Bericht über das 2. Treffen des Arbeitskreises für Bayerisch-Österreichische Namenforschung

ABÖN

in Klagenfurt 21. bis 22. September 2002

(von ao.Univ.-Prof. Dr. Peter Ernst, Wien)

 

Der "Arbeitskreis für Bairische Namenforschung", der sich am Ende der diesjährigen Tagung auf Anregung von Prof. Peter Wiesinger mit einstimmigem Beschluss in

Arbeitskreis für bayerisch-österreichische Namenforschung (ABÖN)

umbenannt hat, hielt sein zweites Treffen auf Einladung von Prof. Heinz Dieter Pohl am 20. und 21. September 2002 an der Universität Klagenfurt ab. In den zwei Tagen wurde ein dichtes Programm absolviert, das mit dem Vortrag "Doderers Kühfuß" von Peter Ernst (Wien) begann. Der etwas seltsam anmutende Titel bezog sich dabei auf ein mittelalterliches Toponymikon, das Heimito von Doderer in seinem Roman die "Strudlhofstiege" zitiert und das heute noch in der Kühfußgasse in Wien (hinter der Peterskirche) erhalten ist. Die Versuche des Referenten, den bisher unerklärten Begriff auf den aramäisch-griechischen Beinamen Kefas für Petrus zurückzuführen, sind zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich. Andrea Gruber (Innsbruck) berichtete unter "Onomastik im öffentlichen Interesse. Erfolgsbilanz zweier Jahre ‚Science Week Austria’ in Axams (Tirol)" über ihre in den Jahren 2001 und 2002 im Rahmen der "Science Week" erworbenen Erfahrungen bei dem Projekt, die Namen (und zwar alle Namen, d.h. Siedlungs-, Flur, Gewässer-, Berg- Personennamen etc.) des Dorfes Axams und seiner Umgebung interdisziplinär und für ein Laienpublikum aufzubereiten. Der sensationelle Erfolg bei der Bevölkerung, der sich nicht zuletzt in der höchst interessierten und engagierten Mitarbeit äußerte, gab ihr auf dem beschrittenen Weg Recht. Karl Hohensinner (Wien) stellte in seinem Vortrag "Etymologie und Volksetymologie in Oberösterreich (mit Beispielen aus dem ONB OÖ Bd. 11)" ebenfalls interdisziplinäre Züge her: Er verband volksetymologische, aitiologische Deutungen von Ortsnamen (aus dem 11. Band des Historischen Ortsnamenbuches von Oberösterreich, an dem der Referent mitgearbeitet hat) mit den wissenschaftlich ermittelten Etymologien und kulturgeschichtlichen Phänomenen (etwa den Entwürfen von Fahnen und Wappen) und zeigte so auf amüsante Weise, wie der Namenschatz einer Region von ihren Bewohnern rezipiert werden kann. Peter Anreiter (Innsbruck) beeindruckte schon vor Beginn seiner Ausführungen über "Zu den Namen des Außerfern (Tirol)" mit dem aufwändigsten Hand-out, das mir jemals bei einer Tagung begegnet ist und das jeder Teilnehmer überreicht erhielt: Ein 60-seitiges, gebundenes Heft mit färbiger A3-Karte und sämtlichen Dokumenten. Das Referat selbst, in dem markante Namen aller Namenschichten des Außerfern vorgestellt wurden, war dann gewohnt fundiert und ausführlich, dem nichts mehr hinzuzufügen war. Aus seiner langjährigen Beschäftigung mit den Namen der Gemeinde Kals am Großglockner, wo er gemeinsam mit Heinz Dieter Pohl schon fast zwei Jahrzehnte lang das alljährliche Kalser Namensymposion organisiert, fasste Karl Odwarka (Lienz) die "Mikrotoponymie als Zeugen der Besiedlungsgeschichte (gezeigt an Kals am Großglockner, Osttirol)" zusammen und zeigte eindrucksvoll die aus den 13 Siedlungsnamen (von denen 6 slawischer Herkunft und je 3-4 romanischer bzw. deutscher Abstammung sind) abgeleitete Siedlungsgeschichte des Kalser Tales auf: In das im Frühmittelalter rein romanische Gebiet sind zuerst slawische Siedler und dann im Lauf des 13. Jahrhunderts deutschsprachige eingewandert.

Den zweiten Konferenztag leitete Angela Bergermayer (Wien) mit ihren Ausführungen "Zu slawischen Personennamen im mittelalterlichen Österreich" ein, in denen sie in geographischen Namen und historischen Quellen direkt und indirekt belegte slawische Personennamen vorstellte. Guntram Plangg (Innsbruck) bot einen onomastischen Querschnitt durch die "Namen in Bludenz (Vorarlberg)", und Herbert Tatzreiter (Wien) beschäftigte sich in seinem Vortrag "Zu den slawisch-deutschen Siedlungsnamen im Obermurgebiet/Steiermark" mit dem Phänomen der "primären" und "sekundären Hybridbildungen", das dann in der Diskussion einer kritischen Revision unterzogen wurde. Hans Tyroller (Lusern) konnte sein angekündigtes Referat über "Mikrotoponymie in Makroregionen. Voraussetzungen und Methoden zu ihrer exakten Beschreibung" wegen Erkrankung nicht halten, seine Darstellungen wurden aber in kopierter Form an alle Anwesenden verteilt. Peter Wiesinger (Wien) beleuchtete wie schon sein Mitarbeiter Karl Hohensinner einen Aspekt des von ihm herausgegebenen und bearbeiteten Historischen Ortsnamenbuches von Oberösterreich: "Die Gewässernamen des oberösterreichischen Mühlviertels", wobei vor allem der altertümliche Charakter des Namenmaterials (das mit Krahes Alteuropäischer Hydronymie in Deckung gebracht werden kann) erstaunt. Über "Endo- und Exophonie bei Namen in Grenzräumen" und seine diesbezüglichen Beobachtungen referierte Hermann Scheuringer (Wien). Im Anschluss an seine Ausführungen fand u.a. das "Kollmersche Gesetz" über die a-Verdumpfung im Bairischen großes Interesse. Heinz Dieter Pohl (Klagenfurt) berichtete von seinen langjährigen Erfahrungen in "Bergnamenkundliche Wanderung durch Kärnten (zu beiden Seiten der Sprachgrenze)" mit der Präsentation von reichhaltigem Namenmaterial. Albrecht Greule (Regensburg) stellte das höchst notwendige und sehr zu begrüßende Projekt "Ein historisch-etymologisches Gewässernamenbuch für Bayern" vor, und Wolfgang Janka (Regensburg) liefert einen "Werkstattbericht zum Historischen Ortsnamenbuch von Bayern (HOHB), Altlandkreis Kötzing" anhand ausgewählter problematischer Etymologien. Den Abschluss der Tagung bildeten die Ausführungen von Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein (München) über "Kirchliche Quellen zu Ortsnamen kirchlichen Ursprungs", in denen er vor allem mit besonders alten und daher eindrucksvollen Ortsnamenbelegen aufwartete.

Die in amikaler und trotzdem arbeitsintensiver Atmosphäre abgehaltene Tagung, für die dem Gastgeber Heinz-Dieter Pohl von Herzen zu danken ist, wurde mit einer Exkursion in das Bodental, einen der landschaftlichen schönsten Punkte in den Karawanken, abgeschlossen. Die Beiträge werden in der Zeitschrift "Österreichische Namenforschung" abgedruckt.

Das nächste Treffen wird auf Einladung von Prof. Albrecht Greule und seinen Mitarbeitern am 27. und 28. Februar 2004 in Regensburg stattfinden

(Informationen beim Verfasser unter peter.ernst@univie.ac.at).

Peter Ernst, Wien

 

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