DER MAI 1959

4. Jahrgang, Heft 6

 

DIE EWIG JUNGE!

Die Staatsoper am Ring wurde 90 Jahre alt.

Alle Wiener meckern gern. Es ist deshalb wie ein Wunder, daß weder das Publikum noch die Presse und auch nicht der kleine Mann auf der Straße, der die Oper hauptsächlich als wichtige Umsteigstation der Straßenbahn kennt, auch nur ein einziges Wort daran auszusetzen haben, als das Haus am Ring aufgebaut wurde. Hier gab es keinen, der nach einem supermodernen Kolossalbau à la Sydney oder Köln gerufen hätte, aber auch keinen, der die Spitzbogen und Gipsornamente des alten Hauses der wohltuend glatten, geschmackvollen Innenarchitektur des Neuen Hauses vorgezogen hätte. „Sie ist schön!“, sagen die Wiener und so herrscht wenigstens in dieser Beziehung völlige Übereinstimmung der Meinungen.

„Doch wie’s da drinn aussieht“, das ist das permanente Diskussionsthema aller jener, die schon einmal drinnen waren. Und hier scheiden sich die Geister. Denn jeder individuell veranlagte Wiener hat seine eigene Vorstellung von der Leitung eines großen Opernhauses, seinen speziellen Geschmack, was die Sänger, den Stil der Regie, die Tempi des Dirigenten usw. betrifft und er redet (oder schreibt) gerne darüber. Einer Meinung waren die Wiener, als kurz nach der Eröffnung des Neuen Hauses der große Katzenjammer begann. Jetzt, da wir wieder „oben“ sind, teilen sich die Meinungen darüber, was noch hätte geschehen können, wie wohl ein anderer als Karajan das gemacht hätte; aber es kommt auch vor, daß einige Leutchen, die Scheuklappen tragen, das endlich Erreichte kurzerhand negieren oder den Schmutz zerren,

Unterstützt wird letzterer Vorgang von der in Wien so beliebten Cliquenbildung, wo die treue Gemeinde des einen oder anderen Künstler fest gegen alle übrigen und deren Freunde intrigiert, konspiriert, Gerüchte in die Welt setzt, gute Beziehungen zu allen möglichen Machtgruppen, seien diese jetzt künstlerischer, politischer oder finanzkräftiger Natur, mobilisiert und so die typische Wiener Giftküche aufrecht erhält, auf deren gefürchteten Ruf wir Wiener uns ja gerade nicht sehr viel einbilden dürfen.

Den einzigen, der über diesem Gezänk steht, haben wir Gott sei Dank nach der Katastrophe von 1956 zum Chef bekommen. Und Herbert von Karajan hat das einzige getan, was er tun konnte: Er hat die Tür zur Welt weit aufgestoßen!

Diese radikale Methode ist vielfach angefeindet worden, besonders mit dem pikanten Ausdruck „Ensemblezersetzung“. Wir finden diesen besonders witzig, weil es 1956 gar kein Ensemble mehr gab, das hätte zersetzt werden können. Wir sind im Gegenteil der Ansicht, daß Karajan erst ein Ensemble geschaffen hat. Man schüttelt den Kopf bei dem Gedanken, daß man eine Schwarzkopf, eine Nilsson, einen Hotter, einen Windgassen nie mehr in Wien gehört hätte; daß man keinen Mitropoulos, keinen Kempe, keinen Keilberth im Haus am Ring hätten erleben dürfen; daß die Callas, die Tebaldi, die Stella, Simionato, di Stefano, del Monaco, Corelli, Gobbi, Protti, Bastianini unerreichbar ferne Sterne für uns geblieben wären! Man kann es sich gar nicht mehr vorstellen, daß die besten Repertoirevorstellungen ungefähr den schlechtesten der Monate Jänner und Februar 1959 entsprochen hätten, die das Stammpublikum (man kann es nachlesen!) schon ungeheuer zornig gemacht haben!

Wenn man sich über die noch zweisprachige Manon oder Carmen mokiert, vergißt man ganz, daß noch vor zwei Jahren totales Sprachenbabel herrschte. Man kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen, wie Othello, Tosca oder Butterfly deutsch klingen! Hier ist in relativ kurzer Zeit mit dem Einstudieren von 13 italienischsprachigen Werken eine feste Basis von Operneinstudierungen geschaffen worden, die der internationalen Spitzenklasse offenstehen. Und hier bot sich die große Chance, daß die gastierenden Spitzensänger nicht sprachlich isoliert werden, sondern daß sie (wie entsetzlich!) sich in das totgesagte Ensemble einordnen und einfügen können. Derjenige, der zum Beispiel behauptet, ein „Maskenball“ mit Stella-di Stefano-Bastianini, eine Traviata mit Güden-Zampieri-Bastianini, eine Tosca mit Tebaldi-Gobbi-Zampieri seien keine Ensembleleistung, kann einem nur leid tun. Und wer einen Figaro in der Besetzung Schwarzkopf-Seefried-Ludwig-Wächter-Kunz, einen Siegfried mit Nilsson-Hotter-Windgassen hört, kann über die absurden Unkereien einiger weniger nur mit Mitleid zur Tagesordnung übergehen. Und ebenso merkwürdig ist die Behauptung, die Originalsprachigkeit demoliere das spezifisch Wienerische der Staatsopernaufführungen. Die Originalsprachigkeit ist unbedingt Voraussetzung für Aufführungen von großem Rang! Bis sich das Ensemble an Italienisch gewöhnt hat, wird man zu Französisch vorstoßen müssen. In fünf oder sechs Jahren wird man darüber lachen, daß ein italienischer Rigoletto überhaupt der Anstoß zu Polemik und Gezänk gewesen sein konnte und was heute noch Diskussionen hervorruft, wird selbstverständlich sein.

Wir sind die ersten, die Dinge, die uns nicht gefallen, ans Tageslicht zerren. Aber über die große Linie, die die Wiener Oper haben muß und auch hat, herrscht beim treuen Stammpublikum vollste Übereinstimmung. Es kann noch vieles verbessert werden, wichtig aber ist, daß die Wiener Oper lebendig und interessant ist, daß sie begeistert und hinreißt, daß sie fasziniert und nachdenklich stimmt. Dieses Leben, dieses Format ist eben nur in Zusammenarbeit mit jenen 25 oder 30 Spitzensängern, die es auf der ganzen Welt gibt, zu erreichen, im Zusammenwirken mit den großen Dirigenten, die man so häufig zu Unrecht Stars nennt. Und diese große Linie zu wahren, ist Karajan wahrscheinlich der einzig Geeignete.

Man muß in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Wiener Oper zu ihrem Geburtstag einige sehr merkwürdige Komplimente gemacht worden sind. Das Versinken in vergangene Zeiten und die Erinnerung an die großen, alten Sänger ist natürlich verzeihlich, wenn sich auch der jüngere Opernbesucher durchaus vorstellen kann, daß sich die Herren mit dem mahnend erhobenen Zeigefinger sicherlich nur die guten, aber nicht die schlechten Vorstellungen vergangener Dezennien gemerkt haben werden.

Auch früher war nicht alles eitel Gold. Da ist es schon viel origineller, wenn ein Kolumnist Karajan einen künstlerischen Mitstreiter an die Seite stellen will. (Wer der Kandidat sein soll, war nicht herauszubekommen). Ein anderer fand das Repertoire unvollständig, was zum Teil auch stimmt. Aber es ausgerechnet mit Braunfels oder Korngold bereichern zu wollen, wäre sicher wenig lukrativ. Fast tragikomisch mutet es jedoch an, wenn eines unserer Boulevardblätter den Geburtstagsartikel der Staatsoper ausgerechnet von jenem Journalisten verfassen läßt, der sonst die Wiener Altertümer zu schildern pflegt und der auch prompt bekundete, daß er die letzten beiden Jahre verschlafen hat und nicht in der Oper war. Es ist sehr schade, daß die Bundestheaterverwaltung sich die Gelegenheit entgehen ließ, durch eine würdig und klug geschriebene Publikation der Wiener Oper ein Geschenk zu machen, das noch dazu von enormer Propagandawirkung gewesen wäre. (Es erhebt sich nur die Frage, wer es hätte verfassen sollen? Der Pressechef etwa? Daß Gott erbarm!) Es ist für die Oper allerdings von Vorteil, daß sich alle Ereignisse, die sich in ihr abspielen mit Windeseile in der ganzen musikalisch interessierten Welt verbreiten und durch die künstlerische Persönlichkeit des Chefs Herbert von Karajan allein schon interessant wird.

So kann man der jugendlichen Neunzigerin nur wünschen, daß sie weiter das Herz der musikalischen Welt bleibt, daß die weiterhin so aufgeschlossen allem Guten den „Hunderter“ feiern kann.

 

Dem im Gesamteindruck außergewöhnlich erfreulich wirkenden April reiht sich ein ebenso würdiger, ja glanzvoller Mai an, sofern man von dem bedauerlichen Intermezzo der Holländer-Premiere und Spielplanbetriebsunfällen, wie z.B. Ariadne an Stelle von Frau ohne Schatten; das Fehlen einer ausreichenden Mandryka-Besetzung für die ansonsten festliche Arabella – und ähnlicher Handicaps absieht. Darüber hinwegzusehen, wurde uns leicht gemacht, denn eine wahre Pracht hinreißender Abende überstrahlte die trüben Erinnerungen, bestätigte die derzeitige Konkurrenzlosigkeit unseres Institutes und daraus resultiert die allgemeine Beurteilung der Wiener Opernabende im „Wonnemonat“: vorwiegend Jubel!

 

CAVALLERIA RUSTICANA und DER BAJAZZO am 1. Mai

Gleich zu Monatsbeginn verhieß man uns ein Gastspiel der großen Giulietta Simionato als Santuzza, das auch programmgemäß stattfand. Allerdings verzögerte sich der Beginn um eine volle Viertelstunde, weil man einen Flötisten vermißte. Außerdem hatte man dem Dirigenten Berislav Klobucar offensichtlich eine falsche Partitur aufs Pult gelegt. Die Vorstellung konnte erst dann beginnen, nachdem Herr Klobucar persönlich sein eigener Orchesterwart gewesen war. Der Vorfall scheint symptomatisch: Die Großen und Eifrigen sind in Ordnung und räumen den Sand aus dem Getriebe, den die Kleingeister hineingestreut haben.

Giulietta Simionato bracht – was wir schon öfters feststellen konnten – pro Aufführung ungefähr fünf Minuten, bis ihre Orgelstimme richtig eingesungen ist. So schien sie am Anfang stimmlich und darstellerisch ganz zurückhaltend. Aber was dann folgte, war eines der eindrucksvollsten Erlebnisse, das wir in der Oper jemals erlebten: Die Entfaltung einer ganz großen Persönlichkeit, das Emporwachsen einer vollkommen in sich geschlossenen, vom Stimmlichen und Darstellerischen gleichermaßen geformten, echten, dramatischen, blutvollen, menschlichen Gestalt, die loderndes Temperament ebenso hatte wie stärkstes Gefühl. Jeder, der die wahrhaft einmalige Sängerin gehört hat, wird verstehen, daß man nicht genug Worte findet, um die Ausdrucksfähigkeit dieser Stimme zu schildern. Man kann nur immer wieder staunen über die explosive hochdramatische Höhe oder die schwarze Kontraalt-Tiefe.

Angesichts dieser Leistung gab sogar die Wiener Presse den Italiener-Haß auf. Dabei hat die Presse in diesem Fall prompt über das Ziel geschossen, denn plötzlich konnte man ein sehr unhöfliches Geschimpfe auf Christl Goltz, die Sängerin der Premiere, finden. Es liegt in ihrem Wesen, daß sie eine sizilianische Elektra spielt. Warum auch nicht? Daß die Simionato anfangs ein unauffälliges, eher bescheidenes Bauernmädchen spielen kann, ist für uns nur ein interessanter Kontrast, eine Nuance für den Opern-Feinschmecker.

Walter Berry als Alfio war der Simionato ein ebenbürtiger Partner. Diese Feststellung ist allein schon ein unüberbietbares Kompliment. Giuseppe Zampieri sang den Turiddu wesentlich intensiver und dramatischer, vielleicht aber weniger glatt und gepflegt, doch das fällt bei den Veristen nicht so ins Gewicht. Lotte Rysanek und die diesmal wohltuend gemäßigte Rosette Anday, die diesmal auch stimmliche einen guten Abend hatte, rundeten die Cavalleria bestens ab.

Der Bajazzo war diesmal nicht Steigerung sondern Nachspiel. Aldo Protti, der grandiose Tonio, errang mühelos die Gunst des Publikums. Eugene Tobin bewies wieder, daß der Canio seine eindeutig beste Rolle ist. Mimi Coertse, Claude Heater und Kurt Equiluz bemühten sich in ihren Partien. Berislav Klobucar dirigierte mit Elan und Temperament. Der ständige Wechsel zwischen dem betont langsamen Lovro von Matacic und dem wesentlich schnelleren Klobucar ist allerdings für die Aufführung ungünstig. Der Chor stand in beiden Werken nicht auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit.

DIE ZAUBERFLÖTE am 2. Mai

An diesem Tag fügte sich ein Gast Anja Silja gut in den Rahmen dieser Aufführung, als ob sie nicht das erste Mal am Ring sänge. In Deutschland, wegen ihrer weitreichenden Stimmskala als Wunderkind bezeichnet, sang sie den Part der Königin der Nacht Ton für Ton einwandfrei einschließlich hohem F. Doch schien es so, als schöpfe sie den Gehalt der Partie nicht voll aus. Man mußte unwillkürlich dabei an den Mechanismus eines Roboters denken – es fehlte das schlagende Herz. Ungemein reizvoll Leontine Price, die eine äußerst kultivierte Pamina sang. Ein Bravo der dunkelhäutigen Sopranistin für ihre makellose Leistung. Der Tamino Waldemar Kmentts gefiel ebenfalls gut. Seine schlanke Stimme eignet sich sehr für diesen Part, bewundernswert sein Stilgefühl und seine ausgezeichnete Phrasierung. Auch die anderen Mitwirkenden verdienen Dank für ihre Interpretation, so vor allem Josef Greindl, Anneliese Rothenberger und Erich Kunz. Etwas aus dem Rahmen fielen nur die drei Damen mit zwar berühmten Namen, aber nicht bester Tagesverfassung. Karl Böhm erwies sich als äußerst stilkundig, dirigierte beschwingt und elegant.

DIE GESPRÄCHE DER KARMELITERINNEN am 3. Mai

hatten wie immer eine nicht unwichtige Funktion zu erfüllen: dem Abonnementpublikum zu besserem Verstehen der modernen Musik zu verhelfen. Diese Publikumserziehung durch Werke, die gut sind und dabei doch auch den Durchschnittshörer nicht schockieren, wurde ja seit 1945 systematisch versäumt. Es wäre begrüßenswert, wenn solches nun regelmäßig geschähe und die Inszenierungen neuerer Werke möglichst viele Abonnementgruppen durchlaufen könnten. (Wenn dem Publikum nämlich einmal im Jahr ein Wozzeck an den Kopf geworfen wird, so trägt das nicht zur Förderung des Verständnisses für neue Musik bei. Außerdem gehen sowieso nur immer die selben 2000). Vielleicht können wir dann in zehn Jahren Moses und Aron fürs Abonnement spielen? Wer weiß? Das Publikum schien jedenfalls an der vorzüglichen Aufführung, die wieder von Heinrich Hollreiser geleitet wurde, dessen beste Abende an der Staatsoper die Karmeliterinnen darstellen, und den großartigen Leistungen der Damen Elisabeth Höngen, Irmgard Seefried, Anneliese Rothenberger und Christl Goltz stark interessiert. Neue Werke sollten immer so gut geboten werden, wie dieser Poulenc.

DON CARLOS am 4. Mai

Repertoiredurchschnitt, nicht übermäßig differenziert, was das Orchester anbelangt, mit edlen Stimmen nicht gerade gesegnet. Im Grunde dirigierte Alberto Erede eher unitalienisch. Es klang mitunter fast eckig, dick und nicht immer präzise. Die Sänger wurden oft gedeckt, und der richtige Kontakt zwischen Bühne und Orchester fehlte. Christl Goltz als Elisabeth zeigt zeitweilig Tendenz zum Zutiefsingen, Paul Schöffler beherrschte die Szene dank seiner Persönlichkeit und half sich stimmlich mit technischen Glanzstückeln über die Schwierigkeiten der Partie des Philipp hinweg. Giuseppe Zampieri hatte einen schwarzen Tag und wurde von Marquis Posa in Grund und Boden gebrüllt. Und dabei konnte man Kostas Paskalis überaus kräftige Stimme keineswegs Klangschönheit bescheinigen. Schauspielerisch lebte er von großen Schritten und noch größeren Armbewegungen, die nicht immer sinnvoll waren. Sehr gut dargestellt wurde hingegen die Eboli von Kerstin Meyer, die in dieser Partie eine sehr schöne Mittellage zeigte, während die Höhe gequält und hart, die Tiefe jedoch stumpf klang. Ausgezeichneten Eindruck hinterließ der Großinquisitor Hermann Uhdes. Franz Bierbach als Karl V. zeigte wenig königliche Würde, auch nicht mönchische Demut, nur einheitlich laute Töne. Die Lautsprecherverstärkung der Stimme vom Himmel wirkte wie ein Zweikampf zwischen Technik und Kunst, bei dem letztere deutlich Verlierer war.

ELEKTRA am 5. Mai

Die Vorstellung von Heinrich Hollreiser – anstelle Karl Böhms – geleitet (wieder einmal!) verlief musikalisch ohne Spannungen und Höhepunkte, dafür unter Entwicklung um so größerer Lautstärke. Auf der Bühne dominierte, wie gewohnt, Christl Goltz als Elektra. Neben ihr verlieh Lisa Della Casa mit strahlender, mühelos strömender Stimme der Chrysothemis lichte, überzeugende Züge. Elisabeth Höngens beklemmend großartige Studie der Klytämnestra, Hermann Uhdes imponierender Orest und Ludwig Suthaus’ ausgezeichneter Aegisth vervollkommneten das Ensemble.

 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 6. Mai, Neuinszenierung

Zum Schinken degradiert! Welch ein Stilbruch!

Der April, Musterbeispiel soliden Repertoireniveaus, wurde abgelöst von einem Mai, in dessen erster Halbzeit es den Knalleffekt einer restlos verhauten Wagner-Premiere gab. In seltener Einmütigkeit wirkten hier Besetzung und Dirigent und zum Teil auch Regisseur und Bühnenbildner zusammen, um das Werk in Grund und Boden zu stampfen.

Wenn wir boshaft wären, könnten wir sagen: „Wir haben es ja gleich gewußt!“ Im Interesse des Niveaus der Wiener Staatsoper wünschten wir aber, wir hätten uns geirrt! Es wirkte hier auch das leider in der Wiener Oper manchmal herrschende Prinzip mit, die italienischen Opern gut, zum Teil glanzvoll, die deutschen hingegen aber so mit Ach und Krach zu besetzen. Der Holländer steht und fällt eben mit der Besetzung der Titelrolle, denn nur eine Persönlichkeit von größtem Format kann dieser romantischer Märchenfigur Leben verleihen. Gerade für diese Partie hätten wir im eigenen Ensemble mehrere würdige Vertreter – aber man erkor ausgerechnet Otto Edelmann. Es ist jedermann bekannt, daß Edelmann für große, tragische Rollen, die noch dazu ein gerüttelt Maß an Dämonie verlangen, nicht geeignet ist. Seine dramatische Wirkung in diesem Fach ist ungefähr so stark wie die des Grafen Dracula in der bekannten Gruselfilmparodie. Aber das ist – wie gesagt – bekannt, besonders bei jenen, die das „Glück“ hatten, Edelmann schon im Theater an der Wien erlebt zu haben. Noch dazu hat er sich stimmlich seither um Grade verschlechtert. Das Organ ist nicht mehr voll genug, die gepreßte, gestemmte und gedeckte Höhe klingt mehr als unschön, Ausdruck und Gabe der Phrasierung fehlen vollständig.

Ihm zur Seite stand Inge Borkh als Senta, eine Sängerin, die gescheit und intensiv ist und ihre kühle, schlanke, dramatische Stimme sonst gut einzusetzen weiß. Diesmal war sie jedoch indisponiert, und die Höhe klang steif und schrill. Merkwürdig erschien uns, daß die Künstlerin, deren schlanke, hohe Figur auf der Bühne so gut wirkt, eine derart schlechte, niedergedrückte Haltung einnimmt. So wirkte sie in der lieblich-„teutschen“ himmelblauen Gewandung äußerst unglücklich und erschien obendrein in der Darstellung nervös und zerfahren. Letzteres könnte auf ihre schlechte Abendform zurückzuführen sein. Frau Borkh hatte eben Pech!

Karl Böhm entdeckte in Amerika einen Tenor, mit dem er auch in Wien Furore machen wollte. Brian Sullivan, der über kräftiges Material verfügt, hatte jedoch offenbar nicht Gelegenheit gehabt, singen zu lernen. Sein Organ ist unbeleckt von jeglicher Kultur. Auch um sein Stilgefühl ist es denkbar schlecht bestellt. Er schluchzt und preßt und quetscht – so wie sich „little“ Brian den italienischen Opernstil vorstellt. Wer ihm geraten hat, die gleiche Masche auch bei Wagner anzuwenden, bleibt allerdings unerfindlich. Diesen von Karl Böhm erzwungene Tenor-Import muß man raschest wieder abschieben. Es wäre dringend nötig, daß sich Windgassen oder Dermota der Partie annähmen.

Josef Greindl, der auch einen Hang zum Distonieren zeigte, hatte wenigstens Stil und Würde, Karl Terkal sang ein sehr gutes Steuermannlied, wobei er sich mit den Zischlauten sehr schwer tat. Elisabeth Höngen machte aus der Mary eine Figur von liebenswürdiger Betulichkeit. 

Am Pult stand Karl Böhm. Er ist in Wien als Dirigent sehr beliebt, nicht zuletzt weil er immer nur „Gustostückerln“ dirigiert, die ihm besonders gut liegen und die ihm deshalb fast immer hervorragend gelingen. Im Holländer lernte ihn das jüngere Publikum von einer anderen Seite kennen. Ein großer Wagnerdirigent ist er ebenso wenig je gewesen wie einer für Carmen oder Othello. In Stücken, die ihm nicht liegen, kann er herzlich schlecht sein! Hier kommt sein Hang zum Überdehnen der Tempi zum Vorschein, die Tendenz zur erbarmungslosen Lautstärkenentwicklung, zur langweiliger Unruhe oder unruhigen Langeweile (was durchaus kein Widerspruch ist!) und zur Übersteigerung. Wir kennen ihn als Holländer-, Tristan- und Tannhäuser-Dirigenten und können nur sagen, daß wir nichts anderes erwartet haben. Warum mußte man ihn – statt dem Julius Caesar – ausgerechnet den Holländer übertragen? Gerade die jugendlich romantischen, musikantischen, so richtig opernhaften Züge des Werkes kamen kräftig zu kurz!

Nicht ganz so schlecht wie wir dachten, war die Regie von Adolf Rott. Alles ging den Weg der Konvention, einige Effekte waren übersteigert, die Bühne manchmal zu angeräumt, was ebenso wie die Kostüme, die man sich etwas stilisierter hätte vorstellen können, auf das Konto von Robert Kautsky geht. Die Personenführung war weniger natürlich als nationalistisch, was ein ganz gewaltiger Unterschied ist. Aber die Inszenierung wäre immerhin bei Umbesetzungen tragbar, jedenfalls besser als etwa Tannhäuser. Als erfreulich können wir die prächtige Disposition des Männerchores vermerken, während es bei den  Damen wieder die obligaten Tremolistinnen gab.

Das Publikum der Ränge und des Stehparterres verhielt sich richtig: Es zischte und pfiff. Diese Demonstration war aber berechtigt und einem Opernhaus angemessen. Man kann objektiv feststellen, daß die Holländer-Premiere durchaus verdient ausgezischt wurde. Keiner der Betroffenen hat Gründe, sich als Märtyrer zu fühlen!

 

AIDA am 7. Mai

Wieder bezauberte Leontine Price in der Titelpartie. Ihre Erscheinung, ihre weichen, katzenhaften Bewegungen verleihen der äthiopischen Königstochter einen eigenartigen, erotischen Reiz. Dazu gesellt sich die klangschöne, erstklassig geschulte Stimme, die im Nilakt zu wunderbarer Entfaltung kommt. Giulietta Simionato als Amneris: jeder Zoll „figlia dei faraoni“, in jeder Geste, jedem Ausdruck, jeder Szene, derzeit als Sängerin und Schauspielerin unerreicht! Salvatore Puma sang (anstelle von Eugene Tobin) den Radames mit schöner, nicht übermäßig großer Stimme, die er leider des öfteren stark forcierte, wodurch natürlich der Glanz der Spitzentöne litt. Die meisten Herren, die diese Rolle verkörpern, begnügen sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – schauspielerisch mit „heldenhaftem“ Stehen. Und um keinen von ihnen kümmert sich ein Abendregisseur, um ihnen klarzumachen, daß Radames im Verlaufe seines Opernlebens immerhin siegreicher Heerführer, glühender Liebhaber, verzweifelter Verräter und bewußter Todeskandidat ist und sich zumindest eine leise Spur davon in Gestik und Mimik widerspiegeln müßte. Pianotöne in der Grabszene sind ebenso selten geworden. Unsere Tenöre sterben laut. Immerhin ist auch uns ein schön gebrülltes Finale lieber, als ein in brüchigem Piano oder Falsett gipfelndes. So versank der Feldherr auch diesmal mit strahlendem Spitzenton im Grab. Kostas Paskalis als Amonasro war gut eingesetzt. Auf „Brüllen“ trainiert, konnte er sich hier ungehindert ausleben. Ludwig Welter war ein passabler König, Walter Kreppel als Ramphis blieb etwas farblos. Alberto Erede dirigierte mit erregender Dramatik, beseelter Innigkeit, ohne Sentimentalität mit straffen Tempi. Die Wiener Philharmoniker spielten – wie fast immer unter guten Dirigenten – ausgezeichnet. Nervenzermürbend sind nach wie vor die unmögliche Inszenierung, die schauderhaften Kostüme und die noch schrecklichere Choreographie. Wenn unsere Damen vom Ballett Tücher schwenken, wie eine Abteilung ägyptischer Serviermädchen zum Triumphakt anrücken, bleibt kein Auge trocken und die Hände für den Beifall gelähmt.

DIE ZAUBERFLÖTE am 8. Mai

In dieser Aufführung stand abermals Karl Böhm am Pult. Er wirkte nach dem Holländer-Unfall unkonzentriert, was ja auch verständlich ist. Man vermißte daher an seiner musikalischen Leitung die nötige Leichtigkeit. Er dirigierte akademisch und trocken. Überhaupt wollte an diesem Abend keine richtige Stimmung aufkommen, weder auf der Bühne noch im Zuschauerraum. Mit Müh und Not gab es zwei Vorhänge nach dem ersten Akt und weitere vier am Ende des Abends. Teresa Stich-Randall war eine relativ gute Pamina, mit allzu süßlichem Make up. Sie vermied weitgehendst ihre Schrilltöne und dies war wohltuend. Waldemar Kmentt sang sich bald frei, war abermals ein Tamino mit viel Geschmack und Verstehen. Nicht in bester Verfassung an diesem Abend befand sich Josef Greindl als Sarastro. Einige Unreinheiten störten den Gesamteindruck. Erich Kunz und Hermann Uhde waren in guter Kondition. Mimi Coertse war die Königin der Nacht.

DIE ZAUBERFLÖTE am 9. Mai

Auch am folgenden Abend ging dieses Werk als Ersatz für Don Giovanni über die Bühne, diesmal war Karl Böhm wieder besser als am Vorabend. Die Pamina war Lisa Della Casa anvertraut, die sich einmal mehr als Mozartsängerin von höchstem Rang erwies. Zwar haben wir ihre Arie „Ach ich fühl’s“ schon besser von ihr gehört, aber daran dürfte eine verhängnisvolle Störung hinter den Kulissen schuldtragend gewesen sein, die der Künstlerin die Contenance nahm. Als Papageno begeisterte Walter Berry, der mit Charme und einer frischen Natürlichkeit die Zuhörer eroberte. Stimmlich in dieser Partie konkurrenzlos, hat er sich auch schauspielerisch eine eigene persönliche Note erarbeitet. Statt des von Nestroy beeinflußten Textes seines Vorgängers Erich Kunz verwendet er eine einfache, aus dem naiven Herzen kommende Prosa. Wir sagen dem jungen Künstler einen Riesenerfolg in dieser Partie bei den diesjährigen Salzburger Festspielen voraus. Endre Koréh sang trotz stark verminderter Stimmittel einen überraschend guten Sarastro. Ausgezeichnet wie immer die drei Sängerknaben und Peter Klein als quicklebendiger Monostatos. Mimi Coertse möchten wir mehr Mut und Selbstverstrauen für die erste Arie wünschen. Das Schluß-F wird noch immer zaghaft angesetzt, während die Rachearie makellos, dramatisch durchpulst, vorgetragen wurde.

SALOME am 10. Mai

Berislav Klobucar durfte wieder einmal für Karl Böhm, der sich zu einem verläßlichen Absager entwickelt, einspringen. Er tat es mit der ihm eigenen Unverdrossenheit und bewies, daß man ihn zu Unrecht für Jahre vom deutschen Repertoire ferngehalten hat, denn er bringt immerhin ohne Proben, eine recht gute Durchschnittsaufführung zustande, besser als mancher „Fachmann“ für die deutsche Oper. Man hat Berislav Klobucar dadurch unnötig in seiner Entwicklung zu einem guten, vielseitigen und stets einsatzbereiten Hausdirigenten aufgehalten. Er ist im letzten Jahr wesentlich routinierter (im positiven Sinn!) schlagtechnisch gewandter, nicht zuletzt auch selbstbewußter geworden, und das Orchester folgte ihm auch bei Richard Strauss willig. Montserrat Caballé, die wir schon als Donna Elvira einmal hörten, ist eine brave Sängerin mit guter Technik und einer recht schönen Stimme – allerdings absolut keine Salome. Ihre Bemühung, ‚sexy’ und raffiniert zu wirken, erschienen etwas gekünstelt und erweckte gelinde Heiterkeit. Es sei ausdrücklich festgestellt, daß wir nichts gegen eine sinnliche geile Salome hätten – wir sind nicht prüde. Wenn eine an sich mit schauspielerischen Talenten nicht all zu reich gesegnete Frau solche Salomeeigenschaften (offenbar durch irgendeinen Regisseur) eingetrichtert bekommen hat, so wirkt das leider eher komisch – so ungefähr wie „Trotzköpfchen im heiligen Land“. Gott sei Dank brachte sie wenigstens eine gute Figur und ein recht geschmackvolles Kostüm mit, ansonsten hätte der Eindruck leicht peinlich werden können. Stimmlich kam sie gut durch die Partie, der Schlußgesang war sogar schön gesungen. Nur dürfte sie die Salome bisher nur mit Kammerorchester kreiert haben, denn der Versuch : „Ich bin verliebt in deinen Leib...“ Piano zu singen, ist bei neunzig Mann Orchester, trotz geistesgegenwärtigen Dämpfens von Seiten des Dirigenten, zum Scheitern verurteilt. Hans Hotter war das Objekt von Salomes Begierde. Ein sehr eindrucksvolles Objekt, wie man zugeben muß. Stimmlich überragend und von höchster Ausdruckskraft, schuf er wieder eine jener Operngestalten, bei denen kein Wunsch mehr offen bleibt. Ludwig Suthaus war ein ausgezeichneter Interpret des Tetrarchen. Er trug selbst die Aufgabe, bei Montserrat Caballés Tanz mitwirken zu müssen, mit Würde und war besonders im Juwelenmonolog bestens bei Stimme. Man hat von mancher Herodias bei der Stelle „Ich will nicht haben, daß sie tanzt“ schon einen Schmiß gehört. Georgine Milinkovic blieb es vorbehalten, einen solchen zu vermeiden, indem sie einfach – hinunter sang. Das ist ein absolutes Novum in der Geschichte der Gestaltung dieser Partie. Margareta Sjöstedt als Page, der ausgezeichnete Ivo Zidek als Narraboth und Peter Klein, der ein Kabinettstück von einem ersten Juden lieferte, sangen die größeren „Bäume“. Sie erhielten in der Partie des ersten Nazareners einen – wie wir glauben – neuen Kollegen in Alois Pernerstorfer, der bewies, daß er einer der wenigen Staatsopernsänger ist, die das Niveau im zweiten Fach mit Stimme und Würde halten.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – zweiter Versuch am 11. Mai

Herbert von Karajan befahl, daß die zweite Aufführung der Oper in der – ausgezischten – Premierenbesetzung gespielt werden müsse, damit er beurteilen könne, ob die Demonstration gerecht gewesen sei. (Bekanntlich war der Chef des Hauses am Premierentag in Mailand, wo er im Rahmen eines Wiener Gastspieles Tristan dirigierte). Man kann sich ungefähr vorstellen wie es ihm gefallen hat, denn seine Miene wurde vom zweiten Akt an immer grimmiger und sein Höflichkeitsapplaus wirkte recht gequält. Er hätte dem Wiener Premierenpublikum durchaus Glauben schenken können, denn dieses Publikum ist ohnedies geduldig, da es in den vergangenen Jahren an Kummer gewöhnt wurde und außerdem in der geliebten Wiener Oper lieber bejubelte als ausgezischte Premieren hört. (Die Presse verreißt die Wiener Oper allerdings öfter aus Prinzip und persönlicher Neigung, als aus wirklich triftigen Gründen – um so mehr gibt es zu denken, wenn Presse und Publikum übereinstimmen und alle alles schlecht finden!) Der Chef hörte also die Premierenbesetzung, während der Zweitbesucher eine wesentlich verbesserte stimmliche Verfassung bei Otto Edelmann und eine ziemlich auffällige Stil-Verbesserung bei Brian Sullivan feststellen konnte (ihn diesbezüglich zu schleifen, hätte dem Dirigenten der Aufführung, der ihn nach Wien brachte, vielleicht auch schon vor der Premiere einfallen können!), während im übrigen das niedrige Premierenniveau gewahrt blieb. (Die ausgezeichnete Elisabeth Höngen wurde als Mary durch die ausgezeichnete Hilde Rössel-Majdan ersetzt, was also die Situation nicht änderte.) Der Chef hörte also diese Aufführung – und er konnte dabei auch noch etwas sehen: Nämlich Charakter und organisatorische Talente jener Leute, mit denen er zusammenarbeiten muß, jener Leute, die seit Jahren im Opernhaus „befehlen“. Jene Leute hatten nicht nur bösartige Gerüchte ausgestreut, die darauf hinzielten, die gerechte Empörung eines guten und teilweise von Herbert von Karajan kräftig verwöhnten Publikums wieder einmal als gelenkte Organisation zu verleumden, besonders die kritisch-unbequemen Stammbesucher durch Erdichtung von Bühnentürlzwischenfällen zu Halbstarken und Rowdies zu stempeln und dergestalt die Atmosphäre so zu vergiften, daß man im trüben Nebel von Intrige und Gerüchte von Zweckpropaganda und präpotenten Rechtfertigungen im Lustig-Stil (Dr. Karl Böhm: „Die Aufführung war sehr gut!“) Schwarz von Weiß nicht mehr hätte sollen unterscheiden können. Eine noble Methode! Verfeinert wird sie noch durch die Tatsache, daß eine Menge von Kriminalbeamten das Stehparterre und die Ränge bevölkerte, daß zwischen je zwei Stehplatzbesuchern ein Sbirre placiert war und die Logen mit Claquen bevölkert wurden, die sich unmöglich benahmen. Sie klatschten prinzipiell an den falschen Stellen. So versuchten sie etwa, nach dem Fallen des Vorhanges nach dem zweiten Akt Applaus zu machen, da sie offenbar vermuteten das wütende Zischen des Publikums, das wußte, daß durchgespielt wird, bedeutete eine neue Demonstration! Blamabel! Die Herren Schostal und Stieglitz, die legendären Claqueure-Chefs einer versunkenen Epoche, dürften wegen ihrer amtlich bestellten Nachfolger im Grabe rotiert haben! So war die Atmosphäre des zweiten Holländers noch trister und betrüblicher, als bei der Premiere und größere Ausschreitungen wurden nur durch die Disziplin und das noble Benehmen des Stehplatzpublikums verhütet, das mit verschränkten Armen zynisch von der Galerie grinste und die Claqueure und Kriminalbeamten „arbeiten“ ließ. Resultat: drei Vorhänge nach dem ersten und sechs nach dem dritten Akt – durchaus genug für eine fade Repertoirevorstellung an einem Montag. Karl Böhm war darob beleidigt und erschien nicht vor dem Vorhang. Wir sind der Ansicht, daß ihm der Fall „Holländer-Permiere“ eine Lehre sein sollte. Er mag bei seinem Strauss und Mozart bleiben und sich nicht als Dirigenten-Genie fühlen, das alles machen kann. Er ist nun einmal kein Herbert von Karajan und kein Dimitri Mitropoulos! Außerdem täten er und seine Familie besser daran, etwas weniger zu reden und vor allem nicht die Walze der gekränkten edlen Seele, die in Wien ständig aufs Neue beleidigt wird, auflegen. Wir können uns denken, daß Karl Böhm es nicht gerne hört, aber wir müssen mit Nachdruck daran erinnern, daß er den Posten des Staatsoperndirektors mit Schimpf und Schande verlassen mußte, nachdem er das Haus an den Rand des Abgrundes geführt hatte. Es steht im nicht zu, den Märtyrer zu spielen. Es steht ihm nicht zu, Herbert von Karajan, den Gentleman, der seinem verunglückten Vorgänger aus purer Gutmütigkeit alles konzediert, um ihn ja nicht zu verletzen, so auszunützen, daß er jetzt glücklich drei Premieren in der kommenden Saison hat, während für Dirigenten vom Range eines Joseph Keilberth, André Cluytens und Rudolf Kempe keine und für einen Lovro von Matacic nur eine Neuinszenierung übrig bleiben. Herrn Karl Böhm und seinem aus seiner Unglücksära zurückgebliebenen Proponentenkomitee in Staatsoper und Bundestheaterverwaltung sei dringendst mehr Zurückhaltung empfohlen. Wir können es uns nicht leisten, daß er uns alljährlich die Premiere einer wichtigen Repertoire-Oper verhaut. Die Wiener Oper wird sich in ihrem Wiederaufstieg zur Weltgeltung weder von Karl Böhm noch von seinem Anhängerklub aufhalten lassen, egal ob es sich dabei um künstlerisches oder administratives Personal der Oper handelt, die allzu gerne nach Metternichmethoden greift. Und der „Merker“ wird sich nicht scheuen, hier wie immer die volle Wahrheit zu sagen und zu schreiben, auch wenn sie hier und dort nicht gerne gehört wird!

Als Zusatz aus heutiger Sicht sei noch vermerkt, daß Herbert von Karajan in der Folge niemals mehr dem Publikum mißtraut hat. Auch hat es während seiner ganzen Ära nie mehr ein Polizeiaufgebot in der Oper gegeben.

FIDELIO am 12. Mai

Josef Krips leitete diese Aufführung, die Atmosphäre und eine große Linie hatte, obwohl im Zusammenklang mit der Bühne nicht alles stimmte. Davon war besonders Lotte Rysanek (für Hilde Güden eingesprungen) betroffen, deren Szenen mit Jacquino des öfteren ins Wanken gerieten. Inge Borkh in der Titelrolle ließ erkennen, daß sie nicht nur beim Holländer indisponiert gewesen war. Sie scheint sich in einem Formtief zu befinden. Die Höhe ist derzeit recht mühsam herausgepreßt, und das macht die Sängerin offenbar nervös. Man kann ihre Leistung nicht mit ihren früheren Fidelios vergleichen. Dies fiele für sie äußerst ungünstig aus. Ludwig Sudhaus, der als Florestan einen guten Abend hatte, Josef Greindl, Hermann Uhde und Waldemar Kmentt wurden durch Hans Hotter übertroffen, der ad hoc einen gänzlich neuen Pizarro, einen ganz leisen, vorsichtigen, geradezu filmisch unterspielten Intriganten schuf, der mit den von ihm früher oft sehr gern gespielten Typen eines dämonischen Herrenmenschen überhaupt nichts mehr gemein hatte. Wenn man Hans Hotter dreißigmal in einer Partie bewundert hat, imponiert er beim 31. Mal noch ein wenig mehr. Er müßte unbedingt einmal eine ganz große Charakterrolle, wie Philipp oder Boris in Wien singen!

ARIADNE AUF NAXOS am 13. Mai

Anstelle von Frau ohne Schatten wurde dieses Werk gespielt. Es begann mit schlechter Stimmung. Die Frau ohne Schatten steht so selten auf dem Spielplan, daß der Opernliebhaber auf jede Vorstellung wartet und sich schon lange vorher darauf freut. Diese Freude war ihm ohnedies versauert und verwässert worden, als er erfuhr, daß die Kaiserin mit Traute Richter besetzt werden sollte, dann aber vernahm, daß Maud Cunitz einspringen und Meinhard von Zallinger die musikalische Leitung übernehmen würde. Von der ganzen „Planung“ blieb uns dann als einziger Meinhard von Zallinger erhalten, der auch prompt – teils verdankte er dies der grimmigen Laune des Stammpublikums, teils der Erinnerung an seinen totalen Umschmiß bei seinem letzten Palestrina – mit wütendem Zischen begrüßt wurde. Dennoch muß gesagt werden, daß der Dirigent besser war als sein Ruf, der ihm nun leider bei uns immer vorausgeht. Wir haben natürlich schon viel bessere, aber auch ausdrucksärmere und uninteressantere musikalische Interpretationen dieses Strausswerkes gehört. Meinhard von Zallinger zeigte sich Michael Gielen immerhin noch überlegen. Paul Schöffler, Christl Goltz, Irmgard Seefried, Mimi Coertse boten ihre schon oft rezensierten Leistungen. Walter Geisler als Bacchus konnte, wie schon viele vor ihm, den Gott nicht glaubhaft machen. Im übrigen hatten sie es alle schwer, sie sangen vor einem verstimmten Publikum, das nicht vergaß, daß dies eben nur eine Ersatzvorstellung war, mit der man ihm die Freude verdorben hatte.

DER ROSENKAVALIER am 14. Mai

Eine angenehme Überraschung war an diesem Abend der restlose Einsatz aller Mitwirkenden. Vor allem fiel der Formanstieg Hilde Zadeks auf. Ihre Marschallin ist wesentlich gewachsen. So möchten wir die Künstlerin an jedem ihrer Abende hören. Auch Otto Edelmann erschien diesmal erfreulich von Ehrgeiz gepackt zu sein. An seinem Ochs war nichts auszusetzen! Die Stimme war voller Kraft, darstellerisch vermied er jede Übertreibung. Es sei vermerkt, daß dasselbe Publikum, das gegen seinen Holländer protestierte, ihm dafür Beifall spendete! Herta Töpper war ein charmanter Oktavian. Es wäre der Mezzosopranistin für die oberen Register ihrer Stimme dieselbe Kultur zu wünschen, die Mittellage und Tiefe aufweisen! Hilde Güden als Sophie erreichte ihre Superform diesmal erst im dritten Akt. In den kleineren Partien erfreuten durchwegs Alfred Poell, Karl Terkal, Hilde Rössel-Majdan und Peter Klein. Meinhard von Zallinger dirigierte routiniert und zufrieden stellend.

ARABELLA am 15. Mai

Durch die Vorverlegung der Aufführung um einen Tag auf Wunsch des Dirigenten Joseph Keilberth, der auch diesen Abend zu einem Erlebnis machte, kam die Oper in arge Besetzungsschwierigkeiten, denn der Düsseldorfer Premieren-Mandryka Carlos Alexander war an diesem Tage verhindert und der inzwischen wieder genesene Matteo Ivo Zidek war ebenfalls nicht zur Hand, sodaß man sich in wenigen Tagen um zwei Ersatzsänger umsehen mußte. Zuerst sollte der Berliner Gerhard Niese den Mandryka singen, dann hieß es, Frans Andersson oder Caspar Bröcheler und schließlich war als letzter Notnagel Edmond Hurshell am Abendspielplan aufgeschienen. Seine Gesamtleistung verhielt sich zu der Carlos Alexanders so, wie die Carlos Alexanders zu Dietrich Fischer-Dieskau. Aus dem Volksopernhaus schließlich wurde Helmut Meinokat als Matteo herbeigeholt. Er ist im Vergleich zu seinem Vorgänger Howard Vandenburg mit einer kräftigeren Stimme ausgestattet, aber ebenso indiskutabel wie dieser. Großartig wieder Otto Edelmann als Graf Waldner. Hier ist der Sänger richtig eingesetzt und man freut sich immer wieder an dieser mit saftigem Wiener Humor angelegten Partie. Karl Terkal war stimmlich ausgezeichnet, darstellerisch unbeholfen (aber wann ist er das nicht?). Das Schwergewicht der Aufführung lag wieder bei den Damen aus dem Hause Waldner. Lisa Della Casa überbot sich diesmal selbst in der Titelpartie, und man ist immer wieder verblüfft, wie sich diese Künstlerin hundertprozentig mit der Partie identifiziert. Leider war’s (wie in allen Wiener Aufführungen bisher) wieder nicht „der Richtige“, und man wagt kaum zu hoffen, doch einmal Dietrich Fischer-Dieskau in dieser Partie hören zu können. Vollkommen war auch diesmal wieder Anneliese Rothenberger als Zdenka. Beide Frauen hatten in dieser Aufführung eine neue Mama, Elisabeth Höngen, die mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit aus den Kleidern der Kartenaufschlägerin in die Roben der Gräfin Waldner schlüpfte. Dafür fiel Dagmar Hermann als „Prophetin“ ab. Mimi Coertse war die stimmgewaltige Fiakermilli. Mit Recht konzentrierte sich der starke Beifall auf die Damen Lisa Della Casa, Anneliese Rothenberger und den Dirigenten.

EIN MASKENBALL am 16. Mai

Francesco Molinari-Pradelli, ein ausgezeichneter Dirigent, explosiv und dramatisch im Ausdruck, jedoch immer auf die Sänger Rücksicht nehmend, mit manchmal sehr straffer Orchesterführung und mitunter sogar harten Akzenten, leitete musikalisch diesen ausgezeichneten Abend. Antonietta Stella sang die Amelia. Ihre Stimme verrät große Durchschlagskraft, beherrschte Technik und freudigen Einsatz. Wenn auch die Höhe noch nicht ganz ausgeglichen ist und das Ohr sich erst an das etwas spröde Timbre gewöhnen muß, so ist die allgemeine Leistung imponierend. Giuseppe Zampieri blieb geschmackvoll und bot guten Durchschnitt. Am gleichen Abend strömte Aldo Prottis Riesenstimme mühelos. Seine metallischen Spitzentöne knallten förmlich über die Rampe Jean Madeira war als Ulrica zu hören.

LA TRAVIATA am 17. Mai

Viel Freude und Begeisterung rief diese Vorstellung hervor. Unter Alberto Eredes Leitung gab es einen schwungvollen, mit echtem Brio erfüllten Abend, an dem vor allem Hilde Güden als Violetta einen wahren Triumph feierte. In der großen Bravourarie zeigte sie vollendete technische Bewältigung ihrer kostbaren Stimme. So singt ihr wohl derzeit niemand die große Arie nach. Dabei hat die Künstlerin an dramatischer Intensität auch in stimmlicher Hinsicht dazu gewonnen, sodaß kein Wunsch offen blieb. Ihr Partner, Giuseppe Zampieri, prächtig disponiert, wurde von seiner Partnerin auch im Spiel mitgerissen. Dies fiel besonders in der Ballszene auf. So viel Temperament ist man von ihm gar nicht gewöhnt. Über die Kultur seiner schönen Stimme braucht ohnehin kein Wort verloren werden. Sie ist bekannt. Wie gewohnt setzte Aldo Protti seine voluminöse Stimme als Vater Germont ein. In technischer Hinsicht kam er allerdings mit seinen Partnern nicht mit. Seine stärksten Momente lagen in den dramatischen Stellen. In seiner Arie vermißte man die dafür unbedingt nötige Modulationsfähigkeit. Dafür entschädigten seine prachtvollen Spitzentöne. Die Nebenrollen waren zum ersten Mal mit jungen Comprimarii besetzt, die der gesamten Aufführung einen frischen Zug verliehen. Der Jubel für die Künstler, vor allem für Hilde Güden erreichte für eine Traviata eine außergewöhnliche, aber in diesem Fall durchaus berechtigte Lautstärke.

TOSCA am 18. Mai

Mit dieser Aufführung stellte sich Francesco Molinari-Pradelli als Puccinidirigent vor und erwies sich auch hier als versierter Operndirigent, der mit den Sängern atmet und lebt und der nebenbei für einen spannungsvollen, meist schnelle Tempi bevorzugenden Ablauf des Orchesterparts sorgte. Sollte es unserer Direktion gelingen, diesen temperamentvollen, elastischen Dirigenten für das italienische Fach an das Haus enger zu binden, dann wäre dies ein weiterer Fortschritt. Von den Solisten gefiel in gesanglicher Hinsicht am besten Walter Berry, der mit immer ausgefeilteren Nuancierungen beweist, daß er unermüdlich an seinem Scarpia modelliert. Auch darstellerisch hatte er neue Teilerfolge zu verzeichnen. So ist er jetzt im zweiten Akt bedeutend reifer geworden. Eine Enttäuschung war Inge Borkh in der Titelrolle. Vor allem vermißte man die Ausstrahlung ihrer ansonst zweifellos vorhandenen Bühnenerscheinung. Sie schien abermals sehr gehemmt und nicht ganz bei der Sache. Dasselbe ist von ihrer stimmlichen Form zu berichten, wobei besonders die exponierten Höhen steif und hart klangen. Eugene Tobin gab als Cavaradossi einige metallische kraftvolle Töne zum besten, die das Dach der Oper erzittern ließen. Doch war das aber auch alles. Den Schöngesang eines Puccinitenors ließ er vermissen. Seine Mittellage ist weiterhin spröde und klangarm und damit brachte er sich um die Gesamtwirkung. Die Gestaltung war farb- und temperamentlos. Schade um das Material des Sägers, das er nicht zu formen weiß. Trotz ausverkauftem Haus kam keine Stimmung auf. Das Publikum ist sehr hellhörig geworden!

MANON LESCAUT am 19. Mai

Sehnlichst erwartet von allen seinen zahlreichen Anhängern stand Giuseppe di Stefano als Des Grieux wieder vor dem wohl sehr kritischen, aber auch sehr treuen Wiener Publikum. Wir schreiben dies deshalb, weil es eine besondere Eigenschaft der Wiener Opernbesucher ist, einen Künstler, der sich einmal in ihr Herz gesungen hat, auch später immer die Treue zu halten. Vielleicht sang der Künstler heuer nicht mehr so schmelzreich und so leicht wie im Vorjahr, doch vermag die Erfüllung jeder Phrase mit dem ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit, mit der ganzen Wärme seines intensiv dramatischen Belcantos für manchen nicht ganz so glänzenden Spitzenton entschädigen. Jede Geste, jede Bewegung drückt unmittelbar aus, was Puccini diesem Chevalier an Wohllaut, Kantilenen und Gefühlausbrüchen in den Mund gelegt hat. Der vierte Akt bietet hier ein Musterbeispiel dafür: wie dieser verzweifelte, gehetzte Mensch, irren Blickes, mit ausgebreiteten Armen um Rettung fleht, das ist ein Einswerden des Sängers mit der Rolle, das immer wieder neu erschüttert. Doch hier, in der ausweglosen Wüste des vierten Aktes, konnte Antonietta Stella mit ihrem Partner ausdrucksmäßig nicht Schritt halten. Sehen wir davon ab, bot sie eine ausgezeichnete Leistung: ein jugendlich strahlendes Organ, besonders in der Mittellage von betörendem Wohllaut, mit tragender Höhe und, verbunden mit einer fesselnden optischen Erscheinung, war sie eine noch bescheidene Primadonna ersten Ranges. Schade, daß nicht alle Regieanweisungen Günther Rennerts den Gästen mitgeteilt wurden und auch das unpassende Kostüm (und die Stöckelschuhe!) Manons im vierten Akt in krassem Gegensatz zu den zerfetzten Kleiderresten Des Grieux standen! Walter Berry behauptete sich neben diesen beiden Spitzensängern durchaus ebenbürtig: wir bewundern immer wieder seine edle, mächtige Baßbaritonstimme und die Kunst seiner Rollengestaltung. Der Sergeant Lescaut zählt zu seinen besten! Neu war Ludwig Welter als Geronte, eine gute Durchschnittsleistung! Daß die Darsteller der Nebenrollen zu faul sind, drei oder vier Sätze italienisch zu lernen, zeigt von ihrer Einstellung. Sie haben es ja nicht nötig, durch Fleiß aufzufallen! (Warum hat sich Walter Berry die Mühe gemacht?) Am Pult stand Francesco Molinari-Pradelli. Er leitete die Aufführung leicht und federnd wie ein Florettfechter. Plastische Details, dramatische Steigerungen und gefühlvolle Kantilenen zeichneten seine typisch italienische Auffassung aus. Bewundernswert, mit wieviel Einfühlungsvermögen er die Sänger begleitet!

DIE GESPRÄCHE DER KARMELITERINNEN am 20. Mai ?

Besprechung wie am 3. Mai.

CARMEN am 21. Mai

Dem Eindruck nach hätte Don José am Programmzettel stehen müssen! Giuseppe di Stefano sang und spielte ihn nicht, er war es, und dies vier Akte lang mit gleicher Intensität. Hier wirkt nichts studiert, nichts ausgewogen, jede Nuancierung lebt gleicherweise in Stimme und Spiel, während sich Jean Madeiras Carmen in Äußerlichkeiten erschöpft. Ihre Partie wird von vornherein auf todsichere Publikumswirkung angelegt, stets um Effekte bemüht – leider mitunter auch um sehr billige – und so lebt und stirbt neben Don José nicht Carmen schlechthin, sondern immer Jean Madeira. Sie war an diesem Abend allerdings gut disponiert. Zart und innig die Micaela Hilde Güdens, intelligent und gepflegt und ausdrucksvoll der Escamillo Hermann Uhdes. Die kleineren Partien waren mit Lotte Rysanek, Hilde Rössel-Majdan, Alfred Poell, Ljubomir Pantscheff, Harald Pröglhöf und Kurt Equiluz gut besetzt. Der Chor singt weiterhin vergnügt und munter deutsch. Singende Beamte kann derlei weder stören noch erschüttern! Und die rangältesten Choristinnen behaupten weiterhin ihre Plätze in der vordersten Reihe, na ja, da ist anscheinend wirklich nichts zu machen. Heinrich Hollreiser dirigierte wie gehabt!

BALLETTABEND am 22. Mai

TANNHÄUSER am 23. Mai

„Ein Wunder war’s…“ diesmal hatte die Aufführung endlich verbessertes Niveau. Auf der Bühne standen durchwegs Persönlichkeiten, die sich auch stimmlich in bester Verfassung befanden und den Wünschen gerecht wurden. Christl Goltz vermochte die Partie der Elisabeth voll auszuschöpfen. Ausdrucksoll im Gesang, vermied sie jede Übertreibung im Spiel, wirkte um so mehr durch ruhige, verinnerlichte Haltung. Martha Mödl als Venus beherrschte eindrucksvoll die Bühne und Eberhard Wächter sowie Walter Kreppel wiederholten ihre schon oft gewürdigten Prachtleistungen. Einen mitreißenden Abend hatte Wolfgang Windgassen zu verzeichnen, der diesmal seinem Tannhäuser in Stimme und Gestaltung nichts schuldig blieb. Heinrich Hollreiser am Pult wirkte im ersten Akt besonders unausgeglichen, verbesserte sich jedoch im Laufe der Vorstellung und in den Ensembles wirkte er präziser als gewohnt. Einige tremolierende Sopranstimmen im Chor fielen wieder unangenehm auf.

MANON LESCAUT am 24. Mai

In dieser Aufführung in gleicher Besetzung wie am 19. Mai war Giuseppe di Stefano in Glanzverfassung. Auch Antonietta Stella war noch gelöster und verinnerlichter. Dieses Konzentrieren auf stimmliche Höchstleistungen ging aber auf Kosten des Zusammenspiels der beiden Hauptrollenträger. Dieser Umstand konnte aber nur dem auffallen, der beide Vorstellungen gesehen hatte. Als ganzes gesehen (von der Zweisprachigkeit abgesehen) war diese Manon noch geschlossener und hinreißender als die vorherige und darf bestimmt zu den besten Reprisen des Hauses gezählt werden.

FIDELIO am 25. Mai

Anläßlich des 90. Geburtstages unseres Opernhauses war diese Oper als Festvorstellung vorgesehen. Das Programm strotzte von Namen der Weltoperngarnitur, doch leider vermißte man an diesem Abend einen namhaften Dirigenten am Pult, was übel vermerkt wurde. Hatte der Chef vergessen, daß es ihm wie dem Hause zur Ehre gereicht hätte, selbst ans Pult zu treten? Die Enttäuschung war allgemein und berechtigt! Zugegeben, Heinrich Hollreiser wuchs an diesem Abend über sich selbst hinaus. Er bot eine durchaus akzeptable Leistung. Allerdings schleppten in der Dritten Leonoren-Ouvertüre die Streicher etwas nach – trotzdem! Das Hohelied der Gattenliebe fand in Birgit Nilsson eine ideale Verkörperung. Diese Künstlerin befindet sich derzeit in Superform. Die nordische Stahlstimme ist schmiegsamer geworden. Wie die Künstlerin die große Arie der Leonore sang, das muß man selbst gehört haben, ebenso wie sie mühelos und alles überstrahlend das Schlußfinale sang. Selbst Superlative können dieser Leistung kaum gerecht werden. Wolfgang Windgassen sang eine sehr schöne Florestan-Arie, wobei sein herrliches Timbre sehr zur Geltung kam. Nicht so überzeugend war er bei der „Namenlosen Freude“. Ein liebenswerter Rocco war Gottlob Frick, der mit seiner Prachtstimme sich als erster Baßist des Hauses erwies. Die übrigen Hauptrollen waren mit Hans Hotter als dominierendem Pizarro, mit Hilde Güden einer im Schlußfinale in Silbertönen strahlenden Marzelline und mit Waldemar Kmentt als sympathisch frischem Jacquino besetzt. Nicht zu vergessen Hermann Uhde als Minister, dessen Stimme wieder an Substanz dazu gewonnen hat. Wie gesagt, es wäre vollkommen gewesen, wenn der Chef des Hauses…

DAS RHEINGOLD am 26. Mai

DIE WALKÜRE am 28. Mai

SIEGFRIED am 31. Mai

Festspielreifer Dreiviertel-Ring unter Herbert von Karajan

Ein internes Staatsopernfestival stellten diese drei Wagner-Opern dar, wobei Siegfried einen ebenso großartigen, wie bejubelten Festwochenbeginn darstellte. Karajans Ring-Erarbeitung wird, das kann man schon jetzt konstatieren, einen Markstein im Wiederaufstieg des Hauses am Ring darstellen. Dieser Wagner ist szenisch nicht revolutionär aber gut, nicht sensationell, aber „richtig“. Und das eigene Ensemble, das es, den Unkenrufen der Presse zufolge in Wien gar nicht mehr geben dürfte, feiert einen dreifachen Triumph. Es ist faszinierend nicht nur in der Größe der einzelnen Leistungen, sondern fast mehr noch im Zusammenwirken der Kräfte.

Dominierend in allen drei Vorstellungen war allerdings das Orchester unter Karajans magistraler Leitung. Es ist mit Worten fast nicht zu beschreiben, wie der Aufbau des Riesenwerkes erfolgt. Gewaltig in den Dimensionen, wächst der Bau der Tetralogie, einer großen Linie verhaftet, vom romantisch blühenden Naturmotiv der Rheingold-Einleitung bis zum triumphalen Jubel des Siegfried-Liebesduettes. Wie schade, daß die Götterdämmerung noch nicht im Repertoire steht! Jetzt wären alle Interpreten gerade in der richtigen Stimmung für diese wuchtige, dramatischeste aller romantischen Opern gewesen! Doch wir wollen nicht unbescheiden sein.

Es gab in den drei Opern, die wir schon unser Eigen nennen, ein Übermaß an Schönheit, doch gehen wir chronologisch vor.

DAS RHEINGOLD begann mit einer klanglich herrlich ausgewogene, prunkvoll schönen Orchestereinleitung. Die strahlende Stimme von Wilma Lipp als erstem „Fisch“ (ergänzt von Margareta Sjöstedt und Dagmar Hermann). Ein unerhört intensiver und glänzend charakterisierter Alberich von Alois Pernerstorfer, um den man etwas Angst haben mußte, da er am Tag vorher einen schweren Autounfall hatte und mit diversen Verletzungen angetreten war. Der überragende Wotan des unvergleichlichen Hans Hotter. Der hellstimmige Loge von Wolfgang Windgassen. Eine ausgezeichnete, besonders in den ruhigen, breiten Phrasen stimmschöne, ausdrucksstarke Fricka von Hilde Rössel-Majdan. Eine Götterschar mit jungen, schönen Stimmen und intelligentem Spiel: Gré Brouwenstijn, Eberhard Wächter, Waldemar Kmentt. Eine herrlich gesungene, dunkelstimmige Erda von Jean Madeira  und last but not least Peter Kleins hervorragender Mime und die beiden wuchtigen Riesen Gottlob Frick und Josef Greindl.

DIE WALKÜRE brachte das Wälsungenpaar Gré Brouwenstijn und Wolfgang Windgassen. Sie – obzwar man als Sieglinde breitere und sinnlichere Stimmen gewöhnt ist – brachte eine unerhört packende und intelligente Gestaltung der Partie. Er sang und spielte den Siegmund hervorragend intensiv und dramatisch. Beide zusammen bestritten mit dem ausdrucksvollen Hunding von Josef Greindl einen großartigen ersten Akt. Die einmalige Stimme der Birgit Nilsson, die von hinreißender Kraft und Schönheit ist und die Melodien mit prunkvollem Klang umhüllt, und der zutiefst menschliche Gott Hans Hotters, dessen hohe Künstlerschaft selbst den abgebrühtesten Wagnerianer immer wieder aufs Neue hinreißt und aufrüttelt, werden uns sicherlich für immer in Erinnerung bleiben. Jean Madeira war als Fricka die einzige, die nur durch das Material wirkte. Der Ausdruck war einheitlich böse und das Singen wurde fast zum Schreien. Dadurch fällt die an sich schon nicht gute Aussprache der Sängerin noch mehr auf. Von den Walküren konnten sich gegen Karajans eruptiven Orchesterausbruch nur die Damen Lotte Rysanek, Gerda Scheyrer, Margareta Sjöstedt und Hilde Rössel-Majdan behaupten.

Birgit Nilsson ist immer eine hervorragende SIEGFRIED-Brünnhilde gewesen. Doch an diesem Abend wuchs sie über sich selbst hinaus – zu einer grandiosen Demonstration einer einmaligen Stimme und deren  hochintelligenter Führung. Man denke an die beiden jubelnden „C“, die in goldenem Glanze strahlten, an die sieghafte Kraft, mit der die Künstlerin das Liebesduett erfüllte. Hier muß selbst ein langjähriger Opernbesucher, der schon viel Schönes gehört hat, emphatisch werden. Wolfgang Windgassen, der einzige Siegfried, war in guter Verfassung, ließ selbst im ersten Akt, in dem er (für die Galerie) leider ständig gegen den Vorhang singen muß, durch kraftvolle Spitzentöne aufhorchen, entwickelte im Liebesduett erfreulich viel Kraft und Intensität und zeigte im Waldweben Gefühl und Herz. Hans Hotter, der Wanderer, dessen großartige Technik selbst über Stimmtrübungen, die seine Allergie hervorruft, triumphierte, war besonders in der Wala-Szene großartig. Peter Klein war wieder der ausgezeichnete Mime, Gustav Neidlinger der Alberich. Die übrige Besetzung ist bekannt und war hervorragend wie immer: Anneliese Rothenberger als Waldvogel, Jean Madeira als Erda, Gottlob Frick als Fafner.

Unwahrscheinliches leistete das Orchester, dessen Blech (man denke an den dritten Akt Walküre) zeitweise eine dramatische Härte hatte und die schwierigen solistischen Passagen (Schwertmotiv, Siegfrieds Hornruf, Vertragsmotiv! usw.) souverän bewältigte, dessen Streicher im herrlichsten Glanze strahlten und dessen Holz schwelgerische, romantische Süße hatte (Waldweben). Die unerhörte Konzentrationsfähigkeit und Stärke des Dirigenten vereinte die Kräfte im Dienste der Kunst zu Vollkommenheit und Größe.

Vielleicht werden Leser, die diese Aufführungen nicht gehört haben, über ein Panegyrikon dieses Ausmaßes lachen. Sie können beruhigt sein: Es war wirklich so schön.

DIE HOCHZEIT DES FIGARO am 27. Mai

Es war eine geschlossene Vorstellung, bei der wenigstens die Stehplätze wurden verkauft wurden. Aber der Verlegerkongreß, der die Vorstellung aufgekauft hatte, stelle ein so verständnisvoll aufgeschlossenes und mit Freude mitgehendes Publikum, daß es gar nicht so bedauerlich war. Da die Wiener Oper keine Reklame macht, ist ja auch die Mundpropaganda kulturell Interessierter, die diese zweifellos machen werden, wertvoll, denn der Kongreß war begeistert.

Herbert von Karajan dirigierte einen zündenden, wirbelnden und meisterhaft aufgebauten Figaro, hätte jedoch zur hundertprozentigen Realisierung seines Konzepts wahrscheinlich eine Orchesterprobe machen müssen: Die Ouvertüre klang zum Beispiel nicht so federnd, wie wir es gewohnt sind. Wie schon in einigen anderen Fällen wirkt sich hier der ständige Wechsel am Dirigentenpult aus. Den letzten Figaro leitete Karl Böhm, der viel langsamere Tempi zu nehmen pflegt.

In das viel gerühmte und gepriesene Wiener Figaro-Ensemble trat nach längerer Pause wieder Elisabeth Schwarzkopf ein, eine Gräfin von fast unwahrscheinlich anmutender Vollkommenheit in Stimme, Stil und Darstellung. Wir haben mit voller Absicht das Wort „Perfektion“ für diese Leistung vermieden, denn außer ihrer großartigen Technik und Musikalität, ihrem raffiniert ausgefeilten Spiel und ihrer Kultur hat die Gräfin der Frau Schwarzkopf immer Herz und Gefühl. Eberhard Wächter war wieder ein temperamentvoller Graf, überlegen, humorvoll und nobel und – abgesehen, von der heiklen Schlußphrase seiner großen Arie – stimmlich hervorragend. Erich Kunz, bestens disponiert und gerade die richtige Mischung von Lustspielheiterkeit und ernstem Hintergrund herausarbeitend, sang Figaro und wurde von Irmgard Seefried, der stilvollen Mozartsängerin, in Intrige und Spiel des „Tollen Tages“ ausgezeichnet unterstützt.

Christa Ludwig war als Cherubino zu hören. Nun kommt zur allgemeinen Freude auch wieder – neben ihrer Familie – ihr Beruf an die Reihe! Ihre Stimme klang herrlich ruhig und schön, ihr Temperament und ihre Spielfreude hat sich in der langen Pause fast noch verstärkt oder scheint uns das nur so, weil wir in der Zwischenzeit an etwas farblosere Cherubins gewöhnt wurden? Frau Ludwig hatte sich für ihre Rückkehr auf die Bühne eine ganz besondere Überraschung ausgedacht. Sie sang die zweite Arie des Cherubino in einer von Fachleuten als Mozartautograph erkannten, im Köchelverzeichnis allerdings nicht aufscheinenden Koloraturfassung, die ihre blendende Technik und ihre Stimmbeherrschung ins beste Licht rückte, aber die Arie gleichzeitig etwas verflachte und ihr einiges an Seele und Gefühl nahm. Diesen Versuch kann man gutheißen oder ablehnen - das ist letzten Endes Geschmacksache. Aber es war interessant, es einmal auch so zu hören. Hilde Rössel-Majdan, Alois Pernerstorfer und Ljubomir Pantscheff waren in den kleineren Rollen die verläßlichen Helfer am Werk. Die oft gerühmte Inszenierung Günther Rennerts und die bezaubernden Bühnenbilder der Ita Maximowna trugen einmal mehr dazu bei, den Wiener Figaro zu  einem Fest zu machen.

DIE WALKÜRE am 28. Mai

unter der Leitung von Herbert von Karajan wurde als Aufführung des „Drei-Viertel-Rings“ am 26. Mai besprochen

COSÌ FAN TUTTE am 29. Mai im Redoutensaal.

Bestes Ensemble-Theater bot diese Aufführung. Damit steht und fällt gerade diese Opera buffa in ihrer Fülle an herrlichen Ensembles. Daß die Aufführung dem gerecht wurde, dafür bürgte das großartig aufeinander abgestimmte, altbekannte Herrenterzett Paul Schöffler-Erich Kunz-Anton Dermota, dem ein ebenbürtiges in den Damen Lisa Della Casa-Christa Ludwig-Emmy Loose gegenüberstand. Mit welch ironischer Überlegenheit und Lust am Intrigieren gestaltet doch Paul Schöffler den Alfonso oder Erich Kunz den Guglielmo mit neuen Einfällen, gemäßigteren zwar, dafür aber treffsicheren. Wie gelöst und kultiviert entledigt sich Anton Dermota seiner Aufgabe als Ferrando, sowohl darstellerisch als stimmlich keinen Wunsch offen lassend. Nach zweijähriger Pause brillierte als Fiordiligi wieder Lisa Della Casa, stimmlich und darstellerisch großartig sich einfügend, der Figur neue Nuancen aufsetzend und sie mit ihrem Charme überschüttend. Mit wie viel Ausdruck und technischer Überlegenheit meistert sie die Schwierigkeiten dieser Partie! (Großartig die prachtvoll gesungene E-Dur-Arie). Die Qualitäten Christa Ludwigs als Dorabella zu rühmen, hieße Wasser in die Donau tragen. Die Duette Dorabella-Fiordiligi waren von kaum zu überbietender Vollkommenheit. Emmy Loose hatte stimmlich einen guten Tag, sollte sich aber vor allzu vielen Übertreibungen hüten. Von der Bühne her angesteckt, bot Heinrich Hollreiser eine überraschend gute Leistung als Dirigent. Er leitete die Aufführung aufmerksam, betonte sowohl die lyrischen als auch die buffonesken Stellen und wurde daher dem Werke gleichermaßen gerecht.

EIN MASKENBALL am 29. Mai in der Staatsoper

Die Aufführung war durch die Solistenleistungen ein hervorragender Abend. Antonietta Stella sang wieder die Amelia. In dieser Vorstellung wurde einem bewußt, daß Jean Madeira als Ulrica diese Partie voll auf Wirkung anlegt, während die dabei eingesetzten Mittel mit kultiviertem Schöngesang nicht allzu viel gemeinsam haben. Neben einem Giuseppe di Stefano auf der Bühne zu stehen, wird aber auch für die Kollegen dieses Sängers zu einer wahren Bewährungsprobe. Denn was er als Riccardo demonstriert, ist so vollendet und so konkurrenzlos, daß der Zuhörer buchstäblich den Atem anhält vor staunender und restloser Bewunderung. Zu diesem Höchstmaß an Klangschönheit und vollendeter Kultur des Singens gesellt sich ein so restloser Einsatz, eine so intensive Darstellung, die nie in Effekthascherei stecken bleibt, nicht nur erlebt, sondern beinahe vergeistigt wirkt. Es ist keine Übertreibung zu sagen, daß Giuseppe di Stefano derzeit unerreicht ist und darüber hinaus unsere Generation jedenfalls noch keinen Riccardo von solcher Vollendung bewundern konnte. Ettore Bastianini sang den Renato. Gewiß er „stand“. Trotzdem ist dieses nur Stehen bei Ettore Bastianini nie unkünstlerisch. Seine einzige Gestik liegt in der Kehle. Aber was hier strömt, das strömt so überzeugend, daß es den Mangel voll ausgleicht, selbst dann noch, wenn er nicht ganz in Hochform ist, wie sich bei der ersten Arie für den, der ihn in dieser Partie bereits kennt, zeigte. Er wirkte in der Mittellage nicht ganz frei gesungen und war anscheinend auch etwas nervös, was dazu beigetragen haben dürfte, daß er einmal zu früh einsetzte. Für den Kenner ergab sich daraus ein musikalisch sehr heiterer Zwischenfall, weil der Bläser, der brav seinen Part spielte, zu Tode erschrocken seinen Ton abbrach, als er unerwartet die Stimme des Sängers hörte, worauf Renato für einen Bruchteil von Sekunden sozusagen im leeren Raum hing. Die Panne wurde von allen Beteiligten mit Routine überwunden und nur von den Eingeweihten still lächelnd registriert. Im dritten Akt fand Ettore Bastianini dann zu jener Leistung, mit der er ungeschlagen bleibt. Im allgemeinen wieder ein Abend, der wert war, im goldenen Buch der Erinnerungen festgehalten zu werden. 

DON GIOVANNI am 30. Mai

war eine sehr gute Repertoire-Aufführung, zu deren Gelingen alle an der Aufführung Beteiligten beitrugen. Heinrich Hollreiser, der eine Reihe von Giovanni-Aufführungen in Japan hinter sich hat, war diesmal sehr umsichtig und bis auf die Schluß-Ensembles zufrieden stellend. In der Titelpartie hörten wir nach langer Zeit wieder George London, der gut begann und im Verlauf des Abends seine Leistung immer weiter zu steigern wußte, um im Schlußbild zu dämonischer Größe anzuwachsen und dem Zuhörer mit seinen sieghaften Spitzentönen fast den Atem zu nehmen. Eine überwältigende Leistung bot Elisabeth Schwarzkopf als Elvira, unerreicht in ihrer Gesangskultur, fesselnd in ihrer Charakterisierung dieser Partie. Sie weiß alle Gefühle: Leidenschaft, gekränkten Stolz, Angst und Haß glaubhaft zu machen und in ihrem makellosen Gesang auszudrücken. Hilde Zadek als Donna Anna bemühte sich sehr, neben ihr bestehen zu können und war trotz der relativ verbesserten Leistung der einzig schwächere Punkt der Besetzung. Hilde Güden sang nach längerer Zeit wieder die Zerlina und erfreute Aug und Ohr. Anton Dermota hatte einen seiner besten Abende seit Jahren. Die beiden Arien wurden meisterhaft vorgetragen und auch Erich Kunz wirkte nicht nur wie immer sehr lebendig im Spiel, sondern war auch gut disponiert. Das Ensemble wurde von Gottlob Fricks imposanten Komtur und dem sich ausgezeichnet einfügenden Masetto von Ljubomir Pantscheff vervollständigt.

SIEGFRIED am 31. Mai

unter der Leitung von Herbert von Karajan wurde als Aufführung des „Drei-Viertel-Rings“ am 26. Mai besprochen

 

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