Heinz-Dieter
Pohl
Als am 10.
Oktober 1942 das „Institut für Kärntner Landesforschung” als Teil des
SS-Ahnenerbes in Klagenfurt gegründet wurde, bestellte man E.
Kranzmayer zu dessen Leiter. Im gleichen Jahr wurde er auch außerordentlicher
Professor für Germanistik an der Universität Graz und bald darauf
korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war
– wie viele seiner Zeitgenossen auch – Mitglied der NSDAP und wurde daher nach
1945 entlassen, hat sich aber zur NS-Zeit nichts zu Schulden kommen lassen,
außer dass er in aus heutiger Sicht äußerst problematischen Institutionen
mitgearbeitet hat. Daher konnte er schon ab dem Jahre 1949 wieder in der
(österreichischen) Wörterbuchkommission an der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften mitarbeiten, seit den 1990er Jahren Institut für Dialekt- und Namenlexika (DINAMLEX) genannt, heute Institut für Corpuslinguistik und
Texttechnologie (ICLTT). Die Wörterbuchkommission ist in der Zwischenzeit
von seiner ehemaligen Studentin und Schülerin Maria Hornung (1920-2010)
geleitet worden. Im Jahr 1964 wurde er dann Leiter der Wiener
Wörterbuchkanzlei, wo das „Wörterbuch der
bairischen Mundarten in Österreichs“ bearbeitet und herausgegeben wird.
1967 wurde er Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften.
Im Jahre 1958 wurde er auf den Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Wien berufen und unter seiner Patronanz sind dann eine ganze Reihe von Dissertationen zu allgemeinen und regionalen dialektologischen Themen entstanden. Einige von diesen Arbeiten habe auch ich immer wieder für meine Forschungen und Darstellungen zur Kärntner Mundart herangezogen. Hier hat mir auch meine gute Bekanntschaft und die Zusammenarbeit mit Kranzmayers bedeutendster Schülerin Maria Hornung viele Einblicke eröffnet, zumal ich Kranzmayer zwar persönlich gekannt habe (und während meines Studiums auch einige Vorlesungen besucht hatte), aber ich mich Kärntner Themen erst nach seinem Tod in den 1970er Jahren zugewandt habe. Maria Hornung habilitierte sich 1964 mit einer Arbeit zur „Mundartkunde Osttirols“ (Wien, Böhlau 1964) bei E. Kranzmayer im Fachgebiet „Ältere deutsche Sprache und Literatur mit besonderer Berücksichtigung der Mundartkunde“ und wurde dann im Jahre 1969 zur Titularprofessorin und 1980 zur außerordentlichen Universitätsprofessorin an der Universität Wien ernannt (bis zum Eintritt in den Ruhestand 1985). Das Interesse für die deutschen Sprachinseln in Norditalien und in Slowenien wurde bei ihr von E. Kranzmayer geweckt und dieses Thema sollte dann zu einem ihrer Hauptgebiete werden (auf diese gemeinsame Arbeit geht u.a. folgendes Werk zurück: Kranzmayer, Eberhard: Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Zarz/Sorica und Deutschrut/Rut in Jugoslawien, hg. von Maria Hornung u. Alfred Ogris [Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 68], Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten 1983).
Mundartkundlich
gesehen ist E. Kranzmayers Hauptwerk „Historische
Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes“ (Graz-Wien, Böhlau 1956. Mit 31 Karten zur Lautlehre und zur
Gliederung), auf ihn geht auch der
Begriff „Bairische Kennwörter“ in
der Dialektologie zurück (in seinem Buch Die bairischen
Kennwörter und ihre Geschichte. Graz-Wien, Böhlau 1960. – Die für Kärntnen
relevanten Kennwörter sind in meinem „Kleinen
Kärntner Wörterbuch“ [Klagenfurt, Heyn 2007] S. 20f. nachzulesen). Die Lautgeographie ist bis heute ein Standardwerk, das grundsätzlich
noch immer Gültigkeit hat, auch wenn jetzt manche Details anders gesehen
werden. Darin findet man nahezu jede lautliche Eigentümlichkeit der einzelnen
Mundarten. Für Kärnten typisch ist insbesondere die sogenannte „Kärntner Dehnung“ (z.B. wīsn ʻwissenʼ laut gleich
wie Wīsn ʻWieseʼ), der
Erhalt der Vorsilbe ge- vor
Verschlusslauten im Partizip Präteritum (z.B. i håb gebråcht/getrunkn
statt …bråcht/trunkn wie u.a. in
Wien) und das vorwiegend verbreitete ā (statt gemeinbairisch oa) für mittelhochdeutsches ei (z.B. klān ʻkleinʼ, hās
ʻheißʼ, in Wien ebenso, aber u.a. im Metnitztal, Görtschitztal so wie
in den meisten anderen bairischen Mundarten kloan,
hoas).
Für die Namenkunde ist das zweibändige „Ortsnamenbuch von Kärnten“ (2 Bände in: Archiv für vaterländische Geschichte und
Topographie 50 u. 52, Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten 1956-58. –
Ein „Bruder“ dieses Werkes ist Kranzmayer, Eberhard – Bürger, Karl: Burgenländisches
Siedlungsnamenbuch [Burgenländische Forschungen Heft 36]. Eisenstadt, Amt
der Burgenländischen Landesregierung 1957) nach wie vor ein Grundlagenwerk, auf
das alle nachfolgenden onomastischen Publikationen Bezug nehmen. Einige im
„Ortsnamenbuch“ vertretene Ansichten sind allerdings heute obsolet geworden (wie z.B.
Kranzmayers Deutung des Namens Kärnten als ʻLand der Befreundetenʼ,
vielmehr ist er vom Ulrichsberg ausgegangen, der einst den Namen Mons carentanus geführt hat, etwa ʻSteinberg,
felsiger Bergʼ), v.a. bezüglich des
Nachwirkens der durch das Lateinische bzw. Romanische vermittelten
vordeutschen/vorslawischen Namengutes. Die älteste Namenschicht wird in der
Fachliteratur heute „voreinzelsprachlich“ genannt. Sie umfasst jenes Namengut,
das wir keinem „Stamm“ oder „Volk“ und somit auch keiner „Sprache“ eindeutig
zuordnen können. Darunter finden sich auch einige, die in eine sehr alte Zeit
zurückreichen und nicht indogermanisch sind. Es sind aus den Alpen eine ganze
Reihe von Wörtern und Namen bekannt, die man als vorindogermanisch einstufen
muss, aber keiner Einzelsprache eindeutig zuordnen kann. Solche Relikte nennt
man in der Sprachwissenschaft Substrat,
also sehr altes Sprachgut, das erhalten blieb und in die jeweils nächste
Sprachschicht übernommen wurde. Dazu gehören u.a. Wörter wie Alpe, bairisch-österreichisch Ålm aus Alben, krapp- ‘Stein’ in
Krappfeld, weiters Gämse (über lateinisch camox) und Lärche (über lateinisch larix).
Daran schließt sich nun eine indogermanische Schicht an, die ebenfalls noch
nicht direkt einer bestimmten Sprache zugeordnet werden kann. Dies sind v.a.
die „alteuropäischen“ Gewässernamen unserer ältesten sprachlichen Vorfahren.
All diese Namen sind dann in der romanischen Periode erstmals greifbar und oft
auch belegbar. Diese sind dann der Romanisierung unterlegen – in den 400 Jahren
römischer Herrschaft über ein blühendes Land von größter wirtschaftlicher
Bedeutung. Erst das Eindringen der Awaren führte zum Untergang gehobener
Lebensformen und somit zum Abbruch der historischen Überlieferung, die mit dem
Auftreten der karantanischen Slawen (7./8. Jhdt.) und deren Christianisierung
wieder einsetzt.
E. Kranzmayer, der Altmeister der Kärntner Ortsnamenforschung,
hat in seinem Ortsnamenbuch eine
ganze Reihe von vorslawischen Namen aufgeführt; bezüglich des Romanischen war
er aber davon überzeugt, dass es östlich der Linie Linz-Villach kaum romanische
Ortsnamen gibt. Für Kärnten hat er westlich dieser Linie nur einige wenige
vorrömische bzw. romanische Toponyme akzeptiert und das vorbairische bzw.
vorslawische Namengut dem Keltischen u. „Illyrischen“ zugeschrieben, welche
beiden Sprachen noch nach der Völkerwanderungszeit in einigen Rückzugsgebieten
gesprochen worden sein sollen (in Oberkärnten sogar bis um 740). Inzwischen ist
es aber um das „Illyrische“ im alpinen Raum recht still geworden. Hingegen sind seine „Bergnamen Österreichs“ auch heute noch ein aktuelles Grundlagenwerk
– klein, aber fein (Die Bergnamen Österreichs. Wien, Verein
Muttersprache 1955, 2., erweiterte Auflage 1968 [nachgedruckt in den „Kleinen namenkundlichen Schriften“ S.
465-482]).
Hier nun eine kleine Auswahl weiterer Arbeiten:
Die Namen der Wochentage in den Mundarten von Bayern und Österreich (Arbeiten zur Bayerisch-Österreichischen
Dialektgeographie), Wien-München. Hölder-Pichler-Tempsky 1929.
Die wichtigsten Kärntner Ortsnamen. I. Das Zollfeld.(Veröffentlichungen des Instituts für
Kärntner Landesforschung der Universität Graz in Klagenfurt, Bd. 2),
Klagenfurt, Raunecker 1944.
Kärntner Bauernkost
und ihre Geschichte. In: Carinthia I, 139 (1949),
S. 448-462.
Der niederösterreichische Dialekt. In: Jahrbuch für Landeskunde. von Niederösterreich
31.(1954), S. 198-237.
Die österreichischen Bundesländer und deren Hauptstädte
in ihren Namen. Wien, Sexl 1956; 2.,
verbesserte Auflage, Wien, Verein Muttersprache 1970.
Kleine namenkundliche Schriften (1927 - 72), hg. von Maria Hornung, Praesens, Wien 1997 [enthält 54 namenkundliche
Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken sowie einige kleine Publikationen].