis, daß das Niveau der Aufführungen ebenso gut oder ebenso schlecht zu sein pflegte, wie der musikalische Leiter des Abends. Der abgelaufene Monat war ein neuerliches Musterbeispiel dafür.

In der vorigen Saison erschienen Krips und Kempe am Pult, man hörte Keilberth und Georg Szell. Glauco Curiel stellte sein Talent unter Beweis, man bewunderte Mitropoulos, Karl Böhm war relativ häufig zu hören. Und heuer? Wen hörte man außer Karajan? Zehn Abende von Mitropoulos, einige Abende von Karl Böhm, einige Abende von Kempe, der aber entweder schlechte Besetzungen oder ein Ersatzorchester bekam und der nicht zu Unrecht jetzt einigermaßen verschnupft ist. Der Tod von Rudolf Moralt erschwerte die Situation, kann aber nicht für alles verantwortlich gemacht werden, was sich sonst tat.  Glauco Curiel hätte der Staatsoper ab 1. Dezember zur Verfügung stehen sollen – er erschien mit Ach und Krach Ende Jänner. Wahrscheinlich hat er anderswo mehr verdient. Die Gage eines Korrepetitors mit Dirigierverpflichtung, wie sie Curiel voriges Jahr gehabt hat und sicher auch noch heuer haben wird, läßt allerdings einen Verzicht auf Nebenverdienste nicht zu.

Es ist zum Zerspringen! Wir haben jetzt eine Reihe guter Sänger, und man mußte sich den ganzen Jänner, bis zum Erscheinen Karajans fast täglich über die Kapellmeister ärgern! Wozu dann der ganze Aufwand mit den Solisten? Zu einem Maskenball unter Gielen braucht man weder die Brouwenstijn noch Zampieri, noch Protti. Oder eine Walküre in der Besetzung Hilde Konetzni, Mödl, Wiener, Vickers und Kreppel, also eine von der Besetzung her hochinteressante Aufführung, ausgerechnet unter Hollreiser!

Der Künstlerische Leiter der Wiener Staatsoper ist gerne geneigt, Angriffe gegen bestehende Mißstände per „Zerstörungen um jeden Preis“ oder „mangelnde positive Einstellung“ zu apostrophieren. Wir haben uns aus der Keppelorgie, die ohne Sinn gegen Karajan angestimmt wird, was immer er auch tut, herausgehalten. Er kann es keinem recht machen und es wird angekreidet, ob er sich räuspert oder ob er spuckt, ob er einen grauen oder einen grünen Smoking trägt, ob er fährt, fliegt oder zu Fuß geht, wenn er schnelle oder langsame Tempi nimmt, ob er Beethoven oder Bruckner spielt – egal. Er wird auf jeden Fall, je nach dem Grad der persönlichen Abneigung der Kritiker, verrissen.

Was wir ihm vorzuwerfen haben, ist etwas ganz anderes. Wir haben an ihm nur zu kritisieren, daß er die Mühe und Aufregung (im Kampfe gegen Gewerkschaften und Presse) scheut, die es ihn kosten müßte, wenn er endlich einmal alle unfähigen und unwürdigen Mitglieder der Staatsoper, seien sie klein oder groß, zum nächst möglichen Termin kündigte oder zumindest pensionierte, wenn sie schon die für eine Pensionsberechtigung nötige Zeit an der Oper abgedient haben. Und das dies nicht endlich einmal geschehen könnte, kann uns auch Karajan nicht weismachen.

Die schlechten Sänger sind ja schließlich nicht schuld daran, daß sie uns schöne Abende verderben. Schuld daran ist derjenige, der sie engagierte und behielt. Noch katastrophaler aber wirken sich solche chronisch gewordene Mißstände bei den Dirigenten aus. Über die Dirigentenkrise mokiert sich das Publikum, schimpfen die Sänger und das Orchester. Wer soll denn nun denjenigen von ihnen, die vielleicht talentiert sind, aber in Wien nicht wachsen sondern zugrunde gehen, klarmachen, daß sie sich um etwas anderes umsehen müssen, wenn nicht der 0pernchef? Es dürfte Karajan schwer fallen, denn erstens ist er ein Gentleman und zweitens hat er selbst die Höhen und Tiefen eines Lebens für die Kunst genügend mitgemacht.

Es hat zu allen Zeiten an der Wiener Oper Sänger gegeben, die international wenig bedeutend waren, die nur für Repertoiresingen da waren.  Aber im Zeitalter der Nivellierung, in dem sich oft durchschnittliche Festspielstädte weiß Gott was einbilden, müßte man schon darauf sehen, daß Repertoiresänger mindestens das Niveau der für diesen Zweck vorbildlichen Gerda Scheyrer und Repertoiredirigenten das des verstorbenen Rudolf Moralt haben.

 

FIDELIO am 1. Jänner

Dirigiert von Heinrich Hollreiser! Es drängte sich wieder der Verdacht auf, daß Fidelio als Füller angesetzt wird. Absagen, Besetzungsschwierigkeiten, na schön, dann spielen wir eben Fidelio oder Zauberflöte! Die Regiekanzlei macht sich’s leicht, aber das Publikum reagiert bereits sehr sauer! Es war kein Zufall, daß in den vergangenen Wochen ein Publikumsschwund zu verzeichnen war. In dieser Vorstellung gewährleisteten das Niveau nur Hans Hotter (Pizarro) und Christl Goltz (Leonore), und ihnen ist es auch zu verdanken, daß die Besucher bis zum Ende auf ihren Plätzen blieben. Alles übrige trug nicht dazu bei, die Vorstellung hörenswert zu machen. Auch der Gast Walter Geisler als Florestan war durchaus kein Aufputz des müden Abends. Seine Höhe klang stumpf und entbehrte der Leuchtkraft. Anerkennenswert verblieb nur, daß er sich bemühte, diese Mängel durch Ausdruck und Phrasierung wettzumachen. Das outrierte Spiel jedoch stimmte den Zuschauer bestimmt nicht versöhnlicher.

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 2. Jänner

Angeblich sollen wir die Rotationsinszenierung abgeben. Wir wünschen, dies möge so rasch wie möglich geschehen. Je öfter und länger man sie sieht, um so unerträglicher wird sie. Als beachtlich sei Walter Berry in den Baritonpartien hervorgehoben, der ein wahres Labsal war und eine absolut reife Leistung bot, ferner die Olympia von Erika Köth, die ein Musterbeispiel an Geläufigkeit und Brillanz darstellte. Am gleichen Abend bewährten sich unter Berislav Klobucars Leitung Peter Klein, Erich Kunz, Ludwig Weber und Ira Malaniuk, während die anderen Leistungen abfielen.

DER ROSENKAVALIER am 3. Jänner

Diesen Abend leitete Heinrich Hollreiser. Wir hörten zahlreiche Derbheiten im Orchester, einen verhetzten ersten Akt und einen zerdehnten und spannungslosen dritten, worunter besonders das Terzett litt. Die stimmlichen Leistungen waren durchwegs erfreulich. Den Oktavian sang Ira Malaniuk in bester Verfassung und machte den ‚jungen Herrn aus großem Haus glaubhaft. Wilma Lipp war ihr stimmlich wie darstellerisch eine gleich bezaubernde Partnerin und auch Hilde Zadek zeigte sich diesmal stark verbessert. (Leider werden ihre guten Vorstellungen von Jahr zu Jahr spärlicher). Als Ochs hörte man Ludwig Welter aus Frankfurt, der den guten Eindruck seines ersten Auftretens wiederholen konnte. Den Trägern der kleinen Partien gebührt ein Pauschallob.

SALOME am 4. Jänner

Berislav Klobucar, der die Aufführung musikalisch leitete, nahm auf die Sänger Rücksicht und bemühte sich um differenzierten Klang. Seinem Strauss fehlt es jedoch an Elastizität und federnder Eleganz. Hans Hotter und Christl Goltz beherrschten die Szene. Die Ausdruckskraft der Persönlichkeit und die Klangfluten trotzenden Stimmen ließen wieder den Hörer und auch den Zuschauer zu ihrem Recht kommen. Max Lorenz hatte als Herodes einen sehr guten Abend, während Georgine Milinkovic bedenklich mit der Höhe kämpfte. Gute Episoden waren Margareta Sjöstedt (Page) und Ivo Zidek (Narraboth) – weniger gut die Nazarener (Oskar Czerwenka und Hans Braun) und das Judenquintett unter der Anführung von Hugo Meyer-Welfing.

OEDIPUS REX und PETRUSCHKA am 5. Jänner

So erfreulich es ist, daß die beiden Werke Igor Strawinskys nunmehr bereits einen festen Platz im Repertoire der Wiener Staatsoper eingenommen haben, darf nicht übersehen werden, daß besonders das erste nicht so ankommt, wie es ihm zukäme. Das liegt in diesem Falle weniger an der Ausführung: Heinrich Hollreiser bietet immerhin eine korrekte und auch vom Chor her geballte Leistung. Auch die Solisten (Martha Mödl, Waldemar Kmentt, Murray Dickie sowie in einigem Abstand Oskar Czerwenka und Kurt Böhme, der die unzulängliche Leistung Endre Koréhs vergessen machte, sind erfreulich konstant. Bedenklich stimmt allerdings der Umstand, daß die Besetzung des Teiresias mit Gästen (wenn Gottlob Frick abwesend ist) ein Glücksspiel ist. Kieth Engen füllte die Gestalt auch geistig aus, stimmlich fehlt ihm nur etwas an Tiefe.  Andreas Wolf als Spreche nimmt sich – verglichen mit Jean Cocteau – zu ernst. Der mangelnde Widerhall im Zuschauerraum liegt am Publikum, das sich nur zögernd mit Ungewohntem abfindet, und erst recht an jenem noch ein wenig bequemeren Teil desselben, der nur des zweiten Werkes harrt, anstatt sich auch mit dem ersten ernsthaft auseinanderzusetzen. Womit nicht gesagt sein soll, daß Petruschka nicht ernsthafter Auseinandersetzung genau so bedürfe.

DIE ZAUBERFLÖTE am 6. Jänner

leitete Berislav Klobucar. Auffallend war der schwache Besuch des Hauses. Zauberflöte als Lückenbüßer geht eben auf die Dauer doch nicht! Auf der Bühne beherrschten die Mozartroutiniers Anton Dermota (Tamino), Irmgard Seefried (Pamina) und Erich Kunz (Papageno) die Szene. Künstler die den Mozartgesang im kleinen Finger haben. Mimi Coertse zeigte als Königin der Nacht, daß sie gegenüber dem Vorjahr wesentliche Fortschritte machte, und im Sarastro Frederick Guthries begegneten wir einem alten Bekannten. Der junge Sänger hat an Vortrag gewonnen, die helle Färbung seines Basses kommt nach wie vor der Partie nicht zugute. Dem Sänger werden Lehrjahre an kleinen Bühnen nur nützen.

TOSCA am 7. Jänner

Man fragt sich wirklich, muß das sein? Es ist förmlich zum Weinen, wenn nach großartigen Aufführungen, auf die wir stolz waren, nun wieder solche kommen, die die Schönheit des Werkes verschwinden machten und den Wert der Neuinszenierung zerstören. Berislav Klobucar war absolut nicht Herr der Lage. Auch der Kontakt zur Bühne war ungenügend. Bei den Sängern bot Walter Berry als einziger eine große Leistung, die es ihm ermöglicht, an die großen Vorbilder anzuschließen. Die Hand eines Regisseurs wüßte ihm darstellerisch sicher auch ein eindrucksvolleres Sterben beizubringen, aber sie fehlt! Christl Goltz hatte leider einen rabenschwarzen Tag, und Eugene Tobin, der es in Deutschland zu gutem Ruf gebracht hat, enttäuschte uns abermals. Er hat seit seinem letzten Wiener Auftreten noch immer nichts dazu gelernt und noch immer ist er nicht Herr über sein Material. Technisch falsch genommene Spitzentöne sind noch immer zu häufig, reine Pianotöne allzu selten.

DIE WALKÜRE am 8. Jänner

Man nahm zähneknirschend, die voraussehbaren Negativa dieser Besetzung in Kauf, um die interessanten Neubesetzungen zu hören. Nur unter dieser Voraussetzung ließ sich nämlich all das, was man lieber nicht gehört hätte, ertragen. Hilde Zadek als Sieglinde war eine Zumutung. Nicht nur, daß das enorme Tremolo und die schrille Höhe, sowie die nicht vorhandene Tiefe ein unüberbrückbares Manko darstellten. Es war nichts da, was die stimmlichen Mängel hätte ausgleichen können. Vom Wesen der Wälsungentochter hat die Sängerin keine Ahnung. Martha Mödl hatte nicht ihren besten Tag. Sie hatte, vor allem im dritten Akt bei den Siegfried-Themen, ihre liebe Not mit dem Dirigenten, meisterte aber alle Schwierigkeiten kraft ihres Ausdrucks und ihrer Persönlichkeit. Ira Malaniuk entsprach als Fricka, sang ziemlich einwandfrei, konnte sich aber in der Darstellung nicht über das Klischee erheben. Jon Vickers sang Siegmund. Die Stimme ist für die Partie bestens geeignet. Sie hat ein angenehmes, baritonal gefärbtes Timbre und ein ausdrucksvolles, hauchzartes und doch tragendes Piano, allerdings einen ungleichmäßigen Übergang von der Mittellage zur Höhe, aber das kann sich noch ändern. Der Sänger sieht gut aus und bewegt sich gewandt und maßvoll auf der Bühne. Was will man mehr von einem Tenor in unserer an Heldentenören armen Zeit? Otto Wiener sang Wotan. Die Betonung liegt vor allem auf sang, denn das tat er untadelig. Er sang, ohne sich im geringsten zu schonen und hielt prächtig durch. Seine Darstellung ist schlicht und einfach, oft menschlich und fügt sich durchaus in den Rahmen und braucht keinerlei Vergleiche zu scheuen. Die Wortdeutlichkeit ist außerordentlich, wenn sie auch anfangs einige offenbar durch Nervosität bedingte kleine Schnitzer hörbar werden ließ. Das Walkürenensemble war unterschiedlich wie immer, bestand aber diesmal mehr aus verbrauchten, als aus blühenden Stimmen. Die musikalische Leitung hatte Heinrich Hollreiser.

DON GIOVANNI am 9. Jänner

war ein sehr trauriger Abend, was aber nicht einmal sosehr an den etwas ungleichmäßigen Leistungen auf der Bühne lag, als am Dirigenten Michael Gielen, der sich nun auch über diese Oper traute. (Wir nehmen an, daß er bald zum Mozart-Spezialisten erklärt werden wird, denn außer Così fan tutte hat er nun schon alles geleitet.) Es ist natürlich schwierig, in eine Mozartaufführung in Wien einzusteigen. Proben wird er ja kaum gehabt haben. Aber Michael Gielen geht doch schließlich oft genug in die Oper, um wenigstens halbwegs annehmbare Tempi im Ohr zu haben. Aber er leitete einen Feldzug gegen die Sänger, obwohl ihm als langjährigem Korrepetitor doch die Atmungsmöglichkeiten der Sänger vertraut sein müßten. Irmgard Seefried und Anton Dermota sangen aber trotz des hindernden Mannes am Klavier (Pult gab es ja keines) schön, edel und stilvoll. Eberhard Wächter schien ein wenig müde und vermied das ansonsten eingelegte A, während Walter Berry nach langer Pause wieder seinen liebenswerten, verschmitzten und irgendwie behaglich-komischen Leporello mit Prachtstimme sang. Walter Kreppel konnte stimmlich als Komtur nicht ganz so überzeugen wie in seinen anderen Rollen. Für den Auftritt des steinernen Gastes fehlte es ihm an Wucht. Sehr schön gelang dagegen die Friedhofszene. Neben dem stets verläßlichen Harald Pröglhöf und der derzeitigen Standard-Elvira Gerda Scheyrer, der man es noch immer anmerkt, daß sie offenbar den italienischen Text auswendig gelernt hat, ohne ihn zu verstehen, hörte man als Donna Anna leider wieder Teresa Stich-Randall, deren Spitzentöne wie Nadelstiche wirken.

FIDELIO am 10. Jänner

Dirigent der Aufführung war Heinrich Hollreiser. An diesem Abend gefiel Anton Dermota als Florestan neben Christl Goltz und Wilma Lipp (Marzelline). Oskar Czerwenka bemühte sich um den Rocco, dankenswerterweise unter Verzicht auf humoristische Mätzchen. Leider war nicht zu überhören, daß seine Höhe absolut nicht in Ordnung ist. Edmond Hurshell erntete mit seiner Pizarro-Arie eisiges Schweigen! Für den Eingeweihten spricht dies Bände und bedarf keines weiteren Kommentars, nur bis in die Regiekanzlei hat es sich anscheinend noch nicht herumgesprochen, wo man eifrig bemüht ist, Edmond Hurshell fleißig zu placieren, wenn der Chef nicht im Lande ist. Seltsam das!!!

CARMEN am 11. Jänner

Martha Mödl zeigte in dieser Aufführung wieder einmal mit tiefster Intensität die Carmen-Auffassung einer großen deutschen Tragödin. Es ist verständlich, daß ihr der dritte und vierte Akt der Oper mehr liegt als die beiden ersten. Die düster-dramatische Kartenarie und das erregende Schlußduett bedeuteten die Höhepunkte einer konsequent durchdachten Rollengestaltung. Interessant war Carmens Tod. Hier, wo sich die meisten Carmen-Darstellerinnen mit hemmungsloser Vitalität, ja Verzweiflung ans Leben klammern und versuchen, doch noch einen Ausweg zu finden, sieht Martha Mödls Carmen dem Unabänderlichen tapfer ins Auge. Hoch aufgerichtet schreitet sie Don José entgegen. Jon Vickers schien an diesem Abend auf Nummer sicher gehen zu wollen und bewältigte die Lyrismen der beiden ersten Akte mit einem (sehr kultivierten) Falsett. Erst im zweiten Teil des Abends konnte man den dunklen Glanz seiner voluminösen Mittellage bewundern. Leider war auch hier nicht zu überhören, daß seine Stimme ungefähr um das F herum ein Loch hat, in dem sie ungleichmäßig und empfindlich wird. Auch der Sitz der höheren Lagen ist dadurch ziemlich beeinträchtigt. Wie er allerdings diese seine Schwächen zu übersingen weiß, verrät Klugheit und Geschmack. Ausdruck und Phrasierung waren intensiv und musikalisch. Teresa Stich-Randall sang das Duett mit José sehr Piano und eben dadurch wirklich schön. Bei der Arie im dritten Akt traten wieder die gefürchteten steifen Sirenentöne auf. Lieselotte Maikl und Margareta Sjöstedt sangen die beiden Zigeunerinnen sauber, aber ein wenig unpersönlich. Ljubomir Pantscheff und Hans Braun als Zuniga und Morales und das Schmugglerpaar Erich Kunz und Peter Klein, bei dem sich ersterer ungebührlich in den Vordergrund spielte, waren in den kleinen Rollen zu hören. Walter Berry hatte immer Applaus und sang mit Schwung und dem Aufgebot seiner ganzen beträchtlichen Stimmkraft, was im Torerolied schon bedenklich an Forcieren grenzte. Zwischen Bühne und Orchester gab es einige Meinungsverschiedenheiten, die Berislav Klobucar aber schlichten konnte. Er bemühte sich sehr um die Aufführung, die anregend und interessant war, ohne an schon gehörte Gala-Aufführungen herankommen zu können.

MATHIS DER MALER am 12. Jänner

ist bedauerlicherweise auch im Absteigen begriffen. Schon im Vorspiel der Aufführung ließen Heinrich Hollreiser und das Orchester (Glockenspiel!) einige Unsicherheiten erkennen. Später wurde es nicht besser. Der Chor schwamm beträchtlich, und auch der von Anfang an öfters unzulängliche szenische Eindruck hat sich verschlechtert. Was an Gutem blieb, ist bekannt: Otto Wiener als Mathis, stimmlich vortrefflich, einen richtigen, fühlenden Menschen auf die Bühne stellend, Wilma Lipp und Anton Dermota, die die Schwächen der Gäste – in den gleichen Stimmlagen – noch deutlicher machten. Der männliche Gast, Erich Klaus, ist nämlich bestenfalls ein Tenörchen. Das einzige, was gegenüber Karl Terkal angenehm aufgefallen ist, war die korrekte Aussprache. Oskar Czerwenka war nicht in bester Verfassung, trug das aber mit Würde. Karl Liebl war diesmal selbst in dieser seiner bisher einzigen entsprechenden Partie schwach. Über Edmond Hurshells Gestaltung des Pommersfelden braucht kein Wort verloren zu werden. Gut waren Margareta Sjöstedt und Hans Braun in ihren Episodenpartien. Die größte Belastung aber war Elisabeth Thoma als Gast, die sich an der Partie der Ursula verging. Nicht nur, daß sie vor lauter „Schwimmen“ fast ertrank, auf ihr Konto gingen fünf neue Striche. Die Stimme ist für diese Partie nirgends gut genug. Dieser Preis ist für die Rettung einer wackelnden Vorstellung entschieden zu hoch.

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 13. Jänner

In dieser Aufführung übernahm Ljubomir Pantscheff den Crespel und hinterließ innerhalb seiner Grenzen keinen schlechten Eindruck. Die übrige Besetzung entsprach der vom 2. Jänner.

OEDIPUS REX und PETRUSCHKA am 14. Jänner

Im Oedipus gab es wieder einen Gast als Teiresias: Hans Hermann Nissen ist ein Schatten von einst und kam gerade noch über die kurze Distanz. Der Sprecher war diesmal Jörg Liebenfels, der manchmal in der Betonung ein wenig frei war. Die übrige Besetzung im Oedipus war ident mit der Aufführung vom 5. Februar.

AIDA am 15. Jänner

hätte unter gegebenen Umständen den Titel „Warten auf Amonasro“ verdient. Der Auftritt Hans Hotters war der Angelpunkt der Vorstellung, nachdem Jon Vickers nur mit einer durchschnittlichen Romanze aufzuwarten hatte. Im Verlauf des Abends konnte sich der Künstler dann noch durchsetzen. Die Nil- und Gerichts-Szene gelangen sehr gut. Mit den Spitzentönen hatte er Glück, und es war deutlich zu hören, daß ihm in den italienischen Partien die dramatischen Stellen besser liegen, während die Pianohöhen seine Schwächen deutlich machten. Entsprechende Leistungen boten Nicola Zaccaria als Ramphis und der in der Baßpartie des Königs eingesetzte Alois Pernerstorfer. Nicht entsprechen konnten die Interpretinnen der beiden weiblichen Parts, Georgine Milinkovic und Hilde Zadek. Der Amneris fehlte jegliche Durchschlagskraft, streckenweise blieb sie unhörbar, mit der Höhe wie mit der Tiefe hatte sie ihre liebe Not. Hilde Zadek beanspruchte die Nerven der Zuhörer. Ohne Stilgefühl und ohne Rücksichtnahme auf die Partner kann man nicht auf der Bühne eines Weltinstitutes stehen. Berislav Klobucar versah sein schweres Amt mit wechselndem Erfolg. Allzu oft ging ihm das Tempo durch und bereitete so den Sängern mit schweren Stimmen, Hans Hotter und Jon Vickers erhebliche Schwierigkeiten.

 

JULIUS CAESAR am 16. Jänner, Übernahme aus dem Theater an der Wien

Oscar Fritz Schuh, der Regisseur des im Theater an der Wien zweimal gespielten und auf Grund des Händel-Jahres jetzt in das große Haus übernommenen Werkes, gab kürzlich ein recht bemerkenswertes Interview, in dem er allen Ernstes feststellte, daß Wien aus der Ferne am nettesten sei und die Leute ihn am besten behandelten, wenn er nur auf eine kurze Spritztour in der Stadt erscheine. Dazu können wir nur ganz kurz und scharf feststellen, daß auch wir sehr froh sind, ihm (und eventuellen neuen Arbeiten) nur mehr äußerst selten begegnen zu müssen.

Er ist einer von jenen, die offenbar durch einen puren Zufall zur Oper gelangten. Hier hatte er sich in den Nachkriegsjahren, als die damalige Ärmlichkeit und Notlage, was das Ausstattungsmaterial betraf, eine gewisse innere Beziehung zu seinem harten, kärglichen, farblosen Personalstil aufwies, einige Verdienste erworben. Wir nennen hier den Othello von Weihnachten 1945, der in der Besetzung Hilde Konetzni-Nikolaidi-Lorenz-Schöffler  unter Josef Krips der erste Abend von Format nach dem Krieg war. Weiters denken wir an seine Mozart-Inszenierungen in Zusammenarbeit mit Robert Kautsky (Don Giovanni 1946, Zauberflöte 1947), dann etwa noch an den fröhlichen Klamauk-und Blödel-Fra Diavolo oder an den allerdings etwas deutschen, mehr an die Lustigen Weiber erinnernden, Falstaff mit dem Bühnenbildner Hlawa unter Clemens Krauss. Ansonsten hatte er einige Versager aufzuweisen: Einen häßlichen, stockfinsteren Holländer, dessen zweiter Akt von der Galerie das schmückende Beiwort „Luftschutzkeller“ bekam, einen die Kunstform der großen Oper unfreiwillig parodierender Macbeth und die sattsam bekannten Totalpleiten des Eröffnungs-Don Giovanni in Wien und des sogenannten „Fest“-Figaro des Mozart-Jahres 1956 in Salzburg,  der schnell und radikal wieder beseitigt wurde!

Charakteristisch für Schuh und seinen jetzigen Bühnenbildner-Favoriten Caspar Neher, der auch diesen Julius Caesar entwarf, ist, daß er, wie er selbst oft genug feststellt, das Werk aufführt, wie man es sich in der Entstehungszeit vorgestellt haben mag! Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, speziell dann, wenn dem Regieteam sonst nichts besseres einfällt. Allerdings könnte man bei konsequenter Anwendung dieses Leitsatzes wieder einmal etwa eine Götterdämmerung sehen, in der „Grane das Roß“ lebendig wiehernd und Zucker heischend den Schlußgesang zu einer Farce macht. Die Zeitgenossen von Wagner und Strauss haben sichs ja sicher so vorgestellt. Nicht so vorgestellt dürften sich allerdings Cocteau und Strawinsky den Oedipus Rex haben, der von Schuh und Neher bekanntlich auch barockisiert wurde. Es zeigte sich also, daß Schuhs Regietätigkeit hauptsächlich aus dem Halten von Vorträgen besteht. Auf der Bühne selbst sehen seine theoretischen Ergüsse schon nicht mehr so gut aus. Man würde Gott auf den Knien danken, wenn er und noch manche andere sogenannte Opernregisseure statt ihres so viel besprochenen „geistigen Konzepts“ für das Regieführen lieber eine tüchtige Portion gesunden Menschenverstandes mitbrächten und statt des ganzen „konsequenten Stilwillens“ lieber guten Geschmack. Dann würde nämlich auch noch etwas vom Werk übrigbleiben, das in manchen Schuh-Inszenierungen vor lauter Stil überhaupt nicht mehr zu erkennen ist.

Oskar Fritz Schuh ist mehr Chef in Köln (das Haus führt im Volksmund bereits den Namen „Schuhhaus Sawallisch“) und wird in dieser Eigenschaft auch sicher als Regisseur mancher großen Oper zu sehen sein. Und darauf freuen wir uns jetzt schon diebisch und werden nicht versäumen, hinzureisen und uns etwa anzusehen: Eine barock stilisierte Aida, wo das Triumphbild auf einen Raum von 2 1/2 m² zusammengestaucht ist, eine Elektra mit Cul de Paris, eine Götterdämmerung mit Redoutensaal-Treppe, König Marke mit stilisierter Federkrone à la Oedipus Rex, einen siechen Amfortas mit weißem Pyjama und Zackenkrone, wie einstens im Theater an der Wien Macbeth trug. Man kann sich der Bilder kaum erwehren, die im Geiste aufsteigen. Das wenigstens ist der Wiener Staatsoper erspart geblieben.

Und wenn wir vom Caesar nicht sagen, „uns bleibt nichts erspart“, so nur deshalb, weil das Werk in diesem Jahrhundert am Ring erst viermal gespielt wurde. Wenn man auch einräumt, daß das Publikum nicht nur aus Musikwissenschaftlern besteht – für die herrliche Musik ist das sehr wenig. Wir hoffen, daß das Werk jetzt wenigstens bei festlichen Gelegenheiten regelmäßig erscheint. Hoffentlich unter einem besseren Dirigenten. Heinrich Hollreiser schien von der barockisierten Bühne zu barocker Gestik inspiriert worden zu sein – zu sonst nichts.

Irmgard Seefried, für die man in der letzten Zeit einigermaßen gebangt hatte, widerlegte klar und deutlich alle Gerüchte von einer ernsthaften Stimmkrise. Das sieht nur so aus, weil sie ein völlig falsches Fach singt. Sie wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich ihre Stimme eben ändert, wie es alle Stimmen tun. Und sie wird nicht umhin können, Rollen zu singen, die zu dem satten dunklen Timbre ihrer Mittellage passen und die ihr gestatten, in der Höhe dramatisch loszubrechen. Die Kleopatra ist solch eine Partie. Die Stimme klang stark, schön, ja erfreulicherweise richtiggehend  gesund! Und die immensen technischen Schwierigkeiten, speziell bei der nahezu unsingbaren Arie „Ach ihr getreuen Mädchen“ bewältigte sie mit Bravour. Darstellerisch ließ sie sich zu sehr von Schuh beeinflussen, denn neben schönen, ausdrucksvollen Szenen fanden sich auch  überspitzt wirkende, etwa das in erstarrter Haltung mit erhobenem Zeigefinger gesungene erste Arioso.

Eberhard Wächter schien bei der Premiere ungewohnt nervös zu sein. Auch schien ihm die Partie anfangs etwas zu tief zu liegen, und auf der daher mehr als sonst beanspruchten Mittellage saß die Höhe nicht so sicher wie gewohnt. Aber er wuchs im Verlauf des Abends in die Rolle hinein: wunderschön und ausdrucksvoll gesungen war etwa das große „Ozean“-Arioso. Darstellerisch wirkte er ruhig, nobel und beherrscht. Er war der einzige Sänger des Abends, der mit dem Inszenierungsstil keine Schwierigkeiten hatte, denn er verwendet immer ein paar große Gesten an Höhepunkten, um sonst eher zu unterspielen. Er konnte also seinen Personalstil mit den Absichten der Regie gut in Einklang zu bringen,

Ira Malaniuk sang die Cornelia ausgezeichnet. Sie sah mit ihren blauen und schwarzen Rokoko-Kostümen auch wieder blendend aus. Anton Dermota als Sextus hatte einen hervorragenden Abend und trug seine Arien mit Kraft und Wohllaut vor. Oskar Czerwenka war mit dem Ptolemäus vollkommen überfordert. Nicht genug, daß seine rauhe Stimme nicht geschaffen ist für Barockmusik, bei der das Niveau der Aufführung zum größten Teil auf der Schönheit der Musik und ihrer Interpretation beruht, wurde er auch noch vom Regisseur dazu angehalten, einen papierenen Theaterbösewicht mit Einheitsgrimasse und höhnisch verzogenem Mund zu mimen, was im Hause beträchtliche Heiterkeit auslöste. Gar nicht zu verwenden ist Edmond Hurshell, der mit hohler häßlicher Stimme und einen großen Aufwand an Schminke und pathetischen Bewegungen den bösen Achillas darzustellen versuchte. Harald Pröglhöf wirkte dagegen angenehm sicher und routiniert.

Wir müssen am Ende noch die fürchterlichen Häßlichkeit und Unkleidsamkeit der Herrenkostüme erwähnen, die Damen kamen durch ihre Rokokokrinolinen diesmal etwas besser weg. Man kann mit Fug und Recht feststellen, daß man so etwas deprimierend Häßliches wie die geflochtenen Bauchbinden der trüb-gelben Gewänder und die schmutzigroten phrygischen Mützen und Stiefel noch selten gesehen hat. Wenn man schon eine Barockoper im Stil vergangener Zeiten aufführt, muß die Bühne wenigstens optisch etwas bieten.

BALLETTABEND am 17. Jänner

JULIUS CAESAR am 18. Jänner

Die Reprise war durch die größere Ruhe der meisten Beteiligten, vor allem Eberhard Wächters in der Titelpartie, gekennzeichnet. Die Leistung Irmgard Seefrieds war, was das Singen betrifft, schlechthin vortrefflich. In der Darstellung läßt sie erkennen, daß sie nicht mit allen Posen, in die sie der Regisseur zwängte, restlos glücklich ist. Sie überspielte sie mit größter Gelöstheit. Oskar Czerwenka war stimmlich ebenfalls freier. Zuschauen darf man ihm allerdings noch immer nicht. Anton Dermota wirkte im Duett mit Ira Malaniuk (rein stimmlich waren beide einwandfrei) etwas unsicher. An der Feststellung, daß Edmond Hurshell stimmlich nicht den Anforderungen genügt, kann sich leider nichts ändern. Harald Pröglhöf bewährte sich als solider Episodist. Auch an der Leitung des herrlichen Werkes konnte sich nicht ändern. Die Klarheit und Durchsichtigkeit, die wir an Händels Musik so lieben, stellte sich nicht ein.

DIE WALKÜRE am 19. Jänner

Die musikalische Leitung hatte Heinrich Hollreiser. Der Beginn des ersten Aktes ging an, aber bald begann wieder der gewohnte Einheits-Brei zu dominieren. Man wäre froh gewesen, wenn die Hauptthemen ordentlich gekommen wären. Besonders unangenehm fiel auf, daß dem armen Siegmund die meisten der herrlichen Piani zerschlagen oder doch erheblich beeinträchtigt wurden, daß unmotivierte Temporückungen auch Künstler wie Martha Mödl und Hilde Konetzni vor nahezu unlösbare Probleme stellten, daß die Todesverkündigung ‚so breit nur immer möglich’ geriet, wobei vor allem die Posauneneinsätze arpeggioartig erfolgten, und daß die wichtigsten Steigerungen, z. B. im Vorspiel zum zweiten Akt und im Walkürenritt, sich totliefen. Von der Bühne aus war nämlich der Abend herrlich. Hilde Konetzni, ausgeruht und in sich ruhend, sang mit nach wie vor blühender Stimme. Diese Mittellage und diese Tiefe voll Wärme und Ausdruck! zeigte in ihrem ureigensten Fach, was hinter Noten und Worten noch steht – wenn man’s spürt. Jon Vickers, mit seiner Partnerin wachsend, ging ganz aus sich heraus – auch die Debüt-Nervosität fiel weg – und begeisterte wieder mit machtvollen und zartesten Phrasen. Er ließ übrigens auch ein für einen Ausländer erstaunliches Textverständnis erkennen. Die Fricka wurde diesmal von Elisabeth Höngen mit sieghafter Ausdruckskraft gestaltet. Martha Mödl war bestens bei Stimme, meisterte auch fast alle Klippen, die ihr oft hart ankamen und erschüttert wieder durch innigsten Ausdruck. Auch Otto Wiener legte diesmal von Anfang an unbefangen los. Die unerschrockene Art, in der er ehrlich und sauber die enorme Partie durchsingt, nötigt Achtung ab, darüber hinaus verstand man jedes Wort. Auch dem unbarmherzigen Versuch des Dirigenten, den Sänger zu decken, war kein Erfolg beschieden. Alles in allem: Schön hätte es sein können, wenn wenigstens ein gewissenhafter Kapellmeister mit einiger Autorität am Pult gesessen hätte.

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 20. Jänner

Interessant war die Besetzung der Giulietta mit Christl Goltz, die auch diese Partie auf ihre Art meisterte, wenngleich ihre metallische Stimme für diese Partie nicht prädestiniert ist. Walter Kreppel ist zweifellos der beste Crespel, den wir im neuen Haus gehört haben. Im übrigen: Edmond Hurshell sang die Baritonpartien und Michael Gielen schlug – im vollen Sinn des Wortes – den Takt dazu.

DIE ZAUBERFLÖTE am 21. Jänner

Diesmal war die Besetzung nicht einheitlich, aber doch in den Hauptpartien nirgends störend. Mimi Coertse sang wacker, in den Staccato-Koloraturen sogar prächtig, die Königin der Nacht. Irmgard Seefrieds „neue“ Pamina trägt herbere, aber unvermindert innige Züge. Auch im Sprechen legt sie erfreulicherweise allmählich einiges allzu Neckische ab. Walter Berry, der herrlich singende, herzerfrischende Papageno, hatte in Anneliese Rothenberger eine prächtige Partnerin. Waldemar Kmentt plagte sich anfangs ein wenig. Auch Gottlob Frick (Sarastro) brauchte einige Anlaufzeit, bis er schließlich die Vorzüge seiner herrlichen Stimme ganz ausspielte. Eberhard Wächter war ein nobler Sprecher, Peter Klein ein guter und sehr wortdeutlicher Mohr. Das Damenterzett (Judith Hellwig, Margareta Sjöstedt, Hilde Rössel-Majdan) schien anfangs nicht ganz einig. Die Besetzung der ersten Dame war ein Tiefschlag. Weder das Paar der Priester (Erich Majkut, Hans Schweiger) noch jenes der Geharnischten (Laszlo Szemere, Adolf Vogel) vermochte sich sonderlich mit Ruhm zu bedecken. Berislav Klobucar dirigierte erfreulich lebhaft, manchmal im Tempo sogar etwas zu lebhaft, und erreichte stets einen ausgeglichenen, oft duftigen Orchesterklang.

ELEKTRA am 22. Jänner

An diesem Abend freute sich jedermann darüber, daß das teilweise im Hinblick auf den Philharmonikerball bereits im Frack befindliche Orchester sich bei diesem Werk der Liebe Richard Strauss’ würdig erwies und es dem Dirigenten Heinrich Hollreiser nicht unnötig schwer machte und eine (bis auf einige nicht genügend herausgearbeitete Hauptthemen) recht gelungene Aufführung erzielte. Christl Goltz ließ in der Titelpartie, die sie eindringlich wie immer gestaltete, leider einige Schwierigkeiten in der Höhe erkennen. Hilde Zadek (Chrysothemis) produzierte außer einem Superschmiß noch etliche unreine und schrille Höhen, aber das ist leider ebenso wenig neu wie die stumpfe Tiefe. Elisabeth Höngen (Klytämnestra) war stimmlich erfreulich gut disponiert. Ihre grandiose Darstellung bleibt einmalig. Hans Hotter (Orest) war wieder schlechthin großartig. Julius Patzak sang, im Wort klar wie immer, äußerst exakt und eindringlich den Aegisth. Über die Besetzung und Ausführung der Chargenpartien bleibt nur zu berichten, daß außer Judith Hellwig niemand kraß aus dem Rahmen fiel.

FIDELIO am 23. Jänner

Zu Ehren eines zu Gast weilenden bayerischen Ministers wurden die ursprünglich angesetzten Meistersinger von Nürnberg gegen einen Fidelio ausgetauscht. Dauern die Meistersinger etwa zu lange? Heinrich Hollreiser verwendete die kurzen Momente von Konzentration, die bei ihm im Verlauf eines Abends aufzutreten pflegen, vorzugsweise im ersten Akt und bei der Leonoren-Ouvertüre – das Finale verhetzte er auf sensationelle Weise. Martha Mödl hatte in den höheren Lagen mit Schwierigkeiten zu kämpfen, ihre Gestaltung der Partie beeindruckt aber stets aufs Neue. Hans Hopf, der im Haus am Ring, außer einem hervorragenden Kaiser kaum einen guten Abend gehabt hat, holte dies drei Jahre nach der Eröffnung nach und sang eine sehr schöne Arie, vermochte seine Leistung im Laufe des Kerkeraktes zu steigern und zeigte im Finale noch besonders starke, kräftigen und schönen Tenorglanz. Irmgard Seefried, Gottlob Frick und Hans Hotter machten sich um Marzelline, Rocco und Pizarro verdient. Hans Braun war als Minister zu hören. Gerhard Stolze, der als Jacquino im Haus am Ring (nach seinen erfolgreichen Redoutensaal-Abenden) debütierte, schien sich mit der Akustik des Hauses noch nicht befreundet zu haben. Seine allzu kunstvolle Phrasierung ging in den von Hollreiser hervorgerufenen Klangmassen unter.

DER ROSENKAVALIER am 24. Jänner

Meinhard von Zallingers Leitung war eine Überraschung. Nach einem wenig präzisen Vorspiel steigerte sich der Dirigent von Akt zu Akt und man konnte wirklich mit ihm zufrieden sein. Unerwartet, aber doppelt erfreulich, denn mit angenehmen Überraschungen hatte Meinhard von Zallinger uns bisher nicht verwöhnt! Ungetrübtes Vergnügen bereiteten dem Publikum die Damen Sena Jurinac und Wilma Lipp als junges Liebespaar. Hilde Zadek sang die Marschallin abermals zufrieden stellend. Kurt Böhme als Ochs hatte einen stimmlich guten Tag und verzichtete teilweise auch auf darstellerische Übertreibungen bis auf sein beinahe maschinell gewordenes Bühnengelächter. Das behielt er standhaft bei. In den Nebenpartien gefielen Anton Dermota als Sänger und Otto Wiener als Faninal.

DAS RHEINGOLD am 25. Jänner

Nachdem man sich den ganzen Jänner über verschiedene Kapellmeister grün und blau geärgert hatte, konnte man lesen, daß Karajan das  Rheingold wegen einer Grippeerkrankung werde absagen müssen. Und als die Wut auf dem Siedepunkt gestiegen  war, traf Karajan in Wien ein um zu proben. (Sein „Ersatz“ wäre übrigens Herr von Zallinger gewesen!) Und es gab nach einer wahren Schlacht um die Sitzplätze eine Rauferei mit Polizeiaufgebot um die Stehplätze, wie sie in solcher Heftigkeit schon lange nicht mehr erlebt worden war. Von vornherein schien es also klar, daß eine so mühsam errungene Vorstellung Atmosphäre haben müsse. Und die hatte sie auch. Die Aufführung ist trotz Umbesetzungen noch dichter und konzentrierter geworden. Und so kommt es, daß wir jetzt mit Rheingold,  das im alten Haus nur verbissene Wagnerianer besuchten, Feste feiern.

Herbert von Karajan leitete die Aufführung, und wir haben die Oper nie vorher von solch leuchtender Schönheit im Musikalischen, so klar, so plastisch und so durchsichtig gehört. Und man sah erfreut wieder die logische, dezente Inszenierung (ohne die obligaten Regisseureitelkeiten!), das weiträumige, groß angelegte Bühnenbild und die mit sicherem Geschmack und Farbensinn erdachten Licht- und Farbeffekte.

Hans Hotter schien – wenn das überhaupt möglich ist – noch mehr in die Rolle des macht- gold- und liebeshungrigen Gottes hineingewachsen, der sich in eig’ner Fessel fängt. Ira Malaniuk, noch besser und sicherer als bei der Premiere, und den unsichtbar bleibenden Damen Wilma Lipp, Sena Jurinac, Hilde Rössel-Majdan und Marga Höffgen gesellte sich Gerda Scheyrer als Freie hinzu, die sich nach anfänglicher Nervosität gut in das Klasseensemble einfügte. Alois Pernerstorfer und Peter Klein, die beiden hervorragenden Nibelungen, die Götter Froh und Donner (Waldemar Kmentt und Eberhard Wächter) und die Riesen (Gottlob Frick und der ein wenig verbesserte Oskar Czerwenka) bekamen in Gerhard Stolze als Loge einen faszinierenden Partner. Gerhard Stolze ist ein lebender Beweis dafür, was man mit einem gerüttelt Maß an Intelligenz aus einem, weder im Volumen noch im Timbre über den Durchschnitt herausragenden Spieltenor, der allerdings technisch bestens fundiert und gleichmäßig durchgebildet ist, alles machen kann. Seine Auffassung unterscheidet sich – bei dennoch vollkommenem Einfügen in die Inszenierung – grundsätzlich von der Wolfgang Windgassens, der in harmonisch abgerundeter Weise einen belcantesken Naturgott, der seine Zwiespältigkeit beinahe mit einem Schuß naturburschenhaftem Charme zur Geltung bringt, darstellte. Bei Stolze spürt man mehr das Verderbliche des Elementes, er akzentuiert schärfer, sein Hohn ist beißender, sein Wesen sprunghafter und irrlichternder - eine hervorragen, Charakter- und Typenzeichnung. Auch stimmlich überzeugte er bei beispielhaft klarer Diktion vollständig, wenn er Loge auch ganz anders sang als Windgassen. Diese Art von Umbesetzungen ist es, die eine Oper immer wieder interessant macht – wenn Sänger von Format eine Rolle aus verschiedenen Perspektiven betrachten und mit ihrer Persönlichkeit in Einklang bringen.

ARIADNE AUF NAXOS am 26. Jänner

Eines muß man für eine Ariadne-Aufführung unter allen Umständen besitzen: einen Dirigenten, der das nötige Feingefühl mitbringt, um die Strauss’schen Kostbarkeiten der Partitur herausarbeiten zu können. Am Pult stand Michael Gielen, und damit waren diese primären Voraussetzungen nicht gegeben. Das konnten auch der hervorragende Komponist Sena Jurinac und der diesmal ausgeruht und erholt wirkende Musiklehrer Paul Schöfflers, also zwei Idealbesetzungen schlechthin, nicht vergessen machen. Ariadne war Christl Goltz. Das Bezwingende an dieser Sängerin ist nicht nur ihre Vitalität, sondern darüber hinaus auch ihre künstlerische Intelligenz, die sie befähigt, jeder Aufgabe gerecht zu werden. Sie legte diese Partie so an, wie sie ihr gewachsen war: dramatisch, heroisch, und damit hatte sie gewonnen! Gott Bacchus war Rudolf Schock. Schade um diesen kultivierten Tenor. Er bemühte sich sichtlich und anerkennenswert, aber die Stimme ist angegriffen, das Volumen eher noch kleiner geworden, die Höhen sind gepreßt. Das sind ganz bedenkliche Alarmsignale, und es wird sich erst herausstellen, ob diese Abfallerscheinungen noch reparabel sind! Wir wünschen es ihm und uns! Bei der Zerbinetta von Mimi Coertse wechselten sozusagen Licht und Schatten. Aber in dieser Partie, mit der sich große Koloratursängerinnen jahrelang plagten, bis sie die makellose Leistung erreichten, wollen wir mit der jungen Sängerin nicht allzu scharf ins Gericht gehen. Möge sie sich’s nicht verdrießen lassen und weiter daran arbeiten und ausfeilen. Die Nebenpartien waren zureichend besetzt. Nun warten wir  weiter hoffend, daß ein musikalischer Leiter käme, der sich der Ariadne und ihres Publikums annähme!

 

DAS MOZARTFEST 1959

Ein schöner Brauch! Einmal im Jahr sollen die fünf Mozart-Opern, deren vollendete Interpretation nicht zuletzt einen Teil des legendären Ruhmes der Wiener Staatsoper ausmacht, erklingen. Einmal nur für Wien und das Wiener Publikum, ohne Festwochenrummel und ohne ausländische Touristen.

Und vielleicht wären die heurigen Aufführungen für Ausländer ein eindrucksvolles Erlebnis gewesen – besonders vielleicht das Staunen über den prunkvollen, vornehmen Redoutensaal mit einbegriffenem Kennenlernen der dort gespielten Mozart-Opern Die Entführung aus dem Serail und Così fan tutte. Nicht so für die Wiener, speziell die sogenannten Habitués. Gute Mozartaufführungen sind wir ja gewöhnt, aber bei einem Fest müssen sie schon besonders gut sein. Und gerade die Redoutensaal-Aufführungen wurde dem musikliebenden Publikum heuer durch die chronische Dirigentenkrise so gründlich verdorben, daß sich die Mitglieder des Merker nicht dazu aufraffen konnten, eine Menge Geld für diese Aufführungen auszugeben. Für Meinhard von Zallinger, den man für die Così fan tutte aus München holte, hätte man Teresa Berganza nicht engagieren müssen Und für die Herren Hollreiser und Gielen in der Entführung hätte man auch nicht Gottlob Frick und Anneliese Rothenberger holen müssen, dafür sind Endre Koréh und Ruthilde Bösch auch adäquat.

Im großen Haus sah es natürlich anders aus.

DIE HOCHZEIT DES FIGARO am 27. und 31. Jänner

Seit Salzburg freuen wir uns schon auf einen Figaro im großen Haus, und endlich haben wir die geistsprühende Inszenierung Günther Rennerts und die noblen Bilder und Kostüme von Ita Maximowna wieder. Der Kontrast zum häßlichsten aller Don Giovannis macht die Aufführung doppelt erfreulich.

Herbert von Karajan hatte am ersten Abend einen seiner sehr seltenen schwachen Tage. Er wirkte abgespannt, krank und müde, und bei der Ouvertüre hatte man den Eindruck, daß er nicht da sei. Immerhin zeigte er aber dann im Verlaufe des Abends, daß er, wenn er nur auf rein handwerklicher Basis arbeitet, immerhin noch besser ist, als viele andere, über deren Mozartinterpretation viel geredet und noch mehr geschrieben wird.

Gastcherubinos haben es in Wien schwer. Wir sind die Cherubingestaltung auf der Linie Rohs-Jurinac-Ludwig in ihrer herzlichen Burschikosität, ihrem lebendigen Ausdruck, ihrem Lächeln hinter Tränen und dem strahlenden, spitzbubenhaften Übermut so gewöhnt, daß wir andere Auffassungen, zumal wenn dahinter keine Persönlichkeit steht, schwer ertragen. Teresa Berganza, eine zierliche, blutjunge spanische Sängerin, ist schließlich nicht irgendwer, sie hat einen guten Ruf in West-  und Südeuropa und ebensolche Kritiken. Sie ist zum Beispiel eine der Hauptstützen des Glyndebourner Ensembles, von dessen Stil und Vollendung die einschlägige Presse alljährlich wahre Wunderdinge zu vermelden weiß. Bitte schön, da kommt es auf die Maßstäbe an. Im Falle Berganza ist bei uns die zweite Besetzung besser. Aber die junge Dame, die so farblos, ausdrucksarm, ja geradezu zimperlich auf der Bühne stand, daß sich kaum ein Wiener Kollege getraute, sie anzugreifen, aus Angst, sie könne zu weinen beginnen, hat eine sehr hübsche, klangvolle Mezzostimme von süßem Timbre, wenn auch gar zu sehr auf Nummer sicher geführt.

Wie anders wirkte die zweite Aufführung am 31. Jänner auf uns ein! Herbert von Karajan ist wieder da. Das Wunderwerk hatte seine ausgewogene Vollendung im Dramatischen und im Lyrischen, seine süße Schwermut, seinen logischen Aufbau im Ineinanderfügen der einzigartigen Einfälle, es blitzt und funkelte im einmaligen Finale des zweiten Aktes, das niemand so vollendet realisieren kann, wie eben Karajan - kurzum, es war einer jener Abende, die man jahrelang im Gedächtnis behält und immer wieder daran erinnert wird: „Ja, damals am 31.1.1959!“

Die erkrankte Elisabeth Schwarzkopf mußte diesmal ihre Wiener Abende absagen und mußte daher ersetzt werden. Sena Jurinac und Eberhard Wächter, die Säulen des Hauses, sangen nun das Grafenpaar. Und dabei gelang es den beiden Künstlern, dem Salzburger Grafenpaar Schwarzkopf und Fischer-Dieskau etwas Ebenbürtiges, in anderer Hinsicht ebenso Schönes an die Seite zu stellen. Ihre Interpretationen wirken natürlich nicht so ausgefeilt wie die der beiden Salzburger. Sie gehorchen mehr momentanen Einfällen oder plötzlicher Intuition. Ihr Temperament ist aber gebändigt durch ein souveränes, alles beherrschendes Stilgefühl. Beide sind festgelegt auf eine große Linie, die lebendig und harmonisch ausgespielt und ausgesungen wird, mit Noblesse und Eleganz, Geist und Humor. Eberhard Wächter muß sich nur vor jeglichem Forcieren hüten - seine Stimme verliert dann an einigen Stellen die Rundung und den Wohlklang. Allerdings haben wir noch nie einen Grafen erlebt, der den Schluß der Arie ohne Forcieren singen kann. Vielleicht bringt es Wächter in einem Jahr, beim nächsten Mozart-Fest fertig.

Wir haben immer gedacht, die Gräfin sei für Sena Jurinac eine Art Komplexpartie, denn sie schien - zumindest in Wien - immer irgendwie gehemmt und nervös. Diesmal merkte man ihrem beseelten Gesang nichts davon an, nur bei „Dove sono“ tat sie sich etwas schwer. Wir haben uns schon oft den Kopf darüber zerbrochen, was denn eigentlich an dieser Arie so wahnsinnig schwer ist, daß alle Sängerinnen vor ihr zittern, auch jene, die sonst ohne Mühe ein Cis singen. Hoch ist sie nicht, tief ist sie nicht, Koloratur ist auf ein Mindestmaß beschränkt.

Erich Kunz ist jetzt als Figaro besser denn je, stimmlich ausgeglichen und klangvoll, darstellerisch doppelt wirksam durch die Verbindung ernster, dramatischer Momente mit überlegenem Humor. Erich Kunz und Günther Rennert muß man zu diesem neuen Figaro von ganzem Herzen Glück wünschen.

Sehr erfreulich ist die ausgezeichnete stimmliche Verfassung von Irmgard Seefried. Sie singt die Partie auch anders als früher, viel breiter und lyrischer, wodurch die neugewonnene dunkle Schönheit ihrer Mittellage sofort angenehm hörbar wird. Mit den hochliegenden Koloraturstellen (besonders im zweiten Akt) hat sie ihre Mühe, das wird sich aber nicht ändern, solange sie dieses Fach singt.

Alois Pernerstorfer sang einen breiten, behaglichen, stimmlich kräftigen Dr. Bartolo. Hilde Rössel-Majdan schien an beiden Abenden indisponiert zu sein. Es klang, speziell in den ersten beiden Akten manchmal, als übersinge sie eine Heiserkeit. Margareta Sjöstedt, die durch Studium in Wien und viele Opernbesuche doch etwas von der Wiener Cherubinauffassung mitbekommen hat, sang – begreiflicherweise sehr aufgeregt – einen durchaus passablen Cherubino. Peter Klein und Ljubomir Pantscheff waren in ihren Partien bestens eingesetzt, Erich Majkut, der ja stimmlich wenig zu bestellen hat, verließ sich mehr aufs Outrieren.

Dieser Figaro und auch die Zauberflöte-Inszenierung haben viel von den Sünden der vergangenen Ären gutgemacht – Ziel der Wiener Staatsoper sei es, den noch fehlenden Aufführungen würdige

Inszenierungen zu bereiten. Und wenn dann noch ein berufener Mozartdirigent am Pult steht, wird ein Mozartabend in Wien immer so beglückend sein wie es in diesem Jahr leider nur der Figaro war.

DON CARLOS am 28. Jänner

Nach längerer Pause ging diese Oper über die Bühne, und zwar neuerlich als Sorgenkind unseres Repertoires. Nach der ausgezeichneten Aufführung im September eine besonders bittere Reminiszenz. Glauco Curiel dirigierte. Die Wiedergabe wirkte etwas zähflüssig, doch gab es im Orchester keine von ihm vermeidbaren Unfälle und Proben standen ihm nicht zur Verfügung. Schade, immerhin leitete er zum ersten Mal diese Verdioper. Den Philipp sang Gottlob Frick, stimmlich die beste Leistung des Abends. Leider sang er deutsch, was Unebenheiten mit dem übrigen Ensemble heraufbeschwor. Gottlob Frick erfuhr erst vier Tage vor der Aufführung, daß er die Partie des Philipp übernehmen sollte. Wir hoffen aber zuversichtlich, daß er uns in dieser Rolle, in der er grandios ist, noch italienisch kommt, denn dann würden sich bald auch die größten italienischen Bühnen diesen Philipp sichern. Jon Vickers wäre ein geradezu idealer Carlos, wenn er seine Höhe noch etwas verbessern würde. Beachtenswert ist jedenfalls die Vitalität, mit der er an diese undankbare Partie herangeht und außerdem ist sein Carlos ein erfreulicher Anblick. Kostas Paskalis litt unter erschreckenden Intonationsschwierigkeiten, die auch der bedingungslose Einsatz seines guten Materials nicht wettmachen konnte. Wieder eine Partie, die er nach Ettore Bastianini sang. Ob er den großen Kollegen jemals gehört hat? Als Eboli gastierte Kitsa Damassioti von der Rheinoper. Ein Mezzo mit sopranhaftem Timbre und ebensolcher, nicht ganz sicherer Höhe. Christl Goltz als Elisabeth war gut in Form. Daß sie hier nicht ideal eingesetzt ist, ist bekannt. Edmond Hurshell und Norman Foster: Kondition wie gehabt!

DON GIOVANNI am 29. Jänner

Wie immer bei dieser Oper konnte eine vorzügliche musikalische Interpretation nicht über die sinnlose Häßlichkeit des Szenischen hinweghelfen. Hätten Oscar Fritz Schuh und Caspar Neher die Bescherung gesehen, die sie der Wiener Oper mit ihrem ‚Stil’ angerichtet haben, wäre ihnen vielleicht selbst das Grausen gekommen. So graust nur dem Publikum und das jetzt bereits über drei Jahre. Die Direktion Herbert von Karajan war wirklich in einer üblen Lage. Die alten Inszenierungen waren, abgesehen vom Rosenkavalier, reif zum Verbrennen, und die Opernfestinszenierungen hätte ein Mensch mit Geschmack ebenfalls anzünden müssen. Aber mit Rosenkavalier und einer schönen Inszenierung von Manon Lescaut, für die es wieder im Hause keine geeigneten Sänger gab, kann niemand ein Repertoire bilden, und so blieb uns unter anderem auch dieser Giovanni erhalten. Die projektierte Galabesetzung erlitt durch die Absage von Elisabeth Schwarzkopf einen empfindlichen Dämpfer. Gerda Scheyrer, die allzeit Getreue, hielt sich tapfer, obwohl sie sich wegen Indisposition entschuldigen ließ. Die große Arie fiel aus diesem Grunde weg. Sena Jurinac sang eine dramatische Donna Anna im großen Stil. Bei der ersten Arie und deren großen Bogen und starken Spannungen traten einige Schärfen in der Höhe auf. Sehr gut dagegen die fast durchwegs Piano gesungene zweite Arie. Die Ensembleszenen führte sie wie immer mit strahlender stimmlicher Kraft, Ausdruck und Kultur. Wilma Lipp ist eine bezaubernde Zerlina, die mozartische Anmut des Gesanges mit dennoch charmanter wienerischer Reschheit so glücklich verbindet, daß man sich erstaunt fragt, warum sie denn partout Elvira singen will, mit der sie sich möglicherweise schaden kann? Der Übergang aus dem Koloraturfach ins lyrische Fach liegt kurz zurück. Mit der dramatischen Partie dürfte sie überfordert sein. Eberhard Wächter und Walter Berry als Herr und Diener sind ein hinreißendes Paar. Beide haben sie Format. Beiden gleich ist der kompromißlose Einsatz und das ständige Da-Sein auf der Bühne (Köstlich etwa die erste Szene des zweiten Aktes mit den wechselseitigen Imitationen!). Sehenswert ist ihr Zusammenspiel, ihr Mit-Spielen am Rande, selbst in Szenen, in denen sie gar nicht die Hauptpersonen sind. Und alles geschieht ohne Übertreibung mit einem natürlichen Gefühl für Maß und Würde, ohne Klamauk und ohne Hanswurstiaden. Stimmlich harmonieren sie ebenso schön wie darstellerisch. Der schlanke edle, metallisch glänzende Bariton Eberhard Wächters, der zum Mozartfest ein extra glanzvolles A in der Szene des steinernen Gastes einlegte und nach der Champagnerarie, bei der auch großen Baritons schon die Luft ausgegangen ist, noch Atem genug hat, um mit Schwung steile Treppen hinauf zu springen und der volle, voluminöse, dunklere Bariton Walter Berrys, der seine Phrasen mit natürlicher Naivität und schlauer Volkstümlichkeit förmlich auflädt. Don Giovanni und Leporello sind in dieser Beziehung eine reine Freude und man könnte sie unzählige Male sehen und hören. Sie wären immer neu und gut. Rudolf Schock sang den Ottavio kultiviert, wesentlich straffer und männlicher, als er sonst angelegt wird und mit hervorragender Atemführung. Sein Material ist leider durch das ewige Forcieren nun schon wirklich ernsthaft angegriffen. Wenn er nicht ein so guter Techniker wäre, sähe die Sache schon sehr böse aus. Für Erik und sonstige dramatische Partien sehen wir schwärzer denn je. Gottlob Frick, der Komtur mit eherner Stimme und der routinierte und verläßliche Harald Pröglhöf (Masetto) sangen ihre Standardpartien in dieser Aufführung, die unter Glauco Curiels Leitung stand. Nach dem zuletzt gehörten Giovanni unter Michael Gielen war seine rasch zupackende, dramatische Kraft, die von natürlicher Musikalität bestimmt wird, wie eine Erlösung. Natürlich ging nicht alles glatt und die Ouvertüre und die beiden ersten Szenen haben wir auch von ihm schon sauberer gehört, aber der Abend hatte Stimmung. Sehr schön begleitet waren etwa die erste Donna Anna-Arie mit dem wühlend-dramatischen Motiv der tiefen Streicher und die Champagner-Arie, die trotz des rasanten Tempos den Sänger nicht überanstrengte.

DIE ZAUBERFLÖTE am 30. Jänner

Im Vergleich zum vergangenen Jahr fiel diese Oper, die im Vorjahr immerhin von Josef Krips und heuer von Heinrich Hollreiser geleitet wurde, ab. Es spricht für die Qualität der Einstudierung, daß sie nach Jahresfrist noch immer sitzt. Die Aufführung hatte soliden Repertoirecharakter, denn die beglückende Heiterkeit und klare Schönheit der Musik zur vollen Entfaltung zu bringen, ist Heinrich Hollreiser natürlich nicht gelungen. Man muß schon froh sein, wenn seine Konzentration so weit reicht, daß nicht nur einzelne Phrasen angenehm auffallen, sondern die Oper relativ unfallsfrei über die Distanz gebracht werden kann. Was ihm diesmal, das sei ausdrücklich festgestellt, einwandfrei gelang. Walter Berry war der Mann des Abends. Stimmlich und darstellerisch abgerundet, mit verschmitztem Humor, stilvollem Schöngesang und jenem Maß von Persönlichkeit, das, ohne Übertreibungen nötig zu haben, eine Rolle lebendig macht und mühelos über die Rampe bringt. Eine ebenbürtige Partnerin dieses Papageno war Anneliese Rothenberger. Das sympathische gefiederte Paar riß mit seinem Duett sogar das auf den Händen sitzende Abonnement-Publikum aus seiner Lethargie. Neben dem vornehmen, stimmlich und ausdrucksmäßig gleich einprägsamen Sprecher von Paul Schöffler und dem stets gleich hervorragenden Peter Klein hörte man Mimi Coertse und Anton Dermota, die beide nicht sehr gut disponiert schienen und zeitweise Momente der Ungleichmäßigkeit hatten (Anton Dermota besonders in der Bildnisarie). Auch Wilma Lipp, die schlichte, innige Pamina mit Herz, hatte einige Unebenheiten in der oberen Mittellage aufzuweisen. Kurt Böhmes würdigem Sarastro fehlt es an Tiefe und vom Damentrio (Hilde Zadek, Margarita Sjöstedt, Hilde Rössel-Majdan) konnten nur die tiefen Stimmen gefallen.

DIE HOCHZEIT DES FIGARO am 31. Jänner

unter der Leitung von Herbert von Karajan wurde mit der Aufführung am 27. Jänner besprochen.

 

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