Berner Entschließung
vom 14. September 2001
der Sprachvereine im
Internationalen Netzwerk Deutsche Sprache
Europa lebt von seiner kulturellen Vielfalt. Ein "Europa für Alle" kann nur entstehen, wenn die darauf aufbauende kulturelle Identität und schöpferische Motivation seiner Bürger, mit der sprachlichen Vielfalt als deren sichtbarster Ausdruck, geachtet und gefördert werden.
Über alle möglichen Aspekte der Zukunft Europas wird öffentlich heftig diskutiert und gestritten. Die sprachliche Zukunft Europas blieb aus diesen Diskussionen selbst im Jahr der Sprachen 2001 bislang ausgeklammert. Insbesondere wurde nicht offen darüber gesprochen, welches die Arbeitssprache oder die Arbeitssprachen sein sollen, in denen die Staaten der EU künftig miteinander verkehren.
Unterdessen setzt sich die englische Sprache als Arbeitssprache der EU immer stärker durch. Dies hat in den unterschiedlichsten Bereichen negative Auswirkungen auf Status und Entwicklungspotential aller anderen Sprachen. Wenn nicht gegengesteuert wird, drohen sie unter der Vorherrschaft des Englischen zu Mlnderheitssprachen zu werden und großen Schaden zu erleiden.
Die sprachlich-kulturelle Vielfalt Europas ist nur dann zu bewahren, wenn auf der Ebene der EU-Arbeitssprachen ein Gegengewicht zum Englischen geschaffen wird. Dies bedarf bildungspolitischer, kulturpolitischer und verwaltungspolitischer Anstrengungen.
Die Osterweiterung der EU ist ein geeigneter Anlass, ein neues Miteinander aller Sprachen in Europa herzustellen.
Zwei sprachpolitische Vorschläge der Sprachvereine im Internationalen Netzwerk Deutsche Sprache:
Die vorgesehenen Arbeitssprachen der EU waren Englisch, Französisch und Deutsch. Doch besteht die Absicht, das Deutsche an den Rand zu drängen. Dies ist weder mit Blick auf die Anzahl der deutschsprechenden Bürger Europas gerechtfertigt, noch mit Blick auf die Aufwendungen für die EU, die von Menschen der deutschen Sprachgemeinschaft geleistet werden. Der neuerlichen Absicht, Deutsch als EU-Arbeitssprache abzuschaffen, ist entschieden
entgegenzutreten.
Die Sprachvereine im internationalen Netzwerk Deutsche Sprache stellen in diesem Zusammenhang folgende Überlegungen zur Diskussion:
Die anderen Amts- und Landessprachen der EU können aber nicht als weitere Arbeitssprachen dienen. Nach der ersten Runde der EU-Erweiterung werden auch das Estnische, das Lettische, das Tschechische, das Ungarische und das Slowenische dazugehören. Ihr Schutz und Ihre Entwicklungsfähigkelt müssen durch ihren Status als EU-Amtssprachen amtlich gewährleistet werden. Die Kosten für den Sprachendienst der EU wären durch die Verwendung der Arbeitssprachen als Schaltsprachen und in geeigneten Fällen durch asymmetrische Übersetzungsregelungen zu senken.
Ein Konzept dieser Art kann nur funktionieren, wenn alle europäischen Beamten verpflichtet werden, zwei Fremdsprachen aktiv zu sprechen und zwei weitere passiv zu verstehen.
So wäre folgendes zu erreichen:
w Emotionale Motivation der Bürger für "ihr" Europa.w Ausweitung des Gebrauchs anderer Arbeitssprachen außer Englisch.
w Schutz und Weiterentwicklung kleinerer Sprachgemeinschaften (weniger als 40 Mio. Sprecher in Europa).
w Überschaubarkeit der Anzahl aktiv benutzter Arbeitssprachen.
w Verinnerlichung des europäischen Gedankens bei den EU-Beamten aufgrund geforderter Mehrsprachigkeit.
Unterzeichnet von:
Arbeitskreis Deutsche Muttersprache in Südtirol (Italien)
Bund für Deutsche Schrift und Sprache e.V. (Deutschland und Österreich)
Förderverein für Bairische Sprache und Dialekte e.V. (Bayern und Österreich)
Interessengemeinschaft Muttersprache (Österreich)
Sprachkreis Deutsch Bubenberg-Gesellschaft (Schweiz)
Verein Deutsche Sprache e.V. (Deutschland)
Verein Muttersprache (Österreich)