KARFREITAG
- der höchste evangelische Feiertag?

 

>O gewiss musste Adams Schuld geschehen, damit sie durch Christi Tod getilgt wird! O glückselige Schuld, die eines solchen Erlösers gewürdigt ward! 0 wahrhaft selige Nacht, da sich der Himmel der Erde und Gott sich den Menschen verbündet!<
So besingt das Exsultet, der große Lobgesang in der Osternacht, den Zusammenhang von Schuld und Erlösung, von Tod und Leben, von Kreuz und Auferstehung.
Ohne Schuld keine Erlösung, ohne Tod kein Leben, ohne Karfreitag kein Ostern!
Den ersten Christen war Ostern wichtig. Ostern macht die Wende vom Tod zum Leben deutlich. Darum wurde auch der Karfreitag bis zum 4. Jahrhundert nicht gottesdienstlich begangen. Es ist nur der Brauch des Trauerfastens am Karfreitag und Karsamstag zum Gedenken an den Tod und die Grabesruhe Jesu bezeugt. Ab dem 4. Jh. gingen die Christen den Weg zum Kreuz nach; d.h. sie begannen beim Hahnenschrei mit einer Prozession, gedachten der Gefangennahme, hörten das Evangelium vom Verhör Jesu vor Pilatus und ab acht Uhr am Morgen versammelten sie sich zur Verehrung des Kreuzes. Von Mittag bis zur Todesstunde um 3 Uhr feierten sie einen Wortgottesdienst mit vielen Lesungen, Gebeten und Gesängen und schlossen dann mit dem Evangelium von der Grablegung.
In der Frömmigkeit evangelischer Christen kommt dem Karfreitag ein besonderer Rang zu. Er gilt vielfach als der höchste Feiertag und als einer der wichtigsten Abendmahlstage. Der festliche Gottesdienst am Vormittag wird nach Möglichkeit kirchenmusikalisch gestaltet. Der Bedeutung des Karfreitags für die Evangelischen trägt sogar unser Staat Rechnung dadurch, dass der Tag für evangelische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Feiertag ist.
Ohne Karfreitag kein Ostersonntag, ohne Kreuz keine Auferstehung – das gilt in allen Kirchen. Diese Wahrheit kann man aber von beiden Seiten her betrachten und dadurch verschiebt sich der Blickwinkel ein wenig.
Gott ist so ganz anders als wir Menschen. Nicht Ruhm und Herrlichkeit, nicht Kraft und Macht, nicht Stärke und Schönheit sind es, die Gott als Gott ausweisen. Im Kreuz spitzt sich die Haltung Gottes zu, im Tod zeigt sich die bis ins letzte gehende Konsequenz des liebenden, menschenfreundlichen Gottes: er neigt sich nicht nur herablassend zu uns Menschen herunter, er wechselt mit uns die Position. In der Bibel (Philipper 2) heißt es, er wechselt mit uns seine Gestalt, ER wird Knecht, ER erniedrigt sich, ER übt Gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Darin beweist er seine Göttlichkeit, gerade in der tiefsten Tiefe, in der Bereitschaft, in die Haut derer zu schlüpfen, die Elend leiden, die ausgespottet sind und missachtet werden. Der Gott von uns Christen ist ein Gott mit uns Menschen in unserer Schuld, in unserer Angst, in unserer Ungewissheit, in unserem Leiden und unserem Tod. Nichts Menschliches ist diesem Gott fremd. Genau dadurch wird seine Herrlichkeit sichtbar, genau darin wird er erhöht, genau dadurch erweist er sich als Gott.
Die evangelischen Christen legen auf dieses Mitleiden Gottes mit uns Menschen den Akzent in ihrer Frömmigkeit, auf die „Sympathie“ Gottes mit uns. Wir könnten in Abwandlung des Exsultet singen: >o glückseliges Kreuz, das der Auferstehung gewürdigt ward<.

Ohne Karfreitag kein Osterfest, ohne Tod kein Leben. Wir evangelischen Christen sehen das Kreuz im hellen Licht von Ostern nicht als eine Verherrlichung des Leidens sondern als die Herrlichkeit Gottes im Leiden mit seiner ganzen Schöpfung, wie es im Exsultet heißt: >Nun freue dich auch, o Erde, erhellt vom strahlenden Licht – denn dies ist die Nacht, da Christus die Bande des Todes zerriss und als Sieger aus der Tiefe emporstieg!<

 

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